von rodriquez
Kein Traum, es war definitiv kein Traum!
Dieses Mal kam der Gedanke in keiner Sekunde auf.
Das Erlebte war zu intensiv, als dass es lediglich ein Traum hätte sein können.
Mehrere Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, waren erst vergangen, und immer noch spĂĽrte ich den Geschmack der Kirschen in meinem Mund, und den weichen, leidenschaftlichen Druck auf meinen Lippen.
Der Bus hielt fast vor meiner Haustür, fast hätte ich sogar die Haltestelle übersehen, wie unter einer Trance stieg ich aus, und spürte immer noch seine Lippen, als hätte ich sie mitgenommen, als wären sie auf den Meinigen kleben geblieben.
Nein, das konnte kein Traum sein.
Dieses Mal war es Realer als Real.
„Und wie war dein Date?“ begrüßte mich Mom sichtlich vergnügt, nachdem sie mir, noch bevor ich meinen Schlüssel in die Haustür steckte, geöffnet hatte.
Wortlos stĂĽrmte ich an ihr vorbei, ohne Umwege steuerte ich mein Zimmer an.
Ich war immer noch aufgewĂĽhlt, und gefangen in dem Chaos meiner GefĂĽhle.
Ich wusste, dass ich keine Sekunde des Verschnaufens bekommen wĂĽrde.
„Was ist mit dir?“ fragte Mom überrascht, griff nach meinem Arm und hielt mich noch im Flur zurück.
Sie schaute mir lange in die Augen, dann stöhnte sie in abgehackten Worten: „Oh – mein – Gott!“
Neuerlich fixierte sie mich. „Ist das etwa eine Träne?“ fragte sie, und wischte sie unter meinem Auge weg. „Meine Kleine … ist verliebt!“
„Bin ich nicht!“ fauchte ich. „Wir sind nur Freunde, wie oft muss ich dir das eigentlich noch erklären?“
„Solange bist du dich vom Gegenteil überzeugt hast.“ Mom blieb unbeeindruckt. „Was ist passiert?“
„Nichts“, erwiderte ich zickig. „Wir haben uns nur in einem kleinen Cafe getroffen, haben geredet…“
„Über die Prophezeiung?“
„Du kennst sie?“ schrie ich entsetzt.
„Nein, ich kenne sie nicht, und ich will sie auch gar nicht kennen.“
„Einer von Beiden muss sterben, damit der Andere weiterleben kann“, antwortete ich traurig.
Mom blieb gelassen. „So was habe ich schon befürchtet, aber das ist nicht der Hauptgrund – nicht der Grund dafür, dass meine Kleine so aufgewühlt ist. Was ist noch geschehen?“
„Nichts, wir haben zur Aufmunterung ein kleines Spiel gespielt, dann kam auch schon mein Bus.“
Ich zuckte mit meinen Schultern.
„Verstehe“, sagte Mom vorsichtig. „Nur ein kleines harmloses Spiel…“
Ja! Nur ein kleines harmloses Spiel.
Mehr nicht
Doch – viel mehr!
Viel, viel mehr.
Trotz meiner nach wie vor vorhandenen Aufgewühltheit, schlich erneut ein stilles Lächeln über Mom’s Gesicht.
„Was wäre wenn … ich behaupten würde, dass ihr euch geküsst habt?“
Voller Entsetzen hielt ich inne, und starrte meine Mom an.
Ich stand kurz vor der Ohnmacht.
„Willst du dich setzen?“, fragte Mom. „Ist dir schlecht? Schwindelig?“
Sie packte meinen Arm, fĂĽhrte mich in mein Zimmer, und lieĂź mich erst los, als mein Kopf meine Kissen berĂĽhrte.
Der Länge nach ausgestreckt lag ich auf meinem Bett.
„Wo … woher?“
Mehr als ein Stammeln brachte ich nicht zustande.
„Woher ich das weiß, oder woher ich das Spiel kenne?“
Das Lächeln auf dem Gesicht meiner Mutter wurde beängstigend breiter.
„Es war das Lieblingsspiel von James. Darin war er einfach unschlagbar. In unserem fünften Jahr brachte er Lily dazu, es gegen ihn zu spielen. Hätte sie gewonnen, hätte er Schniefelus für immer in Ruhe lassen müssen, obwohl er natürlich gewonnen hatte, hielt er sich teilweise an ihren Einsatz. – Er tat es nicht mehr unter ihren Augen. Sein Gewinn war ein Kuss … von Lily, die ihre Spielschuld natürlich einlöste … Spielschulden sind Ehrenschulden. Lily war danach völlig aufgelöst und durcheinander, trotzdem dauerte es noch fast eine Ewigkeit, bis sie zusammen kamen. Wenn er nur nicht so ein Idiot wäre, murmelte sie, seit diesem Tag, seit diesem Kuss unaufhörlich. Sie haben es heimlich getan, ohne Zeugen, aber sie war unverkennbar verliebt, brauchte aber noch mehr als ein Jahr, um sich das einzugestehen. Der Blitz hatte gnadenlos eingeschlagen, und schwere Schäden hinterlassen, so gestand sie mir kurze Zeit später.“
„Ich brauche mir nichts einzugestehen“, bestätigte ich indirekt ihre Vermutung, „Harry steht auf Ginny, und ich wohl eher auf Ron.“
„Und um eure Freunde nicht zu verletzen, verschließt ihr eure Augen! Aber vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, solange die Entscheidung noch aussteht. Dennoch bin ich sicher, dass ihr irgendwann zu euren wahren Gefühlen stehen müsst, auch wenn ihr bis dahin in anderen Beziehungen flüchten solltet. Nach dem Tag X, werdet ihr alles mit anderen Augen sehen.“
Manchmal ist es doch gut eine Mutter als Freundin zu haben, schluchzend warf ich mich ihr an den Hals.
Sie beließ es dabei, und bohrte nicht weiter nach, stattdessen sagte sie: „Täusche ich mich?“ Sie wedelte mit ihrer Hand vor ihrer Nase herum. „Hast du verbotene Kirschen genascht?“
„Nein, aber Cherry-Coke getrunken.“
„Übrigens vor einer Stunde hat dein Freund Ron angerufen. Mein Trommelfell pfeift jetzt noch“, erwähnte Mom beiläufig.
„Was hast du ihm gesagt?“
Falsche Frage!
„Ich meine … was wollte er?“ korrigierte ich mich.
„Keine Sorge, erhat nicht erfahren, wo du gerade ein Spiel mit Folgen verloren hast“, beruhigte sie mein Gewissen. „Also das was ich verstanden habe war, dass du jederzeit zu den Weasleys reisen kannst, wenn du es möchtest, und wir es erlauben. Zu deiner ersten Frage – ich habe ihm gesagt, dass du mit deinem Dad einkaufen bist.“
„Ich … ich.“
„Ich weiß, was du sagen willst, und ich verstehe, dass du noch etwas Zeit brauchst, um wieder klarer denken zu können, aber du kannst dich nicht ewig verstecken. Harry wird ja noch nicht vor Ort sein…“
„Aber ich kann Ginny und Ron … so nicht unter die Augen treten, noch nicht. Du weißt, dass ich eine schlechte Schauspielerin, und eine noch schlechtere Lügnerin bin. Ich kann das meinen Freunden nicht antun, nicht jetzt … Ich … ich, habe aber auch Angst davor, Harry zu begegnen, und wenn ich nichts erwähne, aber Harry…“
„Schatz, darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Harry wird kein Wort darüber verlieren, dessen bin ich mir sicher.“
„Ich fühle mich, entschuldige das Wort, wie eine Hure, wenn ich jetzt meinen Freunden unter die Augen treten müsste.“
„Das bist du mit Sicherheit nicht, meine Süße. Du hast nur etwas längst Überfälliges getan.“
„Aber, Harry…“
„Du hast ihn einfach stehen lassen, hab ich Recht?“, eine Antwort wartete sie erst gar nicht ab. „Er wird wissen was zu tun ist, und er wird das richtige tun. Es wird sich Nichts, rein gar nichts zwischen euch ändern.“
„Was macht dich so sicher?“
„Das Spiel war ein Test.“
„Ein Test?“
„Er wusste, dass er das Spiel nicht verlieren kann, hat die Fragen und die Antworten schon parat, genauso, wie er deine Reaktionen vorhergesehen haben musste…“
„Wie kannst du dir da sicher sein?“
„Seine ersten Fragen zielten auf Mitleid?“, es folgte ein fragender Blick in meine Richtung. „Vielleicht was wäre wenn Sirius noch leben würde?“ Ein ganz schwaches Nicken, gab den Anlass fortzufahren. „Dann wurden die Fragen auf dein Drängen hin, intimer? Du und Ron?“
Wieder ein Nicken meinerseits.
„Ist es wirklich so einfach?“
Zur Antwort bekam ich bestätigendes Nicken. „Er musste seine Frage auf den Grund gehen, warum ihr Beide ein so intensives Verhältnis zueinander habt.“
„Und diese Frage hat er jetzt beantwortet bekommen?“
„So aufgewühlt, wie du dich jetzt noch präsentierst, hätte er keine eindeutigere Antwort bekommen können.“
„Und jetzt?“
„Der Moment des Wiedersehens wird ein schwerer Schock, weil die Angst trotzdem zurückbleibt, aber im nächsten Augenblick schon werdet ihr in den alten Trott zurückkehren.“
„Woher weißt du das Alles?“
„Ich habe Augen im Kopf.“
„Und jetzt willst du mich schon wieder los werden?“
Mom schüttelte langsam ihren Kopf, „Sieh dich um“, forderte sie mich auf. „Hier wirst du dich mit Fragen quälen, die längst geklärt sind. Du brauchst andere Gedanken, und zwar sofort.“
Nachdenklich, drĂĽckte sie mir die aktuelle Ausgabe der Times, der Muggeltageszeitung in die Hand.
„Wenn du liest, werden deine Gedanken an einen innigen Kuss wie weggeblasen sein.“
Zögernd nahm ich die Zeitung entgegen.
„Es ist auch in der Nichtmagischen Welt nicht mehr sicher.“
Auf dem Titelbild war eine eingestĂĽrzte BrĂĽcke zu sehen.
DarĂĽber die Ăśberschrift:
Mysteriöser Einsturz der neuen London Bridge
Aus bisher noch ungeklärten Gründen brach gestern Nachmittag, die erst vor knapp zehn Jahren komplett neu erbaute London Bridge zusammen.
Das AusmaĂź der Katastrophe ist noch unklar, bisher wurden, zwanzig Fahrzeuge und fĂĽnf Tote, aus der Themse geborgen.
Die Feuerwehr und der technische Hilfsdienst arbeiten mit Hochdruck…
Nachdenklich drehte ich die Titelseite um.
Mom hatte mir gezeigt, dass ich auch den Unterteil der Titelseite anschauen sollte.
Schwere Unwetter in Südwest – England
Ein schwerer Hurrikan zog gestern am frĂĽhen Abend ĂĽber die sĂĽdwestenglischen Grafschaften Cornwall und Plymouth hinweg.
Unzählige Menschen wurden obdachlos, und mussten in Notunterkünften untergebracht werden.
Die Kraft des Hurrikans hatte ein bisher unbekanntes Ausmaß an Intensität.
Viele Häuser wurden größtenteils vollständig zerstört.
Premierminister John Major hat sofort seinen Urlaub abgebrochen, und wird sich selbst ein Bild vor Ort machen.
Unterdessen wurde bekannt, dass seine Urlaubsvertretung Juniorminister Herbert Chorley, dem Druck der Geschehnisse offensichtlich nicht gewachsen war.
Wie aus gut unterrichteten Kreisen, der Downing Street No. 10 zu hören war, erlitt der Juniorminister einen Nervenzusammenbruch, und wird ärztlich behandelt…
„Wow“, staunte ich. „Ganz schön was los, und ich liege richtig in der Ahnung, dass du das alles auf Anschläge aus der magischen Welt zurückführst?“
„So hat es damals auch angefangen. Der dunkle Lord spielt seine Macht aus, und zwingt das Ministerium zum Handeln. Der Zaubereiminister wird sich mit dem Premierminister kurzschließen müssen. Der Hurrikan, das waren mit Sicherheit vom Dunklen Lord rekrutierte Riesen, und der Juniorminister … ein Imperiusfluch.“
„Voldemort lässt die Menschen seine Wut spüren.“
„Es ist eine Demonstration seiner Macht, die schon ihre Opfer gefordert hat.“
„Muggel“.
„Nicht nur. Es hat auch Opfer in der Regierung gegeben, wie ich aus gut unterrichteten Kreisen hörte … Fudge ist zurückgetreten. Rufus Scrimgeour hat seine Nachfolge angetreten, und Kingsley Shacklebolt ist zum Schutz des Premierministers eingeteilt worden.“
„Gut unterrichtete Quelle? Deine Quelle ist nicht zufällig von den Mondzeiten abhängig?“
„Gelegentlich“, bestätigte Mom indirekt meine Vermutung. „Und noch etwas Ungewöhnliches, schau mal auf das Wetter!“
„Hitze in London … Hurrikan im Südwesten, und?“
Ich staunte nicht schlecht als ich entdeckte, was auch ihr aufgefallen sein musste. „Das gibt’s doch nicht. Wie kann so was sein?“
…Im Norden, tiefer Nebel, für die eigentlich sommerliche Jahreszeit, viel zu kalt.
Meteorologen konnten gestern Abend die tiefste Temperatur an diesem Tag messen, seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.
Das vorher auf dem Wetterradar nicht festgestellte Tiefdruckgebiet, zieht in rasanter Geschwindigkeit gen SĂĽden.
„Die Dementoren verlassen Askaban!“, bestätigte Mom meine schlimmsten Befürchtungen.
„Das bedeutet, dass die gefassten Todesser nicht lange in Askaban sein werden“.
„Da hast du richtig mitgedacht.“
Die Gedanken an einen Kuss von meinem besten Freund waren wie weggewischt.
Sorge und Angst verdrängten einen peinlichen, unbehaglichen, aber einzigartigen Moment.
Ganze vier Tage nahm meine Tristesse in Anspruch.
„Natürlich darfst du bleiben“, erwähnte Mom. „Wir freuen uns über jede Minute, die du mit uns verbringen möchtest.“
Ich verbarrikadierte mich in meinem Zimmer, dachte nach, und stopfte gelegentlich etwas in meine Hogwartstasche.
„Du hast dich entschieden?“ fragte Mom, als sie mich „auf gepackten Koffern“ in der Küche vorfand.
„Wie sehen eure Pläne für den Rest des Sommers aus?“
„Mach dir keine Sorgen um uns, wir haben noch viele Dinge zu regeln. Unter Anderem fliegen wir nächste Woche nach Australien, um unser neues Domizil auf Vordermann zu bringen.“
Mom sah mich sorgenvoll an, drückte mich ganz fest an sie. „Mach dir keine Sorgen. Im Moment habt ihr wichtigere Dinge vor euch.“
„Pass auf dich auf, Mine“, Dad war aus seinem Arbeitszimmer gekommen, um mich zu verabschieden.
Ich stellte meine Utensilien inklusive Krummbeins Käfig in den Kamin, ergriff etwas Flohpulver, dann kam Mom nochmals zu mir heran.
Sie neigte sich ganz nah an mein Ohr. „Noch etwas“, flüsterte sie. „Sirius wird ein Testament gemacht haben, indem er Harry zum Haupterben machen wird…“
Ich hatte ihre Sorge verstanden, und nickte verständnisvoll.
Sollten meine Vermutungen zutreffen, dann wĂĽrde Sirius nichts dem Zufall ĂĽberlassen.
Er wäre töricht, mich als Erben einzusetzen.
Oder spekulierte er etwa, genau wie Mom auch, auf Harry und mich als ein Liebespaar?
Wieder einmal, wagte ich nicht weiter darüber nachzudenken, winkte meinen Eltern „Auf Wiedersehen“ zu, und warf das Flohpulver in die kalte Asche unter meinen Füßen.
„Fuchsbau!“
Arm in Arm sahen meine Eltern traurig zu, wie ich sie ein weiteres Mal für fast ein ganzes Jahr, oder dieses Mal sogar länger, verließ.
Ihre Gestalten verschwanden vor meinen Augen, die Umgebung wurde unwirklich. Surreal. Im ersten Moment dachte ich wirklich, die falsche Abzweigung genommen zu haben.
Verwundert rieb ich meine Augen, vielleicht ist auch nur etwas Asche in meinen Augen und vernebelte meinen Blick.
In der Küche des Fuchsbaus stand tatsächlich eine Person, die ich am liebsten von hinten gesehen hätte, und von der ich niemals dachte, sie jemals wiederzusehen.
Aber auch nachdem ich meine Augen von der vermeintlichen Asche befreit hatte, stand sie immer noch in ihrer vollen Pracht vor mir, mit ihrer makellosen Figur, ihren langen blonden Haaren, ihrem Veela – ähnlichen Wesen.
Fleur Delacour, Beauxbatons – Champion des Trimagischen Turnieres.
„ `Ermine“ säuselte sie vergnügt. „Da bist du ja“.
Ich musste vor Brechreiz fast würgen, wie eine Schleimerin kam sie auf mich zu, umarmte mich, und begann mich in typischer französischer Manier abzuschlecken.
Ich hasste diese Form der BegrĂĽĂźung seit unserem Frankreichurlaub.
„Ach, es ist suuu lange `er!“
Zum GlĂĽck rettete mich Ginny aus der unbequemen Situation.
„Hermine“, schrie sie auf, und rannte mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. „Endlich, warum hast du dir solange Zeit gelassen?“
„Ich musste mir erst darüber klar werden, was ich eigentlich will, weil ich Harry geküsst habe!“
Ein GlĂĽck entging ich dem Todesfluch, indem ich Worte, die auf meiner Zunge lagen hinunterschluckte.
„Ich wollte noch etwas Zeit mit meinen Eltern verbringen“, antwortete ich stattdessen. „Was macht die denn hier?“ fügte ich flüsternd mit empörten Blicken in Richtung Fleur hinzu.
„Später!“ signalisierte mir Ginny.
„Ist das etwa Hermine, die ich gerade gehört habe?“ Mrs. Weasley kam um die Ecke geschossen, und warf sich mir um den Hals.
Allerdings wirkte sie irgendwie, nicht gerade glĂĽcklich.
War etwa Fleur der Grund?
„Hermine?“ erklang es aus dem Treppenhaus, und wenige Augenblicke später stand Ron in der Küche.
Auch von ihm bekam ich eine Umarmung, die aber sehr verhalten, und mit ständigen nervösen Blicken zu Fleur verziert waren, und nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte.
„`Ast du `Unger? Ich `abe gerade Kartoffeln gemacht“.
Ginny rollt mit ihren Augen. „So geht das schon die ganzen Ferien!“ flüsterte sie.
„Setz dich, meine Liebe, ich mach dir eine Kleinigkeit“, übernahm Mrs. Weasley, die Fleur zu ignorieren schien.
„Nein, danke, ich hatte gerade zuhause noch eine Pizza verdrückt“, antwortete ich zu Mrs. Weasleys Enttäuschung.
„Eine Pizza?“ rief Ron und verzog sein Gesicht. „Das würde mir auch mal gut zu Gesicht stehen.“
„Abber suuu bist doch so groß geworden“, säuselte Fleur, was ein extrem dunkelrotes Gesicht bei Ron verursachte.
Wieder verdrehte Ginny ihre Augen.
„Komm Hermine, bringen wir deine Sachen nach oben.“
Mrs. Weasley warf uns empörte Blicke entgegen, und schien regelrecht beleidigt, es war als hätte sie Angst alleine in der Küche mit Fleur zu stehen.
„Mr. Weasley ist auf Arbeit?“ fragte ich beiläufig.
Mrs. Weasley wandte sich um und blickte auf eine groĂźe Uhr, die am Ende des Tisches stand.
Ich erkannte sie sofort wieder.
Sie hatte neun Zeiger, auf den jeweils der Name eines Familienmitglieds eingraviert war.
Doch dieses Mal standen alle Zeiger auf tödliche Gefahr.
„Kommst du?“ fragte Ginny begierig, und zerrte mich aus der Küche.
In ihrem Zimmer fiel sie direkt ĂĽber mich her.
„Oh, wie ich dieses Weib hasse!“
„Was macht sie hier?“
„Bill schleppte sie eine Woche nach Ferienbeginn an, seitdem ist hier nichts mehr, wie es mal war. Private Englischstunden, gibt ihr der Idiot, und dabei ist er ihr mit Haut und Haaren verfallen.“
„Ist sie wirklich so übel, wie es der Eindruck erweckt?“ fragte ich vorsichtig.
„Du hast ja keine Ahnung!“ fauchte Ginny. „Und du solltest mal sehen, wie Ron sie anhimmelt.“
Mein Blick verfinsterte sich, und Ginny begann zu lächeln, scheinbar wollte sie mich, mit dieser Bemerkung auf ihre Seite ziehen.
„Wo wir schon beim Thema sind…“, grinste sie. „Wann läuten die Hochzeitsglocken, ich will mir mein Brautjungferkleid kaufen?“
„Tja … da wirst du wohl sehr lange warten müssen. Wir haben uns noch nicht einmal angenähert.“
Ich verkreuzte die Arme vor meiner Brust. „Ich werde mit Sicherheit nicht den ersten Schritt machen!“
„Das solltest du auch nicht tun“, stimmte sie mir zu. „Aber wie weit bist du mit deinen Forschungen in dieser Sache? Ist es nicht offensichtlich, wie sehr, ihr euch umeinander sorgt?“
„Ich sorge mich auch um Harry“, erwiderte ich beiläufig.
„Wer sorgt sich um wen?“
Ron kam wie selbstverständlich ins Zimmer gelaufen, und schmatzte kauend an einer Lakritzstange herum.
„Kannst du nicht anklopfen?“ fauchte Ginny wütend. „Wir sprachen gerade darüber, wie ich mit um Dean sorge“.
Die Ausrede zeigte Wirkung. „Als ich dir sagte, du solltest jemanden, besseres wählen, dachte ich dabei eigentlich nicht an Dean Thomas!“
„Wen hast du dann gemeint, und überhaupt … was stimmt an Dean nicht?“
„Nüffts“, schmatzte Ron. „Dean ist okay, aber nichts für dich, ich will dich nicht mit ihm zusammen in meiner Nähe sehn!“
Ginny war voller Zorn aufgesprungen.
„Es geht dich null und gar nichts an, mit wem ich gehe, oder was ich wo mit wem mache!“
„Ich meinte damit nur“, sagte Ron unbeeindruckt, „dass du einen besseren verdienst.“
„Und an wen denkt da mein genialer Bruder im Besonderen?“
„Ich dachte … ähm … standest du nicht eigentlich auf Harry?“ stammelte Ron.
„Ron, ich habe dir schon einmal gesagt, dass dem nicht mehr so ist!“
„Ich wusste gar nicht, dass du so schnell aufgeben kannst! Warum bist du nicht einfach auf ihn zugegangen?“
Ginny stieĂź ein lautes Lachen aus.
„Warum fasst du dir nicht an die eigene Nase!“
Ihre Augen funkelten abwechselnd zwischen Ron und mir hin und her.
Ich fĂĽhlte mich sichtlich unbehaglich, daran hatte ich nun wahrlich kein Interesse.
„Willst du mir damit etwa sagen, dass ich mit Harry vor deinen Augen machen könnte was ich will?“
„Habe ich nicht gesagt, nur dass er besser zu dir passen würde, und das Knutschen verlegt ihr bitte in eine Besenkammer.“
„Ist bei dir eigentlich noch alles knusper im Oberstübchen?“ Ginny klopfte gegen Rons Stirn. „Hallo? Jemand zuhause? Und jetzt r – raus hier!“
„Ein bisschen zu aufbrausend“, sagte ich, nachdem Ron beleidigt ihr Zimmer verließ, „wenn du mich fragst.“
„Ich frage dich aber nicht!“ keifte sie immer noch geladen.
„Hast du Dean schon geschrieben?“
O-O, der nächste wunde Punkt, wie unweigerlich in ihrem Gesicht ablesen konnte.
„Ich hatte noch keine Zeit, andauernd taucht diese Fleur auf, die zieht eine richtige Schleimspur hinter sich her. Ich wette Harry fällt genauso auf ihr Getue herein, wie mein Genie von Bruder. Hast du übrigens was von Harry gehört?“
„Ich habe mit ihm telefoniert“, antwortete ich mit einer Teilwahrheit.
Ginny richtete sich gerade, und wirkte erschrocken.
„Und?“
„Nichts“, schüttelte ich, möglichst gleichgültig wirkend meinen Kopf. „Die Muggel behandeln ihn angeblich gut, ihm ist nur wieder einmal langweilig. Wann kommt er eigentlich?“
„Ich dachte du hast mit ihm gesprochen?“, entrüstete sich Ginny, und wirkte beleidigt. „Mein Interesse liegt auf Dean, hast du das vergessen?“
„Und deswegen hattest du auch keine Zeit ihm zu schreiben … Ah … Ja“.
„Bitte fang nicht schon wieder davon an.“
„Harry hat mir gegenüber nichts erwähnt“, zeigte ich mich nachgiebig und zuckte unwissend mit der Schulter.
„Mom erwähnte, dass ihn eventuell Dumbledore vorbringen würde“, sagte Ginny nun doch beiläufig.
Es entlockte mir ein Lächeln, aber dann wurden mir ihre Worte bewusst. „Dumbledore?“ fragte ich überrascht.
„Er würde ihn bei irgendetwas brauchen, wenn das erledigt wäre, würde er ihn herbringen.“
„Harry hat nichts davon erwähnt.“
„Ich glaube Harry weiß selber noch nichts davon … denkst du, er erfährt etwas über die Prophezeiung?“
Ihre Frage erschreckte mich, mein Körper zuckte kurz, und Gänsehaut lief über meinen Rücken.
„Ron und ich haben bereits unsere eigenen Theorien über die Prophezeiung entwickelt…“, fuhr sie fort, und beobachtete mich musternd.
„Nach allem, was ich aus den Aussagen von Malfoy heraushören konnte, muss es wohl darum gehen, wie man du – weißt – schon – wen besiegen kann.“
Ich versuchte ihr keine Gelegenheit zu geben, etwas an meiner Gestik zu erkennen, indem ich mein nachdenklichstes Gesicht auflegte.
„Der Tagesprophet nennt Harry wieder den Auserwählten, derjenige, der Du – weißt – schon - wen, besiegen kann.“
„Ich habe es gelesen“.
Einige Minuten saĂźen wir schweigend beisammen, bis Mrs. Weasley uns wieder nach unten zitierte, es wurde immer offensichtlicher, dass sie sich in Anwesenheit von Fleur unbehaglich fĂĽhlte.
Wir gingen nach unten, beide in Gedanken vertieft.
Und ich befürchte, beide Köpfe zermarterten sich über den gleichen Jungen, mit schwarzen ungekämmten Haaren, einer Nickelbrille unter der, die phantastischsten Augen glühten, die ich je zu sehen bekam, und dessen Stirn eine Blitznarbe zierte.
„Harry sollte in den nächsten zwei Tagen ankommen“, informierte uns Mrs. Weasley am nächsten Morgen. „Dumbledore hat gerade eine Nachricht geschickt, dass er auf dem Weg zu ihm wäre, und wenn alles mit den Dursleys geklärt, und die Mission beendet wäre, dann würde er ihn zu uns bringen.“
„Was für eine Mission?“ fragte Ginny begierig.
„Das hat er nicht gesagt.“
„Denkst du, es hat mit der Prophezeiung zu tun?“ flüsterte mir Ron aufgeregt zu. „Denkst du, er erfährt etwas darüber?“
Ich zuckte unwissend mit meinen Schultern.
Er kennt die Prophezeiung, das hat er mir selbst bestätigt, also geht es in der Mission nicht darum, aber ich hütete mich, dieses Geheimnis auszuposaunen.
Aber was könnte es sonst sein?
Sirius?
Sirius ist tot, was fĂĽr eine Mission sollte das denn sein?
Oh mein Gott, was tu ich nur, wenn er plötzlich wieder vor mir steht?
Können wir uns überhaupt noch in die Augen sehen, nachdem was zwischen uns vorgefallen war?
Wie wĂĽrde er reagieren?
Hoffentlich behält Mom Recht, und Harry schweigt.
Hoffentlich bleibt es unser kleines, groĂźes Geheimnis.
Nicht auszudenken, wenn Ginny oder Ron davon erfahren wĂĽrden.
Wäre die ganze Mission dadurch gefährdet?
Bisher wissen nur Harry und ich, dass Voldemort sterben muss, damit Harry ĂĽberleben kann.
Kann es zwischen uns ĂĽberhaupt noch, wie frĂĽher sein, oder hat es einen Keil zwischen uns getrieben?
Ich muss mich von ihm distanzieren, es ist zu gefährlich, Gefühle zwischen uns könnten tödlich sein.
Ich sah nur eine Chance, ich musste sehen, dass Harry und Ginny schnellstmöglich ein Paar werden, um mir selbst und uns allen, eine reelle Chance zu geben.
Auch wenn es weh tun wĂĽrde.
Ron – konzentriere dich voll und ganz auf Ron, und vermittle zwischen Harry und Ginny.
Beim Frühstück am übernächsten Morgen hätte ich fast alles über den Haufen geworfen, alles was ich mir vorgenommen hatte.
Der Augenblick war gekommen.
„Harry ist heute Nacht angekommen!“ sagte Mrs. Weasley. „Völlig übermüdet und ausgehungert sah er aus, im Moment schläft er im Zimmer der Zwillinge.“
Ron und Ginny spritzten sofort auf, nur ich blieb versteinert sitzen.
Mein Blut begann sich zu ĂĽberhitzen, und trieb die Glut mitten in mein Gesicht, wo sie brennend heiĂź, zum Stillstand kam.
„Lasst ihm noch ein paar Minuten, beendet ihr erst einmal euer Frühstück.“
„Iff bin vvon fertisch“, murmelte Ron mit vollgestopften Backen, und einem weiteren Brötchen in der Hand.
„Und du junges Fräulein“, forderte Mrs. Weasley, Ginny auf. „Hilfst bitte Fleur beim Frühstück für Harry, du kannst es ihm dann später nach oben bringen.“
Ron war nicht mehr zu halten, und stürmte los. „Komm schon!“ forderte er mich auf.
Mit einem unbehaglichen GefĂĽhl stand ich auf, und trottete langsam hinterher.
„Du bleibst Fräulein!“ rief Mrs. Weasley drohend in Ginnys Richtung, die sich wie selbstverständlich, mit uns nach oben schleichen wollte.
„Wir gönnen es im beide briiiingeeen“, hörte ich Fleur’s liebliche Stimme. „Würde das, Geeny
Spaß machen?“
„Wenn’s unbedingt sein muss“, murmelte Ginny trotzig. „Und mir wäre es recht, wenn du endlich meinen Namen richtig aussprechen würdest. Es heißt Ginny, und nicht Geeny oder Geni!“
„Oh, tu biiiist, wie mein klein Schwester! Tu und Gabrielle werden, zo gut auskommen miteinand! Ihr musst gleich Alter sein.“
„Ich bin fünfzehn!“ donnerte Ginny, „Gabrielle ist erst zehn!“
Ein wenig Aufheiterung wurde mir also beschert, auf meinem schweren Gang nach oben, die Beine, schwer wie Blei wollten sich kaum vom Fleck rĂĽhren.
„Wo bleibst du denn?“ drängelte Ron genervt.
Übereifrig riss er die Tür zum Zimmer der Zwillinge auf, die, wie mir Ginny erzählte in der Winkelgasse nächtigen, in einer kleinen Wohnung, über ihrem Scherzartikelladen, weil sie soviel zu tun haben, wie ihre Mom, nicht ohne Stolz hinzufügte.
Ron stürmte in das Zimmer, schnurstracks auf die Vorhänge zu und riss sie mit einem lauten Ratschen auf.
Blendendes Sonnenlicht drang herein, und Harry hielt sich schützend und erschrocken die Hände vor die Augen.
„Wasnlos?“ murmelte er verschlafen.
„Wir wussten nicht, dass du schon da bist“, rief Ron aufgeregt, und etwas zu laut.
Ich stand noch vorsichtig in der TĂĽr, und traute mich nur sehr langsam in mein Schicksal.
Wie wird er reagieren, wenn er mich bemerkt?
„Ron, hau ihn nicht!“ waren die ersten Worte, die ich mich traute auszusprechen, aber Ron verhielt sich wirklich wie ein Kleinkind, klopfte jetzt auch sinnlos gegen Harrys Stirn, ich musste ihn zurechtweisen. Außerdem wollte ich mich damit zu erkennen geben.
Durchatmen! Der Anfang war gemacht, jetzt wartete ich nervös auf eine Reaktion.
Aber noch musste ich mich gedulden, Harry tastete blind nach seiner Brille, setzte sie auf, und sah sich suchend um.
„Alles klar?“ grinste Ron.
„Bestens“, sagte Harry und ließ sich wieder in die Kissen zurückplumpsen. „Und bei dir?“
„Geht so“, nuschelte Ron, zog sich einen Karton heran und setzte sich darauf. „Wann bist du gekommen? Mom hat es uns eben erst gesagt!“
„Heute Nacht gegen eins.“
„Waren die Muggel okay? Haben sie dich anständig behandelt?“
„So wie immer“, sagte Harry und schaute an Ron vorbei.
Mit klopfendem Herzen kam ich näher heran. „Sie haben nicht viel mit mir geredet, aber das ist mir sowieso lieber.“ Harry hatte die ganze Zeit seine Augen auf mich gerichtet, noch konnte ich nichts aus seinem Gesicht herauslesen.
„Wir geht’s dir Hermine?“ fragte er schließlich.
Tonnenweise plumpsten Steine zu Boden.
AufgewĂĽhlt und glĂĽcklich, setzte ich mich auf den Rand seines Bettes.
„Oh, mir geht’s gut“, antwortete ich erschrocken, und musterte Harry.
Mit seinen Augen gab er ein Zeichen, welches mir zu meiner Beruhigung sagte, dass er nichts breittreten wĂĽrde.
„Der Moment des Wiedersehens wird ein schwerer Schock, weil die Angst trotzdem zurückbleibt, aber im nächsten Augenblick schon werdet ihr in den alten Trott zurückkehren.“
Mom behielt Recht, und Harry schwieg.
Unser Geheimnis wĂĽrde sicher sein.
„Wie viel Uhr ist es? Hab ich das Frühstück verpasst?“
„Kein Problem, Mom bringt dir ein Tablett hoch…“, antwortete Ron ahnungslos. „Also, was war bei dir los?“
Nochmals ein kurzer Moment des Schreckens.
„Nicht viel, ich saß ja bei meiner Tante und meinem Onkel fest, oder?“
„Du warst mit Dumbledore unterwegs!“ drängte Ron auf Neuigkeiten.
„Das war nicht sonderlich spannend. Er wollte nur, dass ich ihm helfe, diesen alten Lehrer zu überreden, dass er aus dem Ruhestand zurückkommt. Er heißt Horace Slughorn.“
„Oh“, stöhnte Ron enttäuscht. „Wir dachten…“
Ron! mahnte ich mit Blicken, jetzt nicht mit Sirius anfangen!
Harry entlockte es ein Lächeln. „Also, ähm, wie ist er?“ wechselte Ron die Richtung.
„Er sieht ein bisschen wie ein Walross aus und war mal Hauslehrer von Slytherin.“
Harry hatte den Satz uninteressiert beendet. Sein Hauptaugenmerk war auf etwas Anderes gerichtet, oder besser auf Jemanden anderes. „Ist irgendwas, Hermine?“
Es lag wohl daran, dass ich ihn nach wie vor nervös beobachtete, mit der Angst, dass jeden Augenblick, doch ein verräterisches Wort fallen könnte.
„N – nein, natürlich nicht! Also, ähm, sieht Slughorn nach einem guten Lehrer aus?“ stotterte ich zusammen.
„Weißnich“, sagte Harry. „Schlimmer als Umbridge kann er nicht sein, oder?“
„Ich kenn jemanden, der schlimmer ist als Umbridge“.
Rons Kopf schoss herum, ich brauchte mich nicht umdrehen, denn ich hatte Ginnys Schritte schon auf der Treppe erkannt.
Harry warf mir einen kurzen verstohlenen Blick zu, legte blitzschnell, seinen Zeigefinger auf den Mund, und zeigte mir somit endgĂĽltig, dass er schweigen wĂĽrde, vielleicht hatte er auch nur selbst Angst, und wollte andeuten, dass ich schweigen sollte.
Als ob ich jemals ein Wort darüber herausgeplaudert hätte.
„Hi, Harry“, grüßte Ginny, stapfte ins Zimmer und wirkte immer noch verärgert.
„Was ist mit dir?“ fragte Ron.
„Es ist wegen ihr“, sagte Ginny und ließ sich neben mir auf Harrys Bett fallen. „Sie macht mich wahnsinnig.“
„Was hat sie denn jetzt wieder getan?“ nutzte ich die Ablenkung.
„Es ist die Art, wie sie mit mir redet – man könnte meinen, ich wäre gerade mal drei!“
Harry sah sich fragend und erstaunt um, scheinbar wusste er noch nichts von dem neuen unangenehmen Gast.
„Ich weiß“, tröstete ich sie. „Sie ist so was von eingebildet.“
„Könnt ihr sie nicht mal fünf Sekunden lang in Ruhe lassen?“ wütete Ron.
„Oh, alles klar, verteidige sie nur“, fauchte Ginny. „Wir wissen alle, dass du nicht genug von ihr kriegen kannst.“
Harrys Augen weiteten sich, er schien fast entsetzt. „Über wen…?“ fragte er schließlich, doch seine Frage beantwortete sich von selbst.
Denn die Tür öffnete sich erneut, und Harry zog sich erschrocken die Decke bis zum Hals.
In ihrer vollen Pracht stand Fleur im gleißenden Sonnenlicht, ihr langes blondes Haar, wehte leicht um ihre Schultern, und sie präsentierte, ihre makellose, gertenschlanke Figur.
Ein obszönes Lächeln schlich sich auf ihre rotlackierten Lippen.
Graziös wie ein Reh, oder wie heißt das Tier mit den zwei Höckern? Marschierte sie in Richtung Harry.
„`Arry … Es ist suu lange `er!“
Mensch leg mal `ne andere Platte auf!
Sie rauschte ins Zimmer, verfolgt von einer ziemlich mürrisch dreinblickenden Mrs. Weasley. „Es wäre nicht nötig gewesen, das Tablett hochzubringen, das wollte ich gerade selber tun!“ schmollte Mrs. Weasley.
„Es war mir ein Vergnügen“, antwortete Fleur in ihrer schleimigen Art, legte das Tablett über Harrys Decke, in Höhe seiner Knie, stürzte sich dann auf ihn und begann ihre widerliche Abschleckorgie.
Ein EkelgefĂĽhl der besonderen Art breitete sich in mir aus, angewidert verzog ich mein Gesicht.
„Isch `ab misch danach gesehnt, ihn su se’en. Erinnerst du disch an meine Schwester Gabrielle? Sie redet dauernd nur von ´Arry Potter. Sie wird entsückt sein, disch wiedeersuse’en.“
„Oh … ist sie auch hier?“ krächzte Harry mit hochrotem Kopf.
„Non, non, dummer Junge, isch meine nächsten Sommer, wenn wir … aber weißt du das nischt?“
„Wir sind noch nicht dazu gekommen, es ihm zu sagen“, beantwortete Mrs. Weasley, Fleurs vorwurfsvolle Blicke.
„Bill und isch werden `eiraten!“
„Wow. Ähm – gratuliere!“ antwortete Harry äußerst interessiert wirkend.
Erneut neigte sich Fleur nach vorne und begann Harry ein weiteres Mal abzuschlecken.
Es war … es war, Brechreiz pur!
Hinter Ginnys RĂĽcken steckte ich mir symbolisch den Finger in den Rachen.
Sie drehte sich graziös um, nachdem sie Harry noch den höchst interessanten Hinweis gab, dass Bill bei Gringotts sehr hart arbeiten würde, und er sie bei seinen Eltern unterbringen wollte, um die Familie kennenzulernen.
Kopfschüttelnd sah ich ihr hinterher, sie schwebte förmlich aus dem Zimmer.
Mrs. Weasley atmete erleichtert auf.
„Mom hasst sie“, erklärte Ginny leise.
„Ich hasse sie nicht!“ unterbrach Mrs. Weasley verärgert. „Ich meine nur, dass sie es mit dieser Verlobung zu eilig hatten, das ist alles.“
„Sie kennen sich seit einem Jahr“, sagte Ron und starrte immer noch sehnsüchtig, auf die gerade geschlossene Tür.
„Also, das ist nicht sehr lang! Ich weiß natürlich, warum es passiert ist. Wegen dieser ganzen Unsicherheit, seit Du – weißt – schon – wer wieder zurück ist, die Leute denken, dass sie morgen schon tot sein könnten, also treffen sie alle möglichen überstürzten Entscheidungen, mit denen sie sich normalerweise Zeit lassen würden. Als er das letzte Mal mächtig war, war es genau dasselbe, wo du hinkamst, haben sich die Leute gegenseitig an den Hals geworfen.“
„Auch du und Dad“, grinste Ginny.
„Dein Vater und ich waren füreinander geschaffen“, empörte sich Mrs. Weasley. „Während Bill und Fleur … Er ist ein fleißiger, bodenständiger Typ, sie dagegen ist…“
„Eine Kuh!“ antwortete Ginny passend. „Aber Bill ist gar nicht so bodenständig. Er ist ein Fluchbrecher, stimmt’s, er mag’s gern ein bisschen abenteuerlich, ein bisschen glamourös. Ich glaube deshalb fährt er auf Schleim ab.“
„Hör auf sie so zu nennen, Ginny“, mahnte ihre Mutter.
Sie verließ das Zimmer, während Ron immer noch die Tür anstarrte.
Erst als seine Mom sie öffnete, erwachte er aus seinem Tagtraum.
„Gewöhnt man sich nicht an sie, wenn sie im selben Haus wohnt?“ wollte Harry wissen.
„Doch schon“, antwortete natürlich, Ron. „Aber wenn sie sich überraschend auf dich stürzt, wie vorhin…“
Dir mag das ja gefallen aber ich…
„Es ist erbärmlich“, schnaufte ich, wütend über Fleurs Art, stand auf und marschierte im Zimmer auf und ab.
Langsam schöpfte ich wieder Mut, verschränkte meine Arme, und funkelte Ron an.
„Du willst sie doch nicht im Ernst ständig um dich haben?“ fuhr mir Ginny in die Parade.
Ginny erwähnte noch, dass sich ihre Mutter ständig darum bemühe, dass Tonks zum Abendessen kommt, wohl in der Hoffnung, dass Bill sich in sie verliebt.
Ron verteidigt natürlich Fleur, kein normaler Typ, würde sich in die durchgeknallte Tonks verlieben, solange Fleur in der Nähe wäre.
„Sie ist verdammt viel netter als Schleim“, konterte Ginny.
„Und sie ist intelligenter, sie ist ein Auror!“ unterstützte ich sie.
„Fleur ist nicht dumm, sie war so gut, dass sie es bis ins Trimagische Turnier geschafft hat“, erwiderte Harry.
Jungs mĂĽssen natĂĽrlich zusammenhalten!
„Du nicht auch noch!“ erwiderte ich mutig.
Harry entlockte es ein Lächeln.
Was gibt’s da zu Lächeln?
Und prompt erinnerte ich mich wieder zurück…
„Ich schätze, du magst die Art, wie Schleim immer `Arry sagt was?“ bemerkte Ginny, ganz in meinem Sinne.
„Nein“, erwiderte Harry genervt. „Ich hab nur gesagt, dass Schleim – ich meine Fleur…“
Dieses Mal entlockte es mir ein Lächeln.
„Ich hätte viel lieber Tonks in der Familie“, sagte Ginny nachdenklich. „Sie ist wenigstens lustig.“
„In letzter Zeit war sie gar nicht so lustig“, stellte Ron fest. „Jedes Mal, wenn ich sie getroffen habe, sah sie eher aus wie die Maulende Myrte.“
„Das ist nicht fair“, fauchte ich, kam aber nicht umhin, an das Häufchen Elend zu denken, dass gestern Abend in der Küche des Fuchsbaus gesessen hatte.
„Sie ist immer noch nicht über das weggekommen, was passiert ist … du weißt … ich meine, er war verwandt mit ihr!“
Hätte ich nur meine Klappe gehalten!
Ich bemerkte wie Harry zusammensackte, und begierig sein Essen in sich hineinstopfte.
Offensichtlich war er nicht darauf erpicht, sich an dem Gespräch zu beteiligen.
Ich bereute meine Worte sofort.
„Tonks und Sirius kannten sich kaum!“ Ron merkte wieder einmal gar nichts. „Sirius war ihr halbes Leben lang in Askaban und davor haben sich ihre Familien nie getroffen…“
„Darum geht’s nicht“, erwiderte ich wütend.
Warum musste ich nur davon anfangen?
Hoffentlich nimmt mir Harry das nicht krumm, und erwähnt aus Wut, das Andere…
„Sie meint, es war ihre Schuld, dass er umgekommen ist!“ fügte ich noch hinzu.
Ich hatte mich sowieso schon um Kopf und Kragen geredet.
Doch zu meiner Überraschung reagierte Harry unwillkürlich. „Wie kommt sie denn darauf?“
„Na ja, sie hat schließlich gegen Bellatrix gekämpft. Ich glaube sie denkt, wenn sie Bellatrix nur erledigt hätte, dann hätte Bellatrix Sirius nicht töten können.“
„Das ist Unsinn“, erwiderte Ron. „Woher weißt du das eigentlich, dass Bellatrix und Tonks … ich dachte du warst bewusstlos?“
„Das ist das Schuldgefühl der Überlebenden“, fuhr ich fort, ohne auf Ron weiter einzugehen.
Erneut öffnete sich die Tür und Mrs. Weasley steckte ihren Kopf hindurch.
„Ginny, bitte komm runter und hilf mir mit dem Mittagessen.“
„Ich unterhalte mich gerade!“ rief sie empört.
Unterhalten? Wohl eher interessiert zuhören!
MĂĽrrisch folgte sie ihrer Mutter, die nicht locker lieĂź, und sie auffordernd anstarrte.
Eine bedrĂĽckende Stille entstand, Harry wandte sich seinem FrĂĽhstĂĽck zu, und Ron bediente sich an Harrys Toast.
Um mir etwas Ablenkung zu geben durchsuchte ich die vielen Kartons, die die Zwillinge zurĂĽckgelassen hatten.
Kurzzeitig kam unser Gespräch auf belanglose Dinge, wie auf den gut laufenden Scherzartikelladen der Zwillinge, oder dem immer noch abtrünnigen Percy.
SchlieĂźlich waren bei Dumbledore angelangt.
„Er will mir dieses Jahr Einzelunterricht geben“, erwähnte Harry.
„Das hast du uns verschwiegen!“ rief Ron und verschluckte sich an seinem Toast.
Ich schnappte nach Luft.
Wieder einmal lag Mom richtig.
„Er hat es mir letzte Nacht in eurem Besenschuppen gesagt.“
„Wahnsinn … Einzelunterricht bei Dumbledore“. Ron schien beeindruckt. „Ich frag mich, warum er…?“
Ich zuckte nervös und mahnte Ron mit Blicken zur Vorsicht.
„Ich weiß nicht genau, warum er mir Unterricht geben will, aber ich denke, es muss wegen der Prophezeiung sein.“
Ich schluckte schwer, also kommt jetzt der Moment … gebe dich überrascht.
Harry sah mir in die Augen.
„Aber keiner weiß, wie sie gelautet hat“, antwortete ich rasch. „Sie ist zerbrochen.“
„Der Tagesprophet behauptet allerdings…“, erwiderte Ron, was ihm ein wütendes „Schhh!“ einbrachte.
„Der Prophet hat Recht“, erwiderte Harry und sah unter größter Anstrengung zu uns beiden auf.
„Die Glaskugel, die zerbrochen ist, war nicht die einzige Aufzeichnung der Prophezeiung. Ich hab alles in Dumbledores Büro gehört, ihm gegenüber wurde die Prophezeiung ausgesprochen, also konnte er sie mir verraten.“
Ich fingerte nervös, an einer weiteren Kiste der Zwillinge herum, ich wollte es nicht noch einmal hören.
Während Harry weitererzählte, und Ron die Bedeutung versuchte klarzumachen, war ich in Gedanken weit weg.
Harry wird nicht sterben.
Nein, das kann nicht sein.
Nicht nach unserem Kuss.
Eurem Kuss? Ich denke es war nur die Einlösung einer Spielschuld?
Es hatte nichts zu bedeuten!
Seine Lippen auf Meinen.
So intensiv.
Hör auf damit, Hör auf!
War es Leidenschaft?
Nein!
Konzentriere dich, komm weg davon.
Ich spürte wie die Schachtel, an der ich herumfingerte sich langsam öffnete.
Es hatte nichts zu bedeuten.
Es war nur eine Spielschuld.
Ohne Bedeutung.
BUMMMMMMMMMMMMM!
Ein fĂĽrchterlicher, stechender Schmerz erfasste mein linkes Auge.
Irgendetwas war krachend gegen mein Auge geprallt, um mich herum war alles voller Rauch.
Ich hörte wie das Frühstückstablett krachend vom Bett fiel, aus zwei Kehlen hörte ich meinen Namen.
„Ich hab es gedrückt und es – es hat mir einen Schlag verpasst“, keuchte ich, Harrys Gesicht direkt vor meiner Nase.
Oh, nein, nicht schon wieder, nicht hier vor Ron!
„Bist du okay?“ flüsterte Harry. „Du hast da ein leuchtendes violettes Veilchen, sein Zeigefinger näherte sich meinem geschädigten Auge.
Im Hintergrund hörte ich Ron’s höhnende Stimme. „Keine Sorge“, prustete er. „Mom kriegt das schon wieder hin, kleine Verletzungen kann sie prima behandeln.“
„Ach was ist jetzt nicht so wichtig“, winkte ich ab.
Harry muss vor meinem Gesicht weg, sonst werde ich wahnsinnig.
„Kein Wort … über uns, außer es wäre dein Wunsch!“ flüsterte Harry.
Mein Wunsch?
Was will er mir damit sagen?
„Harry, oh Harry …“, keuchte ich.
Ron sollte denken, dass sich meine Sorgen rein auf die Prophezeiung beziehen.
„Aber irgendwann, müssen wir darüber sprechen.“
Ich nickte zustimmend.
NatĂĽrlich mussten wir das.
Es muss ein für allemal ausgeräumt werden.
Ich setzte mich wieder auf den Bettrand. „Als wir aus dem Ministerium zurück waren, haben wir uns schon gefragt“, versuchte ich zu erklären, „natürlich wollten wir nichts zu dir sagen … oh Harry … Hast du Angst?“
„Kommt darauf an vor was“, flüsterte er, und sagte laut, „inzwischen nicht mehr soviel, als ich sie zum ersten Mal gehört hab, schon … aber jetzt kommt es mir so vor, als hätte ich immer gewusst, dass ich ihm am Ende gegenübertreten muss…“
„Wann kommen eigentlich unsere ZAG – Ergebnisse?“ fragte ich, um vom Thema abzulenken, ich wollte jetzt nicht weiter über die Prophezeiung, oder über heiße Küsse nachdenken.
„Ich glaube Dumbledore hat gesagt, dass unsere ZAG – Ergebnisse heute kommen!“
„Heute?“ kreischte ich, und alle Sorgen waren vorübergehend vom Tisch, ohne Vorwarnung sprang ich auf und flüchtete in die Küche.
„O mein Gott – Ich schau mal nach, ob irgendwelche Eulen da sind…“.
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