von rodriquez
Im Antlitz der Entscheidung eine vollkommen unangemessene Aktion.
Oder doch nicht?
Im Nachhinein habe ich Harry vielleicht dadurch den notwendigen Kicke versetzt.
Die richtige Entscheidung im genau richtigen Moment.
Es war wirklich Leidenschaft, aber es schmeckte nicht nach Kirschen, und ich wollte, dass es nach Kirchen schmeckt.
Trotz den GefĂĽhles zu schweben, trotz des ĂĽberraschenden Momentes, trotz des angenehmen GefĂĽhles, etwas fehlte, etwas sehr wesentliches.
Nur was?
Was könnte es gewesen sein?
Ich spürte Verwirrung, ich spürte Aufgewühltheit, und ich sah plötzlich Harry neben mir stehen, und ich verstand, dass ich nicht wegen ihm, den Boden unter meinen Füßen verloren hatte.
„Ist das jetzt der richtige Moment dafür?“ fragte Harry matt, doch Ron ließ mich nicht mehr los, er klammerte sich ganz fest an mich und schwenkte mich im Kreis hin und her.
Harte, fast verzweifelt geschriene Worte von Harry holten mich in die Realität zurück: „HEY! Hier herrscht Krieg!“
Die Realität war ein tosender Lärm um uns herum, die Zeichen einer Schlacht.
Menschen sterben. Harry wird sterben.
Die Realität hatte mich mit einem einzigen Schrei zurück.
Und plötzlich war es auch nicht mehr das Gefühl innerlich zu schweben, ich schwebte wirklich, und zwar nur, weil mich Ron im Kreis drehte.
Und es war der reale Harry, der sehr verloren neben mir stand.
„Ich weiß, Mann“, sagte Ron, „eben deshalb, jetzt oder nie stimmt’s?“
„Schon gut, aber was ist mit dem Horkrux?“
Harry wirkte wie ein Boxer, der nur einen Bruchteil einer Sekunde vor dem entscheidenden Knockout stand. „Meint ihr, ihr könntet euch gerade noch…“, er fing meinen Blick auf, senkte den Kopf und sagte ohne mich weiter anzuschauen, „gerade noch zurückhalten, bis wir das Diadem haben?“
Er zwang sich wegzusehen.
GroĂźartig Hermine!
Wirklich groĂźartig.
Einen ungünstigeren Augenblick hätte es nicht geben können.
Ich war den Tränen nahe, zu meiner Linken sah ich Ron, der sich freute, und zu meiner Rechten stand Harry, den ich verunsichert habe.
In diesem wichtigen Moment fuhren meine Gefühle Achterbahn, ich hätte mich freuen können, und ich hätte weinen können, und das alles gleichzeitig.
Verunsichert und erschrocken über mich selbst, wandte ich mich beschämt ab, sammelte die, in der Spontaneität, weggeworfenen Teile ein, und spürte das brennende Feuer auf meinen Wangen.
Ein brodelnder Vulkan in meinem Körper, aber die Zeichen waren eindeutig.
Meine beiden Freunde hatten reagiert:
Ron, so wie ich es mir seit langer Zeit erhofft hatte.
Harry, so wie ich es mir gewünscht hatte, und dennoch tat er mir leid und ich fühlte mit ihm, denn der Augenblick hätte wirklich nicht ungünstiger gewählt sein können.
Er musste im Antlitz des Todes den Moment durchleben, den ich bei ihm und Ginny ertragen musste.
Eigentlich eine gelungene Revanche, eine späte Rache, aber die Situation war eine Andere.
Es war unĂĽberlegt und dumm.
Es tut mir leid, das wollte ich nicht, versuchte ich ihm zu signalisieren, er konnte oder er wollte die Signale nicht empfangen.
Und urplötzlich, trotz aller Gefühle, die ich gerade empfand, und entgegengebracht bekam, fühlte ich mich verunsichert.
Wie war Harrys Reaktion einzuordnen?
Hatte er uns nur auf Grund der ernsten Lage ermahnt, oder steckte doch mehr dahinter?
Konzentriere dich wieder auf das Wesentliche!
Erst wenn es vorbei ist, solltest du dir darĂĽber Gedanken machen!
Ein letztes Mal, so versprach ich mir selbst, wĂĽrde ich diese Gedanken hinten anstellen.
Ein letztes Mal – doch dann muss ich die Wahrheit ergründen, dann würde ich mich nicht mehr verstecken.
Und unweigerlich musste ich an Mom denken:
Ihr werdet euch nochmals gegenseitig testen. Jeder von euch wird wissen wollen, ob sein Gefühl immer noch vorhanden ist, ob sich etwas verändert hat.
Bei mir kam dieser Moment frĂĽher, als sie wohl geahnt hat.
Ich war so unwahrscheinlich dumm.
Harry war losgelaufen, zögernd und erwartungsvoll blickte mich Ron an.
Ich stand, wie angewurzelt da, und starrte beide an, Ron der mir die Hand entgegenstreckte, und Harry der mir bereits den RĂĽcken zugewandt hatte.
NatĂĽrlich durfte er sich keine Hoffnungen machen, auf ihn wartete immer noch Ginny, dieses Recht hatte er verwirkt.
Doch hatte er das wirklich?
War es nicht viel mehr so, dass das eigentliche Recht ihm gebĂĽhrte?
Aus seiner Sicht gab es daran keine Zweifel, außer ich wäre ihm entgegengekommen.
Aber ich wollte nicht noch einen Fehler in dieser Situation begehen.
Doch ich spürte auch, dass sich die vermaledeiten Gedanken nicht mehr vollends zurückdrängen ließen.
Die Entscheidung war nahe.
Ich machte den ersten Schritt, ob er falsch oder richtig war konnte ich nicht erkennen, der nächste Schritt war den Beiden zu folgen, aber Rons Hand übersah ich wissentlich.
Nicht noch ein Fehler in dieser Situation!
Es wäre unverantwortlich, auch noch Hand in Hand mit Ron hinter Harry herzulaufen, ich musste mich zusammenreißen, mich auf das Wesentliche konzentrieren, und ich durfte auf gar keinen Fall, Harry weiter verunsichern, auch wenn Harry klar sein müsste, dass er keinerlei Ansprüche auf mich erheben konnte.
Ich hätte auch dürfte schreiben können, aber das wäre nur eine einseitige- Teilwahrheit gewesen, und das wisst ihr besser als ich.
Als wir in den Korridor zurĂĽckkehrten stellten wir fest, dass sich die Lage im Schloss ernstlich verschlechtert hatte.
Die Wände und die Decke bebten schlimmer denn je, die Luft war voller Staub, und durch die Fenster konnten wir etliche rote und grüne Lichtblitze sehen.
Die Schlacht war in vollem Gange, und die Todesser wohl kurz davor das Schloss zu stĂĽrmen.
Von weitem konnte ich Grawp erkennen, der wütend um sich schlug, und einige Gegner mit seinen Fäusten zu Fall brachte.
An einem der nächsten Fenster standen Ginny und Tonks, Ginny warf unaufhörlich Flüche durch das zerstörte Fenster.
Tonks stand regungslos neben ihr, und starrte in die Dunkelheit, die immer wieder durch Blitze der geworfenen FlĂĽche, unterbrochen wurde, die vielen Lichter spiegelten sich in ihren suchenden Pupillen. Sie war immer noch auf der Suche nach ihrem Liebsten.
So wie ich?
War ich auch noch auf der Suche?
Auf der Suche nach dem Liebe?
Oder hatte ich sie gefunden?
Aber warum fĂĽhlte es sich dann noch so seltsam an?
Ginny hatte keine Skrupel mehr, ihr Gesicht drĂĽckte Entschlossenheit aus, Harry selbst hatte sie dazu aufgefordert den Raum zu verlassen, auch wenn er dadurch eigentlich etwas anderes bezwecken wollte, fĂĽr sie war es ein Freifahrtschein, und jetzt war er nicht mehr in der Lage, das zu korrigieren.
„Klasse, Mädchen“, erklang der aufmunternde Ruf von Aberforth, der dabei war, vereinzelte Schüler in Sicherheit zu bringen.
Plötzlich sprang Tonks, wie von einer Tarantel gestochen auf, „Remus, da ist Remus!“, sie war nicht mehr zu halten, und rannte die Gänge nach unten, ihrem Remus, ihrer Liebe entgegen.
Vielleicht könnte ich nach dieser Nacht niemanden mehr lieben?
Mit einer seltsamen Vorahnung schaute ich ihr hinterher.
Es war das letzte Mal, dass ich sie lebend gesehen hatte.
„Ginny, wir sind gleich zurück, geh einfach in Deckung und pass auf dich auf – kommt mit!“ sagte Harry, schloss seine Augen und versuchte sich zu konzentrieren.
Das SchlachtgetĂĽmmel erstarb in dem Moment, in dem wir die Schwelle zum gewĂĽnschten Raum ĂĽberschritten, und die TĂĽr sich hinter uns schloss.
Wir folgten Harry hinterher, vorbei an einem ausgestopften Troll, vorbei an dem Verschwindekabinett, mit dem Malfoy den Todessern, den Zugang zum Schloss ermöglichte.
Nach seiner anfänglichen Überzeugung, zögerte Harry plötzlich, blieb stehen und spähte die Gänge auf und ab, er hatte offensichtlich die Orientierung verloren.
So riesig hatte ich den Raum noch nie gesehen, unzählige mysteriöse Gänge erschlossen sich meinen Augen.
„Accio Diadem!“ rief ich hoffnungsvoll, weil ich spürte, dass Harry definitiv nicht wusste, wo er suchen sollte.
Nichts geschah, als ob dieser Raum, genau wie das Verlies in Gringotts, seine verborgenen Gegenstände nicht so einfach hergeben würde.
Auf Harrys Bitte hin teilten wir uns auf.
„Sucht nach der steinernen Bürste eines alten Mannes, der eine Perücke und ein Diadem aufhat! Sie steht auf einem Schrank und ist ganz bestimmt irgendwo hier in der Nähe…“
Jeder nahm sich einen Gang vor, ehrfurchtsvoll betrat ich einen unheimlichen, dunklen Gang, und schritt vorbei an Unmengen von Gerümpel, Körben, Büchern, Waffen, Besen…
„Irgendwo … irgendwo“, murmelte ich vor mich hin, und schaute abwechselnd nach Rechts und Links, den Zauberstab erhoben, und meine Gedanken in Alarmbereitschaft, ich konnte die Schritte der anderen hören, wenngleich sie weit weg, und immer schwächer klangen.
„Harry?“
Rons Stimme klang weit entfernt, und hallte an den Wänden. „Redest du da mit jemand?“
„Descendo!“ hörte ich eine völlig fremde Stimme rufen.
Etliche Meter hinter mir geriet eine Mauer ins Wanken und bröckelte mit einem tosenden, unheimlichen Echo in sich zusammen.
„Ron!“ brüllte Harry, und ich konnte die Panik in seiner Stimme spüren.
So schnell ich konnte rannte ich den Gang zurĂĽck.
„Nein!“
Es war Malfoys Stimme, die ich eindeutig zuordnen konnte.
Ich musste ihnen ziemlich nahe gekommen sein, konnte mir aber nicht erklären, was hinter der nächsten Wand vor sich ging. Meine Augen konnten nichts erkennen, nur Stimmen drangen an mich heran.
„Wenn du den Raum demolierst, geht vielleicht dieses Diadem-Teil verschütt!“, wieder die Stimme von Draco Malfoy, in der eine unbekannte, ängstliche Anspannung lag.
Wo kommt Malfoy plötzlich her?
„Ist doch egal, oder?“ antwortete die selten dämliche Stimme, die ich eindeutig Crabbe zuordnen konnte. „Es ist doch Potter, den der Dunkle Lord haben will, wen kümmert da schon ein Dier-dem?“
„Potter kam hier rein, um es zu holen, also muss das heißen…“, versuchte Malfoy seinem begriffsstutzigen Gefährten zu erklären.
„Muss das heißen?“ in Crabbes Stimme lag sehr viel Spott gegenüber Malfoy. „Wen interessiert’ s schon, was du denkst? Ich nehme keine Befehle mehr von dir an, Draco. Du und dein Dad, ihr seid erledigt.“
„Harry?“ rief Rons weit entfernte Stimme erneut. „Was ist da los?“
Wo ist er nur?
Rons Stimme klang weiter entfernt als zuvor.
War er etwa in die falsche Richtung gegangen?
„Harry?“ äffte Crabbe ihn nach. „Was ist da – nein, Potter! CRUCIO!“
Es gab einen lauten Knall, und dadurch wusste ich, dass der Fluch Harry verfehlt hatte.
„STOPP!“ schrie Malfoy und seine Stimme hallte durch den Raum. „Der dunkle Lord will ihn lebend…“
„Na und? Bring ich ihn etwa um?“ schrie Crabbe abfällig. „Aber wenn ich kann, werd ich’s tun, der dunkle Lord will sowieso, dass er tot ist, wo ist da der Untersch…?“
Endlich hatte ich das Ende des Ganges erreicht, und konnte Crabbe und Malfoy einige Meter vor mir stehend erkennen.
„STUPOR!“ rief ich in Richtung des Blödmannes, der gerade sein eigenes Todesurteil gesprochen hatte.
So oder so. Voldemort hätte ihm nicht einmal die Gelegenheit für eine Erklärung gegeben.
Ganz knapp rauschte mein Fluch an seinen Kopf vorbei, weil er just in diesem Moment von Malfoy weggedrängt wurde, weil dieser ihn am Kragen gepackt hatte.
„Da ist dieses Schlammblut! AVADA KEDAVRA!“
Crabbe riss sich rasend vor Wut von Malfoy los, und warf ĂĽber dessen Kopf hinweg, den Todesfluch in meine Richtung.
Im letzten Moment hechtete ich beiseite, der Fluch rauschte knapp ĂĽber meine Haare in eine BĂĽste, die in tausend Teile zerbarst.
Noch nie zuvor hatte ich Harry so wĂĽtend gesehen.
In seinen Augen blitzte der blanke Hass, und Crabbe wird diese Wut mit voller Wucht zu spĂĽren bekommen.
Seine GefĂĽhle zu mir brachen offen aus ihm heraus, er konnte sie nicht mehr verstecken, wĂĽtend warf er mehrere Schockzauber hinter einander, Crabbe konnte aber im letzten Moment ausweichen, und riss dabei Malfoy mit um. Sie rollten ĂĽber den Boden, und Malfoy flog sein Zauberstab aus der Hand, unerreichbar kullerte er davon.
Mir war nicht einmal bewusst, dass mit dem Zauberstab ein solches Dauerfeuer möglich war. Hinter den beiden Slytherns zerfetzte es mehrer Skulpturen auf einmal, wenn nach einem Maschinengewehrfeuer.
„Tötet ich nicht! TÖTET IHN NICHT!“ schrie Malfoy panisch.
Crabbe richtete seinen Zauberstab erneut auf Harry, und aus einer anderen Ecke tauchte Goyle auf, beide zielten gleichzeitig, und aus unterschiedlichen Richtungen auf Harry.
„EXPELLIARMUS!“
Harry reagierte gedankenschnell, mit immer noch hasserfĂĽllten Augen. Sein Fluch erreichte Goyle, der sofort in die Knie ging, sein Zauberstab wurde durch die Luft geschleudert. Auf den Knien angekommen, blickte er kurz starr vor sich hin, dann kippte er wie ein nasser Sack zur Seite weg.
Crabbe wirbelte herum und wich einer Ganzkörperklammer aus, die von dem herbeigeeilten Ron geworfen wurde.
Wo war der nur so lange?
Ein weiterer Schockzauber aus meinem Zauberstab verfehlte Malfoy nur knapp.
Crabbe völlig wahnsinnig geworden, schrie erneut den Todesfluch „AVADA KEDAVRA!“
Ron lieĂź sich zur Seite fallen, und konnte dem grĂĽnen Lichtstrahl ausweichen.
Verängstigt, weil Zauberstablos brachte sich Malfoy hinter einem uralten Schrank in Sicherheit, Goyle, der sich mittlerweile wieder aufgerappelt hatte, rannte panisch davon.
Ich nutzte die Chance und brachte ihn mit einem erneuten Schockzauber ins Stolpern. Noch im Rennen war mein Fluch gegen seinen Rücken geprallt, fast einen Meter hob er vom Boden ab, verrenkte sein linkes Bein und stolperte so der Länge nach mit dem Gesicht auf den harten Untergrund.
„Irgendwo hier ist es!“ hörte ich Harry rufen, hatte aber erschrocken meinen Blick auf Crabbe gerichtet, aus dessen Zauberstab ein seltsamer, unbekannter Fluch entwich.
Ein Blitz, der wie ein loderndes Feuer zĂĽngelte, und in dem Schrank hinter dem sich Malfoy versteckte einschlug.
Der Schrank ging sofort in Flammen auf, mit einem Hechtsprung brachte sich Malfoy in Sicherheit.
Nach nur wenigen Sekunden griffen die Flammen bedrohlich alles an, was ihnen in den Weg kam.
„Harry!“ warnte ich laut schreiend. Erschrocken durch die Panik in meiner Stimme wirbelte sein Kopf herum.
„Mögt ihr’s heiß, Kotzbrocken?“ brüllte Crabbe, und erinnerte in seinem Wahn stark an Bellatrix, mit dem Unterschied, dass sie wusste, was ihre Flüche verursachten.
Crabbe begann zu rennen, als er die AusmaĂźe seines Fluches erkannte, er konnte das, was er getan hatte nicht mehr kontrollieren.
Riesige Flammen züngelten an den Wänden entlang, alles Gerümpel im Raum der Wünsche, was von diesen Flammen erfasst wurde, zerfiel sofort zu Ruß.
„Aquamenti!“ schrie Harry, doch das heraufbeschworene Wasser, verdampfte sofort, noch in der Luft.
Nichts wird helfen!
Sollte das ein Dämonsfeuer sein?
Wir mĂĽssen hier raus, sonst sind wir alle erledigt!
„LAUFT!“ schrie Harry, der meine Gedanken zu lesen schien.
Malfoy packte den geschockten Goyle und zerrte ihn mit sich.
Crabbe ließ alle zurück. Er kannte nur noch sich selbst. Harry, Ron und ich hasteten hinter ihm her, erbarmungslos verfolgt von den Flammen der Zerstörung.
Das war definitiv kein normales Feuer.
Ein Dämonsfeuer, dachte ich panisch.
Der Rauch wurde immer dichter, die Hitze unerträglich, und immer noch schienen uns die Flammen zu verfolgen.
Riesige Ungeheuer züngelten aus den Flammen: Schlangen, Drachen bäumten sich bedrohlich auf, und sie hatten nur ein Ziel:
Zerstören und Töten!
Uns Töten!
Alles was ihnen in die Quere kam, wurde erbarmungslos zerstört, und zerfiel in Schutt und Asche.
Wir rannten, und rannten, und die Flammen hinter uns her.
Zum Ausgang!
Wir mĂĽssen den Ausgang finden!
Abrupt war Harry stehen geblieben und hielt mich am Arm zurĂĽck, als ich an ihm vorbeischlitterte.
Fragend blickte ich ihn an.
Während bei mir wieder einmal die Panik über das logische Denken siegte, behielt Harry, wie so oft in Notsituationen einen kühlen Kopf.
„Was machen wir jetzt?“ fragte ich panisch und vertraute auf seine klaren Gedanken.
„Hier!“
Urplötzlich hielt er zwei Besen in der Hand, und reichte einen davon Ron, der sofort nach mir griff und mich hinter sich hinaufzog.
Wir stießen uns kraftvoll vom Boden ab und stiegen hoch in die Luft, flammende Raubvögel schnappten mit ihren Kiefern nach uns, und verfehlten nur um Zentimeter meinen Fuß.
Der Rauch und die Hitze wurden unerträglich, wir stiegen bis kurz unter die Decke nach oben.
Unter uns stand alles in Flammen, ohne Gnade wurden die Geheimnisse von Schülern aus vielen Jahrhunderten zerstört.
Auf was wartet Harry?
Wir mĂĽssen hier raus!
Mit einer Hand schĂĽtzend gegen Rauch und Hitze ĂĽber den Augen versuchte er durch die Flammen hindurch etwas zu erkennen.
„Wir müssen hier raus“, rief ich ihm zu.
Noch bevor ihn mein Schrei erreicht hatte, drĂĽckte er seinen Besen steil nach unten, und stieĂź durch die unerbittliche Hitze hindurch, flog durch Rauch und Flammen, bis er aus meinen Augen verschwunden war.
Will er etwa diese Idioten retten?
Unglaublich dieser Harry!
„Was soll das?“ nörgelte Ron wütend. „Was hat er vor? Raus hier und zwar sofort“.
Ron machte eine Bewegung um den Besen zur Seite zu reiĂźen und davon zu fliegen.
„Warte noch!“ schrie ich und hielt ihn am Ärmel fest.
Fassungslos starrte er mich an. „Wir können nicht ohne Harry…“, versuchte ich zu erklären, doch Ron sah sich suchend um.
Harry hielt tatsächlich Ausschau nach seinem Erzfeind, um ihn vor dieser Feuerbrunst zu retten.
Und er hatte Recht:
Welch schreckliche Art zu sterben, wäre das?
Einen solchen Tod hätte selbst Malfoy nicht verdient.
„Raus hier, Harry, lass uns verschwinden!“ brüllte Ron, und verschluckte sich an dem dichten Qualm.
„Da!“ Energisch zerrte ich an Rons Ärmel und deutete auf einen schwach erkennbaren Punkt, weit unter uns. „Harry! – Harry, wir müssen hier raus!“
FĂĽr einen kurzen Moment konnte ich Harry deutlich in der Feuerbrunst erkennen, wie ein Wahnsinniger, wich er gekonnt den flammenden Ungeheuern aus.
Er konnte, oder wollte nicht hören, sondern stob durch den immer dichter werdenden Qualm hindurch, dann war er wieder verschwunden, die Hand vor Augen konnte man nicht mehr sehen.
„Wir müssen ihm hinterher“, flehte ich Ron an.
Er fluchte lauthals und flog schlieĂźlich doch in den dichten Qualm, und endlich konnte ich Harry wieder sehen, er flog direkt auf Malfoy zu, der die Arme um den bewusstlosen Goyle geschlungen hatte. Malfoy sah in Harrys Richtung und hob einen Arm, doch so konnte es nicht klappen, mir dem schweren Goyle wĂĽrden sie keine Chance haben.
„Wir müssen ihm helfen, Ron!“
Wie erwartet rutschte Malfoys Hand gleich wieder aus Harrys Griff.
„WENN WIR FÜR DIE STERBEN, BRING ICH DICH UM, HARRY!“ brüllte Ron.
„Halts Maul“, schrie ich ihn fassungslos an, und schüttelte tatsächlich meinen Kopf über einen so genialen Ronald Weasley – Spruch. „Hilf mir lieber!“
Gemeinsam gelang es uns, den bewusstlosen Goyle auf unseren Besen zu ziehen, und schlingernd stiegen wir unter dem immensen Gewicht wieder nach oben. Ich konnte gerade noch sehen, dass Malfoy es gelang bei Harry aufzusteigen. „Die Tür, flieg zur Tür, zur Tür!“ schrie Malfoy.
Die Erzfeinde hatte Ron, Goyle und mich eingeholt, und gemeinsam und nebeneinander stieĂźen wir in ein schwarzes Loch aus Rauchschwaden, ich konnte kaum noch Atmen und schloss die Augen.
„Was tust du da, was tust du da?“ hörte ich Malfoy erneut panisch rufen. „Die Tür ist da drüben!“
Ich riss meine Augen wieder auf und Harry war nicht mehr neben mir, sondern erneut auf dem Weg nach unten.
„Was…?“, wollte ich ihm hinterher rufen, doch dann erkannte ich den Grund seines Handelns.
Wie in Zeitlupe fiel das Diadem in die Tiefe, glitzernd drehte es sich um sich selbst, Harry griff lässig mit seinem Handgelenk zu, als würde er einen Schnatz ergreifen, schwenkte sofort wieder herum, und war vom Rauch verschluckt.
Jetzt waren wir auf uns gestellt, Malfoys schreiende Stimme wurde immer schwächer und leiser, und schließlich waren sie gar nicht mehr zu hören.
Bitte lasse sie hinter uns sein.
Er muss es einfach schaffen.
Ich vertraute seinen KĂĽnsten.
Nie mehr wĂĽrde ich zweifeln.
Vollstes Vertrauen.
Dann endlich erkannte ich durch den dichten Rauch hindurch, einen rechteckigen Fleck an der Wand, unmittelbar vor uns. „DA! RON! DA!“ schrie ich und zeigte nach vorne.
Mit letzter Kraft steuerte Ron auf diesen, immer größer werdenden Fleck zu, und Sekunden später füllte klare frische Luft meine Lungen, und wir krachten gegen die dahinterliegende Mauer des Korridors.
Ich fiel vom Besen und lag mit dem Gesicht nach unten auf dem kalten Steinboden, keuchend, hustend und wĂĽrgend.
Erneut krachte es an der Wand.
Erleichtert sah ich neben mir Harry und Malfoy zu Boden fallen.
„C-Crabbe“, japste Malfoy.
„Er ist tot“, sagte Ron im rüden Ton.
„Danke, Potter“, murmelte Malfoy.
FĂĽr einen kurzen Moment starrten die Beiden sich an, zum ersten Mal lag in ihren gegenseitigen Blicken keine Abscheu.
Stille trat ein, bis eine Reihe schwerer Schläge die Mauern erschütterte.
Rund um uns herum tobte nach wie vor die Schlacht.
„Wo ist Ginny?“ rief Harry panisch. „Sie war hier. Sie sollte in den Raum der Wünsche zurückgehen.“
„Verdammt, meinst du, der funktioniert noch nach diesem Feuer?“ fragte Ron. „Sollen wir uns aufteilen und suchen?“ fügte er eingeschüchtert hinzu, nachdem ihn meine empörten Blicke erreichten.
„Nein!“ sagte ich entschieden. „Lasst uns zusammenbleiben. Ich denke, wir gehen…“
Mein Blick fiel auf Harrys Ärmel, der dunkel und verkohlt wirkte.
„Was ist das an deinem Arm?“
„Was? Oh, jaah…“
Er zog das Diadem von seinem Handgelenk und hielt es wie eine Trophäe hoch in die Luft.
Es war rußgeschwärzt und als ich danach tastete, spürte ich immer noch die Hitze die davon ausging, und konnte die winzigen Wörter, die darin eingraviert waren, erkennen:
Witzigkeit im Übermaß ist des Menschen größter Schatz.
Eine blutartige Substanz, schwarz wie Teer sickerte aus dem Diadem, es begann heftig zu vibrieren und brach auseinander, dabei glaubte ich einen weit entfernten, schwachen Schmerzensschrei zu hören.
Nummer fünf, wir hatten Nummer fünf zerstört!
Nur noch Nagini und…
Harry!
Schlagartig wurde mir bewusst, was meinem Freund noch bevorstehen wĂĽrde.
Ich konnte es ihm nicht sagen, aber ich wusste, dass er klug genug war, es selbst zu erkennen, wenn er es nicht schon wusste.
Er wird dabei Sirius, James und Lily wiedersehen, so ähnlich wie bei mir, und ich hoffte, dass auch Harry, die richtige Entscheidung treffen würde.
Die Entscheidung zurĂĽckzukehren.
Und mir war auch klar, dass er diesen Weg alleine gehen musste, ohne mich, ohne Ron, ohne Ginny.
„Das muss das Dämonsfeuer gewesen sein!“ wisperte ich, die Augen immer noch auf den zerstörten Horkrux gerichtet.
Schreie und Hilferufe unterbrachen unsere Gedanken.
Der unverkennbare Lärm von Zweikämpfen erfüllte die Korridore.
Die Todesser hatten es wohl geschafft und waren ins Schloss eingedrungen.
Aus allen Richtungen flogen Lichtblitze an uns vorbei, wir eilten den Verteidigern von Hogwarts sofort zu Hilfe, dabei trafen wir auf einen kämpfenden Percy Weasley, dem verstoßen Sohn, und staunten nicht schlecht.
Noch ĂĽberraschter schien Ron zu sein, als Percys Gegner die Kapuze aus dem Gesicht rutschte.
„Hallo, Minister!“ brüllte Percy und schickte Thicknesse mit einem perfekt platzierten Fluch ins Reich der Träume. „Hab ich erwähnt, dass ich kündige?“
„Du machst Witze, Perce!“ rief Fred aus einer Ecke, als der Todesser gegen den er kämpfte, unter der Wucht von Harry und Rons Fluch zusammenbrach.
„Und zwar fristlos!“ fügte Percy händereibend hinzu.
„Du machst tatsächlich Witze, Perce … ich glaub, ich hab keinen Witz mehr von dir gehört, seit du…“, Freds freudige Botschaft wurde mitten im Satz jäh unterbrochen, er verstummte als die Luft um uns herum zu explodieren schien.
Wir hatten alle zusammengestanden, Harry, Ron, Percy, Fred und ich. Und in diesem kurzen Augenblick, dem Bruchteil einer Sekunde, geschah das Unfassbare, als wĂĽrde die Welt auseinandergerissen. Harry wurde durch die Wucht der Explosion von den FĂĽĂźen gerissen und flog einige Meter weit durch die Luft.
Steine, Holz, Unmengen an Schutt und Geröll regneten über uns hernieder und begruben mich unter sich. Ich lag halb begraben unter den Trümmern eines Korridors. Ein kalter Luftzug drang an mich heran, und ich schloss daraus, dass eine Außenwand des Schlosses weggesprengt wurde, über meine Wange lief etwas Heißes und Klebriges.
Blut?
Mit meinen Fingern wischte ich ĂĽber die klebrige Masse auf einer Wange.
Sie war blutrot.
Es war Blut!
Aber von wem?
Es war Harry, dessen Wange ein tiefer Riss zierte, und dessen Blut über mein Gesicht tropfte, dann hörte ich einen schrecklichen Schrei, der mein Herz erfrieren ließ, und an meinen Eingeweiden zerrte.
Harry half mir auf und schwankend stürzten wir gemeinsam auf drei kniende, rothaarige Männer zu.
Harry ergriff meine Hand und drückte sie ganz fest, als wir über Steine und Holz näher heran stolperten.
„Nein – Nein – Nein!“ schrie Ron.
Was, um alles in der Welt, war geschehen?
O Nein!
„Nein! Fred! Nein!“ Percy schüttelte seinen Bruder und Ron kniete neben ihnen, und Freds Augen starrten leblos vor sich hin, noch immer lag die Spur eines Lächelns auf seinem Gesicht.
Die Welt war zu Ende gegangen, und Harry fiel neben mir weinend und fassungslos auf die Knie.
Es gab keinen Zweifel, Fred Weasley war tot, und Harry fiel in ein tiefes Loch.
Mir war sofort klar, dass er fortan seinen Weg alleine gehen wĂĽrde.
Der Tod eines lieben Freundes verlangte von ihm, Niemanden anderes mehr zu gefährden.
Und doch behielt der bewundernswerte Junge einen kĂĽhlen Kopf.
An der weggesprengten Wand suchten Riesenspinnen ihren Weg ins Schloss.
Harry schoss Schockzauber auf sie ab und schrie. „Gehen wir, JETZT!“
Regungslos war ich stehen geblieben, als wären meine Beine aus Blei. Sie gehorchten mir nicht mehr, keinen Millimeter wollten sie sich bewegen.
Harry schubste mich vorwärts, blieb bei Freds Leiche stehen und fasste unter dessen Achseln.
Percy, der begriff, was Harry vorhatte, klammerte sich nicht mehr an seinen Bruder, sondern half Harry den Leichnam hochzuheben, und in einer Nische zu verstecken.
Rons Gesicht war verzerrt, verschmiert von Staub und Ruß, und er zitterte vor Zorn und seelischen Schmerzen. Ich drückte ihn fest hinter einem Wandteppich gegen eine Wand. „Harry, hierher“, schrie ich, bitte hilf mir Ron aufzuhalten.
„Hör mir zu – HÖR ZU, RON!“
„Ich will helfen – ich will Todesser umbringen…“, stammelte er, ohne mir ins Gesicht zu sehen.
„Ron, wir sind die Einzigen, die es beenden können! Bitte Ron – wir brauchen die Schlange, wir müssen die Schlange töten.“
Zum ersten Mal bat ich Harry in Voldemorts Gedanken einzudringen.
Verzweifelt sah ich ihn an. „Du musst herausfinden, wo Voldemort ist, denn er hat die Schlange sicher bei sich, oder? Tu es, Harry – schau in ihn rein!“
Er schloss die Augen und gebannt sah ich ihm zu, auch Ron beruhigte sich wieder etwas.
Mit einem Keuchen öffnete Harry die Augen.
„Er ist in der heulenden Hütte. Die Schlange ist bei ihm, sie hat einen magischen Schutz um sich. Er hat gerade Lucius Malfoy losgeschickt um Snape zu suchen.“
„Voldemort sitzt in der heulenden Hütte?“ Ich konnte es nicht glauben. „Er – er kämpft nicht einmal?“
„Er glaubt nicht, dass er es nötig hat, zu kämpfen“, antwortete Harry genauso angewidert. „Er glaubt, dass ich zu ihm gehen werde.“
Was du auch tun wirst! Dachte ich panisch.
„Aber warum?“
„Er weiß, dass ich hinter den Horkruxen her bin – er behält Nagini dicht bei sich – offensichtlich muss ich zu ihm hin, um an das Ding heranzukommen…“
„Klar“, sagte Ron und richtete seinen Körper auf. „Deshalb kannst du nicht gehen, das will er ja, das erwartet er. Du bleibst hier und passt auf Hermine auf, und ich…“
Ja, ne, is klar!
Als ob Harry das jemals tun wĂĽrde!
„Ihr beide bleibt hier, ich geh unter dem Tarnumhang, und ich komm wieder zurück, sobald ich…“, fiel ihm Harry ins Wort.
Ja, ne, is klar!
Aber so was von klar.
„Nein!“ sagte ich entschieden, „es ist viel vernünftiger…“
„Kommt überhaupt nicht in Frage“, knurrte Ron.
„Ich bin genauso imstande…“, versuchte ich mich zu wehren, doch in diesem Augenblick wurde der Wandteppich am oberen Ende der Treppe aufgerissen.
„POTTER!“
Zwei maskierte Todesser stĂĽrmten auf uns zu.
Geistesgegenwärtig hob ich meinen Zauberstab und brüllte: „Duro!“
Der Teppich versteinerte sofort und die beiden Todesser knallten mit voller Wucht dagegen.
„Harry, du ziehst sofort den Tarnumhang an“, donnerte ich mit einem Beschützerinstinkt.
Doch Harry warf ihn ĂĽber uns alle Drei.
Unter dem Tarnumhang eilten wir mitten durch die Kämpfenden, betäubten und entwischten mehreren Todessern.
Harry rettete Draco Malfoy zum zweiten Mal an diesem Abend das Leben, indem er einen Angreifer schockte, der Draco töten wollte.
Wir eilten die Marmortreppe hinunter, Ginny half einen Toten nach unten zu tragen, er sah aus wie Colin Creevey.
Professor Trelawney warf in Begleitung von Parvati und Lavender, Kristallkugeln in die
Menge.
Der Werwolf Greyback stĂĽrzte an uns vorbei, und ergriff Lavender Brown.
Voller Angst schrie Rons Exfreundin, sie wehrte sich mit Händen und Füssen gegen das Untier Greyback.
„Ja, wehr dich, das macht mich nur noch wilder“, grunzte der stinkende Werwolf.
Sein Körper zuckte und erstarrte, und er brach getroffen zusammen, seine Augen waren
ĂĽberrascht und weit aufgerissen.
Lavender konnte sich aus seinen Fängen befreien.
Ihr Blick war sicherlich noch ĂĽberraschter, als der von Ron, als sie erkannte, wer ihr das Leben
gerettet hatte.
Ihr Blick fiel ungläubig auf mich, weil ich regungslos auf der Treppe stand, mein Zauberstab zielte noch immer auf Greyback, und aus dem eine letzte, kleine verpuffende Rauchwolke entwich.
Ausgerechnet ich musste es sein, voller Ehrfurcht starrte mich Lavender an.
Energisch feuerte Trelawney immer mehr Kristallkugeln in die Menge.
Riesenspinnen, Aragogs Erben drangen wieder ins Schloss, von irgendwoher dröhnte die Stimme von Hagrid, und ich bemerkte, wie die Spinnen ihn verschleppten und Grawp ihm panisch mit „HÄGGER, HÄGGER“ Rufen, folgte.
Die Spuren des Kampfes hatten Harry sichtlich gezeichnet, er war nicht mehr in der Lage seinen Patronus zu beschwören, als hunderte Dementoren auf uns zu schwebten.
Rons Terrier und mein Otter brachen hervor, aber verpufften nach kĂĽrzester Zeit, Harrys Hand zitterte.
„HARRY, NUN KOMM!“ schrie ich ihm aufmunternd zu.
Und dann rauschten ein silberner Hase, ein Eber und ein Fuchs an unseren Köpfen vorbei. Die Dementoren wichen zurück. Luna, Ernie und Seamus machten es Harry vor, doch sie alleine reichten nicht. Luna redete auf Harry ein. „Ja, Harry … komm schon, denk an was Glückliches…“
„Etwas Glückliches?“ sagte er gebrochen.
„Wir sind alle noch hier, wir kämpfen immer noch. Komm schon, jetzt…“
Harry starrte mich an, ich nickte ihm aufmunternd zu, dann schloss er einen Moment seine Augen, ein silberner Funke sprühte aus seinem Stab, dann ein flackerndes Licht und dann endlich brach der Hirsch hervor. Er sprang vorwärts und die Dementoren stoben auseinander.
Dankbar nickte mir Harry zu.
Die ganze Erde bebte, mit einem riesigen GebrĂĽll kamen aus der Dunkelheit Riesen angestampft, wild fuchtelnd mit Keulen und sie schlugen nach allem, was ihnen in die Quere kam.
„LAUFT!“ schrie Harry erneut, doch das musste er mir nicht zweimal sagen, gerade noch rechtzeitig sprang ich zur rechten Seite weg, keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment landete der riesige Fuß einer dieser Kreaturen genau an der Stelle, wo ich gestanden hatte.
Besorgt sah sich Harry nach mir um.
„Zur Peitschenden Weide“, schrie Harry. „Los!“
Wir rannten blind vorwärts, Harry trieb uns an.
Es war als wĂĽrde er alle Gedanken in einer kleinen Kammer verstecken, so wie ich einen gewissen Gedanken immer wieder in meinem eigenen Raum der WĂĽnsche, tief in meinem Innern einzuschlieĂźen versuchte.
Die Gedanken an Fred, oder den verschleppten Hagrid und zu alledem noch seine sicherlich furchtbare Angst um die ganzen Menschen, seine Freunde, die er liebte, all das musste warten, weil wir erst die Schlange noch töten mussten.
Erst die Schlange, dann…
Der Weg zur heulenden Hütte – es würde einer unserer letzten gemeinsamen Wege sein auf dieser Mission, danach würde er die nächstbeste Gelegenheit nutzen, und es alleine zu Ende bringen.
So wie es vorbestimmt war.
Diesen Weg musste er alleine gehen.
Sterben – niemand kann, würde oder sollte ihn dabei begleiten.
Niemand kann ihm diesen Weg abnehmen.
Niemals wĂĽrde er seine Lieben dieser Gefahr aussetzen.
Er jagte dahin, als könne er den Tod jetzt schon hinter sich lassen, mitten durch die Schlacht, auch ich achtete nicht auf die Lichtstrahlen, die mir um die Ohren flogen, sondern rannte blind Harry hinterher, panisch, ängstlich und schneller als je zuvor in meinem Leben.
Dann sah ich sie endlich vor uns, die Weide, die das Geheimnis an ihren Wurzeln mit peitschenden, um sich schlagenden Zweigen beschĂĽtzte.
Keuchend und japsend verlangsamten wir unsere Schritte, fast war ich mit Harry auf gleicher Höhe.
Du musst ihn beschĂĽtzen!
Immer wieder polterte dieser Gedanke durch meinen Kopf.
Das Mädchen meiner besten Freundin, Mary, das Mädchen, das auf meinen Sohn aufpasst, das Mädchen, das meinen Sohn liebt...
Tränen tropften aus meinen Augen, ich wischte sie weg, bevor Harry sie bemerken würde.
Nicht mehr lange, Lily –
Ich kann nicht mehr lange auf deinen Sohn aufpassen!
Bald ist er auf sich selbst gestellt.
Erst jetzt schloss Ron, japsend zu uns auf.
„Wie – wie sollen wir da reinkommen?“ keuchte Ron. „Wenn wir nur wieder Krummbein hätten…“
Krummbein?
„Krummbein?“ schnaufte ich unter starkem Seitenstechen, funkelte Ron bedrohlich an und fauchte in Krummbeinmanier: „Bist du ein Zauberer oder nicht!“
„Wingardium Leviosa!“ murmelte Ron nervös.
Ein Zweig flog vom Boden hoch, wirbelte durch die Luft und sauste auf den Stamm zu, dann stach er in die Stelle nahe den Wurzeln und sofort war der Baum friedlich.
Na also, geht doch!
Aus der Ferne war noch immer das Krachen und Dröhnen der Schlacht zu hören.
Harry zögerte.
Fragend sah ich ihn an, und verstand blind seine Bedenken:
Voldemort wollte, dass er das tat, er wollte dass er kam … was, wenn er Ron und mich in eine Falle führte?
Ich bückte mich und kroch energisch in den Tunnel, dabei packte ich Harry zielstrebig am Arm, er warf seine Zweifel über Bord und zwängte sich vor mir in den erdigen Gang.
Die Decke des Tunnels war niedriger als vor vier Jahren, damals mussten wir uns bĂĽcken, dieses Mal kamen wir nur kriechend voran.
Schweigend kroch ich unmittelbar hinter ihm, endlich begann der Tunnel anzusteigen.
Gleich wäre es soweit.
Ob Voldemort wirklich hier ist?
Wäre es gleich soweit?
Nein, das kann es noch nicht sein.
Sonst wären wir nicht dabei, und Harry hätte es gewusst.
Noch geht es einzig darum, den letzten verbliebenen Horkrux, die Schlange zu erledigen.
Erst dann könnte seine eigene Seele befreit werden.
Es ist noch zu frĂĽh!
Aus diesem Grund zerrte ich an seinem Knöchel. „Den Tarnumhang“, flüsterte ich ihm zu. „Zieh den Tarnumhang an!“
Seine Hand tastete nach hinten und ich drĂĽckte ihm den Umhang in die freie Hand.
Seine Hand griff an dem Stoff vorbei.
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