von Dilli
"Nein... nein...nein", stammelte ich und taumelte zurück, den Blick immer noch auf das Glas mit der knallroten Flüssigkeit gerichtet. "Das kann nicht sein. Das darf nicht sein!"
Ich spürte den Rand des Bettes in meinen Kniekehlen und ließ mich fallen. Tränen liefen mir übers Gesicht. Oh mein Gott, was sollte ich nur tun? Mein Leben war ein Scherbenhaufen. Ich war schwanger und der Vater meines ungeborenen Kindes hatte mich verlassen. Schlimmer noch, er war ein Todesser und musste einen Menschen töten. Und wir würden nie mehr zusammen kommen, da sonst auch mein und das Leben meines Kindes in Gefahr war. Das konnte alles nicht wahr sein. Ich träumte, da war ich mir sicher. Das konnte nur ein Traum sein, denn so furchtbar konnte ein Leben doch nicht sein. Ich will sterben, einfach nur sterben, dann würden sich alle Probleme in Luft auflösen.
"Kate", hörte ich Hermines Stimme, doch ich konnte nicht reagieren. "Kate, ist alles in Ordnung mit Dir?"
"Nichts ist in Ordnung", schrie ich sie an und setzte mich ruckartig auf. Ich wusste, sie konnte nichts dafür, aber ich ließ einfach an der erstbesten meinen Frust heraus. "Verstehst Du denn nicht? Es ist alles aus! Mein Leben ist in Eimer. Ich erwarte ein Kind von einem Mann, der mich sitzen gelassen hat. Und es kommt noch schlimmer, denn ich kann es ihm nicht einmal sagen, da wir sonst beide und auch das Kind getötet werden, wenn er sich für uns entscheidet..."
"Wie meinst Du das", fragte Hermine verdutzt.
Oh nein, Kate, Du bist so dumm. Jetzt hast Du Dich auch noch verplappert. Super, klasse, tolle Aktion. Bravo, ein Sonderapplaus. Aber jetzt ist es auch schon egal!
"Draco Malfoy ist ein Todesser. Er hat den Platz seines Vaters eingenommen, oder besser, er wurde gezwungen, es zu tun."
So, es war raus. Jetzt kann man mich töten. Ich habe meine Schuldigkeit im Leben getan.
"Malfoy, ein Todesser", staunte Hermine ungläubig. "Kate, das kann nicht sein. Draco ist gerade mal volljährig und noch nicht einmal voll ausgebildet. Voldemort würde doch niemals..."
"Glaub mir, Hermine, es ist so."
"Woher willst Du das wissen? Hat er es Dir gesagt? Erzählen kann man viel, Kate, und das weißt Du auch. Wieso sollte V..."
"Warum hat er dann das Dunkle Mal auf seinem linken Unterarm?"
Jetzt war Hermine sprachlos. Sie sagte eine ganze Weile nichts mehr. Sie schaute nur resigniert drein.
"Seit wann weißt Du es", wollte sie schließlich wissen. Zurecht.
"Ich wusste es schon, bevor wir überhaupt zusammen gekommen sind."
"Und warum hast Du Dich dann auf ihn eingelassen?"
"Ich hatte mich in ihn verliebt."
"Aber, Kate, wie konntest Du nur. Ich meine, Du weißt doch, wie Todesser sind. Liest Du denn keine Zeitung?"
"Draco tut es doch nicht freiwillig. Lass es mich erklären."
Und ich erzählte ihr alles. Vom Anfang bis zum Schluss. Nur Dracos Auftrag ließ ich aus, ganz einfach, um uns alle zu schützen.
"Dann hatte Harry also recht", meinte Hermine schließlich.
Harry hatte die ganze Zeit schon so etwas vermutet, doch wir, und vor allem ich, hatten immer wieder versucht, ihn von dieser Sache abzubringen. Die anderen, weil sie dem ganzen keinen Glauben schenken wollten. Ich, weil ich Draco beschützen wollte.
"Ja, er hatte die ganze Zeit recht", seufzte ich zur Antwort.
"Kate, Du musst es ihm und Dumbledore sagen."
"Und wie bitte soll ich das sagen? 'Hallo, Professor Dumbledore. Übrigens, Draco Malfoy ist ein Todesser und ich habe es die ganze Zeit gewusst'. Das kann ich nicht, Hermine. Ich kann es nicht. Ich muss an mich und das Baby denken."
"Das ist wirklich schwer, Kate, aber Du musst es ihnen sagen. Um uns alle zu schützen."
"Aber Draco ist doch nicht freiwillig so. Er wird dazu gezwungen. Verstehst Du nicht, Hermine, er und auch ich, wir werden getötet, wenn Draco nicht weiter macht."
"Dumbledore kann euch beschützen."
"Ach und wie? Indem er uns versteckt? Du-weißt-schon-wer findet einen überall. Er hat Snape als Späher in unsere Reihen gebracht."
"Dumbledore vertraut ihm."
"Da liegt er aber falsch. Snape war es, der Draco und mich an V... Voldemort (ich schauderte, ich hasste diesen Namen) verraten hat. Er ist schuld, dass wir nicht mehr zusammen sind und dass ich jetzt allein erziehende Mutter werde!"
"Du willst das Kind also behalten."
"Ich töte nicht mein eigen Fleisch und Blut. Es kann schließlich nichts dafür, dass es entstanden ist."
Ich legte sanft die Hand auf meinen Bauch.
"Und was ist mit Draco? Wie denkt er über so etwas?"
"Ich habe keine Ahnung."
"Du solltest es ihm trotzdem sagen, Kate. Er hat ein recht darauf, zu erfahren, dass er Vater wird."
"Und wie soll ich das bitte anstellen?"
"Das musst Du selbst entscheiden. Aber sei so fair und sage es ihm. So weh es auch tun wird, wenn er sich vielleicht gegen euch entscheidet, aber wissen muss er es. Und, wer weiß, vielleicht kommt alles auch ganz anders."
"Ich hoffe, Du hast recht."
In der Nacht schlief ich sehr schlecht. Ich wälzte mich hin und her, schwitzte, fror und träumte wilde Sachen. Zuerst jagte mich Severus Snape mit einer riesigen Zange, dann erschien plötzlich Professor Dumbledore, der nur leicht den Kopf schüttelte.
"Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, Miss Miller", seufzte er. "Sie hätten es mir sagen müssen, sie hätten mir alles erzählen sollen."
"Aber wie bitte sollte ich das denn anstellen?"
Doch Dumbledore verwandelte sich in Hermine.
"Ich habe es Dir ja gesagt", höhnte sie.
Dann war da auf einmal Harry.
"Du und Malfoy", schrie er mich an. "Das war es mit unserer Freundschaft. Ich kann einer Todesserschlampe nicht ins Gesicht sehen."
So ging das immer weiter: Professor McGonagall, Hagrid, meine Eltern, meine Großeltern und plötzlich standen ganz viele Menschen um mich herum und lachten mich aus.
"Seht mal, ein Walross", rief eine Stimme.
"Boah, ist die fett", eine andere.
Ich sah an mir herunter. Ich hatte einen Babybauch. Oh mein Gott, wie kam denn das jetzt?
"Ich bin nicht dick, ich erwarte ein Baby", schrie ich verzweifelt, doch immer noch ertönten Worte wie "Fette Sau" und "Nilpferd" um mich herum. Diese Worte trafen mich zutiefst, aber nicht so sehr wie die Worte Dracos, der auf einmal vor mir stand.
"Ich will Dich und das Kind nicht", meinte er und hatte sein Todessergesicht aufgesetzt. "Ihr habt einfach keinen Platz in meinem Leben. Leb wohl!"
"NEIN, DRACO!"
Ich saß senkrecht im Bett. Scheiße, hatte ich das laut gesagt? Ich schwitzte am ganzen Körper. Ich sah mich um. Es war noch stockfinstere Nacht, aber für mich war an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich stand auf, zog mir meinen Bademantel über und ging hinunter in den Gemeinschaftsraum.
ich muss mit reden. Ich bin schwanger von Dir und...
Nein, nein, nein. So ein Mist aber auch. Das klingt, als würde ich betteln.
Und wieder ein Blatt Pergament, dass ich zusammenknüllte und in Richtung Feuer war. Da lagen jetzt schon mindestens 20 Papierkugeln. Was sollte ich nur schreiben, ohne dass es scheiße klang. Verdammt, war das schwer. Gibt es denn kein schlaues Buch, das einem in solch einer Situation helfen konnte. Vielleicht so etwas wie "Schwanger und wie man es seinem Ex beichtet" oder "Du, Schatz, da ist etwas in meinem Bauch". Nein, ich wüsste nicht, dass es so etwas gibt. Der beste Ratgeber lag oben im Bett und schlief tief und fest. Das einzig richtige, was man um halb fünf Uhr morgens tun konnte.
Wieder setzte ich an und wieder landete das Pergament im Kamin. Ich seufzte schwer und ließ meinen Kopf auf den Tisch fallen. Das gibt es doch nicht, so blöd konnte nicht einmal ich sein. Gut, einmal in Ruhe nachdenken. Sollte ich es ihm überhaupt sagen? Ja, da hatte Hermine recht, ich musste so fair sein. Aber sollte ich es denn schon in diesem Brief tun? Nein, zwingend notwendig war das nicht. Okay, das war doch schon mal ein Ansatz. Und "Lieber" oder "Liebster" würde ich auch nicht schreiben. Das war zu viel des guten.
Ich brauchte noch fünf Anläufe, aber um 6 Uhr hatte ich es schließlich geschafft und etwas halbwegs vernünftiges auf mein Pergament gebracht, mit dem ich leben konnte.
ich muss mit Dir reden. Ich würde Dich nicht darum bitten, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.
Können wir uns heute Abend in Myrtes Klo treffen? Sagen wir um 8 Uhr.
Bitte schicke mir eine Antwort.
Wenn Du mir nicht schreibst, dann weiß ich, dass ich mit meinem Problem alleine klar kommen muss.
In der Hoffnung, etwas von Dir zu hören,
Katherine
Ja, das klang vernünftig. Ich falle nicht gleich mit der Tür ins Haus, aber er weiß, dass ich ein Problem habe und das es mir schlecht geht. Wenn er mich vielleicht doch noch liebt, dann wird ihm das nicht egal sein.
Ich hatte absichtlich nicht den Raum der Wünsche gewählt, da ansonsten alte Erinnerungen hätten aufflammen können. Nein, danke! Deswegen steckten wir ja überhaupt in diesem Schlamassel drin.
Ich schlich nach oben in den Schlafsaal und holte mir etwas zum Anziehen. Zähneputzen nicht vergessen. Dann ging ich zurück und kniete mich neben den Kamin. Ich sammelte alle Fehlversuche ein und zündete sie an, damit auch niemand sehen konnte, was ich geschrieben hatte.
Ich machte mich danach gleich auf den Weg in die Eulerei, um Artemis meinen Brief zu übergeben, doch er war noch nicht von der nächtlichen Jagd zurück. Also wartete ich, bis er endlich kam und seine Feldmaus hinuntergeschlungen hatte.
"Artemis, das ist sehr wichtig", flüsterte ich ihm zu. "Bring das auf dem schnellsten Wege zu ihm, verstanden? Und lass Dich bitte nicht dabei erwischen. Sonst bin ich tot. Und wenn er nicht antworten will, dann zwing ihn meinetwegen dazu, hast Du mich verstanden?"
Meine Schneeeule schuhute und knabberte leicht an meinem Finger.
"Wenn doch alle Männer so wären", seufzte ich und sah zu, wie mein treuer Artemis davon flog. Auf ihn konnte ich mich wenigstens verlassen. Wenigstens einer....
Ich machte mich auf den Weg zum Frühstück. Es war immer noch verhältnismäßig früh und so war ich eine der ersten. Ich genoss meinen Kaffee (ich bin schwanger, aber noch nicht tot), aber essen konnte ich nicht, denn mir war schlecht und ich versuchte, nicht über den Tisch zu kotzen. Am Lehrertisch saßen nur Professor Dumbledore und Professor Flitwick. Alle anderen waren anscheinend noch in ihren Betten. Die hatten recht, denn langsam spürte auch ich die Müdigkeit aufkommen.
Nach einiger Zeit füllte sich die Große Halle, doch von meinen Freunden war noch nichts zu sehen. Aber Draco betrat sie und er schaute mich an. Er setzte sich auch wieder mir gegenüber. Irrte ich mich oder war das ein kleines Lächeln? Ein ganz klitzekleines vielleicht???
Dann kam die Post und als ich nach oben blickte, sah ich auch Artemis zwischen den vielen braunen und schwarzen Klecksen. Er stieß zu mir hinab.
Ich reichte ihm ein Stück Toast und nahm meinen Brief entgegen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Draco mich anschaute. Mit zittrigen Fingern entrollte ich das Pergament.
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