von rodriquez
„Avada Kedavra!“
„Expelliarmus!“
Der Knall der aufeinanderprallenden Flüche war vergleichbar mit einem Kanonenschlag, der Boden unter meinen Füßen bebte, meine Füße vibrierten.
Regungslos, atemlos und mit einen Flammenmeer in meinem Herzen sah ich gebannt dem Farbenspektakel zu.
Goldene Flammen loderten auf und markierten die Stelle zwischen Harry und Voldemort, wo die Zauber zusammenstießen.
Wie in einem Traum zog die Vergangenheit an mir vorbei, mit Harry und Tom verschwommen im Hintergrund.
Das erste Mal als ich Harry gegenüber stand, einem elfjährigen Jungen im Hogwarts - Express.
Ein Glas Cherry-Coke, ein strahlender Harry nach einem gewonnen was wäre wenn – Spiel, und seinem anschließenden Gewinn, einem unglaublichen Kuss in Little Whinging.
Der Tod von Sirius, und meine Hilflosigkeit.
Die Umarmung von Mom und Harry, bei der Ankunft in Kings Cross, kurz nach Sirius Tod.
Dumbledores Armee.
Ein gemeinsames Bad an meinem siebzehnten Geburtstag.
Der tote Dumbledore.
Mein eigener Sturz durch den Schleier in ein Glashaus, Sirius und Lily die mich retten.
Mein Erwachen, nackt in Harrys Armen.
Die Buche unserer Eltern am großen See, der Baum, der auch zu unserem Platz wurde.
James, Lily, Sirius, Mary und in der Mitte zwei juchzende kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen.
Der Traum von einer Hochzeit.
Die toten Freunde: Fred, Tonks, Remus, Mad-Eye.
Über mir lächelten die Nebelgestalten, aber ihre Konturen verblassten ganz langsam, Sirius strahlte und winkte mir ein letztes Mal zu, noch immer reflektierten sich die glutroten Strahlen der aufgehenden Sonne in den Augen aller.
Mit einem gigantischen Aufprall hatten sich Voldemorts grüner und Harrys roter Strahl vereinigt.
Meine Augen weit aufgerissen, und ich musste mit ansehen, wie Voldemorts Zauberstab aus seiner Hand gerissen wurde, in die Höhe flog, sich im Sonnenaufgang dunkel färbte, und dann quer durch alle Gesichter unser Liebsten am Himmel einen Weg bahnte, einen nach dem Anderen, nahm der Stab mit sich, alle hatten sie ein Lächeln auf den Lippen.
Ihre Zeit war gekommen, sie konnten in aller Ruhe gehen, und endlich ihren Frieden finden. Lily kam als Erste und ging als Letzte, sie fing den Stab und lenkte ihn in Richtung Harrys Hand.
Ich wagte nicht zu atmen, hielt die Luft an, es war als würde mir jemand Nase und Mund gleichzeitig zudrücken.
Ich hatte das Gefühl zu ersticken, aber ich wehrte mich nicht dagegen.
Was war geschehen?
Wie in Zeitlupe senkte sich Voldemorts Zauberstab nach unten, und schwebte direkt auf Harry zu.
Mit der unfehlbaren Sicherheit eines Suchers griff Harry mit seiner freien Hand zu, während Voldemort mit ausgebreiteten Armen nach hinten kippte, sich seine schlitzartigen roten Pupillen nach innen drehten, und Lily am Himmel verschwand.
Es war vorbei.
Harry hatte es geschafft.
Mit einer banalen Endgültigkeit schlug Tom Riddle aka Lord Voldemort auf dem steinernen Boden der großen Halle auf.
Zwei-, dreimal zuckte sein Körper, der völlig zusammengeschrumpft schien.
Seine leeren weißen Hände, das schlangenartige Gesicht ausdruckslos zeugten von der Endgültigkeit.
Voldemort war tot, getötet von seinem eigenen zurückprallenden Fluch, und Harry stand regungslos, mit zwei Zauberstäben in der Hand da und starrte auf die Hülle seines toten Feindes, des Mannes, der seine Eltern getötet hatte.
Es war mir völlig egal, ob die Nebelgestalten nur eine Fantasievorstellung, oder doch mehr waren. Alles was zählte, es war greifbar vor meinen Augen:
Harry stand in der Mitte der Halle, zwei Zauberstäbe in Händen, und Tom Riddle in seiner jämmerlichen Gestalt lag tot zu seinen Füßen.
Ein seltsames Gefühl beschlich mich:
Nichts wird mehr so sein, wie es war.
Vorbei.
Vorbei die Zeit, in der wir gemeinsam unterwegs waren.
Es würde nie mehr so sein.
Warum gerade jetzt?
In der Halle war es Totenstill, dann brach wie auf Kommando ein unbeschreiblicher Lärm los.
Mein Atem setzte wieder ein.
Jubelschreie wo man nur hinhörte, sich sonst fremde Menschen lagen sich in den Armen.
Alle rannten wild durcheinander, doch bevor irgendjemand reagieren konnte, war ich es, die auf Harry zustürmte, mit ausgebreiteten Armen schwebte ich auf ihn zu.
Im Appariertempo hatte ich ihn erreicht, schlang meine Arme um seinen Hals.
Ein kurzer Augenblick, den ich als Erste genießen durfte, dann war er unter einer Menschentraube verschwunden. Alle stürmten auf ihn zu, und drängten ihn von mir weg.
Jeder wollte ein Stück von ihm, ihn berühren, ihn anfassen, ihn, der uns vor der größten Bedrohung rettete, die die magische Welt je erfahren hatte.
Überglücklich zog ich Ron am Arm, und führte ihn an der Menschentraube vorbei, er war unmittelbar nach mir bei Harry angekommen, dann Ginny, den Rest nahm ich nicht mehr wahr, es war egal.
Alles war jetzt egal, ich fühlte mich noch nie so leicht.
Nachdem wir uns vor der Menschenmenge in Sicherheit gebracht hatten, schlang ich meine Arme um Ron, und küsste ihn.
Glückseeligkeit pur, die unsicher erwidert wurde.
Doch was war jetzt das?
Überrascht und erschrocken löste sich Ron von mir, nahm mich bei der Hand und führte mich aus der großen Halle.
Endlich allein, machten wir dort weiter, wo wir aufgehört hatten, doch dieses Mal war ich es, die abrupt abbrach.
Ein seltsames Gefühl durchzuckte meine Gedanken, wie ein einschlagender Blitz.
Etwas verwirrt blickte Ron in meine Augen, die ausdruckslos durch ihn hindurchstarrten.
Wortlos, ohne eine Miene zu verziehen, griff Ron nach meiner Hand, und Hand in Hand schlenderten wir zurück in die große Halle.
Einige Tische und Bänke waren zusammengeschoben worden, überall saßen Schüler und Familien zusammen, trauerten um die Toten, und freuten sich gleichzeitig, dass es endlich vorbei war, dass sie ihre Freiheit hatten und positiv in die Zukunft schauen konnten.
Würde ich das auch können?
Nichts wird mehr so sein, wie es war.
Wie würde Harrys Zukunft aussehen?
Würde ich darin eine Rolle spielen?
Noch immer sträubte sich ein kleiner Teil in meinem Innern, diese Rolle so auszumalen, wie ich es mir wünschte.
Ich wünschte mir, dass auch meine Mom hier gewesen wäre, und Dad, oder Sirius.
Wenigstens war ich mir sicher, dass es ihnen gut ging.
Irgendwann, wenn ich wieder normal atmen könnte, würde ich sie in Australien besuchen, vielleicht zusammen mit meinen Freunden.
Der Rest der Weasleyfamilie hatte einen Tisch gefunden, unverkennbar ihre roten Köpfe, die zusammenstanden, und sich gegenseitig umarmten.
Ron und ich waren die Letzten, die bei ihnen eintrafen.
Stetig stieg die Sonne ein Stück höher am Horizont, der Raum war hell erleuchtet.
Sonnenstrahlen erhellten nicht nur den Raum, sondern auch viele Herzen.
Einer nach dem anderen herzte mich, Bill, Fleur, George, Mr. und Mrs. Wesley, Ginny.
Nur einer fehlte.
Dieser Eine saß erschöpft auf einer Bank neben Luna, und schien wirklich froh zu sein, nur noch in ihrer Gesellschaft zu sein.
„Fred wäre mit Sicherheit stolz auf unseren Harry gewesen“, es war George, der Ginny umarmt hatte.
Ginny sah über seine Schulter hinweg, und lächelte mir kurz gequält zu, sie musste bemerkt haben, wo gerade meine Blicke, meine Gedanken waren. Sie vergewisserte sich, indem sie ihren Blick dahin richtete, von wo ich meinen gerade gelöst hatte.
George konnte fast schon wieder lächeln, „es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis ich es verkraftet habe, wahrscheinlich werde ich es nie ganz verkraften, aber jetzt weiß ich, dass Freds Tod nicht umsonst war!“
Ganz still und allein in einer Ecke, erkannte ich die Malfoys, Narcissa wiegte immer wieder Dracos Kopf in ihren Händen, auch Lucius machte einen erleichterten Eindruck.
Ginny löste sich von George und ging auf die verhasste Familie zu, ich schloss mich ihr an.
Lucius beobachtete beschämt den Boden unter seinen Füßen, Draco befreite sich aus den Fängen seiner Mutter, und lächelte uns undefinierbar zu.
„Hat es euer Potter also tatsächlich doch geschafft.“
„Hast du mir etwa nicht geglaubt?“ lächelte ihm Ginny triumphierend entgegen.
„Was kommt jetzt?“ fragte er.
„Ich für meinen Teil, werde unsere Abmachung einhalten“.
Für einen kurzen Moment ähnelte Draco sehr stark seinem Vater, sein Blick war zu Boden gerichtet, und verlegen scharrte er mit seinen Füßen den Staub zusammen.
Welche Abmachung?
„Du wirst mit Sicherheit auch noch Hilfe von Anderen bekommen, ob du es verdient hast, ist ein anderes Thema, aber das Wichtigste war, dass du im richtigen Moment, die richtige Entscheidung getroffen hast.“
Dracos Blick war immer noch auf den Boden gerichtet.
„Alles Gute Draco“, wünschte ihm Ginny.
„Würdest du auch die Hand eines Schlammblutes annehmen?“ fragte ich zu seiner völligen Überraschung, und streckte ihm meine Hand entgegen.
Draco blickte auf, lächelte und gab mir seine Hand.
Er drückte fest zu und zog mich zurück, als ich mich wieder lösen sollte.
„Wir waren uns nie grün, und werden es wohl auch nie sein, aber deine freundliche Geste macht mir Mut und zeigt mir, dass jetzt alles gut wird. Danke Granger, aber verrate es niemandem weiter“, grinste er.
„Oooh, schaut mal, ein Schlibbriger Summlinger!“
Lunas lauter Aufschrei erweckte Aufmerksamkeit.
Alle die es hörten, drehten sich nach ihr um, doch ich sah, wie in diesem Moment, verstrubbelte schwarze Haare unter einem Tarnumhang verschwanden.
Luna, so naiv, und dennoch so direkt in ihrer Auffassungsgabe hatte Harry einen Rettungsanker zugeworfen.
Ginny lächelte still vor sich hin, also hatte auch sie es bemerkt.
Aufatmend setzten wir uns zurück an den Tisch der Weasleys, nur kurze Zeit später verspürte ich einen schwachen Luftzug in meinem Rücken, und Ginny quiekte erschrocken auf. Noch während ich prustete, widerfuhr mir das Gleiche. Eine unsichtbare Hand hatte mir in die Seite gezwickt, wie von der Tarantel gestochen schoss ich in die Höhe und schrie empört: „Harry!“
Entsetzt sah mich Ron an, ich zuckte unschuldig mit den Schultern und lächelte zurück.
„Ich bin’s“, flüsterte eine unsichtbare Stimme und eine unsichtbare Hand drückte mich sanft zur Seite.
Harry kauerte sich zwischen Ron und mich. „Kommt ihr mit?“
Ohne zu zögern standen wir auf und verließen gemeinsam die Große Halle, vorbei an Neville, der das Schwert von Gryffindor neben seinem Teller liegen hatte, und inmitten einer Traube von glühenden, weiblichen Bewunderern saß. Er winkte uns freudig zu, als wir ihn grüßend passierten.
Aus der Marmortreppe wurden große Stücke herausgerissen, Teile des Geländers waren weg, und alle paar Schritte auf der Treppe nach oben, mussten wir Trümmer und Blutflecken ausweichen.
„Ich schulde euch noch eine Erklärung“, sagte Harry am Ende der Treppe, während er seinen Tarnumhang ablegte, wir liefen einfach darauf los, ohne Ziel, nur weg von dem Trubel.
In allen Einzelheiten schilderte er uns, was er im Denkarium gesehen hatte, und was anschließend im verbotenen Wald geschehen war.
Harry sah mir während er Snapes Erinnerungen erklärte, mehrfach erwartungsvoll in die Augen, und beließ es bei einer Kurzform dieser mir bekannten Szenen, dankbar nickte ich ihm zu.
Ich war noch nicht dazu bereit mit Ron darüber zu erzählen.
Nichts wird mehr so sein, wie es war.
Und ich wollte erst noch ein paar Dinge geklärt haben.
„Also doch, Snape!“ tönte Ron, nachdem Harry erwähnte hatte, das es Snape war, der die Prophezeiung an Voldemort verraten hatte. „Dieser, dieser…“
„Warte doch erst einmal ab“, bat ich ihn ungeduldig um Ruhe, verstummte aber, als er mich fragend ansah.
Erwartungsvoll und traurig sah Harry, nach dem er die Schilderung der Denkariumsszene beendet hatte, von Ron zu mir. „Es tut mir leid, in diesem Moment wusste ich was meine Aufgabe war. Snapes Erinnerung war das letzte fehlende Puzzelstück, und ich musste diesen letzten Weg alleine gehen, ohne euch, so machte ich mich auf den langen Weg, den ich allein gehen musste. Ihr hättet es nicht verstanden und versucht mich abzuhalten“, dabei verharrte sein Blick auf meinen Augen.
„Unterwegs in den verbotenen Wald, unter dem Tarnumhang traf ich auf Ginny, und wäre fast gestrauchelt, wie gerne hätte ich angehalten, es ihr erklärt, aber mir war klar, dass ich tun musste, was man von mir erwartete. Dennoch musste ich den Weg nicht alleine gehen. Kurz vor dem Waldrand spürte ich wieder die klamme Kälte der nahen Dementoren, gleichzeitig wurde mir aber klar, was die Inschrift bedeutete, die kurz auf dem von Dumbledore vererbten Schnatz erschienen war: Ich öffne mich zum Schluss. Ich presste ihn gegen meine Lippen und flüsterte, dass ich jetzt sterben werde, der Schnatz öffnete sich.“
„Der Stein der Auferstehung!“ schrie ich auf.
Harry nickte.
„Ich drehte ihn dreimal in meiner Hand und bekam vier Begleiter auf meinem Weg zu Voldemort.“
„Lily, James, Sirius und…?“ zählte ich laut mit.
„Remus“, vervollständigte Harry. „Sie kamen mir strahlend entgegen, waren weder Gespenst noch aus Fleisch und Blut und nahmen mich in ihre Mitte. Mein Dad war genauso groß, wie ich“, schwärmte Harry. „Er trug die Kleider in denen er gestorben war, und sie waren alle jung, viel jünger, als wir sie erlebt haben … zumindest Sirius und Remus“, fügte er verträumt hinzu.
Einen kurzen Moment blieb Harry stehen und sah mich mit glänzenden Augen an. „Sirius – war groß und richtig hübsch, er lief lässig neben mir her, mit federnden Schritten und beiden Händen in den Taschen“, ein Lächeln schlich sich auf Harrys Gesicht, und ich konnte Sirius in seinen Augen erkennen. Noch einmal sah Harry seine Begleiter vor Augen. „Und Remus erst, dichtes, dunkles Haar, richtig Anmutig und glücklich sah er aus. Aber das breiteste Lächeln von allen hatte Mom in ihrem Gesicht, sie strich ihr langes Haar zurück und ihre grünen Augen funkelten, als sie näher kam. Du bist so mutig, bewunderte sie mich, und mein Dad ergänzte, du bist fast am Ziel. Ganz nah, wir sind so stolz auf dich. Tut es weh? Meine Frage war kindisch, aber…“
„Das war nicht kindisch, Harry. Das sind normale Gedankengänge in solch einem Augenblick. Das war wirklich sehr, sehr mutig von dir.“
Ich konnte nicht anders, als ihn bewundern.
So viel Mut.
Niemand sonst hätte das gekonnt.
„Sterben? Fragte Sirius, überhaupt nicht, schneller und leichter als einschlafen.“
Fast hätte ich es unbewusst bestätigt, ein schwaches Nicken konnte ich dennoch nicht unterdrücken.
Es wäre ganz einfach gewesen…
„Ich entschuldigte mich bei allen, ich wollte nicht, dass sie sterben. Besonders Remus bedachte ich mit Traurigkeit. So kurz nachdem sein Sohn geboren war … Mir tut es auch leid, erwiderte Remus, mir tut leid, dass ich ihn nie kennen lernen werde, aber er wird wissen, warum ich gestorben bin. Sie waren ein Teil von mir, für jeden anderen unsichtbar“, Tränen standen Harry in den Augen. „Bis zum Schluss werden wir bei dir sein, erklärte mein Dad. Ich hatte erkannt, was es heißt, den Tod zu besiegen, ich hatte keine Angst mehr, die Kälte der Dementoren machte mir nichts aus, weil ich den Tod akzeptiert hatte, waren sie keine Bedrohung mehr. Wir folgten zwei Todessern, die mich, unbeachtet, zu ihm führten. Ich verstaute meinen Zauberstab in meinem Umhang, und dachte unerklärlicherweise an Ginny, und der Liebe, die ich durch sie erfahren durfte. Ich sah nur noch wie Voldemort seinen Stab erhob, seinen Mund bewegte, dann einen Blitz grünen Lichts, und ich hatte es überstanden.“
Rons Mund stand offen, und ich erkannte die Gefahr, der er sich widersetzt hatte, die Liebe hätte ihn wirklich getötet, aber mir war auch klar, dass er auch mich hätte sehen können, wenn ich mich nicht so stur dagegen gewehrt hätte. Erfolgreich gewehrt hätte.
Es hatte also auch sein Gutes, dass ich mich meinen Gefühlen widersetzt habe.
Niemals wären wir, wäre Harry, soweit gekommen.
Wir waren mittlerweile an einem Ort angekommen, zu dem wir bewusst gegangen waren, auch wenn keiner das Ziel erwähnt hatte.
Der Wasserspeier stand auf schiefen Beinen und ließ uns passieren.
Wir kletterten über ihn hinweg auf die steinerne Wendeltreppe, die sich langsam, wie eine Rolltreppe nach oben bewegte.
Oben angekommen fiel mein erster Blick auf das Denkarium, das immer noch an der gleichen Stelle stand, wie wir es verlassen hatten.
Ein unwahrscheinlicher, ohrenbetäubender Lärm brach los.
Erschrocken sahen wir uns um, und stellten überrascht fest, dass man uns Applaus spendete.
Die Schulleiter in ihren Portraits waren alle aufgestanden und gaben stehende Ovationen.
Harry beachtete sie kaum, genau wie ich. Wir hatten nur Augen für den Mann, der in dem größten Portrait direkt hinter dem Stuhl des Schulleiters stand.
Unter seiner Halbmondbrille tropften Tränen in seinen langen silbernen Bart hinab.
Balsam auf die Seele, wie der Gesang des Phönix.
„Das Ding, das in dem Schnatz verborgen war“, begann Harry und ging näher an Dumbledore heran, „das habe ich ihm Wald fallen lassen. Ich weiß nicht genau, wo, aber ich werde nicht mehr danach suchen. Sind sie einverstanden?“
„Mein lieber Junge, ja“, sagte Dumbledore. „Eine weise und mutige Entscheidung, aber nicht weniger, als ich von dir erwartet hatte.“
„Das Geschenk von Ignotus werde ich allerdings behalten“.
„Aber natürlich Harry, er gehört für immer dir, bis du es weitergibst!“ strahlte Dumbledore.
„Und dann ist da noch der hier.“ Harry hielt den Elderstab empor. „Ich will ihn nicht haben.“
„Was?“ sagte Ron erschrocken. „Bist du verrückt?“
Ich dachte das Gleiche und sah ehrfurchtsvoll auf den Elderstab.
„Ich weiß, er ist mächtig“, erklärte Harry. „Aber mit meinem eigenen war ich glücklicher. Also …“. Harry kramte in seinem Brustbeutel, holte die zwei Hälften seines eigenen Stabes heraus, legte sie vor sich auf den Tisch und schwang den Elderstab ein letztes Mal.
„Reparo!“
Harrys Stab setzte sich wieder zusammen, und rote Funken stoben aus seinem Ende hervor.
„Der Elderstab“, sagte Harry wieder an Dumbledore gewandt, „bringe ich wieder dorthin, wo er herkam. Dort kann er bleiben. Wenn ich eines normalen Todes sterbe, wird seine Macht gebrochen sein, nicht wahr? Der letzte Herr ist dann nie besiegt worden. Das wird sein Ende sein.“
Dumbledore nickte und lächelte.
„Bist du sicher?“ fragte Ron mit einer Spur Wehmut, und ausgestreckter, zitternder Hand.
„Ich glaube, Harry hat Recht“, kam ich zur Besinnung.
„Ich freue mich jetzt nur noch auf mein Himmelbett, und vielleicht auf einen kleinen Snack von Kreacher“, verabschiedete sich Harry, drehte uns den Rücken zu, und verließ, alleine, das Büro des Schulleiters.
Ron streckte mir seine Hand entgegen, und forderte mich damit zum Gehen auf.
„Würdest du mich noch einen kleinen Moment entschuldigen?“ fragte ich Ron, der mich ungläubig anblickte. „Bitte, ich brauche noch einen Moment allein mit Dumbledore ... Es geht um meine Eltern“, fügte ich beruhigend hinzu, nachdem mich Ron immer noch mit seltsamen Blicken musterte.
Schließlich nickte er, und ging ebenfalls nach draußen.
„Darf ich sie noch etwas fragen, Sir?“ richtete ich meinen Blick zurück auf Dumbledores Portrait.
Er nickte mir bestätigend zu.
„Was ich mich schon immer frage, Sir, war es von ihnen geplant, dass Harry und ich ein Team wurden, oder war es eine Vorbestimmung.“
Dumbledore lächelte erleichtert.
Hatte er eine andere Frage erwartet?
„Mein Kind, es war nicht geplant. Als ich euch zum ersten Mal sah, überlegte ich wirklich für einen Moment euch direkt zu trennen, aber dann spürte ich das enge Band, das euch schon an eurem ersten gemeinsamen Tag in Hogwarts verband, und ich beschloss es nicht zu durchtrennen, und es war die beste, spontane Entscheidung, die ich je getroffen habe.“
„Danke, Sir, für ihre Ehrlichkeit“, einen Moment funkelte ich ihn an.
„Bei Gelegenheit komme ich mit der Frage auf sie zurück, mit der sie eigentlich gerechnet haben.“
Dumbledores Lächeln wurde breiter, verzog sich aber sofort wieder.
„Hermine, du warst das Beste was Harry passieren konnte. Ich bewundere deinen Mut, ja, deinen Mut. Es ist genauso mutig, das eigene Herz sterben zu sehen, als tatsächlich zu sterben. Du bist die klügste Schülerin, die Hogwarts je gesehen hat.“
„Abgesehen von meiner Mom“, blitzte ich zurück.
Für meine eigentliche Frage war ich selbst noch nicht bereit, deswegen unterdrückte ich den Drang nach Aufklärung.
Erst musste ich noch ein paar wichtige Angelegenheiten im Vorfeld klären.
Ron wartete am Wasserspeier auf mich, fragte nicht nach, auch wenn ich seine Neugier spüren konnte.
Hand in Hand machten wir uns wieder auf den Weg nach unten.
Stolz lief er neben mir her, und insgeheim freute ich mich darüber.
Endlich nahm er ungeniert meine Hand, wie lange hatte er dazu benötigt?
„Da ist ja Harry!“ rief Ron plötzlich. „Ich dachte er wollte ins Bett?“
Wie auf Kommando schlug ein Blitz in meinen Kopf ein, als ich sein Gesicht vor mir sah.
Mein Gott, was war jetzt los?
Gerade fühlte ich mich noch glücklich.
Mein Herz blieb fast stehen, schlagartig waren die Gedanken wieder da.
Er kommt näher!
Er kommt auf uns zu gelaufen!
Wieso bleibt gerade jetzt dein Herz stehen?
In seinem Gesicht konnte ich nichts ablesen, sein Kopf war weder gesenkt, noch erhoben, er wirkte nur irgendwie verwirrt.
Instinktiv löste ich mich von Rons Hand, griff in meine Perlentasche, und holte eines der letzten Kirschdrops aus der Geschenkdose zu meinem Siebzehnten heraus.
Ich brauchte einen anderen Geschmack, denn ich nahm mir fest vor, ihn gleich, spontan zu küssen.
Ich wollte ihn küssen?
Ja, das wollte ich, und ich musste es tun.
Mit diesem Gedanken, mit diesem festen Entschluss näherte ich mich ihm.
Nichts wird mehr so sein, wie es war.
Ich werde ihn küssen und das vor Ron.
Es sollte ein freundschaftlicher Kuss werden.
Freundschaftlich oder doch mehr, als das?
Ich brauchte Gewissheit.
Jetzt, in diesem Moment!
Ich tue es.
Mein Gott, es kribbelt im ganzen Körper, alles schmeckt nach Kirsche.
Ob er etwas bemerkt hat?
Was er wohl in diesem Moment dachte?
Und da war es wieder, dieses Gefühl, diese Gedanken, ungewöhnlich für diesen Augenblick, die Situation, aber nicht ungewöhnlich, wenn es nach meinem Herzen ging.
„Was war jetzt das?“ fragte Ron unverständlich, als Harry wieder seinen Weg fortsetzte.
„Ein Dankeschön“, antwortete ich ihm abwesend.
Meine Augen folgten Harry, der nur ein paar Meter weitergekommen war, weil Ginny langsam auf ihn zu trat.
Sie sprachen kurz miteinander, doch irgendwas an seiner Körperhaltung störte mich, irgendetwas stimmte nicht.
Er wirkte reserviert, seltsam reserviert und fast hätte ich es als Ablehnend bezeichnet, doch dann setzte mein Herz erneut aus. Sie küssten sich, und wütend über mich selbst, wandte ich ihnen den Rücken zu, packte Ron fest am Arm, und zog ihn hinter mir her, „komm, gehen wir wieder nach unten.“
Ich fand aber keine Ruhe, andauernd musste ich an den Kuss denken, sowohl an meinen als auch an Ginnys. Noch immer spürte ich seine Lippen, wie ein brennender Vulkan in meinem Gesicht.
Und dann war da seine Körperhaltung, ich konnte sie mir nicht erklären, sie gab mir Rätsel auf.
War es nur Einbildung?
Was war da los?
War es etwa wegen mir?
Liebt er Ginny etwa nicht mehr?
Oder war es, weil er wusste, dass wir ... ich zusah?
Ich brauchte Gewissheit, ein Gespräch mit Ginny war angebracht.
In der großen Halle hatte sich nicht viel verändert, überall saßen kleinere Gruppen zusammen, meist Familien, wie die Weasleys.
Ministeriumsbeamte waren dabei die Toten, und die Verletzten zu bergen.
Mr. Weasley stützte seine Frau, die immer noch schluchzend und sehnsüchtig auf ihren toten Sohn hinab sah, dessen zweites Ich wieder neben ihm kniete und mit seinem Körper vor und zurück schwankte. Fleur hatte ihren Kopf gegen den Hals von Bill gelehnt.
Still und nachdenklich setzte ich mich neben Ron auf einen der freien Stühle.
Ron versank in Schweigen und starrte mit leerem Blick über den Tisch.
Auch meine Blicke waren starr, aber sie wanderten umher, planlos ohne Ziel, durch viele Menschen schaute ich einfach hindurch, genau wie meine Gedanken.
An einigen Tischen wurde fröhlich geschnattert, überall saßen Menschgruppen zusammen, andere wiederum trauerten um ihre Lieben, das alles prallte an mir ab, ich nahm nur noch die Geräuschkulisse wahr.
„Harry wird einfach nicht zur Ruhe kommen, daran wird sich nie etwas ändern“, die Worte prallten gegen meinen Kopf, kopfschüttelnd und überrascht schaute ich Ginny mitten ins Gesicht. Von mir unbemerkt hatte sie sich angenähert, und schaute mir über die Schulter. Ihre Erklärung, so wie ihr Ausdruck waren völlig emotionslos.
„Wie kommst du darauf?“ hakte ich nach.
„Eigentlich dachte ich, dass Harry sich hinlegen wollte, so hundemüde wie er aussah, doch das war irgendwie völlig verflogen, als plötzlich Kingsley vor uns stand“, der zweite Teil des Satzes hatte eine sehr ironischen Unterton.
Bei mir schrillten die Alarmglocken.
„Ganz, ganz langsam, was ist los?“, fragte ich nach, und versteckte so gut es ging, meine Nervosität.
Meine Hände fühlten sich schweißig an, und begannen zu zittern.
„Auf Jedenfall war Harry dann gar nicht mehr müde…“, erst jetzt schien Ginny meine Frage aufzugreifen, „er wäre am liebsten direkt mit Kingsley los...“
„Kingsley? Ganz langsam, zum mitschreiben ... Was wollte Kingsley?“ wiederholte ich fassungslos.
Doch Ginny winkte enttäuscht ab, neigte mit angewidertem Blick ihren Kopf zur Seite, und setzte sich neben Ron auf einen freien Platz. „Hermine ganz ehrlich, es ist das erste Mal, dass ich absolut kein Interesse daran habe zu wissen was vor sich geht.“
Was wollte Kingsley von Harry?
Wenn er persönlich zu Harry geht, dann muss etwas geschehen sein.
Wieso sonst sollte Kingsley ausgerechnet jetzt, Harry aufsuchen?
Automatisch fiel mein Blick in eine entfernte Ecke der großen Halle, zu der Stelle wo Tom Riddle mit entscheidender Wirkung zu Boden sackte.
Sein toter Körper lag noch an der gleichen Stelle, und die Menschen liefen an ihm vorbei, als hätte es ihn nie gegeben.
Was wollte Kingsley von Harry?
Ist Harry etwa schon wieder unterwegs?
Provokativ begann ich mehrfach in unregelmäßigen Abständen zu gähnen, sehr herzhaft versteht sich, so dass es jeder verstehen würde.
Nach etwa fünf Minuten, in denen sich sekündlich, immer mehr Hummeln in meinem Hintern bildeten, stand ich schließlich zitternd auf, und murmelte, „ich leg mich ein wenig aufs Ohr“.
Hoffentlich bemerkt niemand meine Unruhe, dachte ich in diesem Moment.
Niemand schien es sonderlich zu interessieren, niemand nahm Notiz, auch nicht Ron, der mir nicht einmal mit einem Kopfnicken bestätigte mich verstanden zu haben.
So stand ich einfach auf, durchquerte die große Halle und beim Betreten der Marmortreppe nach oben, hatte ich die nächste seltsame Begegnung, in der Gestalt von Lavender Brown.
Trotz eines nervösen Zuckens, bei meinem Anblick, und ihrer überreifen tomatenähnlichen Gesichtsfarbe, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sprach mich an.
„Hermine, warte bitte einen Moment“, ihre Nervosität war in dem Moment verflogen, als sie meinen Arm berührte um mich aufzuhalten. „Ich konnte mich noch gar nicht dafür bedanken, dass du mir das Leben gerettet hast.“
„Du brauchst dich nicht zu bedanken, das war selbstverständlich, das hätte jeder getan.“
„So selbstverständlich auch nicht, vor allem, nachdem, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe.“
„Wie hast du dich denn verhalten?“, einen Moment sah ich sie herausfordernd an, doch sie verlor ihre Fassung nicht.
Sie wirkte für meinen Geschmack, sogar erheblich reifer. „Lavender, wir sind alle noch jung. Du warst Rons erste Freundin, er vielleicht auch dein erster Freund. Eifersucht ist kein Verbrechen.“
„Trotzdem möchte ich mich bei dir bedanken, und mich gleichzeitig entschuldigen.“
„Angenommen“, es entlockte mir ein Lächeln. „Auch wenn du weder das eine noch das Andere hättest tun müssen. Es war für mich überhaupt keine Frage dir zu helfen, und unser Streit...“, ich zuckte abwinkend mit meinen Schultern.
„Darf ich ... würde es dir...“, stotterte sie, und ich hatte sofort verstanden.
Ron war ihr Freund, und ich sah keinen Grund, warum sie nicht mit ihm reden dürfte.
„Geh nur, er sitzt am Tisch seiner Familie“
“Ich möchte ihm nur mein Beileid aussprechen...“.
Ich stieg die Stufen weiter empor, schlüpfte durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum und betrat ohne Nachzudenken, die Stufen zu den Jungenschlafsälen.
Seine ungekämmten schwarzen Haare stachen mir sofort ins Auge, als ich den richtigen Schlafraum betrat.
Harry war also geblieben, er lag auf dem Rücken und atmete gleichmäßig durch, die Augen geschlossen. Mit leisen Schritten näherte ich mich seinem Bett.
Auf seinem Nachttisch stand unangerührt ein kleiner, frisch zubereiteter Snack, den ihm wohl Kreacher vorbeigebracht hatte, daneben lag zusammengeklappt seine Brille.
Einen kurzen Moment starrte ich sehnsüchtig über seine Statue und fühlte eine innere Genugtuung beim Anblick meines schlafenden Freundes. Die innere Ruhe kehrte zurück.
Ich fühlte mich erleichtert.
Doch was wollte Kingsley?
Wie sollte ich Ginnys Reaktion einschätzen?
Fragen über Fragen, auf die ich noch Antworten wollte.
Für einen kurzen Moment blickte ich zu einem blendend hellen Fenster.
Es glüht das ganze Firmament,
Das kommt weil meine - Weil meine Seele brennt!
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, sie erhellte und erwärmte mit ihren Strahlen den Raum, durch die Fenster und die größtenteils zerstörte Decke.
Diesen seligen Schlaf hatte er sich wahrlich verdient, seine Gesichtszüge wirkten entspannt, seine Atmung war sehr gleichmäßig. Ich weiß nicht mehr wie lange ich dieses Gesicht anstarrte, dieses makellose Gesicht, dass sich tatsächlich von Minute zu Minute weiter entspannte, fast lag ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht.
Meine Seele brennt.
Ich wollte ihn berühren, wollte ihn streicheln, wollte in küssen, aber ich wollte nicht, dass er mich bemerkt, nicht bevor ich Gewissheit hätte.
Die Narbe auf seiner Stirn bildete sich schon zurück, ich hatte Mühe sie überhaupt noch zu erkennen, ganz nahe musste ich mich über ihn beugen, dabei streiften meine Haare mit den Spitzen über sein Gesicht, ein kurzes befriedigendes Lächeln zeichnete sich darauf ab, erschrocken wich ich zurück, und verharrte einen kurzen Moment in völliger Stille.
Auf seinem Arm war deutlich eine Gänsehaut zu erkennen, ganz sachte strich ich mit meinen Fingern über diese tausende winzigen Pocken.
Hastige Schritte, die, die Treppe nach oben eilten, rissen mich aus den Gedanken.
Sofort kam mir der Gedanke an Ron.
Was, wenn er mich hier erwischen würde?
Nein, nicht jetzt, noch nicht.
Erst brauchte ich Gewissheit.
Mom wusste es schon lange, sie wusste es, und sie erwähnte einen Test.
Einen Test, der alle Zweifel ausräumen würde.
Doch wie komme ich jetzt ungesehen hier raus?
Panisch sah ich mich nach einem Versteck um, und spürte die innere Unruhe.
Aus meinem Augenwinkel heraus sah ich wie Harrys Arm nach oben schnellte, und nur einen Bruchteil später war ich eingehüllt von einem samtartigen Stoff, der sich völlig über meinen Körper legte. Gerade noch rechtzeitig.
In diesem Augenblick stand Ron im Durchgang und sah sich hastig um.
Mit einem verschleierten Blick, den der Tarnumhang verursachte, bemerkte ich noch ein kurzes schwaches Nicken von Harry, dann waren seine Augen wieder geschlossen, und ich trat vorsichtig einen Schritt zur Seite.
Während Ron an mir vorbeilief, steuerte ich unerkannt den Ausgang an, und begab mich in meinen eigenen Schlafsaal.
Nach unserer Rückkehr in den Fuchsbau konnte ich es kaum erwarten, mit Ginny endlich alleine zu sein.
Wir waren ohne Harry aufgebrochen, er hatte noch tief und fest geschlafen, und so nutzte ich die Erstbeste Gelegenheit, zog Ginny in ihr Zimmer, und schloss hinter mir die Tür.
Ich musste wissen, was mit ihr und Harry….
„Täuscht mich mein Eindruck, oder hast du ein Problem mit Harry?“ fragte ich sie spontan, als der Augenblick gekommen war.
„Dein Eindruck täuscht dich in keinster Weise“, antwortete sie ohne Verlegen zu werden, „es ist nicht mehr so wie es war, meine, und ich glaube auch seine Gefühle sind erkaltet, was dir wohl entgegen kommen sollte.“
„Muss ich das verstehen?“, den zweiten Teil ihrer Behauptung überging ich bewusst.
Das war es nicht, was ich hören wollte.
„Ich werde mit ihm sprechen, wenn der richtige Moment gekommen ist. Ich will nicht mehr auf ihn warten, ich muss jetzt auch an mich denken.“
Fassungslos starrte ich Ginny an. Ihre Worte wirkten so kalt, so herunter gerattert, dass es mir einen Schauder über den Rücken trieb. Ich schüttelte mich, als würde ich frieren.
„Harry wird keiner Mission widerstehen können, er wird immer ruhelos bleiben und irgendetwas wird es immer geben, dem man hinterher jagen muss.“ Sie klang sehr verbittert.
„Das glaube ich nicht Ginny, er ist froh, dass es vorbei ist und freut sich auf geordnetes Leben. - Aber das geht nicht von heute auf morgen … was hast du erwartet?“
„Du übernimmst meinen Part?“ fragte sie erstaunt. „Du kannst ihn haben“.
Und wieder bildete sich eine Eiseskälte auf meinem Rücken.
„Ginny was ist los mit dir?“ fragte ich schockiert. „Du bist ganz schön unfair!“
„Ach ja?“ sie schaute mich durchdringend an. „Vor kurzem waren die Rollen anders verteilt, ich habe ihn verteidigt und du hast dich beleidigt gefühlt.“
„Ginny was ist los? Du suchst einen Schuldigen, um von deiner eigenen Unzufriedenheit abzulenken.“
Einen kurzen Moment stutzte sie und schien in Gedanken vertieft, doch änderte sich ihre Sturheit. Ihr Gesicht neigte sich nach unten, und kleinlaut gab sie zu: „Du hast ja Recht … es tut mir leid.“
Nachdenklich rieb sie sich spielerisch ihre Fingerkuppen und ohne hochzusehen fuhr sie fort: „Ich bin enttäuscht und wütend, weil sich alles verändert hat … auch ich habe mich verändert.“ Erneut machte sie eine kurze Pause, atmete tief durch und beobachtete immer noch, wie sie sich selbst mit dem Daumen über die Kuppe des Ringfingers strich. „Das eine Jahr nach unserer Trennung hat uns voneinander entfernt“, wieder stoppte sie kurz, um schwer auszuatmen, „ich habe solange auf ihn gewartet, aber ich bemerkte es jeden Tag mehr, ich kann ihm nicht bieten, was er braucht und wir würden nicht glücklich werden. Ich liebe ihn immer noch, in einer gewissen Art, aber ich kann und will das nicht mehr … der Blick in seinen Augen als Kingsley vor ihn trat, bestätigte meine Eindrücke.“
Ginny atmete schwer aus, ihre Augen zuckten. Jeden Augenblick würden die Tränen fließen. „Ich habe den Vertrag bei den Harpies bereits unterschrieben. Direkt nach der Schule werde ich mit dem Training beginnen.“
Sie schniefte, aber ihr Kopf richtete sich wieder gerade.
„Kingsley hat Harry nicht geholt!“, erschrocken über meine unbedachte Antwort warf ich meine Hand über meinen Mund.
„Hat er nicht?“ Erstaunt, aber nicht wirklich überrascht hakte sie meine Antwort ab.
Ginny bemerkte meinen Fehler nicht.
„Als ich in den Gemeinschaftsraum kam war er in seinem Bett und hat geschlafen“, sie würde nicht darauf eingehen, ich spürte, dass es ihr momentan egal war.
„Harry ist gerade angekommen!“
Die Zimmertür knallte auf und Ron kam ins Zimmer hereingestürmt.
„Ron!“ riefen wir Beide empört.
Er ging mit seinen Händen auf Abwehrhaltung.
„Ich bin ja schon wieder weg“, rief er enttäuscht.
Ich wandte meinen Blick zurück auf Ginny, und konnte gerade noch sehen, wie sie sich eine stille Träne aus dem Auge wischte.
Sie reagierte auf meine Blicke.
„Ich musste gerade denken, wie ihr hereingeplatzt seid, als ich ihm mein Geburtstagsgeschenk gab – Mich. Ich hatte ihm mein Vertrauen geschenkt, und alles war gut, ich spürte es, er liebt mich wirklich, aber je länger es dauerte, desto mehr Gedanken machte ich mir. Ich begann zu zweifeln, und das ist keine Basis.“
„Ginny, du bist noch jung, und ihr hättet das ganze Leben noch vor euch.“
„Genau deswegen muss ich mich von ihm lösen, sonst schaffe ich es nie. Ich kann nicht mehr.“
Ron sah sie fragend an, noch immer stand er ängstlich in der Tür.
„Geht ruhig schon nach unten, ich komme später nach“, Ginny hatte sich zum Fenster umgedreht, und ich bemerkte, wie sie erneut mit ihrer Hand über ihr Gesicht wischte.
Harry saß alleine am Tisch in der Küche des Fuchsbaus und löffelte lustlos an einem Teller Zwiebelsuppe.
„Hast du bis eben geschlafen?“ legte Ron sofort los.
„Ich könnte immer noch schlafen“, antwortete Harry, und sah kurz zu uns auf. „Ich bin immer noch hundemüde.“
„Was war los?“ fragte ich direkt.
„Was soll losgewesen sein?“, wieder sah er kurz hoch, nachdem er einen Löffel zu seinem Mund geführt hatte.
„Was wollte Kingsley von dir?“
„Kingsley?“ Ron sah mich fragend an.
„Ginny hat es mir gesagt“, erklärte ich beiläufig.
„Ach das“, winkte Harry ab. „Nichts besonderes, er wollte mir nur unbedingt persönlich mitteilen, dass mit den Dursleys alles in Ordnung ist, und ob ich beim Abtransport von Voldemorts Leiche dabei sein möchte.“
„Ob du was?“ fragte ich angewidert.
„Letzteres habe ich verneint, kein Interesse, ich wollte nur wissen, was sie mit der Leiche machen.“
„Und?“ fragte Ron.
„Einäschern, und zwar heute noch.“
„Und wieso ist dann Ginny so komisch?“ fragte ich unüberlegt.
Ron sah mich kopfschüttelnd an, und Harry zuckte mit den Schultern. „Kommt gehen wir nach draußen, dann erzähle ich euch, was ich weiß.“
Wir gingen in den Hof und setzten uns auf eine Bank, die George und der Rest der Weasleys gerade aufgebaut hatten, anlässlich der bevorstehenden Trauerfeier, Freds Beerdigung.
Harry begann zu erzählen:
Kingsley kam mit einer Botschaft an, die er mir unbedingt persönlich mitteilen wollte. Zunächst dachte ich wirklich es sei etwas passiert, aber er winkte ab.
„Was ist los?“ rief ich abwesend, wandte Ginny den Rücken dazu und ging auf Kingsley zu.
Eigentlich hatte ich Ginnys Hand gegriffen, wollte mit ihr zusammen Kingsley entgegenlaufen, doch sie war stur stehen geblieben, und ließ abreißen, fragend sah ich sie an.
Sie starrte mich einfach nur an, fast hatte ich den Eindruck, sie wäre wütend.
„Harry, ich wollte dir die Nachricht unbedingt persönlich überbringen“, begann Kingsley.
„Ganz langsam…“, unterbrach ich ihn. „Ist etwas passiert?“
Ich dachte immer noch, es wäre etwas wirklich Schlimmes geschehen, und war auf alles gefasst.
„Nein, nein. Keine Sorge“, winkte Kingsley ab. „Du hast so viel für die magische Welt getan, dass ich es mir nicht nehmen lassen wollte, dir diese Nachricht selbst zu überbringen“, stotterte er verlegen.
Mein besorgter Blick hatte in wohl etwas irritiert.
„Was ist los?“ wiederholte ich erschrocken.
„Deine Verwandten, die Dursleys…“
Mit einem Satz war ich hellwach. „Was ist mit ihnen?“
„Nichts?“ Kingsley wirkte verwirrt. „Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass sie wohl auf sind und morgen früh in den Ligusterweg zurückkehren. Ich weiß, dass ihr nie ein besonderes gutes Verhältnis hattet, aber dennoch…“
„Ja, danke“, stammelte ich, und blickte kurzzeitig über meine Schulter zurück. „Ich dachte schon…“
„Nein, nein – alles okay mit ihnen“, lächelte Kingsley.
Nun lag es an mir verwirrt zu schauen, allerdings nicht zu Kingsley, sondern in die entgegengesetzte Richtung, wo Ginny sich bereits wortlos abgewandt hatte, und wo ich nur noch ihre langen roten Haare, hinter der nächsten Ecke verschwinden sah.
„Denkst du, sie möchten mich sehen“, wandte ich kopfschüttelnd meine Aufmerksamkeit zurück auf Kingsley.
„Deine Verwandten waren immer darüber informiert, was in unserer Welt geschieht, besonders dein Cousin, ließ ich mir sagen, hat sich fast täglich nach Neuigkeiten erkundigt.“
Noch einmal schaute ich in die Richtung, in die Ginny verschwunden war.
Sie war weg, und hatte sich nicht mehr umgedreht.
Fast hatte ich das erwartet, aber gehofft sie würde es dennoch tun.
„Aber wenn du möchtest, kannst du bei dem Abtransport von Riddles Leiche dabei sein.“
„Kein Bedarf, ich bin nur noch müde, und will nur noch in mein Bett. Was macht ihr mit seiner Leiche?“
„Sie wird im Ministerium eingeäschert, ich weiß nicht ob ein Grab beruhigend auf die Menschen wirken würde.“
Gewiss, die Dursleys ließen mich ihre Abneigung zur Genüge spüren, aber dennoch sind sie meine einzigen, noch lebenden Verwandten, ich muss mich einfach vergewissern, dass es ihnen gut geht, bevor ich mich endgültig von ihnen abwenden könnte. Trotz Widerwillen haben sie mir jahrelang den Schutz geboten, den ich zum Überleben gebraucht hatte, und der Abschied im letzten Jahr gab mir neuen Mut, irgendwann doch ein einigermaßen gutes Verhältnis zu ihnen aufbauen zu können, wenn es auch nie so sein würde, wie es unter guten Verwandten eben sein sollte, dazu klaffte einfach ein zu tiefes Loch zwischen uns.
Ich bemerkte wie sich der Vorhang am Küchenfenster leicht bewegte, doch Ginny gesellte sich nicht zu uns, sie beließ es beim Beobachten.
Harry ging früh zu Bett, und auch ich entschloss mich kurze Zeit später, mein Bett aufzusuchen.
Ginny schlief schon tief und fest, als ich in mein Bett stieg.
Der nächste Morgen begann mit einem Paukenschlag, zunächst einmal war ich überrascht, nur Mrs. Weasley vorzutreffen, sie erklärte mir das Ron zusammen mit George in die Winkelgasse gegangen wäre, um bei den Vorbereitungen zur Neueröffnung, am Tag nach der Trauerfeier zu helfen, er wollte mich schlafen lassen, ich könnte aber nachkommen, wenn ich wollte.
Ich wollte nicht, denn nachdem ich erfuhr, dass Harry auch schon früh aufgebrochen war, entschloss ich mich in die Cavendish Ave zu gehen, unter dem Vorwand, in meinem Elternhaus nach dem Rechten zu schauen.
Eigentlich wollte ich nur ein paar Stunden für mich alleine haben.
Meine Gedanken waren immer noch wirr durcheinander, und ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
Ich hatte auch keine Lust Ginny über den Weg zu laufen, die extra lange schlief, um einigen Personen aus dem Weg zu gehen, wie ich vermutete.
Mein Elternhaus erwies sich, wie nicht anders zu erwarten, als verwaist. Überall auf den Möbeln lag dicker Staub, Spinnweben hingen an Wänden und Decken. Im Schnellverfahren reinigte ich mein altes Zimmer, das Bad, die Küche, um es wenigstens vorübergehend etwas wohnlich zu gestalten.
Irgendwann fiel ich erschöpft und in Gedanken vertieft auf mein Bett und starrte die Decke an.
Ein Sortieren dieser Gedanken war nicht möglich.
Immer wieder vermischten sich Erinnerungen an die letzten Monate, mit den Geschehnissen des letzten Tages. In allen Bildern leuchteten das Gesicht von Harry, die Gesten von Ginny, die Gesichter im Nebel, oder meine Beziehung zu Ron.
Wo sollte ich sie einordnen?
Nichts wird mehr sein, wie es mal war.
Ist Harry glücklich?
Wird er glücklich werden?
Ich wünsche es ihm so sehr.
Was ist mit mir?
Bin ich glücklich?
Die Decke die ich immer noch anstarrte schien immer näher zu kommen und kurz bevor sie mich erdrückt hätte kam mir ein ganz anderer Gedanke.
Ich musste raus.
So packte ich aus einem Bauchgefühl heraus einige Badeutensilien ein und disapparierte nach Hogwarts.
Es war gegen Mittag, als ich an unserer alten Wirkungsstätte ankam.
Die Zauber waren gefallen, so war es ein Leichtes direkt an den schwarzen See zu gelangen.
Die Spuren der Schlacht waren überall zu sehen. Dicker Rauch von gelöschten Bränden stand noch über dem Gelände. Ich schenkte dem Zerfall keine Aufmerksamkeit und begab mich direkt zu einer gewissen Buche am See.
Aus einem unbekannten Grund fühlte ich mich plötzlich enttäuscht.
Hatte ich etwa unbewusst erwartet Jemanden hier anzutreffen?
Dem war nicht so.
Ich war allein. Vollkommen allein. Das Schloss hinter mir verlassen.
Scheinbar leckten alle erst einmal ihre Wunden. Nur gelegentlich knackte ein Ast oder knisterte ein verkohltes Stück Holz. Ich zog ein Handtuch aus meiner Tasche, warf es lieblos auf die Erde und entledigte mich meiner Kleidung, dann warf ich mich in die kalten Fluten des Sees.
Der See war bitterkalt, und es hielt mich lediglich zwei oder drei Minuten in dem kalten Wasser.
Ich trocknete mich ab, und wärmte meinen Körper in den ersten warmen Sonnenstrahlen des Frühsommers.
Am Nachmittag war ich zurück im Fuchsbau, wo am frühen Abend die Zeremonie zu Ehren Freds stattfinden sollte.
Rechtzeitig zu diesem Ereignis waren auch alle Weasleys in den Fuchsbau zurückgekehrt.
Niemand hatte meine Abwesenheit vermisst.
Ron fragte nicht einmal, warum ich nicht in die Winkelgasse nachgekommen wäre.
Lediglich Harry kehrte erst unmittelbar vor der Trauerfeier zurück.
Auf dem anschließenden Leichenschmaus sprach ich ihn an, wie denn sein Tag bei den Dursleys verlaufen war:
Da stand ich nun also, Little Whinging, Ligusterweg Nummer 4, uns musste nur noch die Klingel betätigen, doch in diesem Moment verließ mich der Mut.
Meinem Onkel und meiner Tante wollte ich plötzlich doch nicht mehr begegnen, also nahm ich einen Stein, und warf ihn gegen ein Fenster im ersten Stock, nach ein paar Sekunden ohne Reaktion, hob ich einen weiteren Stein auf, doch in diesem Moment öffnete sich das Fenster, und Dudley blickte fragend heraus.
„Wer ist da?“, rief er.
„Ich bin es Harry“.
„Harry? – Warte ich komme runter!“
Die Begrüßung war für ihre Verhältnisse wirklich überschwänglich, Petunia hat mich sogar umarmt, nur Vernon verhielt sich reserviert wie eh und je.
Sie waren über alle Geschehnisse informiert, und haben auch sofort erfahren, wenn es Neuigkeiten über uns gab.
Für sie hatte sich nichts verändert, die beiden Ministerien haben alles so geregelt, als wären sie nie weg gewesen.
Ich denke wirklich, es war eine gute Idee hinzugehen, auch den Zeitpunkt hätte ich nicht besser wählen können, und es war wohl auch nicht das letzte Mal, dass ich ihnen einen Besuch abgestattet hatte.
Es war schon fast ein Uhr, als ich mich von ihnen verabschiedet hatte, eigentlich wollte ich noch einen Abstecher nach Hogwarts machen, aber dazu kam es nicht mehr, weil ich zuvor ein Zwischenstopp im Ministerium geplant hatte, und der längere Zeit in Anspruch nahm, wie vermutet. Ich führte ein wegweisendes Gespräch mit Kingsley, und bin dann direkt in den Fuchsbau appariert.
Harry äußerste sich nicht weiter über sein Gespräch mit Kingsley, er erwähnte nur, dass er über das Gespräch nachdenken müsste.
Ginny hielt sich während der ganzen Zeit zurück, sie kam nur ab und zu in unsere Nähe, und verschwand danach sofort wieder im Haus.
Harry blickte ihr jedes Mal traurig und nachdenklich hinterher, auf ein Gespräch mit ihm, ließ sie sich überhaupt nicht ein, es war fast, als würde sie ihn ignorieren, oder ihm aus dem Weg gehen.
Es war spät am Abend als ich gespannt zu sehen konnte, wie sie schließlich doch ihren ganzen Mut sammelte, auf Harry zu ging, und ihn schließlich mit sich wegzog.
Ein kurzes Gespräch, eine freundschaftliche Berührung, eine Umarmung, dann kam Ginny mit feuchten, roten Augen auf uns zu gelaufen.
Ohne anzuhalten ging sie auf direktem Weg an uns vorbei, ins Haus.
Unter all diesen Beobachtungen hätte ich fast vergessen, dass ich eigentlich so was, wie eine Beziehung habe. Ron war nur selten in meiner unmittelbaren Nähe. Er hatte offensichtlich einiges mit George und Lee Jordan zu klären, und da auch Harry nicht sehr gesprächig war, flüchtete ich in ein paar belanglose Gespräche mit Menschen, die uns die letzten Jahre mehr oder minder begleitet hatten. Minerva McGonagall, bei ihr ging es um die letzten Geschehnisse, sowie meine Pläne für die Zukunft.
Andromeda Tonks, die mir trotz der Trauer über den Verlust ihrer Tochter Nymphadora, stolz von ihrem Enkel Ted berichtete.
Überraschenderweise war auch Lavender Brown anwesend, die mir wieder einmal von Rons Veränderung vorschwärmte. Ich verspürte wirklich keinen Groll und stufte das Gespräch sogar als angenehm ein.
Ron erklärte mir kurz vor Mitternacht, dass er am nächsten Morgen mit George erneut in die Winkelgasse gehen und ihm bei der Neueröffnung von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze helfen würde.
Mir war sofort klar, dass er diese Arbeit zu seiner Lebensaufgabe machen würde, wenn er die ersten Gallonen in seinen Fingern spürt, wird es um ihn geschehen sein.
Diese Gelegenheit wollte ich nutzen.
Morgen früh wollte ich Harry in die Enge treiben.
Ich brauchte endlich Gewissheit.
Und so verblieb ich am nächsten Morgen extra lange in meinem Bett.
Mit einem wachen Auge sah ich wie Ginny sehr früh das Zimmer verließ, sie wollte Harry aus dem Weg gehen.
Dann hörte ich Gepolter auf der Treppe, das nur von Ron stammen konnte, er stoppte kurz vor Ginnys Zimmertür, ging dann aber weiter nach unten.
Nachdem ich ihn den Fuchsbau verlassen hörte, stand ich langsam auf, erledigte meine Morgentoilette und begab mich in die Küche um den richtigen Moment abzuwarten.
Doch die erste Enttäuschung folgte.
Harry war noch früher, als alle Anderen abgereist.
Noch früher als Ginny und Ron.
„Wir sind wohl alleine, Hermine“, begrüßte mich Molly Weasley, „Ginny ist zum shoppen in die Winkelgasse, Ron hilft George, und Harry ist schon ganz früh weg, er wollte nochmals ins Ministerium, zu Kingsley.“
„Hat er gesagt, was er von Kingsley will?“
„Es geht wohl um seine Zukunft“, zuckte sie unwissend mit der Schulter, „und dass er nicht weiß, wann er wieder zurückkehren würde.“
Das hieß also warten.
Ich unterhielt mich belanglos mit Molly und half die Überreste der Trauerfeier wegzuräumen.
Kurz vor Mittag hatte ich die Warterei satt, und wiederholte meinen Ausflug vom Tag zuvor, bei Mrs. Weasley verabschiedete ich mich allerdings mit dem Vorhaben mein Elternhaus auf Vordermann zu bringen, was ich zunächst auch tat, aber nur um mir passende Kleidung zu besorgen.
Hogwarts war an diesem Tag nicht gänzlich verlassen. Die ersten Freiwilligen hatten mit Aufräumarbeiten begonnen, ich schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, und begab mich ohne Umwege auf direktem Weg zu unserer alten Stelle unter der alten Buche.
Der Platz war besetzt.
Nur mit einer dünnen Tunika bekleidet, unter dem ich meinen alten schwarzen, eigentlich schon ausrangierten Badeanzug trug, schlich ich auf leisen Sohlen an einen jungen Mann heran.
Dieser junge Mann saß im Schatten einer Buche, am Ufer des schwarzen Sees und war völlig in ein Buch vertieft.
Meine Augen hatten mich nicht getäuscht, selbst ein verwundertes Reiben veränderten das Gesehene nicht.
Harry Potter las in einem Buch.
Die Luft flimmerte. Sie war noch aufgeheizter als am Tag zuvor.
Wie eine Fata Morgana saß er da, mitten in der sengenden Frühsommerhitze.
Seine Arme glänzten.
Schweißgetränkt.
Kleine Bäche perlten daran herunter.
Auch sein Gesicht war nicht verschont geblieben.
Mehrere kleine Tropfen zierten seine Stirn.
Mit der linken Hand wischte er sich gerade über die Wange, und anschließend rieb er sich den Schweiß aus den Augen.
Nur langsam kam ich näher.
Unter meinen Füßen knackte ein Ast.
Der Junge der überlebt hatte schaute hoch und lächelte mir verlegen entgegen.
Nach einigen lagen Augenblicken bemerkte ich eine eigene Verlegenheit, da ich bemerkte, wie spärlich ich eigentlich bekleidet war.
Es waren sein Blicke, seine schweigsamen Blicke, die dieses Gefühl auslösten, denn eigentlich hatten wir uns gegenseitig sogar schon völlig nackt gesehen.
Verlegen versuchte er sich wieder auf sein Buch zu konzentrieren.
Es funktionierte nicht.
„Kaum zu glauben, dass es erst Stunden her ist“, sprach sie ihn vorsichtig mit gedämpfter Stimme an.
Mir war klar, dass er kurz vor einem Herzinfarkt stehen könnte, wenn ich ihn einfach von der Seite anschreien würde.
Und wie gerne hätte ich geschrien.
Mir war es danach, aber ich besann mich im letzten Moment, und beschloss vorsichtig vorzugehen.
Offensichtlich eine gute Taktik.
„Du hast sie gesucht?“, fragte ich mit immer noch ruhiger Stimme.
„Was meinst du?“, erwiderte Harry, ohne Aufzusehen.
„Es ist fast unheimlich still, wenn nicht die wenigen Arbeiter da oben wären…“
Harry nickte nachdenklich, aber noch drehte er sich nicht wieder um.
„Du bist geflohen, nehme ich an?“
Langsam drehte Harry seinen Kopf, blickte mich an, und blinzelte.
Die hoch am Himmel stehende Sonne blendete ihn.
Ich stand für ihn im Gegenlicht, und mir war klar, dass er somit Probleme hatte die Züge meines Gesichtes zu lesen, oder was bei ihm noch wichtiger war, in meinen Augen zu lesen.
„Ich fühle mich eher wie ein Gast…“, antwortete Harry.
„…als ein Familienmitglied“, vervollständigte ich nickend, und kam einen weiteren Schritt näher.
So nahe, dass wir uns erstmals direkt ins Gesicht sehen konnten.
Die Schatten waren verschwunden.
„Ich verstehe dich. Mir geht es ähnlich“, antwortete ich. „Ich muss mich ablenken, deswegen bin ich hier. Ich habe das Gestern auch schon gemacht“.
Harry nickte und starrte wieder in sein Buch.
„Was liest du da eigentlich?“
Interessiert ließ ich mich neben ihm im Gras nieder und zupfte an seinem Buch.
„Die Geschichte Hogwarts?“ staunte ich. „Harry? Bist du krank?“
Der schwarzhaarige Junge lächelte.
„Irgendwann muss ich doch damit anfangen. Ich muss doch wissen, ob du mir all die Jahre nicht nur Märchen erzählt hast.“
„Harry!“, schnaufte ich, und schlug empört auf seinen nackten Oberarm.
Seine Muskeln spannten sich, sein Muskelshirt klebte an der Schulter, als wäre es angenäht.
„Außerdem dachte ich zunächst, ich würde euch stören“.
„Stören?“
„Dich und Ron. Ihr wolltet euch bestimmt auch mal alleine in sein Zimmer verziehen.“
Harry lächelte.
„Ron ist in der Winkelgasse, Ginny ist shoppen, und wo warst du?“ fragte ich provokativ.
„Bei Kingsley“, antwortete er kurz und knapp und starrte mich unsicher an.
Zu gerne hätte ich mehr Details erfahren, aber ich würde ihn nicht dazu drängen
„Ich will so schnell, wie möglich meine Arbeit aufnehmen … Ruhe macht mich unruhig“, beantwortete er meine ungestellte Frage.
Er will fliehen.
Fliehen vor seinen Gefühlen!
Ich musste Gewissheit haben.
Und so entwickelte ich den unschuldigen Plan, dass er mir helfen könnte, bei den Aufräumarbeiten und der Suche nach meinen Eltern.
Ein toller Vorwand, lobte ich mich.
Ich musste Gewissheit haben.
Und ich muss wissen, welche Streiche meine Gefühle mir spielen.
Und da war noch etwas. Ich spürte, dass er irgendetwas vor mir zu verheimlichen versuchte.
„Es wäre schade dich zu verlieren, würdest du mir bis du dich entscheidest, bei der Suche nach meinen Eltern helfen?“
„Ron?“ fragte er erstaunt.
Harry!
Fast hätte ich ihn angeschrien, meine Augen blitzten gefährlich.
„Der hat andere Sachen um die Ohren“, mit großer Mühe schaffte ich es meine Stimme einigermaßen zu kontrollieren, insgeheim hoffte ich auf ein Ja von ihm. Sein Blick wirkte jedoch unschlüssig und nervös, also fügte ich hinzu, „er hilft seid heute George im Laden.“
„Womit fangen wir an?“ fragte er erleichtert.
Geschafft!
„Wie wäre es mit Aufräumarbeiten im Hause Granger?“ ich lachte über meine Genialität, „auch wenn es nicht unbedingt das Abenteuer ist, dass du dir vorgestellt hast.“
Nachdem er eine Antwort schuldig blieb, starrte ich nachdenklich auf die glatte Oberfläche des schwarzen Sees.
Ob er den wahren Hintergrund meines Verhabens erkannt hat, fragte ich mich.
„Wolltest du nicht in die kühlen Fluten?“, fragte Harry, der wohl meine Blicke bemerkt hatte.
Richtungswechsel – Taktikänderung, dachte ich, und so antwortete ich ihm: „Eigentlich ja, aber ich habe nicht mit Zuschauern gerechnet.“
„Genierst du dich etwa?“
„Mein Badeanzug ist nicht gerade der Modernste … kommst doch mit ins Wasser.“
Harry schüttelte seinen Kopf.
„Ich habe gar keine Badehose dabei.“
„Man kann auch ohne Badehose…“
„Das würde dir so gefallen…“
„Wäre sicherlich nicht ohne Reiz…“, spornte ich ihn an. „Da wäre nichts, was wir beide nicht schon gesehen hätten.“
Eine Anspielung, dich ich eigentlich nicht geplant hatte, so musste ich einen Schritt weitergehen.
Ich begann mich mühevoll aus der Tunika zu schälen, und wirkte dabei bewusste äußerst unbeholfen.
Ich wollte ihm das Gefühl vermitteln, dass der dünne Stoff an meinem schweißgetränkten Körper festkleben würde.
Raffiniertes Biest.
Der Test war in vollem Gange.
Nach einigen, kämpfenden Augenblicken schaffte ich es zumindest aus einem Ärmel zu schlüpfen, und den Stoff zusammengeknüllt, näher an meinen Kopf heranzuführen.
Schmunzelnd erbarmte sich Harry, und ging mir zu Hand.
Mit beiden Händen ergriff er das untere Ende des Kleidungsstückes und zog es nach oben, dabei streifte er mit seinen Händen über die Flanken meines Oberkörpers.
„Das kitzelt“, schüttelte ich mich, was Harry ein weiteres Schmunzeln abrang.
„Jetzt stell dich mal nicht so an.“
Genussvoll schien er zu registrieren, wie sich eine Gänsehaut auf meiner Haut bildete.
Endlich schaffte er es den Stoff über meine Brüste zu stülpen, doch musste er erschrocken feststellen, dass dabei mein Bikinioberteil verrutscht war, und meine linke Brust entblößte.
Er starrte mit offenem Mund auf die bewusste Stelle.
Mit blinkenden, leuchtenden Augen.
Trotz der eigentlich peinlichen Erkenntnis verzog ich keine Miene.
Im Gegenteil, ich genoss die Situation.
Meine Augen funkelten, mitten in Harrys smaragdgrüne Pupillen.
Ein Ruck ging durch meinen Körper.
Ein kurzes Zucken, wie nach einer plötzlichen Eingebung.
Nein, ich schämte sich nicht.
Warum auch?
Und noch immer starrte Harry auf die wohlgeformte Rundung.
Und neuerliche Gänsehaut war zu entdecken.
Dieses Mal aber bei ihm, an seinen Oberarmen.
Ich konnte zusehen, wie Gänsehaut über seinen Hals zum Kopf wanderte, und sich mitten auf seinem Schädel zu sammeln schien.
Seine Haare zuckten, wie nach einem Stromschlag.
Ich genoss es, von Harry begehrt zu werden.
„Gab es das Teil nicht zwei Nummern größer?“ fragte Harry ungeniert, wirkte aber immer noch elektrisiert. „Da platzt ja gleich die Naht.“
„Wenn du nicht aufpasst“, schmunzelte ich mit einem verschmitzten Blick in tiefere Regionen. „Ist es deine enge Turnhose, die gleich aus allen Nähten platzt.“
Erschrocken blickte Harry an sich herunter, und musste noch erschrockener feststellen, dass ich ein Späßchen auf seine Kosten gemacht hatte, und durchaus Recht hatte.
„Tja“, erwiderte Harry mit einem Schulterzucken. „Etwas ganz Natürliches bei einem so aufreizenden Anblick.“
„Dann ist das wohl ein Kompliment, das mich aus deiner Hose grüßt?“
„Wäre schlimm, wenn es nicht so wäre.“
„Kommst du jetzt mit ins Wasser?“, wiederholte ich. „Du solltest dich abkühlen.“
„Brrr“, schüttelte sich Harry. „Der See ist arschkalt.“
Mit Daumen und Zeigefinger formte er schmunzelnd einen Abstand von zwei Zentimetern. „Musst du dich etwa abkühlen?“
„Armer Junge“, höhnte ich.
„Du solltest sie wieder einpacken“, revanchierte sich Harry. „Nicht, dass du sie verkühlst.“
Ohne Nachzudenken, griff er nach dem verrutschten Bikinioberteil, streifte dabei sanft an der weichen Rundung vorbei, und mein Körper wurde von einem Erdbeben erfasst.
Langsam und genüsslich streifte er den ziemlich knappen Stoff über meine entblößte Brust.
Unverwandt starrten sie sich in die Augen.
Ich war zu weit gegangen, und musste dem ganzen ein Ende setzen.
Problemlos zog ich mir die Tunika wieder über, streckte ihm meine Hand entgegen und führte ihn, apparierend zu meinem Elternhaus.
Kurze Zeit später standen wir vor meinem schmucken Elternhaus, in der Cavendish Ave, Nummer 23.
Bevor wir das Gelände betraten warf sich Harry den Tarnumhang über. Durch seinen Umhang hindurch, war seine Unruhe zu spüren, als er neben mir herlief.
Unser Haus war mit einem Jägerzaun umgeben, und hatte einen großen Garten, der allerdings etwas verwildert aussah, was nicht weiter verwunderlich war, immerhin war hier seit über einem Jahr niemand mehr gewesen.
Ich öffnete das kleine Holztor, und wir folgten dem gepflasterten kleinen Weg auf das Haus zu, rechts von dem Haus war eine angebaute Garage mit einem kleinen Vordach.
An der Haustür angekommen zog ich den Schlüssel aus meiner Tasche und schloss auf, um nach einer kurzen Wartezeit von innen, wieder abzuschließen.
„Wie ich sehe, hast du mitgedacht“, sagte ich, nachdem ich den Schlüssel herum gedreht hatte.
„Kimmkorn ist an jeder Ecke“, antwortete er lächelnd, und zog den Umhang ab.
Sein Gesicht war aschfahl, er hatte wohl geahnt, dass ich ihn gleich bombardieren würde.
„Oh weh, hier ist aber einiges an Arbeit nötig“. Versuchte er die angespannte Situation zu überspielen.
„Ich kann dir aber dabei helfen“, fügte er hinzu und schaute sich um, „aber es ist trotzdem sehr schön.“
„Mein Zimmer, Bad und Küche habe ich gestern schon leichte Vorarbeiten getätigt“, antwortete ich, „komm, gehen wir erst einmal ins Wohnzimmer.“
Sein Gesicht wurde immer ernster und zunehmend blasser, er wusste definitiv was gleich folgen würde, er kannte mich wohl zu gut…
Verlegen schaute er sich immer weiter um und versuchte seine Nervosität zu verbergen.
Wir erreichten unser Wohnzimmer, den größte Raum im Haus, indem sich, sehr wohnlich, eine dreiteilige Couch aus Mikrofaser und zwei dazu gehörige Sessel um einen runden Glastisch anreihten.
Sein Blick fiel auf ein großes TV-Gerät und eine Hifi-Anlage.
„Welche Idee hat die geniale Hermine wieder einmal entwickelt?“ fragte er.
Mein Plan stand unerschütterlich fest, ich ging nicht auf seine Frage ein.
Fast hätte es mir sogar ein Lächeln entlockt.
Da will wohl jemand ablenken, dachte ich, aber nicht mit mir!
„Also?“ fragte ich ungeduldig.
„Was, also?“ wiederholte Harry, und legte dabei einen extremen unschuldigen Blick auf.
„Harry“, meine Stimme wurde energischer, „was ist los?“
„Was soll los sein?“
Ich verdrehte meine Augen, „du verschweigst etwas.“
„Verschweigen?“
Sein Gesicht passte sich an, er merkte, dass ich ihn gefangen hatte.
„Woher ich wohl wusste, welchen Plan du eigentlich verfolgst?“
Ich konnte es nicht mehr verkneifen und schlug ihm wieder einmal spielerisch auf den Arm, „lenk bitte nicht ab Harry“. Ich wollte ihn berühren, mein Herz schlug zum Himmel hoch, und meine Seele brannte.
Der Schlag endete in einem festklammern, die Berührung elektrisierte mich, die Gefühle kamen überfallartig.
Als hätte ich es geahnt, wie seine Pläne aussehen, wollte ich ihn festhalten, und nie mehr loslassen.
Es durchströmte ganz warm und heiß meinen Körper, der Funke war definitiv übergesprungen.
„Ein Angebot von Kingsley wäre im Ausland“, ließ er die Katze mit gesenktem Kopf aus dem Sack.
„Im Ausland?“ meine Augen weiteten sich, erschrocken zog ich nun doch meine Hand zurück.
„Harry, bitte sprich mit mir, erkläre es mir, was hat dir Kingsley angeboten … wirst du es annehmen?“
Panik kam auf, denn ich ahnte seine Entscheidung.
„Erkläre es mir bitte“, ich rüttelte ihn panisch. „Harry bitte sprich mit mir, erkläre es mir.“
„Nun, ich war gestern bei Kingsley, weil ich mich entschlossen habe ziemlich rasch meine Arbeit aufzunehmen“
„Warum?“, erkundigte ich mich etwas vorschnell, korrigierte aber. „Also wirst du nicht nach Hogwarts zurückkehren?“
Harry überging zunächst meine Fragen, „er hat mir zwei Angebote gemacht, weil er natürlich, händeringend sofortige Hilfe gebrauchen konnte.“
„Welche Angebote hat er dir gemacht?“
„Die Leitung des Aurorenbüros hier im Ministerium, und die Leitung in der Französischen Alpenregion … viele flüchtige Todesser hätten sich in die Alpen abgesetzt.“.
„Frankreich? Ausland?“ meine Stimme wurde gedämpfter und trauriger, „und du tendierst zum Zweiten?“
Frankreich? Ausland? in mir brach eine Welt zusammen.
Ich wusste was er tun würde, und dass er seine Entscheidung schon getroffen hatte.
Er würde mich verlassen.
„Und du tendierst zum Zweiten?“, wiederholte ich mit schwacher Stimme.
Er konnte mir nicht in die Augen schauen, ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
Er nickte, ohne mir in die Augen zu schauen.
„Warum Harry?“ ich wurde immer ruhiger, aber der Schein trog, in mir schrie eine Stimme und zerfetzte mein Trommelfell, „erklär es mir?“
„Was möchtest du hören?“
„Die Wahrheit, den wahren Grund und keine Ausflüchte.“
„Ich habe mich noch nicht entschieden“, hörte ich unterbewusst.
Von wegen!
Dazu kenne ich dich zu gut.
„Das ist nicht wahr Harry“, ich sah ihn durchdringend an, „und du weißt dass du mir nichts vormachen kannst.“
Ich musste weitergehen, ihn berühren, so griff ich nach seinem Gesicht um seinen gesenkten Kopf anzuheben, „sieh mir in die Augen.“
Er schaute durch mich hindurch, sein Kopf senkte sich wieder.
Doch ich hob ihn erneut an, und wiederholte mich, „sieh mir in die Augen.“
Er konnte es nicht.
In mir brach eine Welt zusammen.
Harry verlässt mich!
Aber warum, geht dir das so nahe?
„Du hast Kingsley vielleicht noch nicht zugesagt, aber entschieden…“, erneut drückte ich sein Gesicht in die Höhe, er ließ es geschehen, es war so einfach. „…entschieden hast du dich längst, aber warum?“
„Es wird nie mehr so sein, wie es mal war.“
Das wusste ich selbst.
Meine Gedanken!
„Aber siehst du mich deswegen fliehen?“
Aber was meint er genau damit?
Ist es vielleicht nur wegen Ginny?
Oder doch etwas anderes…?
Ginny, vielleicht doch wegen Ginny?
Ich hatte nichts mehr zu verlieren, also ging ich aufs Ganze.
Ich wehrte mich nicht gegen diese Gedanken, ganz im Gegenteil, ich hoffte…
Hoffte auf Bestätigung, und fühlte mich nicht einmal als ein schlechter Mensch dabei.
Auch wenn es egoistisch klingen mag.
Ich dachte in diesem Augenblick, zum ersten Mal nur an mich.
„Wie meinst du das? Ist es wegen Ginny? Was ist mit dir und Ginny?“
Er reagierte wie ich gehofft hatte und konterte, „was ist mit dir und Ron?“
Sehr Gut, und zu Recht gekontert!
Glückwunsch, es besteht noch Hoffnung.
„Du versuchst schon wieder auszuweichen“, wie leicht ich ihn doch schon durchschauen konnte.
Der Kampfeswille war noch nicht ganz gebrochen.
Er erklärte beiläufig, die Situation zwischen ihm und Ginny, die ich schon kannte, aber doch froh war, sie von ihm selbst zu hören.
„Nichts ist mit Ginny, und es wird auch nichts mehr sein“.
Harry verzog keine Miene, bei dieser Aussage.
Wie sollte ich das einschätzen?
Mein Herz machte Luftsprünge, aber gleichzeitig fühlte ich mich elend.
Ein seltsames Gefühl, ein Wechselbad zwischen Jubel und Trauer.
Würde mein innerer Schweinhund siegen?
Ich konnte nicht feststellen ob es traurig, wütend oder trotzig gemeint war.
„Wir sind nicht wieder zusammen, und werden es auch nicht wieder sein, aber das ist nicht der Grund für meine Entscheidung.“
„Nicht?“
Ginny ist nur ein Auslöser, aber nicht der Hauptgrund!
Dessen war ich mir sicher.
„Es passt einfach nicht, weil ich nie zur Ruhe kommen würde, und wenn ich ehrlich bin hat sie Recht, meine Empfindungen sind nicht mehr die Gleichen.“
Der Triumphzug meines Herzens hatte begonnen.
Der Marsch kam in rasantem Tempo voran, mein ganz innerer Körper kribbelte.
Steine und Geröll, die seit Jahren den Weg versperrten, wurden in rasanter Weise beiseite gefegt.
Mein Plan stand fest.
Jetzt oder nie.
Ich wollte Gewissheit!
Immer stärker pochte mein Herz, einen einzigen Punkt brauchte ich noch.
Die Gewissheit.
Der ultimative Höhepunkt meines Tests.
Ich kannte meine Antwort bereits, weil der innere beschwerliche Weg überbrückt war, doch ich wollte die Antwort von ihm.
Die Bestätigung.
Würde er nicht erwidern, dann hätte ich meine Gefühle hinten angestellt.
Ich brauchte diese Gewissheit.
Ich liebe ihn, aber ich würde das Gefühl nur aufrecht erhalten, wenn es erwidert würde.
Ich griff nach dem vorletzten Kirschbonbon in meiner Perlentasche, mein Atem sollte in diesem Moment. frisch sein.
„Was ist das?“ fragte er überrascht.
„Oh Entschuldigung, willst du auch eines, eine Hustenpastille, Kirsche…“.
Warum fragt er danach?
Ich wunderte mich, dass er diese unbedeutende Handlung bemerkte, und fragte mich nach dem Sinn seiner Frage. Sein Gesicht zuckte kurz, und seine Augen weiteten sich, kreisrund und riesengroß, was durch seine Brille noch verstärkt wurde. Harry hatte endlich verstanden, es war als wäre bei ihm das letzte notwendige Licht aufgegangen.
Ich zitterte immer mehr vor Aufregung und Nervosität. „Ich verstehe dich immer noch nicht?“, setzte ich meine Befragung fort.
„In dem Moment wo ER tot am Boden lag, wusste ich, dass es vorbei ist.“ Seine Augen zitterten und es bildete sich ein leichter, feuchter Schleier. „Nicht nur mit ihm, sondern mit uns, unsere gemeinsamen Jahre, unsere Unternehmungen. Vorbei Hermine, alles vorbei, es wird nie mehr so sein.“ Erneut senkte sich sein Kopf nach unten. „Du … und Ron … Ich … ich wäre nur das fünfte Rad am Wagen.“
Also doch!
„Das stimmt doch nicht Harry und du solltest das eigentlich wissen“, ich schluckte schwer, streckte beruhigend meinen Arm nach ihm aus, und kam einen Schritt näher auf ihn zu.
Er schüttelte langsam seinen Kopf und versuchte meiner Berührung auszuweichen. „Nein, das funktioniert so nicht Hermine … in mir sind andere Gefühle, die ich nicht zu deuten wage, und das kann und möchte ich nicht näher erforschen.“
Andere Gefühle?
Für mich?
Sind es die Gefühle zu mir, dessen er sich bewusst wird?
Er bricht zusammen, seine Gefühle, er kann sie nicht weiter verstecken!
Glücklich, ein Glücksgefühl beschlich mich, indirekt hatte er mir gerade gestanden mich zu lieben, ich konnte es kaum glauben, Tränen bildeten sich in meinen Augen.
Jetzt.
Ich konnte nicht mehr warten.
Jetzt oder nie!
Auch meine Gefühle brachen aus ihrem goldenen Käfig heraus.
Die Gitterstäbe zerbrachen wie Glas in tausend Teile.
Es war wie eine Befreiung.
Zum dritten Mal drückte ich seinen Kopf nach oben, schaute ihm in die Augen, und bemerkte ein Leuchten, ein Leuchten das im Wasser des schwarzen Sees zu ertrinken schien.
Ganz langsam näherte ich mich seinen Lippen, neigte meinen Kopf nach vorne und ersehnte die Berührung.
Ich schloss meine Augen und gab mich für einen kurzen Augenblick meinen Gefühlen hin.
Unsere Lippen vereinigten sich.
Es war glückseliges Versinken, es war Leidenschaft, es war intensiv und es war nicht neu, aber doch unbekannt, wunderschön und es schmeckte tatsächlich nach ….
Deswegen seine Frage!
Erschrocken erwachte ich aus einem Traum. Verwirrt löste er sich von mir ging einen Schritt zurück.
„Nein … nicht … Was war jetzt das?“ fragte er erschrocken.
„Es ... tut ... mir … leid … das“, stammelte ich.
Er hat mir nicht alles gesagt!
Da war noch mehr.
Er verheimlicht mir das Wesentliche.
Aber ich hatte meine hundertprozentige Bestätigung.
Ich liebe Harry.
Und Harry liebt mich!
Und es ist definierbare Liebe, echte Liebe, richtige Liebe.
Aber da war noch etwas, ich spürte Angst.
Angst vor was?
Sprich mit mir Harry!
Nachdem ich mich wieder etwas im Griff hatte, versuchte ich es ihm zu erklären, „ich brauchte Bestätigung, Harry…“
„Bestätigung? Wofür?“
Ich schenkte ihm lediglich einen durchdringenden Blick, dachte aber: Vielleicht ist es noch zu früh.
Vielleicht kommt es für Harry noch zu früh?
„Ich musste etwas klären, für mich, und ich spüre dass da noch etwas ist, Harry … was ist es?“
„Ich kann nicht, ich kann euch das nicht antun, dir, Ron, Ginny, und dann noch meine neuen Erkenntnisse…“
„Welche Erkenntnisse?“, schrie ich.
Etwa die Gleichen, wie meine?
Ich wusste es!
„Bitte sprich mit mir!“, meine Stimme renkte sich wieder ein.
„Ich kann dir das nicht antun.“
Mir?
Er hatte nicht mehr die Anderen erwähnt sondern Mich, mich allein!
Harrys Hände begannen zu zittern, nervös ließ er sie zu Boden sinken.
Er braucht Zeit.
„Mir? Geht es jetzt doch nur noch um mich?“
„Ja“, antwortete er kleinlaut, und starrte auf das ausgeschaltete TV-Gerät.
„Bitte Harry, ich denke du bist mir das schuldig. Bitte sieh mich an.“
Er tat es, und sah mich schweigend, aber mit ängstlichem Blick an.
„Sind es deine Gefühle zu mir?“
„Ich kann nicht…“.
„Harry?“
Angst, eine unglaubliche Angst breitete sich in meinem Körper aus.
„Bitte Hermine quäle mich nicht, ich kann es nicht.“
„Was ist es Harry?“ ich war kurz davor durchzudrehen, ich musste wissen was es war.
Nein – ich musste es nicht wissen, ich wusste es längst. Ich wollte es hören.
„Ich kann dir das nicht antun“, er wurde immer schwächer.
„Harry, bitte…“
„Meine Gefühle sind unkontrollierbar, aber das ist es nicht alleine.“
„Was … was noch, Harry?“
„Ich habe heute noch etwas erfahren … von…“.
Weiter kamen wir nicht, es klopfte energisch an der Tür, noch einmal schaute er mich hilfesuchend an, die Augen voller Angst. Es klopfte ein zweites Mal, noch energischer. Die Haustür polterte.
„Hermine?“ rief die Stimme von Ron. „Hermine? Harry? Seid ihr da?“
Harry drehte mir den Rücken zu, griff in seine Tasche und zog den Tarnumhang hervor.
Rons Erscheinen hatte ihn gerettet, er warf sich den Tarnumhang über und war verschwunden.
Ich starrte noch lange auf den Platz auf dem er gestanden hatte, es klopfte ein weiteres Mal.
„Moment … ich komme“, rief ich Richtung Tür, und verfluchte den perfekten Augenblick.
Ich hatte ihn fast soweit.
So nahe, so knapp, und jetzt könnte es das Ende bedeuten.
Während ich mit zitternden Händen die Tür öffnete und Ron hereinließ, spürte ich einen leichten Luftzug, der ihn mit sich nahm.
Er war weg!
Und ich hatte Angst, Angst, wie ich sie noch nie empfunden hatte.
Er liebt mich, dessen war ich mir jetzt sicher.
Aber da war noch etwas.
Er weiß etwas über mich, dass er mir nicht sagen wollte.
Aber ich wusste, ich würde nicht aufgeben, nicht nach dieser Erkenntnis, und ich wusste, wo ich meine Suche beginnen musste.
„Wo ist Harry?“ fragte Ron und sah sich suchend um.
Auch wenn ich gerade eine unbeschreibliche Stinkwut auf ihn hatte, so konnte ich Ron nicht mit dieser Erkenntnis konfrontieren. Das hatte er nicht verdient.
Trotz meiner unglaublichen Wut.
„Weg … Harry ist weg. Er wollte zu Kingsley.“
Ich brach zusammen, spürte wie es mir den Boden unter den Füßen wegzog, spürte, wie mein Körper in sich zusammensackte.
„Harry wird uns verlassen“, erwähnte ich beiläufig und bewusst, weil ich so Rons Liebkosungen entkommen konnte, die ich in diesem Moment niemals über mich hätte ergehen lassen können.
Und um ehrlich zu sein, auch nicht in naher Zukunft, auch nicht in ferner Zukunft.
Erschöpft ließ ich mich auf die Couch fallen.
Ich brauchte Geduld, und ich werde mich in Geduld üben.
Der Tag wird kommen, so wie es prophezeit wurde.
Ich werde warten bis Harry mit sich im Reinen ist.
„Er wird einen Job im Ausland annehmen“, kam ich Rons Fragen zuvor.
Mit traurigem Blick und tröstenden Gesten kam er auf mich zu.
„Lass mich bitte alleine, Ron. Sie mir nicht böse, aber ich bin völlig erschöpft, habe es wohl etwas übertrieben mit dem Aufräumen…“
Die Nacht verbrachte ich in meinem eigenen Bett, erst zum Frühstück am nächsten Morgen kehrte ich in den Fuchsbau zurück, und ich wusste er würde da sein, und er würde seinen bereits feststehenden Entschluss verkünden.
So war es für mich keine Überraschung, dass Harry die Aussage tätigte, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
Ich fühlte mich leer, emotionslos, obwohl ich es schon lange wusste, bevor er es ausgesprochen hatte.
Niemand war wirklich schockiert.
Ginny schüttelte zum Abschied seine Hand, drehte sich aber schnell um und rannte aus der Küche.
„Du willst das wirklich tun?“ fragte Ron.
„Ich werde nie zur Ruhe kommen, meine Jagd geht weiter, eure endet hier.“
„Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dir alles Gute zu wünschen, und lasse dich irgendwann wieder blicken, vergesse deine Freunde nicht ganz“, dabei blickte Ron kurz zu mir, aber ich zeigte keine Reaktion.
Die Reihe wäre bei mir angekommen.
Ich war die ganze Zeit ruhig geblieben, ich wollte Antworten, die er mir nicht gegeben hatte, und ich wusste, dass er sie mir aus irgendeinem Grund nicht geben konnte.
Ich konnte mich nicht rühren, mein Körper fühlte sich an, als wäre er gelähmt.
Emotionslos blieb ich auf meinem Platz und winkte ihm nur beiläufig zu.
Der Moment des Abschieds fühlte ich so leer an.
Harrys Blick fiel sehnsüchtig auf mich, immer noch blieb ich äußerlich überraschend ruhig, aber im Inneren brodelte ein Vulkan.
Ich konnte nicht aufstehen, mein Körper streikte, die Kraft dazu war nicht vorhanden.
Unendlich lange, begleitet von einer tödlichen Stille, starrte er mir in die Augen, dann drehte er sich um und verließ den Fuchsbau.
„Alles Gute, Harry“, schluchzte Molly unter einer letzten Umarmung.
Alles Gute, Harry!
Ich wollte ihn küssen.
Ihn halten, und nie mehr loslassen.
Aber ich wollte auch Antworten.
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, brach ich in Tränen aus und kämpfte mit mir, ihm nachzurennen.
Ich habe es nicht getan.
Er hat mich verlassen.
Ich fühlte mich so unendlich verloren und allein.
Harry war weg … für immer weg. Für immer weg.
Würde ich ihn jemals wiedersehen?
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