von rodriquez
Es war der erste Tag der Osterferien, und wie jedes Jahr hatte ich meinen Freunden, Stundenpläne entwickelt, oder in diesem Jahr genauer gesagt: Einen Stoffplan, der sie an unsere ZAG – Prüfungen in sechs Wochen heranführen sollte.
Ron blickte mich mürrisch an, nachdem seinen Plan entgegennahm, Harry reagierte gar nicht, fast emotionslos nahm er den Plan in seine Hände, und legte ihn sofort ohne Einsicht auf einen Stapel Bücher. Ich machte mir Sorgen, bisher hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, über Snape zu sprechen, auch Ginny hatte noch keine Andeutung getätigt, ob sie denn Fortschritte bei Harry machen konnte, überhaupt wurde der Junge, der überlebte von Tag zu Tag apathischer.
Oft hatte man das Gefühl, er hört überhaupt nicht mehr zu.
Er wirkte abwesend, und in Gedanken war er ganz woanders, weit, weit weg.
Meine Sorgen wurden stündlich größer.
Seinem Gesicht nach zu urteilen, war er depressiv, und den Tränen nahe.
„Was soll das denn?“ sagte Ron, der auf seinem Stundenplan ein paar Freistunden für Quidditich Training bemerkte. „Dieses Jahr haben wir ungefähr so’ne große Chance, die Quidditch – Meisterschaft zu gewinnen, wie Dad, Zaubereiminister zu werden.“
Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf Harry, der mit leerem Blick die gegenüberliegende Wand anstarrte, während Krummbein mit der Pfote seine Hand berührte, weil er an den Ohren gekrault werden wollte.
Harry bekam es gar nicht mit, doch Krummbein war so energisch, dass Harrys Hand sich selbstständig auf Krummbeins weiches Fell legte.
„Was ist los mit dir Harry?“
„Was?“ sagte er erschrocken. „Nichts.“ Er schüttelte seinen Kopf.
Er griff nach Theorie magischer Verteidigung und blätterte lustlos darin herum.
Doch mir konnte er nichts vormachen.
Es war nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver.
Was beschäftigt ihn?
Immer noch die Denkariumsszene, oder doch die Liebe?
So startete ich einen Angriff.
„Ich habe vorhin Cho getroffen“, begann ich vorsichtig und behutsam. „Sie sah auch ganz unglücklich aus … habt ihr zwei euch wieder gestritten?“
„Was – o ja, haben wir“, er nahm die Ablenkung scheinbar dankbar an, was für mich bedeutete, dass dies nicht sein Hauptgrund war.
„Worüber?“
Ich hatte zwar schon von Ginny über diesen „geilen“ Vorfall ausführlich berichtet bekommen, aber schaden kann es nichts, es von ihm selbst zu hören, wenigstens wäre er wieder abgelenkt, und benutzt wieder einmal seine Stimme.
„Ihre Freundin Marietta, diese Petze“ fauchte er wütend.
Das war der Anlass fĂĽr Ron, seinen Wortschatz aufzuarbeiten.
Er steigerte sich in eine wüste Beschimpfungsorgie über Marietta, was Harry gelegentlich, mit einem „ja“, oder „richtig“, quittierte.
Der hört doch gar nicht zu!
Zumal er Marietta am Tag des Verrats noch in Schutz nahm.
Ich beobachtete eindringlich seine Gesten, Rons Worte prallten an ihm ab, nur seine Augen blieben uneinsehbar.
Kein Blick in sein Seelenleben, und doch war ich mir sicher: Er war in Gedanken bei Sirius, James und Lily, das war unschwer zu erraten, zumindest fĂĽr mich.
Ron hatte seine Ansprache immer noch nicht beendet, und wieder nickte Harry, obwohl es nichts zu nicken gab.
Plötzlich stand er einfach auf, und lief wie unter Hypnose davon.
Am Sonntagabend, das gleiche Spiel in der Bibliothek.
Harry starrte mit leerem Blick durch das Fenster.
Es war spät geworden, und auf eine wortlose Konversation hatte ich eigentlich keine Lust.
Dankbar registrierte ich, wie mir Ron in Quidditchbekleidung energisch vom Eingang der Bibliothek zuwinkte.
„Ich gehe ins Bett“, sagte ich in Harrys Richtung – keine Reaktion.
„Gute Nacht, Harry.“
„Was? Ah ja … gute Nacht“, stammelte er zusammen.
„Bleibst du noch hier?“
„Nur ein paar Minuten…“
„Mom hat unsch Schüschischkeiten geschickt“, nuschelte Ron mit vollem Mund, als ich zu ihm aufschloss, noch einmal blickte ich besorgt zurück.
Harry saĂź immer noch, den Blick starr aus dem Fenster gerichtet, in der gleichen Position, wie kurz zuvor.
ZurĂĽck im Gemeinschaftsraum kam Ginny mit der gleichen Nachricht, wie ihr Bruder, auf mich zu gelaufen, und winkte mit einer kleinen Schachtel voller SĂĽĂźigkeiten.
„Wo ist, Harry?“ fragte sie mich und reichte mir ein Schokoladenei entgegen.
Sie waren es wert vom Lernen unterbrochen zu werden.
„Die sind von Mom“, lächelte Ginny stolz.
„Ich denke, dass er … wow ... sind die klasse“, schmatzte ich genüsslich. „Sag bitte deiner Mum, die sind echt Klasse!“
Angeregt von meinem Gaumen griff ich nach dem nächsten Osterei, doch Ginny schlug mir energisch auf die Finger. „Die sind für Harry und für mich, also weißt du wo er ist?“
„In der Bibliothek“, stöhnte ich, „er vegetiert mal wieder vor sich hin. Kein einziges Wort hat er heute Abend gesprochen. Die Stimmung war irgendwie erdrückend, deshalb habe ich mich dort verzogen.“
Sehnsüchtig starrte ich die Ostereier an. „…und das wolltest du ihm, wohl unbedingt selbst geben?“ Fragte ich hoffnungsvoll.
„Vergiss es Hermine!“ lachte Ginny.
„Er sieht von Tag zu Tag jämmerlicher aus. Vielleicht riskierst du einen Blick?“
„So wie neulich?“, keuchte Ginny und rollte mit ihren Augen. „Er schaute uns im Quidditch zu, während er, wie ein Grab schwieg, und nach dem Training auch noch spurlos verschwunden war.“
„Hast du deswegen noch nichts von dem Abend erzählt?“
„Nun, es gab nichts zu erzählen“, zuckte Ginny enttäuscht mit dem Kopf. „Und bei meiner Rückkehr warst du auch nicht da…“
„Mir war langweilig, ich bin früh ins Bett“, log ich, und tastete, als Ablenkungsmanöver nach der Schachtel mit den Süßigkeiten.
„Was ist es dieses Mal? Cho? Albträume? Vorahnungen?“, fragte Ginny und hatte alle Mühe die Schachtel aus meinem Dunstkreis zu entfernen.
„Wenn ich das wüsste, wäre ich ein klein wenig beruhigter.“
Ginny nahm die Schachtel an sich, winkte mir mit damit „Auf Wiedersehen“ zu, und stolziert in Richtung Bibliothek. Sie hatte meinen Wink verstanden, aber ich vermute, es wäre sowieso ihr Plan gewesen.
„Ach Hermine“, Ginny hatte sich nochmals zu mir umgedreht. „Das fällt unter die Kategorie – Privatsphäre“.
Von wegen!
Ich hatte eine zu gute Lehrerin!
In sicherem Abstand schlich ich ihr hinterher.
Vor dem Eingang in die Bibliothek verlangsamte sie ihre Schritte, sah sich um, und nachdem sie ihn entdeckt hatte, schritt sie noch langsamer auf ihn zu.
Ich huschte schnell hinter eine Bücherreihe, und ließ mich in der Nähe von Harrys Tisch nieder, geschützt von meinen heißgeliebten Büchern.
Durch einen kleinen Spalt konnte ich das Geschehen sogar mit meinen Augen verfolgen.
Harry starrte immer noch durch das Fenster, und merkte gar nicht, wie Ginny sich ihm näherte.
Einen kurzen Moment zögerte das rothaarige Mädchen, es sah zunächst so aus, als hätte sie der Mut verlassen, oder aber sie glaubt, es wäre hoffnungslos.
Aber dann ging ein Ruck durch ihren Körper.
Erst unmittelbar vor ihm blieb sie stehen, normalerweise hätte er ihren Atem auf seinen Haaren spüren müssen.
„Harry“, flüsterte sie vorsichtig.
Keine Reaktion.
„Harry“, dieses Mal, etwas lauter.
Doch wieder reagierte er nicht.
„Ha-rr-y“, ihre Stimme bekam eine singende Untermalung.
Ginny setzte sich unaufgefordert auf den Stuhl, auf dem vor ein paar Minuten noch ich gesessen hatte, und verdrehte ihre Augen.
„Harry, ich rede mit dir, hörst du mich?“
„Hä?“ fragte er aufgeschreckt, und wandte sich Ginny zu.
„Oh, hi“, sagte Harry und zog verlegen seine Bücher näher zu sich heran.
„Weshalb bist du nicht beim Training?“ fragte er beiläufig.
Ich merkte wie Harry verzweifelt versuchte seine GefĂĽhle zu verbergen.
WĂĽrde Ginny auf Zeit spielen, oder ihn mit den SĂĽĂźigkeiten locken?
„Es ist vorbei“, sagte sie weich. „Ron musste Jack Sloper in den Krankenflügel bringen.“
Quidditch!
Ich verdrehte meine Augen.
Wie schon bei Cho, da kann ich natĂĽrlich nicht mithalten.
„Warum?“
„Nun ja, wir sind uns nicht sicher, aber wir glauben, dass er sich mit seinem eigenen Schläger ausgeknockt hat.“ Ginny seufzte, aber immerhin hatte sie eine Grundlage geschaffen.
„Wie auch immer … gerade ist ein Paket angekommen, ging eben durch Umbridges neues Kontrollsystem.“
Ginny legte die Schachtel mit den Ostereiern vor sich auf den Tisch.
„Es sind Ostereier von Mom.“ Sprach Ginny weiter, und schien zu lauern. „Da ist auch eins für dich dabei…“
Sie griff nach einem Ei, und streckte ihre Hand direkt vor seine Nase. „Hier bitte!“
Also versucht sie es ĂĽber die SĂĽĂźigkeiten!
Es war ein schönes Osterei, das mit kleinen Schnatzen aus Zuckerguss verziert war.
Harry studierte es fĂĽr einen kurzen Moment, dann griff er zu.
Er begann zu zittern, und ich befĂĽrchte es hatte nichts, mit den Gedanken, an die Schokolade zu tun.
„Alles in Ordnung mit dir Harry?“ fragte Ginny vorsichtig.
„Ja mir geht es gut“.
Ich zuckte bei seiner Antwort nervös zusammen, er sagte es ziemlich schroff.
Ginny lieĂź sich nichts anmerken, und blieb ĂĽberlegt und ruhig.
„Du kommst mir in letzter Zeit ziemlich niedergeschlagen vor“, bohrte sie weiter. „Weißt du, ich bin sicher, wenn du einfach mit Cho reden würdest…“
Was sollte das?
Ich hatte ihr doch gesagt, dass es nichts mit Cho zu tun hat!
„Es ist nicht Cho, mit der ich reden will“, unterbrach sie Harry erneut schroff
Ginny lächelte still vor sich hin, und mir war, als hörte ich einen dicken Steinbrocken zu Boden fallen.
Es ist aus
Zwischen Harry und Cho ist es aus, und Ginny hatte und wollte die Bestätigung aus erster Hand.
„Wer ist es dann?“ fragte Ginny unbeeindruckt, zumindest nach außen.
„Ich…“
Harry sah sich nervös um.
Sirius!
„Ich wünschte, ich könnte mit Sirius reden“, murmelte er leise. „Aber ich weiß, das geht nicht.“
Nein, das geht leider wirklich nicht!
Harry wickelte das Osterei aus, brach ein groĂźes StĂĽck ab und steckte es sich in den Mund.
„Also“, sagte Ginny langsam und nahm sich ebenfalls ein Stück von dem Ei, „wenn du wirklich mit Sirius reden willst, dann denk ich, könnten wir uns was einfallen lassen, ich hätte da sogar schon eine Idee.“
Hä? Wie bitte?
Das ist viel zu gefährlich!
Fast wäre ich hinter meinem Regal hervorgesprungen.
„Nun hör mal“, Harry klang hoffnungslos. „Wo Umbridge doch die Kamine überwacht und unsere ganze Post liest?“
„Einen Vorteil hat es eben, wenn du mit Fred und George zusammen aufwächst, nämlich dass du irgendwie anfängst zu glauben, dass alles möglich ist, wenn du nur genug Mut dazu hast.“
Harry starrte sie unverwandt an, und richtete seinen Oberkörper auf, und Ginny lächelte ihm ins Gesicht.
In seinem nun erhobenen Gesicht erkannte ich endlich Hoffnung.
Und die Luft zwischen Harry und Ginny lud sich gerade auf.
Aber nur kurzzeitig.
„Was glaubt ihr eigentlich, was ihr hier tut?“
„O verdammt“, wisperte Ginny und sprang hoch. „Hab ich vergessen…“
„Schokolade in der Bibliothek!“ Madame Pince schrie vor Wut, und raste auf die Beiden zu.
„Raus ... Raus ... RAUS!“
Mit jedem ihrer Schritte steigerte sich ihre Stimme.
Lachend griff Ginny nach der restlichen Schokolade, ergriff Harrys Hand, und gemeinsam sprinteten sie los.
Mit gezĂĽcktem Zauberstab sorgte Madame Pince dafĂĽr, dass Harrys BĂĽcher, Tasche und Tintenfass ihn und Ginny aus der Bibliothek jagten und ihnen beim Rennen immer wieder saftig auf die Ohren schlugen.
Sie rannten im Zickzack hinaus, bis ich draußen mit einem Klatschen die Gegenstände zu Boden fallen hörte.
Ich folgte ihnen mit langsamen Schritten, und fand sie hinter der nächsten Ecke wieder.
Sie lehnten an der Wand, keuchten und rangen nach Atem.
Harry hatte Tintenflecke im Gesicht und seine Haare waren noch unordentlicher als sonst.
Seine Augen waren geschlossen, aber er schien das kleine Abenteuer genossen zu haben.
Ginny schmachtete ihn an.
Er begann zu grinsen, öffnete seine Augen und fragte, „hast du das etwa schon einmal getan?“
„Einmal“, antwortete sie, „Michael … vor ein paar Monaten.“
Ginny stockte.
Warum musste sie ihn ausgerechnet jetzt erwähnen?
Ich fühlte Mitleid mit ihr, doch Harrys Lächeln blieb.
„Ich habe gehört, dass du mit Michael Krach hattest, wegen Marietta?“
„Da hast du richtig gehört“, antwortete Ginny. „aber du kennst sicher nicht die ganze Geschichte.“
„Was meinst du?“
„Das mit Michael und mir, war schon lange vor diesem Streit zu Ende.“
Nach einer weiteren kurzen Atempause sprach Ginny weiter, „und ich habe gehört, dass du ähnliches mit Cho erlebt hast?“
„Dann bist du aber, ausnahmsweise, mal nur unvollständig informiert … das mit Cho habe ich schon am Valentinstag … glücklicherweise vergeigt.“
Harry sah Ginny ins Gesicht und lächelte erneut.
„Du hast da ein wenig Tinte im Gesicht“. Mit seinen Fingern versuchte er die Tinte wegzuwischen.
„Sprich weiter!“ sagte Ginny in einem gespielten beleidigten Blick, indem sie ihre Arme verkreuzte, und mit dem rechten Fuß wippte.
„Und dafür werde ich dir jetzt nicht sagen, wo dich die Tinte überall getroffen hat!“
Harry suchte seine Kleidung an den unmöglichsten Stellen ab, und sah sie danach an, als befürchtete er auf den Arm genommen worden zu sein.
„Hier“, sagte Ginny sanft und legte ihren Zeigefinger auf seine Brille, „und hier“, seine Wange, „und hier“, sein Hals, „und…“, ihr Finger glitt auf seine Lippen, „…hier.“
Einen weitern kurzen Moment knisterte die Luft, dann raffte sich Ginny auf, die peinliche Stille zu beenden. „Komm, wir sollten deine Sachen einsammeln.“
Harry ergriff das leere Tintenfass, stopfte es in seine Tasche, und hielt Ginny seine Tasche hin, damit sie ihm seine aufgehobenen BĂĽcher reinstecken konnte.
Zufrieden lächelnd schloss er die Tasche und warf sie über seine Schulter.
„Ginny“, sagte er, „glaubst du, das mit Sirius könnte funktionieren?“.
„Harry … das ist kein Problem.“
„Danke…“
„Mach dir keine Sorgen, Fred und George werden das schon hinbekommen.“
„Nicht ... nur für das“, sagte er bedrückt. „Sondern weil du für mich da bist, selbst wenn es gegen deinen Freund geht ... und du kommst zu mir, um mich aufzuheitern. Danke ... dafür möchte ich dir danken.“
„Harry … ich habe keinen Freund…“
„Heute nicht“, korrigierte Harry. „Aber beim letzten Mal schon.“
„Ich würde es immer wieder tun“, antwortet Ginny schwächer als zuvor, neigte sich vor und küsste Harry auf die Wange.
In ihrem Gesicht zeichnete sich Enttäuschung ab, Harry war nicht auf ihre Anspielung eingegangen.
Es wäre die Chance gewesen, doch Harry erwiderte die Geste nicht. Er tat gar nichts, er wirkte nicht einmal überrascht.
„Und jetzt musst du mich entschuldigen. Ich muss die Zwillinge finden.“
Nein! Nein! Tu es nicht Ginny! Es ist zu gefährlich.
Harry und Sirius könnten auffliegen.
Das ist es nicht wert.
Panik machte sich in mir breit.
Die Gefahr entdeckt zu werden, war definitiv zu groĂź!
Dennoch kam ich nicht umhin, Ginny zu bewundern.
Sie hatte es tatsächlich geschafft, Harry aufzumuntern.
Und sie hatte es geschafft, ihn für einen kurzen Augenblick zu öffnen, doch wusste ich auch, dass er nicht alles offenbart hatte.
Und ich war froh darüber, wenn nur nicht das riskante Gespräch mit Sirius gewesen wäre.
Ich fragte mich nur, warum Ginny im entscheidenden Moment einen RĂĽckzieher machte.
Sie waren ganz kurz davor, ein Paar zu werden.
Sozusagen nur einen Wimpernschlag davon entfernt.
Warum hatte Ginny nicht mehr riskiert?
Sie hätte nicht einmal alles riskieren brauchen, es war so knapp davor.
Wollte sie es nicht tun, weil sie das GefĂĽhl hatte, Harry wĂĽrde sich nur aus Dankbarkeit mit ihr einlassen?
Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Harry wäre bereit gewesen.
Und sie wären beide ungebunden gewesen.
Oder etwa doch nicht?
War etwa das, Ginnys Problem?
War sie mit Dean schon weiter, als sie zugab?
Ich hatte sie davor gewarnt.
Sollte sie mit Dean gehen, wäre das enttäuschend von ihr, und es wäre für mich völlig unverständlich gewesen … so kurz davor.
Oder will sie, dass Harry den ersten Schritt tut?
Er blieb seltsam ruhig, er hat den Wink nicht gesehen, er hätte die Geste nur erwidern müssen.
Aber warum machte ich mir darĂĽber ĂĽberhaupt Gedanken?
Es geht dich nichts an!
Es ist eine Sache zwischen Harry und Gin.
Sie wäre die Richtige.
Wenn Harry sich glücklich fühlt, dann wäre auch ich glücklich, und Ginny brächte alle Eigenschaften mit.
Was aber, wenn meine Vermutung mit Dean stimmen sollte?
Würde das Harry wieder einen Rückschlag geben, ihm das Genick brechen, nach der noch nicht abgeklungenen Enttäuschung mit Cho?
Mir war klar, dass Ginny ihr Vorhaben mit allen Mitteln durchsetzen wĂĽrde.
Es wĂĽrde fĂĽr sie ein leichtes sein, ihre BrĂĽder zu ĂĽberzeugen.
Und genau diese UnbekĂĽmmertheit machte mir Angst.
Sie denken keine Sekunde daran, was geschehen könnte!
Mit schnellen Schritten eilte ich zurĂĽck in den Gryffindorturm, nahem mehrere Stufen auf einmal.
Es gelang mir vor meinen Freunden zurĂĽck zu sein.
Zunächst Harry, der lediglich ein „Gut Nacht“ zustande brachte, und ohne sich aufzuhalten seinen Schlafsaal ansteuerte.
Ginny kam etwa fĂĽnfzehn Minuten nach Harry an.
„Es geht um Sirius“.
Weitere Erklärungen blieb sie schuldig. Kein Wort über einen Kuss auf seine Wange, kein Wort über eine beinahe Liaison, kein Wort über Dean, kein Wort, warum sie ihr Vorhaben so plötzlich abgebrochen hatte.
„Sirius?“ wiederholte ich, als hätte ich keine Ahnung, was sie damit eigentlich andeuten wollte.
„Harry“, stöhnte Ginny, über meine naive Frage. „Er muss unbedingt mit Sirius sprechen, und ich werde das in die Wege leiten.“
Am letzten Ferientag erfuhren meine Befürchtungen, Bestätigung.
Ich studierte gerade mit meinen Freunden die seit neuestem ausliegenden Informationen über Zaubererberufe und ihre schulischen Anforderungen, als die Zwillinge Harry ihre Idee unterbreiteten. Ginny hätte sie aufgesucht, und ihre Hilfe erbeten.
Am morgigen Tag würden sie wieder ein Chaos anrichten und Harry könne dies als Ablenkungsmanöver für ein Gespräch mit Sirius nutzen.
Die Lösung wäre der einzige unbewachte Kamin in Hogwarts.
„Umbridges Büro“, bestätigte Harry meine schlimmsten Befürchtungen.
In der Folgezeit versuchte ich alles, dieses Vorhaben zu boykottieren.
Doch alle Gespräche, alle eindrücklichen Warnungen, waren vergebens.
Harry war nicht mehr davon abzubringen.
Ich ging sogar soweit, dass ich Harry Nachsitzen fĂĽr diese Zeit wĂĽnschte, natĂĽrlich nicht ohne eigenes dazu tun.
Nachsitzen bei Snape, wäre die ideale Lösung gewesen, gleichzeitig hätte er auch noch Okklumentikstunden bekommen können.
Eine Zaubertrankprobe ließ ich magisch und unbeobachtet, aus Harrys Händen gleiten, die Brühe ergoss sich direkt vor Snapes Füßen.
Harry war sehr verbittert, als er auch noch feststellen musste, dass ich seinen Kessel mit dem restlichen Trank, bereits aufgeräumt hatte.
War das böse von mir?
Ich wusste mir einfach nicht mehr anders zu helfen.
Ich sah nur noch die groĂźe Gefahr, in die er sich und vor allem Sirius bringen wĂĽrde.
Alle Versuche meinerseits blieben aber erfolglos.
Aus irgendeinem Grund hielt sich Snape gegenüber Harry bedeckt, was meine Vermutung bestärkte, dass Harry etwas gesehen haben könnte, was Snape einen schamhaften Zorn verspüren ließ.
Mein Einfluss auf ihn war auf ein Minimum gesunken, redete ich mir ein.
Vielleicht sollte ich ihn auch aus dem heimlichen Teil meiner Gedanken streichen.
Dem Teil, dem ich keinem Zutritt gewährte, nicht einmal mir selbst.
Verbittert beschloss ich voll resignierend Harry einfach fallen zu lassen, und ihn völlig Ginny zu überlassen.
Was ich natürlich niemals getan hätte, aber in der ersten Enttäuschung…
Mein Kampf war verloren.
Einen Kampf, von dem ich nicht einmal wusste, ob oder warum ich ihn eigentlich fĂĽhrte.
Konzentrier dich auf Ron!
Nur noch auf Ron!
Aber das war schwieriger als ich dachte, auch wenn ich es mir gegenĂĽber nicht zugeben wollte.
Ein fast unmögliches Unterfangen.
Streicht das „ fast“.
Es war ein unmögliches Unterfangen.
Aber erneut versuchte ich einen Teil meiner Gedanken zu versiegeln.
Nichts sollte sie verändern, sie sollten so bleiben, wie ich sie hinterließ.
Nur der richtige Zauber fehlte noch, einer der mir einfach nicht gelingen wollte.
Ich hatte einen stĂĽmperhaften Zauber dazu verwendet.
Absichtlich?
Nein!
Definitiv nein!
Na ja…
Alles blieb bröckelnd, stümperhaft.
Der einzige Zauber, den ich einfach nicht zustande brachte.
Ich verbot mir sogar, ĂĽber das warum nachzudenken.
Harry wird niemals, mehr als ein Bruder fĂĽr dich sein!
Ende der Geschichte!
Aber…
Nichts aber!
Aber, warum sollte er mehr als das sein?
Und was bedeutet: Mehr als ein Bruder!
Schluss – Aus – Ende!
Harry wird Ginny lieben, und Ginny liebt Harry!
Am Tag X rĂĽckte die Zeit schnell voran.
Unsere letzte Unterrichtsstunde an diesem Tag neigte sich dem Ende entgegen.
Im Minutentakt blickte ich nervös auf meine Uhr.
Du wolltest doch Gleichgültigkeit zeigen – ihn fallen lassen?
Es geht aber nicht nur um Harry. Auch Sirius ist in Gefahr!
Lass es Harry, bitte hör auf mich, es ist zu gefährlich!
„Dumbledore hat sich geopfert, um dich in der Schule halten zu können, Harry!“ flüsterte ich ihm zu.
Ich unternahm meinen letzten Versuch, ihn umzustimmen.
In wenigen Minuten würde die Stunde zu Ende sein, und dann hätte ich keine Chance mehr, um ihn davon abzuhalten.
Als wĂĽrde er etwas ahnen, ging er mir seit Tagen aus dem Weg.
„Und wenn du heute rausgeschmissen wirst, dann wäre alles umsonst gewesen!“
Er hätte seinen Plan aufgegeben können und einfach lernen können mit den Erinnerungen zu leben, was sein Vater vor über zwanzig Jahren an einem Sommertag getan hatte.
Denn genau das war es, was ihn beschäftigte.
Und genau das hat er auch Ginny nicht anvertraut. Er hat es bei Niemandem getan, auĂźer vielleicht mit einer krassen, beleidigenden Anmerkung bei mir.
Weil er wusste, dass ich ohne diese Herausforderung als Ansporn nichts unternommen hätte?
Hätte ihm vielleicht doch ein Gespräch mit mir, aus eben diesen Gründen, weiter geholfen.
Ist es vielleicht sogar meine eigene Schuld, dass er jetzt mit Sirius ein gefährliches Gespräch führen musste?
Aber deswegen alles aufs Spiel setzen?
Wollte Harry ĂĽberhaupt noch so sein, wie sein Vater?
Seine Ideale, seine Bilder waren zerstört.
Sein Vater war nicht der makellose Superheld, den er sich vorgestellt hatte.
Er war ein arroganter Macho.
Leb damit Harry.
Man gewöhnt sich daran, glaub mir so schwer ist es nicht.
Bring dich deswegen nicht unnötig in Gefahr!
Ich spürte wie er wankte, und schöpfte für einen kurzen Moment neue Hoffnung, dass er den Plan doch aufgeben könnte.
„Harry, tu’s nicht, bitte, tu’s nicht!“ flehte ich ihn an.
Er antwortete nicht, seine Kiefer mahlten.
Es war offensichtlich, dass er Zweifel bekommen hatte, er wusste nicht, was er tun sollte.
Ron der alte Feigling hielt sich aus allem heraus.
Er tat so, als wĂĽrde ihn das alles nichts angehen.
Jeglicher flehende Blick den ich ihm zuwarf, verpuffte im Nichts.
Bitte Harry!
„Harry“, mahnte ich. „Denk ausnahmsweise nicht nur an dich. Du bringst Sirius in große Gefahr.“
Sein Kehlkopf wanderte nervös auf und ab, doch sein Blick blieb starr geradeaus gerichtet.
Den nächsten Versuch konnte ich nicht mehr aussprechen.
Ron würgte mich ab. „Lass mal gut sein, okay? Er kann für sich selbst entscheiden.“
Nein, kann er nicht, du Hornochse!
Es war zu spät.
Als Harry den Korridor betrat, erklang bereits aus der Ferne unverkennbar der Lärm eines Ablenkungsmanövers.
Umbridge stĂĽrzte aus dem Klassenzimmer, und rannte so schnell sie konnte an uns vorbei.
Die WĂĽrfel waren gefallen, Harrys Entschluss stand fest.
Es stand in seinem Gesicht geschrieben: Jetzt oder Nie, sagte es mir.
„Harry – bitte“, ein letzter erbärmlicher Versuch meinerseits.
Und er rannte los.
Rannte durch die Meute von SchĂĽler, im Zickzack, entgegen dem Strom.
Zu schnell für mich, als würde er vor mir fliehen, ich verlor ihn aus den Augen, die herbeiströmende, neugierige Meute hatte die Lücke geschlossen, und versperrte die Sicht.
Bitte, flehte ich ein letztes Mal, ganz schwach.
„Komm“, rief mir Ron ganz aufgeregt zu. „Gehen wir nach unten, dann können wir das Spektakel direkt verfolgen.“
Ich stand noch immer, wie angewurzelt da.
Es war mir unmöglich mich zu rühren.
Bitte!
Er kann dich nicht mehr hören!
Bitte!
Ron griff einfach nach meinem Arm, und riss mich aus den Gedanken.
Auf der Marmortreppe, die in die Vorhalle führte bleiben wir stehen, und verfolgten genau das gleiche Spektakel, wie beim letzten Mal, doch der Lärm klang für mich, als wäre er weit entfernt, und nicht unmittelbar neben mir.
Viele Schüler standen in einem Kreis an den Wänden, etliche von ihnen waren durchnässt, und es roch gewaltig nach Stinksaft.
Auch viele Lehrer und Gespenster waren in der Menge zu erkennen.
Die ganze Vorhalle wirkte wie ein verseuchter Sumpf, unter den Zuschauern konnte man auch die zufriedenen Gesichter des Inquisitionskommandos sehen.
Inmitten der Halle stand der Grund fĂĽr ihr zufriedenes Gesicht.
Die Zwillinge, die sich in der Mitte des Raumes aufhielten und unverkennbar den Eindruck machten, als hätte man sie gerade in die Enge getrieben.
Von wegen zwanzig Minuten!
Ich wusste es würde gefährlich werden.
Aber er wollte ja wieder einmal nicht auf mich hören!
Ich erwartete jeden Augenblick, dass Umbridge, Harry zu den Zwillingen schleift, und sie gemeinsam standrechtlich erschieĂźt.
„So!“ rief Umbridge triumphierend und blickte von einer Etage über uns auf ihre Beute hinab.
Also hatte sie Harry noch nicht geschnappt!
Neue Hoffnung keimte auf.
„So – sie halten es also für witzig, einen Schulkorridor in einen Sumpf zu verwandeln?“
„Ziemlich witzig, ja“, lächelte einer der Zwillinge zu ihr nach oben.
„Ich hab das Formular, Schulleiterin“, Filch war völlig von der Rolle, und winkte ganz aufgeregt mit einem Pergament. „Ich hab das Formular und meine Peitschen warten … oh, lassen sie es mich jetzt tun.“
Peitschen?
Bin ich hier im falschen Film?
Gewalt, als ZĂĽchtigung der SchĂĽler?
Das darf doch wohl nicht wahr sein!
„Sehr gut Argus“, tönte Umbridge. „Sie beide“, fuhr sie fort und stierte auf die Zwillinge hinab, „werden gleich erfahren, was mit Missetätern in meiner Schule passiert.“
„Wissen sie was“, entgegneten die Zwillinge. „Das glaube ich kaum.“
„George“, sagte Fred, „ich glaube, wir sind zu alt geworden für die Ganztagsschule.“
Und ehe Umbridge ein weiteres Wort sagen konnte, erhoben sie ihre Zauberstäbe und riefen im Chor, „Accio Besen!“
„Auf Nimmerwiedersehen!“ winkten sie höhnend Umbridge und ihrem Inquisitionskommando zu, schwangen sich auf ihre Besen, und kreisten noch ein paar Augenblicke knapp über dem Boden.
„Wenn jemand Lust hat, einen Tragbaren Sumpf zu kaufen, wie oben vorgeführt, dann kommt doch mal in die Winkelgasse dreiundneunzig – Weasleys Zauberhafte Zauberscherze!“
„HALTET SIE AUF!“ kreischte Umbridge.
„Für Hogwarts – Schüler, die schwören, dass sie unsere Produkte einsetzen, um diese alte Fledermaus loszuwerden, gibt es Spezialrabatte“, ergänzte George noch und zeigte auf Umbridge.
Das Inquisitionskommando stürmte los, doch zu spät.
Lachend stießen sich Fred und George vom Boden ab, schossen bis unter die Decke der Vorhalle, und spähten nach Peeves, dem Poltergeist.
„Peeves, mach ihr in unserem Namen das Leben hier zur Hölle“, riefen sie ihm zu.
Und Peeves, den ich noch nie einen Befehl eine Schülers hatte annehmen sehen, salutierte, und die Meute grölte und applaudierte.
In diesem Augenblick trat Harry aus dem Schatten von Umbridge heraus, und sein Applaus war der Lauteste von Allen.
Fred und George flogen, immer noch winkend aus dem offenen Portal, mitten in einen herrlichen Sonnenuntergang hinein. GlĂĽhend rot der Himmel, und mitten in der Sonne, die Zwillinge.
Fehlte nur noch das Ende Schriftzeichen unter dem Film:
Die Weasley - Zwillinge und Hogwarts – Sie werden für immer Legenden sein
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