von rodriquez
„Wo sind wir?“
Rons Stimme holte mich zurück in die Realität.
Ich öffnete meine Augen, und für einen kurzen Moment dachte ich, wir hätten die Hochzeit gar nicht verlassen.
Unzählige Menschen wuselten immer noch um uns herum.
Langsam wurde mir bewusst, dass ich erfolgreich mit meinen Freunden im Schlepptau appariert war.
„Tottenham Court Road“, keuchte ich. „Weitergehen, einfach weitergehen, wir müssen irgendetwas finden, wo ihr euch umziehen könnt.“
Harry und Ron trugen immer noch ihre Festumhänge, während ich in meinem Kleid unter Muggeln kaum auffallen würde.
„Hermine, wir haben nichts zum Anziehen“, sagte Ron, als eine junge Frau bereits anfing über sein Aussehen zu kichern.
„Warum habe ich nicht daran gedacht, den Tarnumhang mitzunehmen“, sagte Harry enttäuscht und ließ noch ein paar fluchende Worte folgen, die ich bewusst zensiere.
„Schon gut“, beruhigte ich Beide. „Ich hab den Tarnumhang und ich hab Klamotten für euch beide.“
Fassungslos starrten sie mich an.
Stimmt, sie konnten es ja nicht wissen, ich hatte ihnen nie die Funktion meiner Mini – Handtasche erklärt.
Die dachten bestimmt, ich würde sie verarschen, immerhin hatte ich wirklich nur diese mit Perlen verzierte Tasche bei mir.
„Ja sie sind hier“, lächelte ich, öffnete die Tasche und zog im Schutz eines düsteren Hauseinganges, sowohl den Umhang, als auch Jeans, Sweatshirt und Socken hervor.
In Kurzform erklärte ich ihnen die Funktion, und wie ich es angestellt hatte.
„Wann hast du das alles gemacht?“ staunte Harry, während Ron sich umzog.
„Ich habe dir doch im Fuchsbau gesagt, dass ich die wichtigsten Sachen schon seit Tagen gepackt hatte, für den Fall, dass wir rasch abhauen müssten. Deinen Rucksack hab ich heute Morgen gepackt, Harry, nachdem du dich verwandelt hattest, und ihn hier reingetan … es war ein Gefühl…“
Harry starrte mich immer noch mit großen Augen an, offensichtlich hatte er immer noch nicht richtig verstanden, was gerade passiert war.
„Bitte, Harry, zieh endlich den Umhang über!“
Die Verwandlung von Barney in Harry hatte gerade begonnen, und ich konnte mit ansehen, wie sich seine Haare langsam wieder schwarz färbten.
Vorsichtig umblickend kehrten wir auf die Hauptstraße zurück.
„Rein aus Neugier, warum gerade Tottenham Court Road?“ fragte mich Ron.
„Ich habe keine Ahnung, die ist mir einfach so eingefallen, aber ich bin sicher, dass wir hier draußen in der Muggelwelt weniger in Gefahr sind, die erwarten nicht, dass wir hier sind.“
„Stimmt“, sagte Ron und sah sich ängstlich um. „Aber fühlst du dich nicht ein bisschen – ungeschützt?“
„Wo können wir sonst hin?“ erwiderte ich.
Klar Ron kennt die Welt der Muggel nicht, das war neu, fremd für ihn, und so fühlte er sich sichtlich unwohl.
Ein paar Betrunkene Muggel versuchten mich anzugrabschen, und so entschlossen wir uns in ein kleines heruntergekommenes Nachtcafe zu verziehen.
In aller Ruhe wollten wir erst einmal besprechen, was wir weiter tun sollten.
„Harry bist du noch da?“ fragte ich besorgt, schon einige Zeit rührte er sich nicht mehr.
„Geht nur weiter“, murmelte er verkrampft. „Ich verwandle mich gerade vollständig zurück, bin etwas indisponiert.“
Wir nahmen in dem Cafe Platz und ich bestellte zwei Cappuccino. „Nur zwei“, murmelte ich ohne die Lippen zu bewegen, „das wäre auffällig, wenn zwei Personen, drei Tassen bestellen.“
„Ist okay“, nuschelte Harry unter seinem Umhang.
„Hast du etwa auch Muggelgeld?“ fragte Ron erstaunt.
„Logo, wo denkst du hin?“
Nach ein oder zwei Minuten sagte Ron: „Wir sind hier nicht weit weg vom Tropfenden Kessel, wisst ihr…“
„Ron, das geht nicht!“ antwortete ich sofort.
„Nicht um dort zu bleiben, sondern um rauszufinden, was los ist!“
„Wir wissen was los ist! Voldemort hat das Ministerium erobert, was müssen wir sonst noch wissen?“
„Okay, okay, es war nur ne Idee“, sagte er resigniert.
Wieder verfielen wir in ein angespanntes Schweigen. Die Kellnerin brachte unsere Cappuccino, und zwei stämmige Arbeiter, die gerade das Cafe betreten hatten, zwängten sich auf die benachbarte Sitzgruppe.
Ich senkte meine Stimme und flüsterte. „Ich würde sagen, wir suchen uns einen ruhigen Platz zum Disapparieren und verschwinden aufs Land. Wenn wir dort sind, können wir dem Orden eine Nachricht schicken.“
Ich kramte in meiner Tasche nach einer britischen Pfundnote.
Plötzlich kam Ron über den Tsch auf mich zu geflogen, und stieß mich mit meinem Stuhl um.
Was?
Ein lauter Knall ertönte, Stücke aus den Wandfließen über mir rieselten auf mich herab.
Grüne und rote Lichtblitze surrten durch die Luft.
„Stupor!“ hörte ich Harry unter dem Tarnumhang schreien.
Ein roter Lichtstrahl traf einen der beiden Arbeiter mitten im Gesicht, einem großen blonden Mann, der ohnmächtig zur Seite wegsackte. Sein Begleiter, feuerte gerade einen weiteren Fluch in meine Richtung. Glänzende schwarze Seile flogen aus der Spitze seines Zauberstabs und fesselten Ron am ganzen Körper.
Die übrigen Besucher des Lokals und die Kellnerin schrien sich die Seele aus dem Leib, und flüchteten, durch die schmale Eingangstür nach draußen. Ein weiterer Schockzauber flog auf den zweiten Arbeiter zu, der sich verzweifelt umsah, da er Harry unter dem Tarnumhang nicht sehen konnte, der Fluch verfehlte ihn aber, prallte am Fenster ab und traf die Kellnerin, gerade als sie durch die Tür flüchten wollte.
„Expulso!“ schrie der Mann, und der Tisch hinter uns flog in die Luft, und durch die Wucht der Explosion knallte etwas gegen die Wand, ein Zauberstab rollte über den Fußboden.
Harry!
Sein Kopf wurde sichtbar, und ich konnte erkennen, wie er an der Wand entlang nach unten rutschte, der Tarnumhang rutschte an ihm herunter.
„Petrificus Totalus!“
Ich war so wütend!
Der Mann kippte unter einem Volltreffer aus meinem Zauberstab, wie eine Statue vornüber, direkt über den Porzellanscherben der Fliesen und der Tassen.
„Diffindo!“ wütend und mit zitternden Händen richtete ich meinen Stab auf den gefesselten Ron.
Ron schrie vor Schmerzen auf, weil ich seine Jeans am Knie aufschlitzte, was einen tiefen Schnitt hinterließ. „Oh, tut mir leid, Ron, meine Hand zittert! Diffindo!“
Endlich fielen die Seile von ihm ab.
Harry war mittlerweile aufgestanden, hatte nach seinem Zauberstab gegriffen, und stieg hinüber zu dem blonden Todesser. „Ich hätte ihn erkennen müssen, er war dabei in der Nacht, als Dumbledore starb“.
Er drehte den anderen Todesser mit seinem Fuß um, ich sah die Augen des Mannes zucken.
„Das ist Dolohow. Ich erkenne ihn von den alten Fahndungsplakaten her. Ich glaube, der Große ist Thorfinn Rowle.“
„Ist doch egal, wie sie heißen!“ sagte ich nervlich angespannt. „Wie konnten die uns finden? Was sollen wir jetzt tun?“
Ich zitterte am ganzen Körper, war nervlich am Ende. Mit ein Grund war die Tatsache, dass ich mir vergeblich den Kopf zermarterte.
Wie konnten die uns so schnell finden?
Meine Arme zitterten immer mehr, bis ich eine beruhigende Wärme verspürte. Harry hatte sich direkt neben mich gestellt und zog mich mit seiner Hand in meinem Nacken zu sich heran in eine beruhigende Umarmung.
Ganz sachte drückte er auf meinen Hinterkopf, solange bis mein Gesicht unmittelbar seinen Hals berührte. Ich schluchzte, Tränen fanden ihren Weg aus meinen Augen, sie rannen an seinem Hals entlang und versanken im Kragen seines Hemdes.
Ron sagte nichts, starrte uns nur an.
Meine Panik schien auf irgendeine Art zu bewirken, dass Harry einen klaren Kopf bekam.
Wir ergänzten uns.
Die Vorzeichen hatten sich gedreht.
Mit einem Arm hielt er mich fest, mit dem anderen gab er Ron Anweisungen.
„Schließ die Tür ab, und mach die Lichter aus.“
Noch immer streichelte er beruhigend über meine Haare.
Hey, das ist mein Part!
Ron schloss die Tür und losch mit dem Deluminator die Lichter.
Wir standen in der Dunkelheit.
„Was machen wir mit denen?“ flüsterte Ron. „Sie töten? Die würden uns auch töten. Eben waren sie kurz davor.“
Ich schauderte, löste mich aus Harrys Arm, und trat einen Schritt zurück.
Harrys Augen leuchteten, trotz der Dunkelheit spürte ich die Intensität seiner smaragdgrünen Augen in meinem Gesicht.
„Wir müssen nur ihre Gedächtnisse löschen“, sagte er. „Das ist besser. Es wird sie von der Fährte ablenken.“
Harry dachte so, wie es sonst meine Aufgabe war.
Ich bewunderte ihn, trat vor, hielt meinen Zauberstab an Dolohows Stirn, und sagte „Amnesia!“
Dolohows Blick wirkte sofort verschwommen.
„Bestens“, lobte mich Harry, und klopfte mir auf die Schulter. „Kümmere dich um den anderen und die Bedienung, Ron und ich räumen inzwischen auf.“
„Aufräumen? Wieso?“
Ron hatte mal wieder gar nichts verstanden.
„Meinst du nicht, dass die sich fragen könnten, was passiert ist, wenn sie an einem Ort aufwachen, wo es aussieht, als hätte gerade eine Bombe eingeschlagen?“
„O ja, stimmt…“
„O ja stimmt, O ja stimmt, O ja stimmt“, murmelte ich vor mich hin, indem ich jedes Mal mein Gesicht dabei verzog.
O Mann!
Denken ist Glücksache.
Ich musste mit wutverzerrtem Gesicht mit ansehen, wie Ron umständlich an seiner Hosentasche hantierte, Zentimeter für Zentimeter, bewegte sich sein Zauberstab
„Kein Wunder, dass ich ihn nicht rauskriege, Hermine, du hast meine alte Jeans eingepackt, die ist zu eng.“
„Oh, das tut mir aber leid“, fauchte ich.
„Die ist zu eng … du hast meine alte Jeans eingepackt … warum hast du denn nicht selber gepackt … steck ihn dir doch sonst wo hin!“ murmelte ich, seine Stimme imitierend vor mich hin.
Sobald das Cafe wieder in seinem alten Zustand war, hievten wir die Todesser zurück an ihren Tisch, so dass sie sich wieder gegenübersaßen.
„Wie haben die uns nur gefunden?“ fragte ich mich erneut und versuchte vergeblich etwas in den Gesichtern, der beiden Männer zu lesen. „Woher wussten die, wo wir sind?“
Verängstigt wandte ich mich zu Harry um. „Du – du glaubst doch nicht, dass du immer noch die Spur auf dir hast, Harry?“
„Das kann nicht sein, die Spur löst sich, wenn man siebzehn wird, das ist magisches Gesetz, man kann sie keinem Erwachsenen auferlegen“, gab Ron sein Wissen von sich.
„Soweit du weißt!“
Immer noch war ich wütend auf Ron.
„Sie haben das Ministerium übernommen, was, wenn sie eine Möglichkeit gefunden haben, sie auf einen Siebzehnjährigen zu legen?“
„Wenn ich nicht zaubern kann und ihr nicht in meiner Nähe zaubern könnt, ohne dass wir unseren Standort verraten…“, begann Harry nachdenklich.
„Wir trennen uns nicht!“ unterbrach ich entschieden.
„Grimmauldplatz“, sagte Harry, und mein Mund klappte auf.
„Sei nicht albern, Harry, da kann Snape doch rein!“
„Rons Dad meinte, sie hätten Flüche gegen ihn in Stellung gebracht – und selbst wenn die nicht funktioniert haben“, fuhr er hastig fort, als ich widersprechend meinen Mund öffnete, „was soll’s? Ich schwöre, mir wäre nichts lieber, als Snape zu treffen!“
Sekunden später standen wir in der Mitte eines vertrauten, kleinen Platzes, der umgeben war von lauter schäbigen Häusern.
Nummer zwölf lag vor uns, wir konnten es sehen, weil wir durch Dumbledore zu Geheimniswahreren wurden, und weil Harry, vielleicht auch ich, die Erben dieses Hauses waren.
Wir rannten die Steinstufen nach oben und Harry klopfte mit seinem Zauberstab ein Mal gegen die Haustür. Ich hörte metallische Klickgeräusche und das Rasseln einer Kette, knarrend schwang die Tür auf…
Nichts hatte sich seit unserem letzten Besuch verändert, die altmodischen Gaslaternen warfen ihr flackerndes Licht durch die Eingangshalle, unzählige Spinnweben hingen von der Decke, lange, dunkle Vorhänge verdeckten das Portrait von Sirius Mutter.
Eng zusammen blieben wir auf der Türmatte stehen, mit dem Rücken zur Tür, und der Angst, der Ungewissheit, ob wir hier noch sicher wären.
„Severus Snape?“ ertönte die Stimme von Mad-Eye Moody.
Ich erschauderte, bei dem Gedanken, die Stimme eines Toten zu hören.
„Wir sind nicht Snape!“ krächzte Harry.
Ein eiskalter Luftzug zischte über mich hinweg, meine Zunge stülpte sich um, so dass ich nicht mehr sprechen konnte. Noch bevor ich mit meiner Hand nach meinem Mund tasten konnte, löste sich meine Zunge wieder. „Das m – muss der Zunge – Fessel – Fluch g – gewesen sein, den Mad-Eye für Snape eingerichtet hat!“ versuchte ich mit einem immer noch tauben Gefühl im Mund zu erklären.
„Ich glaube bevor wir weitergehen, sollten wir besser mal nachsehen“, flüsterte ich, erhob den Zauberstab und rief: „Homenum revelio.“
Nichts geschah.
„Was sollte denn das bewirken?“ lachte Ron.
„Es hat bewirkt, was ich wollte!“ antwortete ich verärgert. „Das war ein Zauber, der die Anwesenheit von Menschen zeigt, und es ist niemand hier außer uns!“
Vor lauter Ärger über Ron hatte ich gar nicht gemerkt, wie Harry hinter uns auf dem Boden kniete und seine Faust gegen die Narbe presste.
„Zorn“, beantwortete er meine ungestellte Frage. „Ich habe nur Zorn gespürt – er ist richtig zornig.“
Soll ich mich zu dir knien, denn auch ich bin zornig!
„Du musst deinen Geist verschließen“, mahnte ich eindringlich.
Was war das?
Ein helles, grelles Licht leuchtete auf, erschrocken zuckte ich zusammen.
Ich stieß einen spitzen, schrillen Schrei aus, sofort war Harry mit erhobenem Zauberstab auf den Beinen und an meiner Seite.
Ein silbernfarbiger Patronus schwebte durch das Fenster herein und landete auf dem Boden vor uns, wo er die Gestalt eines Wiesels annahm und mit der Stimme von Rons Dad zu sprechen begann:
Familie sicher, nicht antworten, wir werden beobachtet.
Ron gab einen stöhnenden Laut von sich und ließ sich auf das Sofa fallen.
Mein Zorn war verflogen, ich spürte von jetzt auf nachher Mitleid, so setzte ich mich zu ihm, und ergriff seinen Arm. „Es geht ihnen gut, es geht ihnen gut!“ flüsterte ich, und Ron lachte und nahm mich in den Arm.
„Harry“, sagte er über meinen Kopf hinweg, „ich…“
„Kein Problem“, sagte Harry. „Es ist deine Familie, natürlich machst du dir Sorgen. Mir würde es genauso gehen – Mir geht es genauso“, fügte er leise hinzu.
Ginny!
Natürlich, Harry sieht mich und Ron und denkt dabei an Ginny.
Es war ein furchtbarer Tag, der endlich zu Ende ging, was aber wenn nicht?
Ginny ist nicht hier.
Nein, alleine in einem Zimmer, das würde ich jetzt nicht ertragen
„Ich will nicht alleine sein. Können wir nicht die Schlafsäcke nehmen, die ich mitgebracht habe, und heute hier drin, im Salon übernachten?“
„Badezimmer“, murmelte Harry und ich bemerkte, wie er davon stürmte.
Er kann sich nicht wehren, kann seinen Geist nicht verschließen, dachte ich panisch, riss mich von Ron los. „Ich bring ihm seine Zahnbürste“, murmelte ich, kramte danach in meiner Tasche und rannte hinter ihm her.
Nur Bruchteile von Sekunden Später klopfte ich gegen die Badtür.
„Harry?“ rief ich leise.
Keine Reaktion, nur ein heftiges Stöhnen war hinter der Tür zu hören.
Panisch klopfte ich fester.
„Harry, möchtest du deine Zahnbürste? Ich hab sie hier“, in Gleichmaßen erhob ich auch meine Stimme.
„Ja, prima, danke“, sagte er und klang nach Kräften bemüht lässig, langsam öffnete sich die Tür.
Er sah furchtbar aus, dicke Schweißperlen auf der Stirn, die Augen blutunterlaufen.
Er trat zwei Schritte zurück und sah mich besorgt an.
Bitte, keine Standpauke, sagten seine Blicke.
Doch das hatte ich auch gar nicht vor.
Leise schloss ich hinter mir die Tür, ging auf ihn zu und drückte ihn ganz fest an mich heran.
„Was ist los, Harry?“
Er schluchzte.
„Ich kann mich nicht dagegen wehren, es klappt einfach nicht. Er ist wütend, sehr wütend, und zwang Draco den blonden Todesser aus dem Cafe zu foltern.“
„Also weiß er Bescheid, dass wir ihnen entkommen sind, und dass wir zu dritt unterwegs sind“, resümierte ich. „Dennoch Harry, bitte verschließe deinen Geist, das ist wichtig, wenn wir überleben wollen. Und jetzt wasch dein Gesicht, und dann komme bitte wieder nach unten, ich möchte nicht alleine sein.“
„Aber Ron ist doch auch noch da?“
„Ich brauche aber auch dich, Harry – Bitte…“
In einem seltenen Anfall von Ritterlichkeit bot mir Ron an, mein Lager auf dem Sofakissen zu errichten, während er seinen Platz neben mir auf dem Boden aufschlug.
Als Harry aus dem Bad zurückkam, blieb ihm nur noch die Möglichkeit, seinen Schlafsack in etwa zwei Meter Entfernung auszurollen.
Schon nach wenigen Augenblicken konnte ich Rons, dieses Mal beruhigendes Schnarchen vernehmen, aber auch, wie sich Harry unruhig hin und her wälzte.
Bereits am frühen Morgen wachte ich aus einem undefinierbaren Mix aus Alpträumen auf, zwischen den Vorhängen war ein Spalt vom Himmel zu sehen, ein tiefes, kühles Blau, irgendwo zwischen Nacht und Morgendämmerung.
Es war ganz still im Salon, abgesehen von Rons ungleichmäßigen, tiefen Atemzügen inklusive zugehörigem Störgeräusch.
Ich räkelte mich und bemerkte wie dabei meine Hand Rons Finger streifte.
Was würde jetzt geschehen?
Ich lag auf dem Rücken und dachte an unsere schwierige Mission, die Horkruxe, Dumbledore, Harry.
Was würde jetzt geschehen?
Harry.
Harry?
Ich drehte meinen Kopf leicht seitwärts und versuchte einen Blick auf seinen schlafenden Körper zu erhaschen.
Harry.
Harry?
Erschrocken starrte ich auf einen leeren, verlassenen Schlafsack.
Wo ist er?
Er wird doch nicht alleine…?
Nein, das würde er nicht tun!
Ängstlich rüttelte ich an Rons Arm.
„Wasnlos?“ nuschelte er verschlafen. „Lass mich schlafen, Mom, nur noch fünf Minuten.“
„Ron!“ schrie ich ihn an.
Seine Augen rissen auf. „Hermine?“
„Harry ist nicht in seinem Schlafsack, hilf mir bitte suchen!“
Überraschend schnell war Ron auf den Beinen. „Ich geh nach unten, schau du oben nach!“
Stockwerk für Stockwerk, Zimmer für Zimmer, suchte ich nach Harry ab.
„Harry? Harry! Harry!“
Meine Rufe wurden immer lauter, panischer, und es klang nach „HILFE!“
„Ich bin hier!“ endlich bekam ich eine Antwort. „Was ist passiert?“
Die Stimme kam von ganz oben, ich stürmte die Treppen hoch, bis ins letzte Stockwerk, wo es nur noch zwei Türen gab.
Mit klopfendem Herzen und völlig außer Atem betrat ich das Zimmer, auf dessen Tür ein Schild mit dem Namen Sirius prangte.
Voller Ehrfurcht erstarrte ich, atmete tief durch und drückte schließlich mit dem Rücken meiner rechten Hand gegen die Tür, sie war nur angelehnt und bewegte sich langsam in die einladende Position.
Ich hatte das Zimmer meines … meines … Vaters, noch nie betreten.
Das Zimmer war geräumig und früher sicherlich ansehnlich. Es gab ein großes Bett mit einem verzierten hölzernen Kopfbrett, ein hohes Fenster, das mit Samtvorhängen verdunkelt war, aber jetzt hellten die ersten Sonnenstrahlen das Zimmer leicht auf.
An der Decke erkannte ich einen dick mit Staub bedeckten Kronleuchter mit Kerzenstummeln, von denen Wachstropfen, wie Eiszapfen herunterhingen, Spinnennetze, wie Trapeze zwischen dem Kronleuchter und der Oberkante eines wuchtigen, schweren, Holzschranks bildeten ein bizarres Spiel, dadurch, dass die ersten Sonnenstrahlen ihr Licht darin brachen. Die Weben zitterten ganz leicht unter Luftzügen, von denen man nicht erkennen konnte, wo sie ihren Ursprung hatten.
„Wir sind aufgewacht und wussten nicht, wo du bist“, sagte ich, als ich Harry sitzend auf dem Bett erblickte. „Ron! Ich habe ihn gefunden!“ rief ich über meine Schulter hinweg.
Rons verärgerte Stimme klang weit entfernt. „Gut! Sag ihm von mir, dass er `n Mistkerl ist!“
„Harry, verschwinde nicht einfach, wir hatten so was von Angst! Wieso bist du eigentlich hier raufgegangen?“
Harrys Blick verriet mir, dass er eigentlich Alleine sein wollte.
Er hatte etwas gefunden, dass nur ihn oder uns etwas angehen sollte.
Doch würde er noch wollen, das mit mir zu teilen?
„Dann kann ich mich ja wieder hinlegen“, hörte ich dankbar Rons Stimme, und schloss hinter mir die Tür.
„Was machst du hier oben?“ fragte ich sanft, und sah mich weiter im Zimmer um.
Die Wände waren mit Postern und Bildern tapeziert, so dass nur wenig von der ursprünglich silbergrauen Seidentapete zu sehen war. Alles leblose Bilder, die ich aus der Zeit vor Hogwarts her kannte. Musikbands von denen mir Mom immer vorschwärmte, während sie die Hifi – Anlage aufdrehte, rhythmisch ihren Körper mit der Musik schwang, und dabei heftig ihren Kopf schüttelte, dass ihr Haare ins Gesicht klatschten.
Langhaarige, furchterregende, harte Kerle aus Bands mit den Namen, Deep Purple, Led Zeppelin oder Alice Cooper, aber auch ein Bild von einer Band namens Black Sabbath. Den paranoiden Ozzy unverkennbar im Vordergrund. Traurige Erinnerungen an Eltern, die nicht einmal wissen dürften, dass ich existiere keimten auf. Aber auch Erinnerungen an schöne Weihnachtstage kamen zurück.
„Warum lächelst du?“, wunderte sich Harry.
„Wieder eine Gemeinsamkeit zwischen Sirius und meiner Mom“, beantwortete ich Harrys Frage. „Seit ich mich erinnern kann, läuft bei uns zuhause an Weihnachten anstatt Weihnachtslieder Musik dieser Bands.“
Meine Hände kreisten über die Bilder an den Wänden.
Dabei bemerkte ich weitere Bilder von Harley Davidson oder Kawasaki Motorrädern, und zwischen alledem, noch diverse hübsche, aufreizende junge Mädchen, nur mit Bikini oder oben ohne.
Aber am auffälligsten und scheinbar nur um seine Eltern zu ärgern, verschiedengroße Gryffindor – Banner.
Nur mit Mühe konnte ich das einzige Zaubererfoto dieses Zimmers erkennen.
„Sieh es dir nur an“, forderte mich Harry auf, der meine Blicke registriert hatte.
Ein Bild mit vier Hogwarts – Schülern, die Arm in Arm in die Kamera lachten.
James, Harrys Dad und Ebenbild, unverkennbar, sein zerstrubbeltes schwarzes Haar, das im Nacken abstand.
Wie bei Harry, dachte ich, als ich mich zum Vergleich zu ihm umdrehte, auch er trug eine Brille.
Neben James stand Sirius, unverschämt hübsch, sein leicht arrogantes Gesicht so viel jünger, so viel glücklicher, als ich es je zu sehen bekam. An Sirius rechter Seite stand die Ratte Pettigrew, gut einen Kopf kleiner, pummelig und mit wässrigen Augen. Links von James war Remus, der schon damals ein wenig schäbig wirkte, doch auch er machte einen glücklichen Eindruck. Ich versuchte es von der Wand zu nehmen, um es intensiver zu betrachten, denn hinter dem kleinen, aber fetten Kopf der Ratte Pettigrew, waren weit entfernt zwei Mädchen im Hintergrund zu erkennen, eine von ihnen trug rotes Haar, die andere fast die identische Haarfarbe zu der Meinigen, allerdings standen sie zu weit weg, um sie genau zu identifizieren.
„Keine Chance“, schmunzelte Harry, als er meine unglücklichen Verrenkungen beobachtete, ein ziemlich hoch aufgehängtes Bild von der Wand zu entfernen, „ich habe es schon versucht, ich vermute einen Dauerklebefluch. Sirius hat wohl alles getan, um seine Eltern zu ärgern.“
Ich ließ von dem Bild ab, und näherte mich mit langsamen Schritten Harrys Position, der immer noch ziemlich regungslos an der gleichen Stelle des Bettes saß, als ich den Raum betreten hatte, lediglich die Füße baumelten jetzt hin und her, unentwegt starrte er mich an.
„Harry, verschwinde bitte nicht einfach, du hast uns regelrecht Angst gemacht!“ flehte ich, kniete mich vor ihn hin, drückte seine Knie auseinander und presste mich in seinen Körper. „Was hast du gemacht?“
„Seid ihr, Hand in Hand eingeschlafen?“ fragte er unverblümt.
Das war es also, er fühlte sich ausgeschlossen.
Vielleicht sogar eifersüchtig?
„Hast du an Ginny gedacht, als du mir geht es genauso geantwortet hast?“
„Sieh mal, was ich eben gefunden habe“, überging er meine Revancheantwort und hielt mir einen Brief entgegen.
Ich nahm ihn entgegen, drehte mich von den Knien auf meinen Hintern und lehnte mich mit dem Rücken gegen seine Beine.
Lieber Tatze,
danke, danke für Harrys Geburtstagsgeschenk! Es war bei weitem sein liebstes. Ein Jahr alt, und schon mit einem Spielzeugbesen herumfliegen – er sah so zufrieden mit sich aus, ich füge ein Bild bei, damit du es sehen kannst. Du weißt, der Besen steigt nur etwa einen halben Meter hoch, aber er hat fast die Katze umgebracht und eine schreckliche Vase zerdeppert, die Petunia mir zu Weihnachten geschickt hat (ich will mich nicht beklagen). Natürlich fand James es furchtbar lustig, er meint, der wird mal ein großer Quidditch - Spieler, aber wir mussten sämtlichen Zierrat wegpacken und behalten ihn immer im Auge, wenn er losfliegt.
Wir hatten einen sehr beschaulichen Geburtstagstee, nur wir und die alte Bathilda, die immer nett zu uns war und ganz vernarrt ist in Harry. Es tut uns so leid, dass du nicht kommen konntest, aber der Orden hat Vorrang, und Harry ist sowieso noch nicht alt genug, um zu verstehen, dass es sein Geburtstag ist! James ist allmählich etwas frustriert, weil er hier eingesperrt ist, er versucht, es nicht zu zeigen, aber ich merke es – und Dumbledore hat immer noch seinen Tarnumhang, daher ist es nichts mit kleinen Ausflügen. Wenn du uns besuchen könntest, würde ihn das wirklich aufmuntern. Würmchen war hier, letztes Wochenende, er kam mir niedergeschlagen vor, aber das lag wohl an der Nachricht von den McKinnons; ich hab den ganz Abend geweint, als ich davon hörte.
Bathilda schaut fast jeden Tag vorbei, sie ist eine hinreißende alte Dame und kennt die erstaunlichsten Geschichten über Dumbledore, ich bin nicht sicher, ob er erfreut wäre, wenn er das wüsste! Ich weiß nicht, wie viel davon wirklich wahr ist, denn es erscheint unglaublich, dass Dumbledore…
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