von rodriquez
Der Drache stieg immer höher, unter uns breitete sich London wie eine Landkarte aus.
Ich hielt den Atem an, der Wind schnitt in mein Gesicht. Mein Körper übersät mit Brandwunden und Blasen. Wenigstens kühlte die klare kalte Luft, die Hitze die mein Körper ausstrahlte.
Auch wenn ich wusste, dass wir keine Chance hatten den Drachen zu lenken, oder zu wissen, wohin wir eigentlich flogen, so spürte ich doch Dankbarkeit, und ich spürte wie der kalte Wind meine Verbrennungen immer weiter abkühlte.
Aber mir war auch klar, dass wenn der Drache scharf in eine Kurve gehen würde, dass wir uns nicht halten könnten, die Schuppen an seinem Rücken waren so glatt, dass man glauben musste jeden Moment abzurutschen. Aber dem war nicht so, offensichtlich war der Drache nur froh, sein unterirdisches Gefängnis zu verlassen, und flog immer weiter geradeaus.
Und wenn mich mein Gefühl nicht trog Richtung Norden. Ron keuchte und atmete schwer, sein Gesicht lag zurückgelegt auf meiner Schulter, während Harrys Arme um meine Taille geschlungen waren.
Durchatmen war die Devise, das gerat erlebte verdauen, die Wunde abkühlen.
Wir hatten einen weiteren Horkrux, aber Gryffindors Schwert verloren.
Unentwegt der Flug in nördlicher Richtung, meine Hände waren inzwischen nicht mehr taub von den Verbrennungen, sondern von der Kälte, aber ich traute mich nicht meine Hände zu bewegen, immer noch waren Harrys Arme um meinen Bauch geschlungen, starr, unbeweglich, aber sie gaben mir die notwendige Ruhe und die Sicherheit. Mir war kalt, und mein Körper fühlte sich steif an, ganz abgesehen davon, dass ich jetzt auch noch von Hunger und Durst gequält wurde. Die Schmerzen der Verbrennungen waren gekühlt, und sozusagen vom Winde verweht, aber unverkennbar die Spuren, in Form von Brandblasen, überall auf meinem Körper noch vorhanden.
Mein Gesicht musste ich irgendwie schützen, so legte ich mich flach, auf die stahlharten Schuppen, drückte mein Gesäß nach hinten, nur gelegentlich schaute ich hoch, senkte aber sofort wieder meinen Kopf, da der Wind messerscharf in mein Gesicht schnitt. Bei jedem Aufschauen verlor ich kurzzeitig den Kontakt zu Harry, der aber immer wieder nachfasste, wenn mein Kopf sich nach unten bewegte. Ron verharrte in aufrechter Haltung, sein Körper festgekrallt an einem Horn des Drachen.
Das Gefühl, von Harry gehalten zu werden, gab mir die notwendige Kraft, nur so konnte ich vergessen, wo ich mich eigentlich befand.
Nach einer unendlich langen Zeit verlangsamte der Drache seinen Flug, die Art wie der Wind meinen Körper erfasste, hatte sich verändert.
Vorsichtig erhob ich mich, um unter dem schneidenden Wind etwas zu erkennen, und ja, eindeutig, der Drache war in einen steten Sinkflug übergegangen.
Wir überquerten eine ländliche Region, in der Nähe konnte ich einen See ausmachen, darauf steuerte der Drache scheinbar zu.
Wir waren unmittelbar über der Wasseroberfläche, der Drache kühlte seine Flügel, Wasser spritzte über seinen Körper, und damit über uns, ein wunderbares Nass, denn erst jetzt bemerkte ich, dass mein Körper immer noch von den Verbrennungen schmerzte.
In den leichten Wellen des Wassers konnte man schon, den breiten gelben Bauch des Drachen erkennen.
„Jetzt!“ schrie Harry, kippte zur Seite, und zog mich mit sich mit in die Tiefe, seine Arme blieben wie angeschweißt um meinen Bauch geschlungen.
Wir rutschten Körper an Körper gepresst über die Flanke des Drachen und stürzten mit den Füßen voraus in den See. Erst die Wucht des Aufpralls konnte uns trennen.
Wir fielen tiefer als ich gedacht hatte.
Der See sog mich ganz tief nach unten, bis ich Tang und Schilf unter meinen Füßen spürte, mit beiden Beinen stieß ich mich vom Boden ab, und stieg wie eine Fontäne nach oben.
Prustend und japsend, erreichte ich die Oberfläche.
Der Drache hatte offenbar gar nicht bemerkt, dass er seine Begleiter verloren hatte, ich konnte ihn nur noch schemenhaft am Horizont erkennen.
Mit kräftigen Zügen schwamm ich zum naheliegenden Strand, Harry und Ron kämpften neben mir gegen die jetzt auch noch nasse Kälte an. Bald kämpften wir uns nur noch durch Schilf und Schlamm, bis ich endlich festen Boden unter den Füßen spürte. Triefnass, atemlos und erschöpft ließ ich mich in das Gras am Ufer fallen.
Ich zitterte am ganzen Körper, der See war eiskalt, und während ich noch das letzte Wasser aus meiner Lunge hustete, sah ich wie Harry bereits die Schutzzauber um uns errichtete.
Gegenseitig rieben wir uns Diptam auf die Brandwunden und zogen eine fast ernüchternde Bilanz:
Zwar hatten wir den vierten Horkrux gefunden, aber das Schwert, das wir zum Vernichten bräuchten, verloren.
Harry ließ sich enttäuscht und erschöpft zurück ins Gras fallen und schloss nachdenklich die Augen.
Erleichtert verfolgte ich die Wirkung des Diptam, die Haut an meinen Händen wuchs nach.
Noch während ich die Wirkung mit starrem Blick beobachtete, begann Harry zu stöhnen, und sich hin und her zu wälzen, dann rissen mit einem Ruck seine Augen auf.
Mit diesen weit aufgerissenen Augen starrte er mich an.
Mühsam kämpfte er sich hoch, zitternd am ganzen Körper.
„Er weiß es“, sagte er leise. „Er weiß es und prüft jetzt nach, ob die anderen noch da sind, und der letzte…“, Harry sprang hoch auf die Beine, „ist in Hogwarts. Ich wusste es. Ich wusste es.“
„Was?“ Ron starrte ihn mit offenem Mund an.
Ich richtete mich auf und kniete mich neben Harry. „Aber was hast du gesehen? Woher weißt du das?“
„Ich hab gesehen, wie er das mit dem Becher erfahren hat, ich – ich war in seinem Kopf, er ist…“
Verängstigt sah er mich an.
Keine Vorwürfe würde ich ihm mehr machen, nie mehr.
Ich hatte meine Lektion gelernt.
Nie mehr würde ich etwas zu ihm sagen, nie mehr würde ich ihn ermahnen, sich zu verschließen.
Ich spürte, dass wir dem Ziel, der Entscheidung sehr nahe gekommen waren, und ich wusste, dass diese Visionen jetzt wichtig sein würden.
„Er ist unglaublich wütend, und er hat auch Angst, er kann nicht begreifen, wie wir es rausgefunden haben, und jetzt will er nachprüfen, ob die anderen sicher sind, beim Ring zuerst. Er glaubt, dass der in Hogwarts am sichersten ist, weil Snape dort ist, weil es so schwierig sein würde, unbemerkt dort reinzukommen, ich glaube, bei dem sieht er zuletzt nach, aber er könnte trotzdem in ein paar Stunden dort sein…“
„Hast du gesehen, wo in Hogwarts er versteckt ist?“ fragte Ron.
„Nein, er war ganz darauf konzentriert, Snape zu warnen, er hat nicht daran gedacht…“
Ron war sofort aufgesprungen.
Hogwarts.
Wir müssen nach Hogwarts zurückkehren.
Aber wie sollten wir das Bewerkstelligen?
„Wartet, wartet!“ schrie ich auf. „Wir haben keinen Plan, wir können nicht einfach losgehen…“
„Könnt ihr euch vorstellen, was er tun wird, sobald er erkennt, dass der Ring und das Medaillon fort sind? Was, wenn er den Horkrux aus Hogwarts herausholt, weil er zu dem Schluss kommt, dass er nicht sicher genug ist?“, Harry hatte die Gefahr ebenso erkannt, und unternahm einen verzweifelten Versuch mich zu überzeugen, bevor ich ihn wieder umstimmen würde.
Er hätte es nicht gebraucht, denn auch mir war klar, dass nur Hogwarts unser nächstes, und vielleicht auch letztes Ziel werden würde.
Nur wie?
Wie stellen wir es an?
„Aber wie sollen wir dort reinkommen?“
„Wir gehen nach Hogsmeade, und versuchen uns was auszudenken, sobald wir sehen, welche Schutzzauber es rund um die Schule gibt. Komm unter den Tarnumhang, Hermine, ich will, dass wir diesmal zusammenbleiben.“
Meine Füße hatten noch nicht richtig die Straße von Hogsmeade berührt, als schon ein schriller Alarmschrei ertönte, und mindestens ein Dutzend Todesser aus den Drei Besen herausstürzten.
Dank des Tarnumhangs konnten wir uns noch kurzzeitig verbergen, aber gegen die herbeigerufenen Dementoren konnten wir uns nicht verstecken.
Harry musste seinen überall wohlbekannten Patronus einsetzen, um sie zu vertreiben.
Wie und wo sollten wir Schutz finden?
Immer mehr Todesser tauchten um uns herum auf.
Ein Wunder musste her, so schnell wie möglich, sonst wäre es zu Ende, bevor wir das Schloss betreten würden.
Disapparieren war nicht möglich, voller Panik musste ich feststellen, dass das Dorf mit einer Disappariersperre belegt wurde.
Und wieder hatten wir das Glück auf unserer Seite, das Wunder geschah.
Der Wirt des Eberkopfes erwies sich als Retter in letzter Not.
Mit energischem, fast wütenden Blick kam er aus seiner anrüchigen, heruntergekommenen Gaststätte heraus gerannt, befahl uns im Gebäude zu verschwinden, und wimmelte die Todesser mit der Ausrede ab, er habe bloß seine Katze herausgelassen und damit den Katzenjammer-Zauber ausgelöst.
Als er zu uns nach drinnen kam, machte er uns große Vorhaltungen, warum wir so einfältig wären, und in diesen besonders gesicherten Ort zurückkehren würden.
In dem Zimmer im Obergeschoss, in das er uns geschickt hatte, hing das Porträt eines jungen Mädchens. Direkt darunter entdeckte Harry das Gegenstück seines Zwei-Wege-Spiegels.
Harry sah dem Mann lange in die Augen, und erkannte darin die Augen, die er im Keller des Malfoyhauses in der Scherbe des zerbrochenen Zwei – Wege – Spiegels erkannt hatte.
„Sie haben die Augen ihres Bruders“, bemerkte Harry.
Dieser schmuddlige Wirt war Aberforth Dumbledore, der Bruder unseres Mentors, und er war es der uns Dobby zu Hilfe schickte.
Aberforth machte uns unentwegt Vorhaltungen, er hielt absolut nichts von unserem Vorhaben ins Schloss zurückzukehren, statt unser Leben für die großartigen Pläne seines Bruders aufs Spiel zu setzen, sollten wir besser unser eigene Haut retten.
Sein Bruder wäre nicht so, wie wir ihn uns immer vorgestellt hätten.
Er klärte und über die Wahrheit über seine Schwester Ariana auf:
Ariana wurde im Alter von 6 Jahren von Muggeljungen, die sie beim Zaubern beobachteten, schwer misshandelt, weil sie ihnen einen „Zaubertrick“ nicht noch einmal vorführen konnte. Was die Muggeljungen ihr antaten, richtete Ariana zugrunde. Sie wollte danach zwar nie mehr zaubern, aber gelegentlich brach es anfallartig und unkontrollierbar aus ihr heraus. Die Dumbledores verschwiegen Arianas Zustand, um ihr zu ersparen, ein Leben lang im St.-Mungo-Hospital eingesperrt zu werden.
Ihr Vater Percival wurde wegen eines Vergeltungsangriffes auf die Muggeljungen nach Askaban geschickt und verstarb dort. Bei einem, ihrer heftigen Magieausbrüchen tötete sie ihre Mutter Kendra ohne zu wissen und kontrollieren zu können, was sie tat. Grindelwald tauchte eines Tages auf, und Albus widmete sich mehr und mehr seinem Freund, und höheren Aufgaben, statt sich um Ariana zu kümmern, daraufhin sei Aberforth eingeschritten, es gab einen Streit an dem Grindelwald und alle drei Dumbledore - Geschwister beteiligt gewesen seien, ein Fluch habe dabei Ariana tödlich getroffen, niemand könnte nachvollziehen, aus welchem Zauberstab der tödliche Fluch hervorgegangen war.
Bewundernswert, wie Harry trotzdem weiterhin zu unserem Schulleiter stand, eindrucksvoll klagte er sogar Aberforth an.
Mir war klar: Harry würde sich durch nichts mehr von seinem Weg abbringen lassen, sein Entschluss stand fest. Er wollte und musste es zu Ende bringen.
Wenn wir fliehen, und uns verstecken würden, würde es vielleicht Jahre dauern, immer mit der Angst, irgendwann doch vom Dunklen Lord entdeckt zu werden.
Ron und ich waren Harrys Komplizen, auch wir wären nie sicher, müssten immer mit der Angst leben, plötzlich dem Tod ins Auge zu sehen.
Harry hatte keine andere Wahl, dieser Gefahr, würde er uns nicht aussetzen.
Es gab also nur diese eine Möglichkeit für Harry:
Es zu Ende bringen, egal wie es Ausgehen würde, jetzt und wahrscheinlich noch in dieser Nacht.
In ein paar Stunden würde Voldemort hier sein. Er wird die Verstecke seiner Horkruxe verlassen vorfinden, das Medaillon, der Ring, der Kelch.
Doch wir mussten einen Einzigen noch finden, die Zeit wurde knapp.
„Wie kannst du sicher sein, Potter, dass mein Bruder nicht stärker am größeren Wohl interessiert war als an dir?“ Aberforth unternahm einen letzten Versuch, Harry von seinem Vorhaben abzubringen.
„Wie kannst du sicher sein, dass du nicht entbehrlich bist, genau wie meine kleine Schwester?“
Für einen kurzen Moment kam Harry ins Schwanken, ich sah wie er leicht zusammenzuckte, die Wahrheit über Albus Dumbledore hatte doch seine Spuren hinterlassen.
Doch Harry blieb standhaft, auch wenn Aberforths Worte sich wie Speerspitzen auch in mein Herz bohrten.
Für mich gab es keinen Grund mehr, ihm irgendetwas auszureden.
Der Glaube und das unendliche Vertrauen waren endlich in vollen Zügen vorhanden.
„Ich glaube das nicht“, ergriff ich Partei für Harry, und setzte endlich auch die Erwartungen in mich um, dankbar nickte mir Harry zu. „Dumbledore hat Harry geliebt.“
„Warum hat er ihm dann nicht befohlen, sich zu verstecken?“ erwiderte Aberforth erneut. „Warum hat er nicht zu ihm gesagt, pass auf dich auf, so und so kannst du überleben?“
Weil man manchmal an mehr denken muss als an die eigene Sicherheit!
„Weil“, sagte Harry bevor ich antworten konnte und benutzte meine identischen Gedanken und setzte sie in Worte um. „Weil man manchmal an mehr denken muss als an die eigene Sicherheit! Manchmal muss man an das größere Wohl denken! Das hier ist Krieg!“
Und Harry dachte in erster Linie an die anderen Leidtragenden, und dann erst an sich.
Niemals würde er davonlaufen, sich verstecken, seine Freunde, seine Lieben in Gefahr wähnen.
Dafür kannte ich ihn mittlerweile zu gut, und dafür liebe ich ihn.
„Du bist siebzehn, Junge!“
„Ich bin volljährig, und ich werde weiterkämpfen, auch wenn sie aufgegeben haben!“
Mit dieser Aussage hatte er Aberforth in die Enge getrieben, und seine Gegenwehr gebrochen.
Ja, eindeutig, wäre Harry nicht so faul in der Schule gewesen, ich hätte einen ebenbürtigen Gegner gehabt.
Sein Wissen, seine Intelligenz schlummerte in ihm, aber vielleicht wollte er sie auch nie aus sich herauslassen, wollte einfach nur ein Junge sein, ein normaler Junge.
Doch jetzt war mir klar geworden, dass er dieses Wissen brauchte, und dass er es freilassen musste.
Ich kam nicht umhin Harry zu bewundern, und diese Bewunderung brauchte längst nicht mehr zu wachsen, sie hatte ihren Höhepunkt längst überschritten.
So mussten sich wohl meine Freunde gefühlt haben, wenn ich mein Wissen äußerte.
„Wer behauptet, dass ich aufgegeben hätte?“
Aberforths leuchtend blauen Augen glänzten im Kerzenlicht.
„Der Orden des Phönix ist erledigt!“ Harry wiederholte die Worte, die Albus Dumbledores Bruder zu Beginn unseres Gespräches benutzt hatte. „Du – weißt – schon – wer hat gesiegt“,
Aberforth zuckte erneut mit dem Gesicht, das erste Mal schien er wirklich beeindruckt. „Es ist vorbei, und jeder, der etwas anders behauptet, macht sich selbst was vor.“
Bei jedem weiteren Punkt den Harry wiederholte, weiteten sich Dumbledores Augen ein Stückchen mehr.
„Ich sage nicht, dass mir das gefällt, aber es ist die Wahrheit!“
„Nein, das ist es nicht!“ Harry hatte ihn fest anfixiert. „Ihr Bruder wusste, wie man Du – weißt – schon – wen erledigen kann, und er hat dieses Wissen an mich weitergegeben…“
Die folgenden Worte kannte ich, bevor Harry sie ausgesprochen hatte:
„Ich werde weitermachen, bis ich mein Ziel erreicht habe – oder sterbe. Glauben sie nicht, dass ich nicht weiß, wie das enden könnte. Ich weiß es seit Jahren.“
Aberforth blickte finster vor sich hin, hatte aber keine Worte mehr, die er erwidern könnte.
Harry hatte es geschafft ihn zu überzeugen.
Der alte Mann zeigte sich beeindruckt. Ein Jungspund hatte ihn bekehrt.
„Wir müssen nach Hogwarts rein“, sagte Harry erneut.
Reglos verharrte der alte Mann, und starrte Harry mit seinen Augen an, den Augen, die seines Bruders so ähnlich waren.
Aberforth stand auf, atmete kurz durch, räusperte sich und trat auf das Portrait seiner Schwester zu.
„Du weißt, was zu tun ist“, sagte er in Richtung des Portraits.
Das Mädchen lächelte, wandte sich um und ging davon, nicht wie Leute in Portraits dies sonst immer taten, sondern sie ging nach hinten, wie durch einen langen Tunnel, der hinter ihr gemalt war.
Ihre Gestalt wurde immer kleiner, bis sie plötzlich vollständig von der Dunkelheit des Tunnels verschluckt wurde.
Das Portrait von Ariana, der jüngeren Schwester von Albus und Aberforth Dumbledore, bildete, wie sich herausstellen sollte, den letzten geheimen Zugang zu Hogwarts, alle anderen Gänge werden gnadenlos überwacht, doch noch konnte ich es mir nicht erklären, was das Bild eigentlich damit zu tun hatte.
Nach einigen langen, schweigsamen Augenblicken, wurde ein winziger weißer Punkt am Ende des Tunnels sichtbar, gebannt hatten meine Augen das Bild Arianas keine Sekunde verlassen.
„Aber was…?“, noch immer hatte ich nicht verstanden, dass das Bild selbst der Zugang sein würde.
Ein weiterer, viel größer Punkt hatte sich zu Ariana gesellt. Die beiden Gestalten wurden schnell größer, bis ihre Köpfe das gesamte Portrait einnahmen.
Das Bild schwang nach vorne, wie eine Tür in der Wand, und gab den Eingang zu einem echten Tunnel frei, und heraus kletterte, mit stark gewucherten Haaren, zerschnittenem, zerschundenem Gesicht, zerrissenem Umhang, leibhaftig und in voller Lebensgröße:
Neville Longbottom.
Ich traute meinen Augen nicht, und freute mich überschwänglich diesen Jungen wiederzusehen, diesen Jungen, der vergleichbare Qualen, wie Harry durchlebt hatte.
Er schrie vor Freude auf, als er Harry erkannte. „Ich wusste, dass ihr kommen würdet! Ich wusste es Harry!“
Dann entdeckte er Ron und mich, und fiel beiden von uns, herzlich und schluchzend um den Hals.
Je länger ich Neville ansah, desto schlimmer erschien mir sein Zustand.
Ein geschwollenes Auge in allen Farben des Regenbogens, in seinem Gesicht unzählige Narben von Stichen, ihm wurde offensichtlich übel mitgespielt, und doch leuchtete sein Gesicht, wenn er Harry anschaute. Er tat seine Verletzungen als harmlos ab, und informierte Aberforth, dass noch weitere Personen kommen könnten, und winkte uns zu, ihm zu folgen.
Wir tauchten in den Rahmen ein und verschwanden in einem Tunnel auf der Rückseite dieses
Gemäldes.
Auf dem langen Weg durch den Tunnel erzählt uns Neville, was währenddessen alles in Hogwarts alles passiert war:
Die Todesser Alecto und Amycus Carrow sind zu Lehrern ernannt worden. Amycus unterrichtet jetzt Dunkle Künste statt Verteidigung gegen die dunklen Künste, wie früher.
Seine Schwester Alecto war die neue Fachlehrerin für das Pflichtfach Muggelkunde.
Die Schüler wurden inzwischen mit Cruciatus – Flüchen bestraft und auch gezwungen, sich gegenseitig zu bestrafen.
Die von früher übriggebliebenen Lehrer versuchten alles in ihrer Macht stehende, um die Schüler vor größerem Unheil zu schützen.
Immer deutlicher wurde mir bewusst, was in den nächsten Stunden noch geschehen würde.
In meiner Jackentasche spürte ich einen heißen, glühenden Gegenstand.
Ich griff danach und erkannte die aktivierte Münze, mit der wir früher die DA mobilisiert hatten.
Harry ist zurück in Hogwarts, macht euch bereit zur Revolution.
O Nein, dachte ich, Harry wird das gar nicht gutheißen.
Wir sind eigentlich noch nicht zum Kämpfen hier.
Wir müssen erst den letzten Horkrux aus dem Weg räumen, und die Teile vor allem erst vernichten.
Nur wie?
Ich beschloss, Harry nicht darüber in Kenntnis zu setzen, er würde es schon früh genug erfahren, spätestens, wenn Ginny unvermittelt vor ihm stehen würde.
Nach schier endlosen Minuten bogen wir endlich um eine Ecke und erkannten das Ende des Durchganges. Eine kleine Treppe führte zu einer Tür. Neville stieß sie auf, und kletterte als Erster hindurch, gefolgt von Harry, Ron und mir.
Ich war noch nicht richtig hindurch als ein regelrechter Jubelsturm losbrach.
„HARRY!“
„Es ist Harry Potter!“
„Ron!“
„Hermine!“
Etwa zwei Dutzend Leute stürzten sich auf uns, wir waren im Raum der Wünsche angekommen.
Die Begrüßung war euphorisch, alle Hoffnungen ruhten auf Harry, oder besser auf drei, eigentlich noch Teenagern.
Es war nicht zu übersehen, wie langsam die Panik Harry überkam.
Wir waren noch nicht soweit, nicht soweit ihnen allen zu helfen, deswegen waren wir nicht hier.
Noch immer mussten wir dringend einen Horkrux finden, einen Horkrux, der überall in Hogwarts versteckt sein könnte.
Verzweifelt versuchte Harry die Erwartungen unserer ehemaligen Mitschüler zu unterdrücken.
Mitten in seinen verzweifelten Erklärungsversuchen zuckte Harry schmerzverzerrt zusammen, wieder einmal unterdrückte er einen stechenden Schmerz an seiner Stirn, seine Narbe pochte, und als er die Augen wieder öffnete, gab er mir zu verstehen:
Voldemort hatte gerade den Verlust eines Horkruxes entdeckt!
Nachdenklich nickte ich ihm Verständnisvoll zu, und betrachtete ängstlich verlegen meine Füße.
Die Entscheidung naht.
Nicht mehr lange, und er würde hier sein.
Heute Nacht noch würde es geschehen!
Noch heute Nacht wird es geschehen.
Was uns der nächste Morgen bringt?
Wir sollten schnell handeln, sollte Voldemort sich entscheiden, als Nächstes Hogwarts aufzusuchen, hätten wir unsere Chance vertan.
„Wir müssen los“, drängte Harry, und ich hatte verstanden.
„Und was sollen wir tun, Harry?“ fragte Seamus. „Wie lautet der Plan?“
„Plan?“, wiederholte Harry. „Also, es gibt etwas, das wir – Ron, Hermine und ich – erledigen müssen, und dann verschwinden wir von hier.“
Die Freude ebbte ab, keiner lachte, keiner johlte mehr, die Freude war nacktem Entsetzen gewichen. Entsetzte Gesichter starrten uns an.
„Was soll das heißen, von hier verschwinden?“
Neville sah Harry mit weit aufgerissenen Augen an.
„Es gibt etwas wichtiges das wir tun müssen“.
Verzweifelt versuchte Harry gegen die Fragen und die Empörung anzukämpfen.
„Wir sind seine Armee“, rief Neville schließlich. „Dumbledores Armee. Wir waren alle gemeinsam drin, wir haben damit weitergemacht, während ihr Drei ohne uns weg wart … Jeder hier drin hat bewiesen, dass er zu Dumbledore hält – zu euch hält.“
Harrys Verzweiflung wurde immer größer, er fand keine Worte um es ihnen plausibel zu erklären, hilfesuchend blickte er mich an.
Sie können helfen, Harry, sie könnten uns bei der Suche helfen!
Ich versuchte es ihm mit Blicken klar zu machen, doch sein Blick war abgewandt, und lag auf dem Eingang des Tunnels.
Raschelnde Geräusche schreckten ihn auf.
Mit einem Knattern war die Tür zum Tunnel aufgesprungen, Luna und Dean kletterten hindurch.
Seamus brüllte vor Freude laut auf, und rannte los um seinen besten Freund zu begrüßen.
„Hi, alle zusammen“, säuselte Luna glücklich. „Oh, ist es toll, wieder hier zu sein!“
„Luna“, Harry war sichtlich irritiert, es hatte ihm die Sprache verschlagen. “Was machst du denn hier? Wie bist du…?“
„Ich habe sie gerufen“, sagte Neville mit strahlendem Gesicht und hielt die falsche Galleone in die Höhe. „Ich habe ihr und Ginny versprochen, dass ich ihnen Bescheid geben würde, wenn ihr auftaucht.“
Ginny?
Blankes Entsetzen stand in Harrys Gesicht geschrieben, aber es sollte also für Harry noch schlimmer kommen.
„Wir dachten alle, dass es Revolution bedeutet, wenn ihr zurückkommt. Dass wir dann Snape und die Carrows stürzen.“
„Natürlich bedeutet es das“, sagte Luna überzeugt. „Stimmt doch Harry, oder? Wir vertreiben sie aus Hogwarts?“
„Hört zu“, Harrys Stimme zitterte vor Panik. „Es tut mir leid, aber deswegen sind wir nicht zurückgekommen. Wir müssen etwas erledigen, und dann…“
Sie können helfen, Harry, sie könnten uns bei der Suche helfen!
Erneut gelang es Harry nicht meine Blicke aufzufangen, denn erneut waren Geräusche aus Richtung des Tunnels zu hören.
Harry wandte sich um und ein Zucken erfasste seinen Körper.
Ginny kletterte durch das Loch in der Wand, dich gefolgt von Fred, George und Lee Jordan.
Fast wäre Ginny, vor Nervosität, direkt vor seine Füße gestürzt, sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Harrys Augen verharrten auf ihr, dann drehte er sich zu mir um, und in seinem Blick lag eine gefährliche Mischung aus Angst und Panik. Es raschelte erneut und Harry klappte der Mund auf, direkt hinter Lee Jordan kam seine Ex-Freundin Cho Chang zum Vorschein, auch sie lächelte ihm erwartungsvoll zu.
„Ich habe die Nachricht bekommen“, sagte sie, hielt ihre falsche Galleone in die Höhe und ging an die Seite von Michael Corner.
„Also, wie lautet der Plan, Harry?“ fragte eine begeisterter Einohriger voller Tatendrang.
„Es gibt keinen!“ wiederholte Harry mit schwacher Stimme.
Er wirkte hilflos und verlegen.
Ich schubste Ron an, und flüsterte ihm zu: „Sag du etwas zu Harry. Sie können uns alle helfen, wir wissen nicht wo wir suchen sollen.“
Ron sah mich fragend an.
„Ich habe es ihm schon mit Blicken versucht zu erklären, wenn du es jetzt aussprichst, nimmst du den Druck von ihm.“
Ron nickte.
„Sie können helfen“, sagte er so leise, dass nur Harry und ich es hören konnten. „Wir wissen nicht wo er ist. Wir müssen ihn schnell finden. Wir müssen ihnen ja nicht sagen, dass es ein Horkrux ist.“
Harrys Blick wanderte zu mir.
Mein Plan war aufgegangen:
Nur zu Zweit konnten wir ihn beeinflussen, und dank Ron konnte er mir nicht widersprechen, denn erst jetzt bestätigte ich Rons Aussage.
„Hört zu, wir sind nicht hier um zu kämpfen“, sagte er, „Es gibt etwas, dass wir finden müssen, Etwas, das uns helfen wird, ihr – wisst – schon - wen zu stürzen. Es ist hier in Hogwarts, aber wir wissen nicht wo. Es könnte Ravenclaw gehört haben. Hat irgendjemand von einem Gegenstand wie diesem gehört? Ist irgendjemand jemals auf etwas gestoßen, das mit ihrem Adler gezeichnet war?“
Luna nannte den einzigen bekannten Gegenstand von Ravenclaw:
Ihr magisches Diadem, das allerdings schon seit Lebzeiten vermisst wird.
„Wenn du wissen willst, wie das Diadem ausgesehen hat, konnte ich dich in unseren Gemeinschaftsraum führen, und es dir zeigen Harry? Sie trägt es auf der Statue“, sagte Cho plötzlich, und ihr Lächeln brachte jemanden in Wallung.
Mit bösen, eifersüchtigen Blicken war Ginny aufgesprungen und starrte Cho durchdringend an.
„Nein“, sagte sie wütend, „Luna wird mit Harry gehen, nicht wahr Luna?“
„Oh ja“, antwortete Luna begeistert, und Harry nickte zustimmend.
Nachdem Harry mit Luna den Raum der Wünsche verließ, kam Ginny langsam zu uns heran.
„Kennst du mich noch?“, fragte sie lächelnd, indem sie Ron ihre Hände über die Augen legte.
„Wie könnte ich meine Lieblingsschwester, den Quälgeist vergessen“, erwiderte er schmunzelnd. „Komm her, Gin, lass dich umarmen“.
„Seid ihr okay?“ fragte sie, und sah dabei auch mich an.
„Ja“, antwortete ich ihr in einer herzlichen Umarmung.
„Aber es ist noch nicht vorbei?“ stellte sie aufgebracht fest. „Ihr habt immer noch nicht alle Horkruxe gefunden?“
Ron blickte sie erschrocken an.
„Wie ich sehe, hast du dich informiert“, antwortete ich ihr.
Ginny nickte verängstigt.
„Wie viele gibt es, und wie viele habt ihr?“
„Es sind sieben!“
Sie wusste Bescheid, also beschloss ich ihr die Wahrheit zu sagen, es war an der Zeit, dass sie das ganze Ausmaß verstand.
„Sieben?“ schrie Ginny auf und knallte vor Schreck ihre Hand vor den Mund. Leiser fügte sie fassungslos hinzu: „Er hat seine Seele siebenmal geteilt?“
„Leider ja“.
„Und wie viele habt ihr?“
„Vier“, antwortete ich ernst.
„Erst vier?“ Ginny schauderte, „Ravenclaws Diadem scheint Nummer fünf zu sein, was wisst ihr über die restlichen Beiden?“
„Nagini ist Nummer sechs, und Nummer sieben…“, traurig sah ich sie an, und zuckte unwissend mit der Schulter.
Nummer sieben … nein, das konnte ich ihr nichts sagen.
Das brachte ich nicht übers Herz.
Harry muss sterben um zu überleben, wie hätte ich ihr das plausibel erklären sollen?
„Wir haben aber noch ein ganzes anderes Problem“, flüsterte Ron, „wir haben das Schwert von
Gryffindor nicht mehr, wie sollen wir sie zerstören?“
„Ihr habt das Schwert nicht mehr?“ fragte Ginny erstaunt. Mir fiel auf, dass sie mehr über das Verschwinden verwundert war, als dass wir es überhaupt in Besitz hatten, doch bevor ich zu einer Frage ansetzen konnte, klärte es sich bereits auf.
„Griphook, hat uns reingelegt, und ist damit verschwunden“, erklärte Ron voller Enttäuschung.
Ginny sah uns nachdenklich an. „Dann hat es euch Snape völlig umsonst gebracht?“
„Snape?“ schockiert riss ich meine Augen auf.
„Ja, wisst ihr das denn nicht?“
„Wir fanden das Schwert in einem zugefrorenen See, nur ein Patronus, von dem wir nicht wissen, zu wem er gehört, eine silberne Hirschkuh, war zu erkennen.“
„Snape“, bestätigte Ginny. „Sein Patronus ist der Gleiche, wie der von Harrys Mom. Snape war in Lily verliebt, deswegen die Hirschkuh.“
„Woher weißt du das?“
„Ich habe versucht das Schwert zu stehlen, doch erst nach mehreren Tagen ohne Essen und ohne Schlaf schaffte ich es in sein Büro zu kommen. Ich fand dort eine Erinnerung, die ich mir anschauen musste, und in der Snape Lily seine Liebe gestand, doch sie war schon zu sehr von ihm entfernt, weil er sie verraten hatte. Auf meiner Flucht aus Snapes Büro wurde ich von Dementoren überrascht, und eine silberne Hirschkuh hat sie vertrieben. Das Schwert hat er mir zwar wieder abgenommen, aber gegen die Dementoren hatte er mir geholfen. Und wenn ihr das Schwert hattet, konnte es also nur durch Snape zu euch gelangen. Ich habe an ihn appelliert, ihn angefleht, ohne zu verraten warum ihr es so dringend benötigt“
„Du hast es gewusst?
„Durch Lesen“, schmunzelte Ginny. „Ganz im Stile der großen Hermine Granger. Basiliskengift könnten Horkruxe zerstören, das ist mir eingefallen, nachdem ich mir einen Reim auf Riddles Tagebuch machte. Er war der erste Horkrux, oder?“
Ich nickte.
„Und dann habe ich gelesen, dass Koboldgearbeitete Klingen nur das aufnehmen, was sie stärkt, und ich erinnerte mich, dass Harry damit den Basilisken erlegt hatte, also müsste es mit Basiliskengift getränkt sein?“
„Snape?“, wiederholte ich immer noch ungläubig.
„So übel war er gar nicht, oft hatte man den Eindruck, dass er nur wegen der Carrows, Härte zeigen wollte, aber seine Strafen waren harmlos, im Gegensatz zu den Carrows, die uns folterten.“
Mitten im Satz begannen Ginnys Augen zu leuchten, und sie begann laut zu überlegen. „Riddles Tagebuch wurde durch den Giftzahn des Basilisken zerstört, wenn man irgendwie in die Kammer kommen könnte?“
Scheinbar sollten wir ihre Gedanken verstehen, erwartungsvoll starrte sie uns an.
„Ginny du bist genial“, rief Ron und packte mich am Arm, „komm Hermine, wir gehen in die Kammer, du kennst doch meine Neigung Stimmen zu imitieren, vielleicht gelingt es mir, die Parsellaute zu imitieren, und die Kammer zu öffnen“.
Seine Hand löste sich von meinem Arm, und er griff nach meiner Hand, neigte sich aber noch einmal zu Ginny. „Tu mir einen Gefallen, kein Wort zu Harry“.
Ginny nickte uns verständnisvoll zu.
Der Raum der Wünsche füllte sich von Minute zu Minute. Immer mehr Personen strömten herein, die Mitglieder des Phoenixorden, kamen durch die Öffnung, Kingsley, Lupin, Bill und Fleur.
„Jetzt aber schnell“, drängte Ron. „Sicher kommen auch gleich Mom und Dad, und dann ist hier die Kacke am Dampfen.“
Er schleifte mich hinterher, heraus aus dem Raum der Wünsche.
Problemlos erreichten wir die Toilette, in der sich der Eingang zur Kammer befand.
Ron war sagenhaft, ich war erstmals beeindruckt.
Aus der Besenkammer besorgten wir uns noch einen Besen, damit wir auch wieder zurückkehren könnten.
Großartig, wie er sich konzentrierte und versuchte die Parsellaute zu imitieren, nach nur wenigen Minuten hatte er es geschafft und wir rutschten hinunter, der Kammer entgegen.
Wir fielen in die Tiefe, Körper an Körper rutschten wir in ein schier endloses Nichts. Ron hatte seine Hände eng um meine Taille geschlungen.
Ein seltsames Gefühl durchströmte meinen Körper. Ein neues, völlig neues Gefühl, dass ich im Eifer der aktuellen Bewunderung nicht richtig zuordnen konnte.
War es das lang ersehnte Liebesgefühl oder nur ein aktueller Moment der Bewunderung?
Ein Ruck ging durch meinen Körper, als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen spürte, ich lockerte meine angewinkelten Beine und war froh endlich angekommen zu sein, vorsichtig tasteten wir uns voran.
Ron hatte wieder nach meiner Hand gegriffen, und wir liefen der eigentlichen Kammer entgegen.
„Bist du okay?“ fragte Ron, nachdem wir problemlos die Kammer betreten hatten, und ich ehrfurchtsvoll stehengeblieben war.
„Ja“, log ich, bei dem unheimlichen Anblick der Kammer des Schreckens.
„Wirklich?“ hakte er nach, „du klingst nicht sehr überzeugt“.
„Es geht schon“.
Ehrfurchtsvoll und ängstlich liefen wir einen langen nassen Gang entlang, wortlos, Ron neben mir her, er musste mich führen.
Ganz fest drückte er meine mittlerweile, schweißnasse Hand.
Entlang der vielen schlangenverzierten Säulen, gelangten wir schließlich zur steinernen
Slytherinstatue, dort lag noch immer das Skelett des toten Basilisken.
Mit jedem Schritt verspürte ich ein gesteigertes Selbstvertrauen, behutsam brachen wir drei Zähne aus dem riesigen Maul des Basilisken.
Ron legte Hufflepuffs Kelch auf den Boden und sah mich erwartungsvoll an.
„Du solltest es tun, du hattest als einziger noch nicht das Vergnügen“, lächelte er.
Ehrfurchtsvoll nahm ich den Giftzahn zwischen beide Hände und hob ihn weit über meinen Kopf.
Ohne weiter zu überlegen stieß ich zu, bevor mich der Horkrux in Verlegenheit bringen würde.
Ein kurzer lauter, schriller Schrei ertönte und als ich mich traute meine Tat zu begutachten, sah ich wie der Zahn durch das Edelmetall des Kelches hindurchgedrungen war, als wäre er aus Papier.
Seine ursprünglich goldene Farbe war schwarz, tödliches schwarz, er hatte für immer verwirkt.
Wir hatten einen weiteren Horkrux zerstört.
„Jetzt aber schnell wieder nach oben“, sagte Ron, schwang sich auf den Besen und ich stieg hinter ihm auf.
Auf dem Weg zurück hallte eine unheimliche Stimme an den Wänden wieder.
Sie war hoch und klar. Woher sie kam, war nicht auszumachen, sie schien überall aus den Wänden hervorzudringen. Ein Schauer der Angst erfasste meinen Körper.
„Ich weiß, dass ihr euch bereitmacht zum Kampf“.
Schreiende Schüler waren zu hören.
„Eure Bemühungen sind zwecklos. Ihr könnt mich nicht besiegen. Ich will euch nicht töten. Ich habe Hochachtung vor den Lehrern von Hogwarts. Ich will kein magisches Blut vergießen.“
Wir hatten mittlerweile das Badezimmer wieder erreicht, und es war nur noch Stille, unheimliche Stille zu spüren.
„Gebt mir Harry Potter“, sagte Voldemorts Stimme, „und keinem soll ein Leid geschehen. Gebt mir Harry Potter und ich werde die Schule unversehrt lassen. Gebt mir Harry Potter und ihr sollt belohnt werden. – Ihr habt Zeit bis Mitternacht.“
Wir mussten sofort Harry finden, mir war klar, dass es ernst war.
Die Zeit der Entscheidung rückte unweigerlich näher, und trotz dieser Erkenntnis schwirrte Ron durch meine Gedanken.
Ron war einfach unglaublich.
Seltsame Gedanke durchströmten mich im Augenblick der nahen Entscheidung.
Waren es Angstgefühle, oder doch Liebesgefühle, oder nur eine Vorsichtsmaßnahme.
Ein letzter Kick um Harry nicht zum Aufgeben zu bewegen?
Ich musste es ergründen.
Vor uns, quer durch die Gänge lagen schon die ersten Opfer der Schlacht. Zerstörte Wasserspeier, Säulen und Steinsbrocken, die von Flüchen aus den Wänden gesprengt wurden.
Und dann schlitterte er um die Ecke, erleichtert und zornig zugleich schrie er auf.
„Wo zum Teufel wart ihr?“
„Kammer des Schreckens“, grinste Ron.
„Es war Ron. War er nicht absolut großartig?“ himmelte ich Ron an. „Er war sagenhaft, sagenhaft!“
„Also…“, keuchte Harry.
„Also wieder ein Horkrux erledigt“, vollendete Ron, und zog unter seinem Umhang den zerstörten Kelch hervor. „Und was gibt es neues?“
„Ich weiß, wie das Diadem aussieht, und ich weiß auch, wo es ist“, sagte Harry rasch. „Er hat es genau dort versteckt, wo ich mein altes Zaubertrankbuch versteckt habe, wo seit Jahrhunderten alle irgendwelches Zeug verstecken. Er dachte, er wäre der Einzige, der es entdeckt hat. Kommt mit.“
Eine riesige Explosion erschütterte Hogwarts, wir blickten hoch, Staub rieselte von der Ecke, und aus der Ferne ertönten Schreie, grausame, schreckliche Schreie.
Während die Mauern bebten, ging Harry voran durch den verborgenen Eingang und die Treppe hinunter in den Raum der Wünsche.
Er war fast leer, bis auf Ginny, Tonks und eine ältere Hexe mit einem Hut, unverkennbar Nevilles Großmutter, die uns zu allen Schandtaten bereit, anstarrte.
„Alles in Ordnung mit den andern?“ fragte Ginny.
„Soweit wir wissen“, erwiderte Harry. „Sind noch Leute im Tunnel zum Eberkopf?“
„Ich war die Letzte die durchkam“, sagte Mrs. Longbottom. „Ich habe ihn versiegelt, ich halte es für unklug, ihn offen zu lassen, jetzt, wo Aberforth seinen Pub verlassen hat. Hast du meinen Enkel gesehen?“
„Er kämpft“, sagte Harry entschlossen und rückte damit Neville ins rechte Bild, und den Stolz in die Augen seiner Großmutter.
„Natürlich“, antwortete sie stolz. „Entschuldigt mich, ich muss gehen und ihm beistehen.“
Harry blickte vorwurfsvoll zu Tonks. „Ich dachte du wärst mit Teddy bei deiner Mutter?“
„Ich habe es nicht ausgehalten, nichts zu wissen…“, Tonks wirkte gequält. „Sie kümmert sich um ihn – hast du Remus gesehen?“
„Er wollte eine Gruppe von Kämpfern auf das Gelände führen…“
Tonks eilte sofort davon, und Harry wandte sich Ginny zu. „Ginny“, sagte er, „es tut mir leid, aber du musst auch raus. Nur für eine Weile. Dann kannst du wieder reinkommen.“
Das glaubst auch nur du!
Ginny schien sich sogar darüber zu freuen, dass sie den Raum verlassen durfte.
Ich vermutete, dass sie von ihrer Mutter eine Standpauke bekommen hatte, und den Raum nicht verlassen durfte.
„Und dann kannst du wieder reinkommen!“ rief er ihr hinterher. „Du musst wieder reinkommen“, sagte er traurig mit schwacher Stimme, doch sie konnte ihn nicht mehr hören, voller Energie, war sie davon gestürmt, bevor er ihr weitere Anweisungen geben konnte.
„Wart mal einen Moment“, sagte Ron zu meiner Überraschung. „Wir haben jemanden vergessen!“
„Wen?“ fragend sah ich ihn an.
„Die Hauselfen…“
Die Hauselfen?
Oh, Ron!
Meine Knie wurden weich, Ron hatte mein Herz erreicht, und ich brauchte eine Bestätigung, Jetzt und sofort, jetzt und besonders in Harrys Gegenwart.
Es musste sein.
Ich brauchte Gewissheit.
Ohne weiter nachzudenken warf ich die Basiliskenzähne aus meinen Händen, fiel Ron um den Hals und küsste ihn mitten auf den Mund.
Unser erster, richtiger Kuss.
Ron warf den Besen, den er in Händen hielt, beiseite und erwiderte den Kuss, so leidenschaftlich er konnte, und es riss mich von den Beinen.
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