Ein Blick in die Sterne - Ein Blick in die Sterne
von Schattenfee
Als ich sie das erste Mal sah, rannte sie. Es war eine Frau meines Alters, ihre braunen Haare waren bereits von einigen grauen Strähnen durchzogen. Sie rannte, und der Wind zog an ihrem schwarzen Umhang.
„Tut mir Leid, ich bin zu spät!", japste sie als sie vor dem imposanten Tor, das den Eingang zum Schloss darstellt, stehenblieb.
„Und Sie sind....?", fragte ich, mich nicht lange mit Vorstellungen oder Begrüßungen aufhaltend.
„Charity Burbage. Die neue Lehrerin für Muggelkunde."
„Aha."
Ich ging durch das Tor und Charity Burbage folgte mir. Als sie die Eingangshalle erblickte, sagte sie: „Es ist so lange her das ich zuletzt hier war. Nichts hat sich verändert. Es ist immer noch so... beeindruckend!"
Ich werde nie verstehen, warum erwachsene Menschen beim Anblick einer großen, alten, mehr schlecht als recht beheizten Halle ins Staunen geraten. Charity Burbage machte auf jeden Fall sehr große Augen.
„Willkommen in Hogwarts", sagte ich mit sarkastischen Unterton und brachte die neue Lehrerin zu Dumbledores Büro.
Der Schulleiter würde ihr jetzt die Schulregeln erklären, ihr viel Glück wünschen und ihr dann die Schlüssel für ihre Räume geben. Ich machte mich aus dem Staub bevor man von mir erwartete, das ich Charity Burbage den Weg zeigte.
~*~
Das Schuljahr begann, und Miss Burbage schien gut zurechtzukommen. Zumindest hörte ich nichts gegenteiliges.
Am Mittwoch, dem zweiten Unterrichtstag, ging ich spätabends durch einen der immergleichen Korridore auf der Suche nach Schülern - am besten Griffindors - die draußen herrumschlichen und die ich bestrafen konnte.
„Severus, warten Sie!"
Hinter mir, wie aus dem Boden gewachsen stand Charity Burbage. Ich lächelte. Sieh an, inzwischen hatte sie sogar meinen Namen herausgefunden.
„Wissen Sie, Severus, ich suche den Astronomieturm. Professor McGonagall sagte, man könne von dort aus sehr gut die Sterne beobachten."
„Soll ich ihnen den Weg zeigen?" War ich derjenige der das gerade gesagt hat?
Ich brachte sie zum Astronomieturm, und wollte mich schon wieder umdrehen, als Charity es mit Smalltalk zu versuchen begann.
„Unterrichten Sie schon lange in Hogwarts?"
„Bald sind es sechszehn Jahre."
„Dann haben Sie hier sicher schon viel erlebt."
„Man könnte es so ausdrücken."
„Haben Sie Familie?"
„Nein."
„Oh."
„Und Sie?"
„Eine Tochter. Sie heißt Jillian."
„Schöner Name."
„Der Stern dort oben, ist das der Sirius?"
Ich zuckte bei der Erwähnung dieses Namens leicht zusammen, was Charity offenbar nicht bemerkte.
„Kann schon sein", sagte ich. „Sterne sind nicht mein Spezialgebiet."
„Meines auch nicht. Ich sehe sie mir aber gerne an."
Ein Moment Stille.
„Sie unterrichten jetzt also Muggelkunde?", sagte ich. Ich wusste selber nicht warum ich das Gespräch am Laufen hielt.
„Ja. Dieses Fach hat mich schon immer fasziniert. Meine Mutter war ein Muggel, müssen Sie wissen. Ich war schon als Kind von der Lebensweise ohne Magie fasziniert."
„Mein Vater war ein Muggel."
„Tatsächlich? Nun dann haben Sie Glück gehabt." Wer’s glaubt wird selig. „Die meisten Zauberer sind viel zu wenig mit der Lebensweise der Muggel vertraut. Muggelkunde sollte Pflichtfach sein. Ansonsten werden wir noch in hundert Jahren Probleme mit diesen mittelalterlichen Muggelhass haben."
Aha. Eine kleine Muggelfreundin also. Kein Wunder, bei ihrem Fach...
„Wie gefällt es Ihnen denn bisher in Hogwarts?"
„Sehr gut. Ich fühle mich wie in meine Kindheit zurückversetzt. Damals habe ich Hogwarts auch schon geliebt."
Wir saßen noch ein wenig da, in Schweigen gehüllt und blickten in die Weiten des Sternenhimmels.
Irgendwann hörte ich neben mir sehr gleichmäßigen Atem. Charity war eingeschlafen.
~*~
Wir trafen uns von da an oft in sternklaren Nächten. Meist saßen wir einfach nur da und beobachteten den Himmel. Ab und zu unterhielten wir uns über die Arbeit, über unsere Freizeit (nun, Charity redete von ihrer Freizeit - ich weis gar nicht ob ich so etwas besitze), über Charitys Kampf für die Rechte der Muggel.
Später überlegte ich oft, was wir eigentlich waren - Freunde?
Wir waren so unterschiedlich: Die Frau mit dem Traum einer gerechten Welt in der alle gleich behandelt werden, egal ob Muggel oder Zauberer und ich, der schlechtgelaunte, geheimnisvolle Schülerschreck der jede Illusion schon vor Jahren verloren hatte.
~*~
Dann kam die Veränderung, in Form von Dumbledores Wunsch (oder eher Dumbledores Befehl?) ihn zu töten.
Ich wusste das ich es tun würde, und niemand, absolut niemand durfte meine wahren Motive kennen. Niemand. Auch nicht Charity. Sie würde mich so hassen, wie alle anderen mich hassen würden.
Ich verabschiedete mich in einer sternklaren Nacht von ihr, mit den Worten „Bis zum nächsten Mal." Sie wusste nicht, das es kein nächstes Mal geben würde und das ich bald ein Mörder sein würde.
Das Wort „Lebwohl" ist am traurigsten wenn es nie ausgesprochen wird.
~*~
Der Angriff der Todesser auf Hogwarts erfolgte nachts, wie nicht anders zu erwarten.
Ich erfuhr das Dumbledore auf dem Astronomieturm war und das dies der Ort sein würde, an dem er sterben würde. Ausgerechnet dort.
Ich stürmte durch die lächerliche Barriere, die der Orden des Phönix nicht durchbrechen konnte und trat auf den Turm. Meine größte Angst war gewesen, Charity könne ohne mich hierher gekommen und mit den Todessern zusammengestoßen sein. Dem war zum Glück nicht so. Außer der Heulsuse Draco, den Carrows und Greyback - und natürlich Dumbledore - war niemand hier. Wenigstens etwas.
„Severus...bitte!"
Das war mein Stichwort. Ich trat vor, der Inbegriff des bösen Todessers und hob den Zauberstab.
„Avada Kedavra!"
Dann drehte ich mich um, und machte mich zur Flucht bereit. Ich war von jetzt an der Liebling des Dunklen Lords - und ein gesuchter Mörder.
~*~
Wir versteckten uns in Malfoy Manor, einem der ersten Orte an dem man uns vermutet hatte. Doch das Ministerium fand uns nicht, natürlich nicht. Den Dunklen Lord spürt niemand auf, wenn der Lord es bevorzugt versteckt zu bleiben.
Ich hatte seit meiner Flucht aus Hogwarts keinen Auftrag mehr erhalten - die Mordaufträge gab man jetzt anderen.
Also war ich sehr überrascht, als seine Lordschaft mich eines Tages zu sich rief.
Ich verbeugte mich und wartete auf meinen Auftrag.
Wortlos warf mir Schlangengesicht, wie ich Lilys Mörder heimlich nannte, eine Zeitung zu. Der Tagesprophet. Aha. Es ging also um die Beseitigung eines Schreiberlings.
„Auf Seite fünf.", sagte der Dunkle Lord mit kalter Stimme. Ich schlug die Zeitung auf und sah den Artikel den Schlangengesicht gemeint hatte:
Eine Frage des Gewissens
von unserer Sonderkorrespondentin Charity J. Burbage
Ich unterdrückte ein Stöhnen. Warum brachte sie sich so in Gefahr? Charity, ist das die Rache für das was ich getan habe? Bist du Lebensmüde?
Ich überflog den Artikel. Er beinhaltete alle Argumente die Charity bereits in unseren Gesprächen angeführt hatte. Es war ein guter Artikel. Es war ein provokanter Artikel. Es war ein Artikel der Menschen das Leben kosten kann...
„Was sagst du dazu, Snape?"
„Diese Frau beleidigt Euch und alle Reinblüter.", leierte ich herunter was Schlangengesicht von mir hören wollte.
„Diese Frau war Lehrerin für Muggelkunde ich Hogwarts."
Ich schluckte. „Ich weis."
„Wo lebt sie?"
Was hätte es für einen Sinn ergeben zu lügen, Charity? Was hätte es für einen Sinn ergeben?
„In Dover. Die genaue Adresse kenne ich nicht."
„Wir werden die Carrows zu ihr schicken. Du darfst gehen."
Ich verließ das Zimmer und fühlte mich wie der Verräter für den mich die ganze Welt hielt.
~*~
Ich sah sie sofort als ich den Raum betrat. Charity hing hoch über den Köpfen der versammelten Todesser, offenbar bewusstlos. Ich erkannte sie an dem von grauen Strähnen durchzogenen Haare und an ihrem Lieblingsumhang, den blauen den sie so oft getragen hatte.
Ich tat so als wundere mich der Anblick einer Frau die mit dem Kopf nach unten an einem unsichtbaren Seil hängt nicht weiter und setzte mich neben den Dunklen Lord.
Die ganze Zeit über versuchte ich, nicht nach oben zu sehen.
Er hatte Charity als Krönung aufgehoben, als Abschreckung und als Höhepunkt. Die Todesser lachten und schimpften als Schlangengesicht von ihren „Verbrechen" erzählte.
Charity sah mich aus vor Angst geweiteten Augen an.
„Severus... bitte...."
Das waren Dumbledores letzte Worte. Und Dumbledore war an dem Ort gestorben der unser Treffpunkt gewesen war...
„Hilf mir, Severus, bitte! Hilf mich! Lass nicht zu das sie...."
Es ist sinnlos dich retten zu wollen, Charity. Merkst du nicht das das hier auch mir wehtut? Denkst du ich wollte dich nicht retten, Charity? Hälst du mich für so grausam? Ich kann dir nicht helfen, wenn ich eingreifen würde, würde es heute Abend zwei Tote geben. Ich habe noch eine Aufgabe zu erfüllen, ich kann nichts tun Charity, sieh mich nicht so an!
Das grüne Licht erhellte den Raum und blendete mich. Ich hörte wie Charitys Körper auf den hölzernen Tisch fiel, leblos, tot. Vermutlich hast du noch nicht einmal den Aufschlag noch gespürt, Charity. Der Fluch wirkt sofort. Du hattest keine Schmerzen. Zumindest keine körperlichen...
„Lunch, Nagini.", sagte der Dunkle Lord und mir wird klar war die Schlange tun wird. Es tut mir Leid, Charity.
„Wenn das Ministerium erst in unsere Hände gefallen ist werden wir auch die kleineren Verräter fangen. Wie zum Beispiel die zwanzigjährige Tochter von Miss Burbage, die zur Zeit auf der Flucht ist..."
Am Tag nach der Eroberung des Ministerium schickte ich per Eulenpost einen Brief in die Aurorenzentrale und befahl, in meiner Rolle als Liebling des Dunkles Lords, das sämtliche Fahndung nach Jillian Burbage sofort eingestellt werden sollte.
Ich konnte nichts mehr für dich tun, Charity. Ich kann nur verhindern, das deiner Tochter das selbe geschieht.
Es tut mir Leid, Charity. Ein Doppelagent sollte keine Freunde haben. Da ist mir soeben klar geworden. Es tut mir Leid.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht
Samstag, 01.07.
Freitag, 02.06.
Mittwoch, 24.05.
Der Tod ist in allen sieben Büchern ein ganz bedeutendes Thema.
Joanne K. Rowling