von rodriquez
„Hermine“, flüsterte Harry unsicher meinen Namen.
„Wie lange stehst du schon da?“, fauchte ich, und fühlte mich ertappt, wie ein Kleinkind beim unerlaubten Spielen.
Seine Antwort: „…bin gerade erst gekommen“, hörte ich nur noch unterbewusst, da meine Gedanken noch um den frischen Traum kreisten.
Nur ein Traum, das hat nichts zu bedeuten, versuchte ich mir einzureden.
Aber könnten meine Träume ähnliche Bedeutungen haben, so wie es bei Ginny der Fall ist?
Die vielen Gesichtslosen.
Warum hatten sie keine Gesichter?
Warum hatte Harry kein Gesicht?
Dennoch war es bei ihm irgendwie anders, als bei den anderen Gesichtslosen.
Aber … War es überhaupt Harry?
Ich habe ihn erst gesehen, als ich wieder wach geworden bin.
Es hätte auch Jemand anderes sein können.
Jemand anderes?
Wen hättest du dir denn gewünscht?
Ich weiĂź es nicht...
Du – weißt – es – nicht?
Ich weiĂź es nicht...
Du – weißt – es!
„Bist du okay?“, fragte Harry, und schien sehr verwundert „Hast du geschlafen?“
„Darf ich nicht auch ab und zu etwas Ruhe finden?“, fauchte ich zur Antwort.
Mein Körper zitterte, meine Wangen brannten, wie Feuer.
Hoffentlich habe ich nicht im Schlaf gesprochen und ihm wirklich laut und deutlich das „Ja“ – Wort gegeben.
Und Überhaupt – was will er von mir?
„Hör zu Hermine“, unterbrach Harry meine Gedanken, „ich war gerade in Umbridges Büro und sie hat mich am Arm berührt...“
Ich versuchte mich auf ihn zu konzentrieren, auch um auf andere Gedanken zu kommen.
Du – weißt – es!
Noch gelang es mir nicht, „Narbe schmerzte“, hörte ich unterbewusst.
Nein – Nein – Nein!
Ich bemerkte ebenfalls unterbewusst, dass er angestrengt versuchte seine Hand vor mir zu verstecken.
„Und du machst dir Sorgen, dass Du – weißt – schon – wer sie beherrscht, wie er Quirrell beherrscht hat?“ antwortete ich langsam.
„Na ja, das wäre doch möglich“, meinte Harry.
„Kann sein“, murmelte ich, schien aber nicht überzeugt. „ Aber ich glaube nicht, dass sie von ihm besessen ist, wie Quirrell es war, ich meine, er lebt doch jetzt wieder richtig, nicht wahr, er hat seinen eigenen Körper, er braucht keinen anderen in Besitz zu nehmen. Er könnte sie mit einem Imperius – Fluch belegt haben, denke ich...“
Es klang selbst fĂĽr mich etwas wirr, was ich von mir gab.
In meinen Gedanken sprang immer noch der junge Schnuffel um die Beine einer jungen Frau in einem Brautkleid.
Einem Brautkleid, das meinen Körper bedeckte!
Harry sah nachdenklich zu den Zwillingen hinĂĽber.
So langsam wurde ich wieder Herr meiner Sinne.
Auf den Schultern der Zwillinge eindeutig, je ein Kopf, der auch ein Gesicht hatte, mit roten, langen Haaren.
Es war nur ein Traum!
Eigentlich sollte ich sogar wĂĽtend sein.
Tagelange geht mir quasi aus dem Weg, aber beim ersten kleinen Problemchen steht er vor mir.
„Was willst du Harry?“, fragte ich genervt.
Er schreckte zurĂĽck, und starrte mich an.
„Letztes Jahr hat deine Narbe geschmerzt, obwohl dich niemand berührt hat, und sagte Dumbledore da nicht, es hätte damit zu tun, was Du – weißt – schon – wer in diesem Moment fühlte? Ich meine vielleicht hat das überhaupt nichts mit Umbridge zu tun, vielleicht ist es nur Zufall, dass es passiert ist, während du bei ihr warst?“
„Sie ist böse“, fauchte Harry.
„Sie ist schrecklich, ja, aber ... Harry, ich glaube du solltest Dumbledore sagen, dass deine Narbe wehgetan hat.“
„Ich will ihn damit nicht belästigen. Du hast es ja eben selbst gesagt, es ist nichts Besonderes. Sie hat den ganzen Sommer über mal mehr, mal weniger wehgetan – heute Abend war es nur ein wenig schlimmer, nichts weiter...“
„Harry, ich bin mir sicher, dass Dumbledore damit belästigt werden will...“
„Tja“, rutschte es Harry heraus, und klang verbittert. „Das ist das Einzige an mir, das Dumbledore interessiert, nicht wahr, meine Narbe?“
Warum ist er jetzt gleich wieder eingeschnappt?
Ich glaube ihm ja.
Oder hatte er etwa das Gefühl, ich würde ihm nicht richtig zuhören?
Was ist nur los mit ihm?
Gleich morgen muss ich Ginny fragen, ob sie schon etwas bei ihm erreicht hat.
Ich hätte es selbst tun können, aber ich hoffte, dass Ginny mehr Erfolg und Details erfahren könnte, vielleicht auch Dinge über mich, die in meiner Gegenwart nicht aussprechen würde.
Immerhin ein Fortschritt, er ist voller Vertrauen angeschlichen gekommen.
Und er wurde von dir abfällig behandelt!
Ergo solltest du dich nicht ĂĽber sein Verhalten der letzten Tage aufregen.
Das hat er sich selbst zuzuschreiben.
Er spĂĽrte, dass er an diesem Abend bei mir auf Granit beiĂźen wĂĽrde, so wandte er sich mit traurigem Blick ab, und fast tat er mir Leid, doch anstatt, wie ich erwartete zu den Zwillingen zu gehen, schlug er den Weg zu seinem Schlafraum ein.
Dabei fiel mir auf, dass er in seltsamerweise seine rechte Hand festhielt.
„Harry hat jeden Abend ihr Büro, mit gequältem Gesichtsausdruck verlassen“, zerstörte Ginny meine Hoffnung auf ein klärendes Gespräch. „Er hat nur vor sich hingestarrt, und nichts um ihn herum bemerkt. Somit hat er auch nie bemerkt, dass ich in seiner Nähe war“.
„Seltsam“, murmelte ich. „Wenn ich nur wüsste, was ihn so zurückhaltend erscheinen lässt?“
„Mir fiel lediglich auf, dass er einige Schritte nachdenklich und langsam voran ging, nach einem kurzen Augenblick begann er dann aber zu rennen, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her“.
„Irgendwas stimmt da nicht…“
„Heute Morgen wollte ich eigentlich einen neuen Versuch starten“, redete Ginny weiter. „Ich hatte ihn fast auf dem Weg in die Eulerei erwischt, doch gerade als ich ihn ansprechen wollte, kam mir wiededr dieses Miststück in die Quere.“
„Miststück?“
„Cho“, keuchte Ginny und verdrehte ihre Augen. „Es ist wie verhext.“
Ginny schüttelte enttäuscht und wütend ihren Kopf. „Und als dann auch noch Filch und Mrs. Norris nach oben gingen, habe ich schließlich doch wieder aufgeben müssen.“
Ihre Augen begannen energiegeladen zu funkeln. „Aber eins kann ich dir sagen ... ich werde es weiter versuchen … da kommt er übrigens gerade...“.
Ginny stand abrupt auf, richtete ihren Blick auf Harry, und rempelte ihn, wie ich vermute, mit voller Absicht an.
Noch bevor sich Harry zu mir an den Tisch setzte, kam auch schon Ron angelaufen, setzte sich ungeniert hin, nahm sich was aus der Müslischale und mit kauenden Kiefern plapperte er ohne Plan los. „Weswegen strahlst du eigentlich so?“ fragte Ron in Harrys Richtung.
Kurzzeitig hatte ihn Ginny aus dem Gleichgewicht gebracht, nach wie vor starrte er ihr fragend hinterher, obwohl sie längst aus seinem Dunstkreis verschwunden war.
Er schien wirklich zu Lächeln.
Ein seltsames, verdrehtes Lächeln.
Cho?
War etwa Cho die Ursache für dieses ekelhafte Lächeln?
„Ähm ... heute ist Quidditch“, sagte Harry vergnügt.
Und ich hatte vorhin ein Date mit Cho Chang!
Feigling
Und gerade hat mir auch noch Ginny ihre Dinger ins Kreuz gedrĂĽckt.
LĂĽgner!
Lustmolch!
Ausrede – nichts als eine faule Ausrede.
Ron brauchte nicht lange um Harry zu überreden, früher zum Quidditch – Wurf zu gehen, damit er ihm noch ein paar Kniffe beibringen könnte.
Doch in diesem Augenblick segelte der Tagesprophet mit zwei beunruhigenden Nachrichten herein.
Sirius Black sei in London gesehen worden.
Wir mutmaĂźten, dass ihn Lucius Malfoy wohl doch bei unserer Abreise, im Bahnhof Kings Cross erkannte hatte.
Eine weitere kleine Meldung, kaum drei Zentimeter lang, entdeckte Harry ganz am Ende einer Spalte:
Sturgis Podmore sei in der Nacht vom 31.8. auf den 1.9. im Zaubereiministerium bei dem Versuch ertappt worden, eine HochsicherheitstĂĽr aufzubrechen. Der Wachzauberer Eric Munch habe ihn damals festgenommen und Podmore sei jetzt vom Zaubergamot zu einer 6-monatigen Haftstrafe in Askaban verurteilt worden.
„Sturgis Podmore?“ sagte Ron langsam. „Das ist doch der Typ, der aussieht, als hätte er ein Strohdach auf dem Kopf, oder? Er ist einer vom Ord...“
„Ron schhh!“ mahnte ich und sah mich ängstlich um.
Dieser Idiot!
Wenn der nur mal denken wĂĽrde, bevor er den Mund aufmacht.
Ich murmelte leise, ohne dass es meine Freunde bekamen, „Muffliato!“
Eigentlich genial dieser Zauber in so einem Augenblick, niemand konnte unser Gespräch belauschen.
Aber ich fand es auch sicherer, den Zauber noch vor meinen Freunden zu verheimlichen, wer weiß, auf was für Ideen, die sonst noch kämen.
„Sechs Monate in Askaban“, flüsterte Harry entsetzt. „Nur weil er versucht hat durch eine Tür zu kommen?“
„Sei nicht albern, das war nicht nur, weil er durch eine Tür wollte. Was um alles in der Welt hatte er um ein Uhr morgens im Zaubereiministerium zu suchen?“
Ausnahmsweise klangen Rons Worte fĂĽr mich einleuchtend.
„Glaubst du er wollte etwas für den Orden erledigen?“ mutmaßte Ron weiter.
„Moment mal“, überlegte Harry mit langsamer Aussprache. „Sturgis sollte doch kommen und uns begleiten, erinnert ihr euch?“
Er hat Recht!
Podmore gehörte eigentlich zu unserer Leibwache ... weil er nicht gekommen war, ist Sirius mitgekommen.
„Na ja, vielleicht haben sie nicht damit gerechnet, dass er erwischt wird“, lenkte ich ein.
„Das könnte ein abgekartetes Spiel sein“, überraschte mich Ron.
Er klang plötzlich ganz aufgeregt. „Nein – hört zu“, fuhr er fort. „Das Ministerium vermutet, dass er einer von Dumbledores Leuten ist, also – ich weiß nicht – haben sie ihn ins Ministerium gelockt, und er hat überhaupt nicht versucht, durch eine Tür zu kommen! Sie haben einfach was gedeichselt, um ihn zu kriegen!“
Ich war beeindruckt.
Jawohl beeindruckt.
Zum ersten Mal klang es sehr plausibel und nachgedacht, was Ron von sich gab.
Doch warum sollten sie das tun?
Was steckt dahinter?
Sollte im Ministerium etwas sicher verwahrt sein, das die Todesser unbedingt brauchen?
Beim ersten Quidditchtraining mit der Mannschaft war Ron sehr nervös wegen der anwesenden Slytherins, die in voller Absicht zusahen und ihn mit Sprüchen erfolgreich verunsicherten.
Ron spielte sehr schlecht, gelinde ausgedrĂĽckt.
Das Training musste verfrüht abgebrochen werden, weil Katie Bell starkes Nasenbluten bekam, ausgelöst durch einen ungestümen Wurf von Ron und Freds sogenannter Hilfe (er verwechselte eine Blutblasenschote mit dem heilsamen Ende von Nasblut - Nougat), Katies Nasenbluten steigerte sich so, dass sie in den Krankenflügel gebracht werden musste.
Den ganzen Sonntag über quälten wir uns durch die Unmengen von Hausaufgaben, vor allem die Jungs konnten nirgends ein Ende entdecken, es war für Beide frustrierend, besonders für Harry, da es der erste Abend war, an dem er nicht zu Umbridge musste.
Seit dem Abend des Traumes hatte ich mit Harry wieder einmal kaum Worte gewechselt.
Wieder wirkte er verschlossen, gelegentlich traurig, und ich wurde das GefĂĽhl nicht los, dass er etwas mit sich herumschleppte, etwas das an dem gewissen Abend schon heraus wollte, und das ich durch Verbohrtheit getrost vermieden hatte.
Obwohl ich Rons Arbeit kontrollierte, behielt ich Harry im Blick, und trotzdem meinem flĂĽchtigen Blick ĂĽber die Ausarbeitung, entdeckte ich schon beim kurzen Durchsehen, etliche Fehler, auf die ich ihn hinwies, was er mit einem muffigen NasenrĂĽmpfen quittierte.
„Danke“, fauchte er und strich die falschen Sätze durch.
„Tut mir leid, ich wollte nur...“, entschuldigte ich mich.
„Ja, schon gut, wenn du nur hergekommen bist, um rumzukitteln...“, moserte er weiter.
Harry schien das Alles nicht zu interessieren, er hatte seine Aufgaben im Schoss, hatte es sich auf der Fensterbank bequem gemacht und starrte untätig aus dem Fenster. Ich folgte seinen Blicken.
Was ist denn das?
Erstaunt sah ich Hermes, die Eule von Rons Bruder Percy auf das Fenster zufliegen.
„Ron...“, rüttelte ich ihn am Arm.
„Ich hab keine Zeit, mir eine Predigt anzuhören, verstehst du Hermine, ich steck bis zum Hals hier drin...“
„Nein – sieh mal!“, sagte ich und zeigte Richtung Fenster. „Ist das nicht Hermes?“
„Ja, ich fass es nicht!“ sagte Ron und schmiss seine Feder hin.
„Eindeutig Percys Handschrift“, sagte er, nachdem er Hermes einen Brief abgenommen hatte.
Er habe angenehm überrascht und stolz vernommen, dass Ron zum Vertrauensschüler ernannt worden sei. Für seine künftige Vertrauensposition bei der Schulleitung wolle er Ron den brüderlichen Rat geben, mit dem zu Gewaltausbrüchen neigenden Aufschneider Harry Potter zu brechen. Ron solle auch besser nicht mehr auf Dumbledore setzen, sondern sich stattdessen mit seinen Sorgen vertrauensvoll an Professor Umbridge wenden. Wie Ron der morgigen Ausgabe des Tagespropheten entnehmen könne, werde Umbridge künftig in Hogwarts leichter die notwendigen Neuerungen auch unter den Lehrkräften durchsetzen können.
So in etwa der Wortlaut.
Es folgte das zweite Mal, dass mich Ron angenehm ĂĽberraschte.
Stinksauer, zerriss Ron, Percys Brief und warf ihn ins Feuer.
Ich war so beeindruckt, dass ich sogar meine Prinzipien über Bord warf, und seinen Aufsatz vollständig ins Reine brachte. Gleiches tat ich natürlich auch mit Harrys Ausarbeitung, obwohl auf dem Fenstersims nur noch seine Pergamente lagen, während er selbst spurlos verschwunden war.
Irgendwie war es ihm, wieder einmal aus unerfindlichen GrĂĽnden gelungen sich davonzuschleichen.
So schritt die Zeit unaufhörlich voran, kurz nach Mitternacht kam Harry durch das Portraitloch geschlüpft, und nur kurze Zeit später, bekamen wir eine weitere Überraschung beschert.
Die Frage, wo er denn gewesen sein unterdrückte ich, weil er wieder einmal in Gedanken an einem völlig anderen Ort zu sein schien.
Es war also schon nach Mitternacht und der Gemeinschaftsraum war ausgestorben, bis auf uns Drei und meinem Kater Krummbein.
Ruhe war eingekehrt, nur unterbrochen durch das Kratzen meiner Feder, und dem Knistern des Feuers im Kamin.
Aus meinem Augenwinkel heraus sah ich, wie Harry plötzlich blinzelte und Richtung Feuer starrte.
Interessiert folgte ich seinen Blicken.
Und da war tatsächlich etwas, es war schlagartig aufgetaucht und sofort wieder verschwunden.
Wenn ich es nicht besser wĂĽsste ... aber nein, das kann nicht sein, Sirius wĂĽrde doch nicht so leichtsinnig sein.
Aber verdammt noch mal, es sah aus wie Sirius.
Harry kniete längst vor dem Kamin.
„Was treibst du da unten?“ fragte Ron lachend.
„Ich habe gerade den Kopf von Sirius im Feuer gesehen“, antwortete Harry.
„Aber das würde er doch jetzt nicht tun, das wäre zu...“ murmelte ich ängstlich. „Sirius!“
Ich begann zu keuchen und spähte ins Feuer.
„Ich dachte schon, ihr würdet zu Bett gehen, bevor alle anderen verschwunden sind. Jede Stunde habe ich nachgeschaut. Wo warst du denn die ganze Zeit, Harry?“.
Sirius grinste, wie ein Teenager, der etwas Verbotenes tat.
„Aber was, wenn man dich gesehen hätte?“ empörte ich mich.
„Du klingst wie Molly“, erwiderte Sirius, „das war die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, um Harrys Brief zu beantworten...“
Mit einem Ruck drehte ich mich zu Harry um, und sah ihn voller Empörung an.
„Du hast nicht gesagt, dass du Sirius geschrieben hast“, sagte ich vorwurfsvoll.
Jetzt war mir auch klar, warum er in der Eulerei war.
Unverantwortlich!
„Hab ich vergessen“, murmelte Harry.
Kann ich mir vorstellen, vor lauter Cho und Hormonstau!
„Sieh mich nicht so an, Hermine, dem Brief hätte unmöglich jemand geheime Informationen entnehmen können, stimmt’s Sirius?“
„Nein, er war sehr gut“, lächelte Sirius.
Sirius ging kurz auf die wesentlichen Dinge ein:
Harrys Narbe habe wohl nur zufällig bei Umbridges Berührung geschmerzt. Wahrscheinlich hatte Voldemort gleichzeitig irgendein heftiges Gefühl. Umbridge war nie eine Todesserin oder irgendwie von Voldemort gesteuert.
Sag ich doch!
Aber mir wurde mal wieder nicht geglaubt.
Du hast ihm nicht zugehört, deswegen hatte er sich Rat an anderer Stelle gesucht!
Umbridge sei aber trotzdem absolut fies und widerlich. Beispielsweise sei es dank einer vor zwei Jahren von ihr eingebrachten Bestimmung so gut wie unmöglich für Werwölfe wie Remus Lupin eine Stelle zu finden.
Umbridge bringe Hogwarts - SchĂĽlern deshalb keine Kampfzauber bei, weil der Zaubereiminister und seine Getreuen befĂĽrchteten, Dumbledore wolle in Hogwarts eine Armee aufbauen, um selbst das Zaubereiministerium zu ĂĽbernehmen.
Eine Armee aufbauen ... diese Idee wäre gar nicht so schlecht.
Ich sollte mir das genauer zu GemĂĽte fĂĽhren.
Ăśber Hagrid hatte er keine Neuigkeiten.
Zum Ende schlug er ein Treffen in Hogsmeade vor, was Harry und ich sofort ablehnten.
„Schon gut, schon gut, ich hab’s begriffen“, erwiderte Sirius enttäuscht. „Du ähnelst deinem Vater weniger, als ich gedacht hatte“, fügte Sirius noch hinzu.
Ein leises Plopp war zu hören, und wo Sirius Kopf gewesen war, loderte wieder eine Flamme.
Ron und ich wechselten fragende Blicke, als Harry nachdenklich hin und her marschierte. Er rieb sich dabei ĂĽber Wange und Lippen, und ich fĂĽhlte mich schlecht.
Er schlieĂźt dich aus!
Du hättest ihm zuhören müssen.
Du hättest mit ihm sprechen müssen.
Mittlerweile sind es viele Dinge, ĂĽber die man sprechen sollte.
Seine unaufhörliche Wanderung durch den Raum fühlte sich tatsächlich, wie ein Ausschluss an.
Kein Wort kam über seine Lippen, obwohl ihn unverkennbar ein Problem quälte, gelegentlich wirkte sein Gesicht schmerzverzerrt, und immer wieder fasste er um das Gelenk seiner rechten Hand.
Vielleicht wartet er darauf mit mir allein zu sein? Redete ich mir ein, aber diese Chance bot sich nicht, Ron machte keine Anstalten uns alleine zu lassen.
Mein erster Blick am nächsten Morgen, galt natürlich dem Tagespropheten.
Sofort war ein großes Bild von Dolores Umbridge zu sehen, die breit lächelte und uns unter der Schlagzeile zuzwinkerte.
MINISTERIUM STREBT AUSBILDUNGSREFORM AN
DOLORES UMBRIDGE IN DAS NEU GESCHAFFENE
AMT DER GROSSINQUISITORIN BERUFEN
Der zugehörige Artikel war erschreckend, und ließ schlimmes befürchten.
Er wurde darin erklärt, dass Professor Umbridge im Auftrag des Zaubereiministeriums längst überfällige Reformen in Hogwarts durchführen soll. Ihre Anstellung als Lehrerin verdankte sie dem erst Ende August verabschiedeten Ausbildungserlass Nr. 22, laut dem das Zaubereiministerium vakante Lehrerstellen besetzen kann, für die Dumbledore niemanden findet. Ein weiterer, neuer Ausbildungserlass, Nr. 23 ernannte sie zur Großinquisitorin der Schule. Er erlaubte es ihr, den Unterricht ihrer Kollegen zu inspizieren und zu beurteilen. Außerdem wurde in dem Artikel erwähnt, dass Professor Griselda Marchbanks und Tiberius Ogden aus Protest gegen diese Einmischung in Hogwarts ihre Ämter im Zaubergamot niedergelegt hatten.
Umbridge fĂĽhrte die Inspektionen kalt und hinterlistig durch.
Vor allem Trelawney schien ihr nicht gewachsen zu sein, während Umbridge bei Professor McGonagall mit schwerem Gegenwind zu kämpfen hatte.
Unterdessen handelte sich Harry eine weitere Woche allabendlich Strafarbeiten bei Umbridge ein.
Ich hatte definitiv keine Kontrolle mehr ĂĽber ihn, er schien sich weit von mir entfernt zu haben.
An einem der folgenden Abende lief ich durch die Gänge um die Stellen zu kontrollieren, wo ich die Kollektion gestrickter Hütchen für die Hauselfen versteckt hatte.
Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass fast alle von ihren Plätzen verschwunden waren.
Ich hoffte, dass es die Elfen waren, und ich ihnen so zur Freiheit verholfen hätte.
Ron trainierte auf seinem Besen und Harry hatte seinen Standarttermin bei Umbridge.
Den Fortschritt der Zeit hatte ich gar nicht bemerkt.
Der Mond stand hoch am sternenklaren Himmel, und leuchtete durch die Gänge, und so entschloss ich mich zur Rückkehr in den Gemeinschaftsraum.
In der Hoffnung, dass Harry und Ron schon zurück wären.
Mein Weg fĂĽhrte an Umbridges BĂĽro vorbei, wo ich einen kurzen Moment verweilte, und mich fragte, ob sie Harry immer noch festhalten wĂĽrde.
Kein Laut war zu hören, so schüttelte ich meinen Kopf, und hoffte ihn im Gemeinschaftsraum zu treffen, mein weiterer Weg führte durch einen langen Korridor, bis zu einer Treppe.
Langsam stieg nach oben, und beim Betreten der letzten Stufe hörte ich von weitem hörte eine leise Stimme, die wie ein Wimmern klang.
Ein klägliches Wimmern, getrieben von einer Vorahnung verlangsamte ich meine Schritte und schielte vorsichtig um die Ecke in den nächsten Korridor.
Ich traute meinen Augen nicht, was ich da zu sehen bekam, erschrocken erzitterte mein Körper, ich versteifte mich, und wiederholte ungläubig den gerade getätigten Blick.
Da saß wirklich Harry auf dem Boden, den Rücken gegen das Gemäuer gelehnt, die Hände vor dem Gesicht verschränkt …und er … weinte?
Ja, eindeutig, Harry weinte.
Es brach mir das Herz, doch ich war nicht in der Lage weiterzugehen. Aus der Nähe registrierte ich vorsichtig sich nähernde Schritte.
Ginny
Langsam rückte sie ihm auf die Pelle. Schritt für Schritt tastete sie sich vorwärts.
Harry hatte sie wohl noch nicht bemerkt, obwohl sie schon Minuten in seiner Nähe weilte.
Ganz vorsichtig näherte sie sich an.
Ihr Moment ist gekommen, dachte ich.
Aber was ist mit Harry, was ist los mit ihm, warum weint er?
Noch immer konnte ich nicht glauben, was meine Augen erfassten.
Ginny hatte es geschafft, nahe genug an ihn heran zu kommen, mit weicher Stimme begann sie ihn anzusprechen.
„Darf ich mich zu dir setzen?“
Er schaute kurzzeitig auf, und deutete mit einer lapidaren Handbewegung, neben sich.
„Möchtest du reden?“ fragte Ginny, immer noch in der gleichen, sanften Tonlage.
Harry wischte sich mit einer unauffällig wirkenden Handbewegung über die verweinten Augen.
Lustlos zuckte er mit seinen Schultern.
„Was ist los mit dir?“
Er nahm die Hände von seinem Gesicht, zog den Ärmel seiner Jacke nach vorne, und schien sogar seine Hand bedecken zu wollen, dann starrte er Ginny einfach nur an.
Ich konnte aus der Entfernung einen leeren, starren Blick erkennen.
„Es ist nicht einfach, ich weiß nicht, ob du mich verstehen würdest“, sagte er mit schwacher Stimme.
Es waren seine ersten Worte, und ich dachte, Ginny hat es geschafft.
Harry will reden, jetzt darf Ginny nur keinen Fehler machen, und er würde ihr Einblick in seine Seele gewähren.
„Warum versuchst du es nicht einfach?“, erwiderte Ginny, ohne die Tonlage zu ändern.
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, doch Zeit genug um zu wissen, dass es aus ihr heraussprudeln wĂĽrde.
„Warum kann ich nicht einfach auch ein normales Leben führen? Warum stecke ich immer wieder in Schwierigkeiten?“
Er schluckte und fuhr nach einer kurzen Pause fort. „Es ging schon damit los, dass meine besten Freunde Vertrauensschüler wurden, ich fühle mich ausgeschlossen, wir sehen uns kaum noch. Warum hat mich Dumbledore übergangen? Vertraut er mir etwa wirklich nicht? Seamus schreit mich an, alle Schüler wollen mich nur noch begaffen … ach … ich weiß gar nicht wo ich weitermachen soll … Umbridge, die Presse, das Ministerium, alle sagen, ich wäre ein Lügner…“
Harry stotterte alles herunter, und bei jedem Wort versetzte es mir einen tiefen Stich.
Es wäre meine Aufgabe gewesen. Ich hätte mich um ihn kümmern müssen, anstatt die beleidigte Leberwurst zu spielen.
Alles schien aus ihm herauszubrechen.
Alles, was ich in den letzten Wochen angesammelt hatte.
Ginny musste innerlich die Faust in die Luft gereckt haben.
JA, dachte ich, im Gegensatz zu mir hatte sie sein Vertrauen durch Ausdauer gewonnen, sie hatte es geschafft.
Harry machte eine resignierende Bewegung mit seiner Hand, der Ärmel seiner Jacke rutschte dabei etwas nach oben, und ich bemerkte wie Ginny zusammenzuckte.
Hastig und erschrocken, versuchte er seine Hand wieder zu verstecken.
Was ist mit seiner Hand?
Was hatte Ginny gesehen?
„Was ist das?“ fragte Ginny und ihre Stimme begann sich ängstlich und zitternd zu erheben.
Sie wirkte erschrocken, griff nach seiner Hand, hielt sie einen Moment fest, und schob den Ärmel nach oben.
Harry wehrte sich nicht.
„Ich soll keine Lügen erzählen!“ nuschelte Ginny. „Ich soll keine Lügen erzählen! Was ist das?“
„Ein Andenken an unzählige Privatstunden bei Dolores Umbridge“, murmelte Harry und wirkte verlegen.
Ein Andenken?
„Ein Andenken?“, sprach Ginny aus, was ich dachte.
Wie ist das zu verstehen?
„Wissen Ron und Hermine davon?“
Harry schüttelte enttäuscht seinen Kopf.
Tränen schossen in meine Augen.
Warum hat er sich mir nicht anvertraut?
Weil ich ihm dasselbe geraten hätte, wie Ginny, oder weil er einfach zu mir kein Vertrauen mehr hat?
Oder weil er sich schämte?
„Nein, das bringt nichts, das würde es nur noch schlimmer machen…“, unterbrach er Ginnys Eifer, „und bitte behalte das für dich“.
„Du bist nicht allein, Harry, deine Freunde sind auf deiner Seite, und du hast nicht wenige Freunde, glaub mir“, ich war erstaunt, wie geschickt es Ginny anstellte ihn um den Finger zu wickeln.
Mit ihrer Hand hob sie sein Gesicht an. „Wir sollten etwas unternehmen … ich weiß nur noch nicht was, aber ich lasse mir etwas einfallen.“
Er schaute ihr ins Gesicht, und Ginny fügte belanglos hinzu, „…auch ich habe Nachsitzen bei der Kuh Umbridge“.
„Hast du Angst, sie könnte das Gleiche mit dir tun?“ fragte Harry.
„Nein“, sie schüttelte ihren Kopf, „das wären keine Schmerzen.“
„Glaub mir“, schüttelte Harry seinen Kopf. „Es sind Schmerzen, höllische Schmerzen“, ein hämisches, sarkastisches Lachen rutschte über seine Lippen, „glaub mir, ich würde liebend gerne darauf verzichten, aber diesen Triumph werde ich ihr nicht geben.“
Ginny stockte.
„Was ist es dann?“ fragte Harry, der ihr Stocken registrierte.
„Ach nichts, im Vergleich zu deinen Problemen“, wiegelte sie ab.
„Das Training?“, sagte Harry plötzlich.
„Ja, aber das ist jetzt unwichtig…“
„Ist es auch…“ sagte er, und lächelte plötzlich. „Du solltest dir keine Gedanken darüber machen, ich habe bereits mit Angelina über dich gesprochen. Nach deinem Auftritt letzten Sommer, habe ich ihr von dir vorgeschwärmt, du könntest sogar meinen alten Besen von mir haben. Gute Jäger können wir immer gebrauchen.“
Wow, was musste Ginny jetzt denken?
Die schwebt bestimmt, trotz des traurigen Anlasses auf der Wolke mit der Nummer 7.
Er hatte Notiz von ihr genommen, und das kann auch an ihr nicht vorbeigegangen sein.
Es dauerte einen Moment, bis Ginny sich wieder gefasst hatte.
Harry war schon aufgestanden, und jetzt schaute er zu ihr herab, bis Ginny ihre sieben Sinne endlich in der richtigen Reihenfolge hatte. „Ich wollte mich eigentlich als Sucher bewerben…“.
Frech!
Aber genial gekontert.
Das wird ihn anstacheln, und auf andere Gedanken bringen.
Harry stutzte, aber dann schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen, sein Ehrgeiz war zurück. „Dann hast du ein übermächtiges Problem.“
Übermächtig?“ höhnte Ginny, „das sah bis eben eher wie ein Häufchen Elend aus…“, noch einmal wiederholte sie die Worte, „Du bist nicht allein, Harry, du solltest deinen Freunden vertrauen“.
„Danke, Ginny“, flüsterte Harry und ich sah die nächste Träne in seinen Augen schimmern.
„Danke? ... Wofür?“, fragte Ginny.
„Für dein Zuhören, und das Gefühl, verstanden worden zu sein“.
Ein Seitenhieb gegen mich?
Harry streckte seinen Arm aus, und Ginny nahm an, erhobenen Hauptes marschierten sie einträchtig nebeneinander, zurück in den Gemeinschaftsraum.
Bei meiner Ankunft hatte sich Harry bereits zurĂĽckgezogen, auch Ron war nicht anzutreffen.
Ich nahm mir fest vor ĂĽber meinen Schatten zu springen, und mich dem zu widmen, wozu ich mich eigentlich auserkoren fĂĽhlte.
Wenn nicht Harry, dann eben Ginny, mein Ehrgeiz war zurĂĽck, einen kurzen Moment verharrte ich und wartete auf Ginny, sie kehrte nicht zurĂĽck, allerdings konnte ich sie auch in ihrem Schlafgemach nicht antreffen, so blieb mir nichts anderes ĂĽbrig, als abzuwarten.
Doch das war einfach gesagt, als getan. Die Nacht wurde zur Hölle. An Schlafen war nicht zu denken.
Ich zermarterte meinen Kopf.
Meine Gedanken spielten verrĂĽckt.
Folter?
Welche Art von Folter könnte das sein?
Eine Mitarbeiterin des Ministeriums? – Eigentlich unvorstellbar.
Ich soll keine Lügen erzählen!
Wie muss ich mir das vorstellen?
Am nächsten Morgen beim Frühstück suchte ich mir gezielt den Platz neben Ginny, noch immer wirkte sich ziemlich aufgewühlt und erregt.
Die Gelegenheit war gut, meine Freunde vertrödelten wohl wieder ihre Zeit mit Aufstehen.
Ginny kaute lustlos an einem Brötchen, und starrte müde auf eine Tasse Kakao.
Ich benötigte einen idealen Einstieg.
„Diese Kuh, raubt mir den letzten Nerv“, fing ich an, mit der Hoffnung das Gespräch in die richtige Richtung lenken zu können. „Und was die alles über uns wusste, wenn ich nur wüsste woher…“.
„Ja“, stimmte sie mir zu. „Wir sollten etwas gegen sie tun.“
„Wir sollten nicht etwas gegen sie, sondern etwas für uns, tun!“ erwiderte ich.
„Ich habe eine Vermutung“, sagte Ginny plötzlich. „Percy, na klar, sie hat ihre Informationen, sicherlich von meinem doofen Bruder!“
„Damit könntest du Recht haben“, antwortete ich nachdenklich. „Er hat Ron einen Brief geschrieben, indem er ihn aufforderte sich von dem Aufschneider Harry Potter zu distanzieren“, erwähnte ich zusätzlich in abfälliger Tonlage.
„Was hat dieses Arschloch gemacht?“ erregte sie sich.
„Ich möchte das nicht wiederholen“, antwortete ich resigniert.
„Was überlegst du, Hermine?“
„Ich dachte, gerade dass du wirklich Recht haben könntest.“
„Was? Der Vertrauensschüler denkt, dass ich Recht haben könnte?“ höhnte sie. „Ich bin beeindruckt. An was denkst du dabei? Percy, oder die Eigeninitiative?“ hakte Ginny nach.
„Ich denke beides. Percy, ist mir auch schon in den Sinn gekommen, und wir sollten Eigeninitiative an den Tag legen, von Umbridge werden wir nichts lernen … wir sollten uns selber unterrichten.“
„Du kannst uns unterrichten“, erwähnte Ginny provokativ, doch mir sofort klar, wen sie damit eigentlich meinte. Jetzt war es an ihr, mich anzustupsen. Doch das war völlig überflüssig.
„Eigentlich dachte ich, Harry könnte es tun, also lenke nicht ab“, blockte ich grinsend, „Sonst erzähle ich Jedem, wie ich euch gestern Abend, Arm in Arm gesehen habe.“
„Gar nicht“, Ginny schluckte, und errötete.
„Aber fast“, blinzelte ich.
„D-du hast uns gesehen?“
„Und gehört“, fügte ich zu ihrem nächsten Schreck hinzu. „Doch es war keine Absicht, ich war zufällig auf Kontrollgang, da dein lieber Bruder es wieder einmal vorzog, den Besen zu schwingen.“
„Zufällig?“, wiederholte sie, und ihr Blick verfinsterte sich, veränderte sich aber in Erschrocken mit Stolz.
„Ich wollte nur ehrlich zu dir sein“, fügte ich beruhigend hinzu.
„Dann, weißt du aber auch, dass ich ihm versprochen habe, nichts von seinen Schmerzen zu erzählen.“
Ich nickte. „Was ist das eigentlich an seiner Hand?“
„Sieht aus wie ein Tattoo.“
„Ich soll keine Lügen erzählen? – eine Tätowierung?“
Ginny nickte traurig.
„Da lasse ich mir was einfallen … eigentlich muss ich ja nur zufällig seine Hand erwischen … und für die Schmerzen habe ich auch etwas in petto.“
Ich erinnerte mich an den kurzen Sommer mit meiner Mom, und mixte Harry vorab eine Murtlap – Essenz, mit Zutaten, die ich mir bei Poppy besorgte.
An diesem Abend werde ich im Gemeinschaftsraum auf ihn warten, bis er von Umbridge zurĂĽckkehrt, nahm ich mir vor.
Allerdings wurde es an diesem Abend wieder fast Mitternacht, bis er endlich von Umbridge zurĂĽckkehrte.
Gemeinsam mit Ron, den ich vorsichtig auf meine Pläne anspitzte, aber nichts von Ginny erwähnte, wartete ich sehnsüchtig auf seine Rückkehr, und das obwohl meine Augen immer schwerer wurden, und Ron längst seelenruhig die letzten Bäume der Schule absägte.
Harry schien sich zu freuen, dass wir endlich einmal auf ihn warten wĂĽrden.
ER ließ sich in seinem Sessel nieder, und beobachtete zunächst Ron, dessen Augen sich langsam öffneten, dann schob er, wohl eher unbewusst seinen Ärmel über die bewusste Stelle.
MitfĂĽhlend griff ich ohne Umschweife nach seiner Hand.
Er zuckte kurz, lieĂź es aber geschehen.
Es war furchtbar, was ich zu sehen bekam.
Die Hand blutete so stark, dass das Tuch, welches er darum gewickelt hatte durchgeblutet war, und das Blut beim Zurückziehen seines Ärmels zu Boden tropfte.
Ron stockte bei diesem Anblick der Atem.
Ich soll keine Lügen erzählen!
Diese Worte waren tief in die Haut eingeritzt.
„Hier“, sagte ich besorgt und reichte ihm die Essenz entgegen, „tauch deine Hand da rein, das ist eine Lösung aus eingelegten und filtrierten Murtlap – Tentakeln, das müsste helfen.“
Harry legte seine blutende, schmerzende Hand in die Schale und seine GesichtszĂĽge erholten sich sichtlich.
„Danke“, schnaufte er aufrichtig durch und kraulte erleichtert Krummbein hinter den Ohren. „Woher, wusstest du?“ fragte er, brach aber ab, weil Ron seine Ohren spitzte.
„Du kannst deine Hand nicht ständig verstecken“, erklärte ich augenzwinkernd. „Sie ist ein fruchtbare Frau“ sagte ich angewidert, mit leiser Stimme. „Furchtbar. Weißt du, bevor du reinkamst, habe ich gerade zu Ron gesagt ... wir müssten etwas gegen sie unternehmen.“
„Ich habe Gift vorgeschlagen“, antwortete Ron, wie aus der Pistole geschossen.
Hättest du nur ein Prozent von dem Grips deiner Schwester, schluckte ich gedanklich.
„Wie macht sie das?“, fragte ich und deutete mit meinem Kinn auf seine schmerzende Hand.
„Sie lässt mich mit einer Spezialfeder schreiben, die nicht auf das Blatt, sondern in meine Hand schreibt. Die Worte sollen sich bei mir einprägen, bis ich sie selber glaube, doch da kann sie lange warten.“
„Das sind Foltermaßnahmen, die man eigentlich Dumbledore melden sollte“, erwähnte ich. „Aber ich vermute, dazu bist du zu stolz.“
„Hast du unseren Schulleiter nur einmal seit unserer Rückkehr gesehen?“, erwiderte Harry. „Manchmal habe ich das Gefühl, er geht mir aus dem Weg. Vielleicht hat er ja ein schlechtes Gewissen“
Ohne auf seinen Hinweis einzugehen, versucht ich Harry vorsichtig in die richtige Richtung zu fĂĽhren.
Mir war klar, dass ich das nur behutsam angehen konnte, denn er wĂĽrde meine Idee energisch ablehnen, vielleicht wĂĽrde er sogar ausrasten.
Er wĂĽrde sich wieder schlechter machen, als er ist.
„Nein...“, begann ich langsam, „es geht darum, was für eine miserable Lehrerin sie ist und dass wir bei ihr überhaupt keine Verteidigung lernen.“
„Und was können wir dagegen tun?“ Ron gähnte herzhaft.
„Nun“, mit einem wachsamen Auge blickte ich studierend in Harrys Richtung, versuchte seine Körpersprache zu lesen.
Noch blieb er ruhig, und badete seine Hand in der Essenz.
„Wisst ihr, ich hab mir heute überlegt...“, ein neuerlicher Blick in Harrys Richtung, „ich habe mir überlegt – vielleicht ist die Zeit reif, dass wir es einfach – einfach selber in die Hand nehmen.“
„Was selber in die Hand nehmen?“ fragte Harry mit einem argwöhnischen Unterton.
„Nun – Verteidigung gegen die dunklen Künste selber lernen“.
Vorsicht Hermine!
Gleich wird’s ernst!
„Nun hör aber auf“, stöhnte Ron. „Willst du, dass wir uns noch zusätzliche Arbeit aufhalsen? Ist dir klar, dass Harry und ich schon wieder mit den Hausaufgaben hinterher sind und wir noch ganz am Anfang stehen?“
Ron ignorierend riskierte ich einen weiteren Blick zu Harry.
Er blieb immer noch ruhig.
Neugierig sah er mich an, aber in seinem Gesicht erkannte ich eine leise Vorahnung.
Ich zog alle Register meiner ĂśberzeugungskĂĽnste.
„Aber das ist viel wichtiger als Hausaufgaben!“
Ron fielen die Augen heraus, und der Mund klappte auf.
Harry zuckte nervös mit dem Kopf, er war mir auf der Spur.
Ohne Zweifel, langsam durchschaute er mich.
Er wartete nur noch, dass ich seinen Namen aussprechen wĂĽrde.
„Ich dachte, es gibt nichts Wichtigeres im Universum als Hausaufgaben!“ erwiderte Ron.
„Sei nicht albern, natürlich gibt es das“.
Meine Stimme klang energisch, und Harry zuckte erneut.
„Wir brauchen einen Lehrer, einen richtigen Lehrer, der uns zeigen kann, wie wir die Zauber anwenden, und der uns korrigiert, wenn wir etwas falsch machen.“
Während dieses Satzes, beobachtete ich ihn besonders intensiv.
Er erwiderte meinen Blick nicht.
„Wenn du von Lupin redest...“, setzte Harry an.
Komm, Harry, du weiĂźt genau, von wem ich rede.
„Nein, ich rede nicht von Lupin...“, du weißt ganz genau, von wem ich rede.
„Wen meinst du dann?“ Harry runzelte seine Stirn.
Jetzt tu nicht so ungläubig.
Du könntest mir ruhig, einen kleinen Schritt entgegenkommen.
Ich seufzte unter der schweren Last.
„Ist das nicht klar? ... Ich rede von dir, Harry.“
Augen zu und durch!
Eine unheimliche Stille lag ĂĽber dem Raum.
Eine leichte nächtliche Brise ließ die Fenster klappern, und das Feuer flackerte auf.
Gleich ist es vorbei mit der Ruhe!
Na los, fall ĂĽber mich her!
„Was soll das heißen, von mir?“ fragte Harry vorsichtig und ruhig.
Sollte ich mich in ihm getäuscht haben?
Risiko!
„Das soll heißen, dass du uns Verteidigung gegen die dunklen Künste beibringst.“
Harry starrte mich an, dann wanderte sein Blick zu Ron, von dem er UnterstĂĽtzung erwartete, um meine absurde Idee zu zerschmettern.
Zu meiner völligen Überraschung bekam nicht Harry, Rons Unterstützung, sondern ich.
Denn Ron sah ĂĽberhaupt nicht genervt aus.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder!
„Das ist eine Idee“, sagte Ron nach einigen nachdenklichen Augenblicken.
„Was ist eine Idee?“ fragte Harry verwirrt.
„Du“, erklärte Ron. „Dass du uns beibringst, wie man es macht.“
„Aber ich bin kein Lehrer, ich kann nicht ...“.
Hat bist jetzt wunderbar funktioniert, besser als ich dachte, dank Rons UnterstĂĽtzung.
Jetzt wĂĽrde er es mit der Masche, ich bin kein Held, war alles nur GlĂĽck, versuchen!
„Harry, du bist in unserem Jahrgang der Beste in Verteidigung gegen die dunklen Künste“, versuchte ich zu erklären.
„Ich?“ lachte Harry höhnisch. „Nein, bin ich nicht, du hast mich bei jeder Prüfung geschlagen.“
„Hab ich nicht“, erwiderte ich lässig. „Du hast mich in der dritten Klasse geschlagen – im einzigen Jahr, wo wir beide die Prüfung gemacht haben und einen Lehrer hatten, der das Fach tatsächlich beherrschte. Aber ich rede nicht von Prüfungsergebnissen, Harry. Überleg doch mal, was du getan hast!“
„Was meinst du?“
„Weißt du, ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich jemanden als Lehrer will, der sich so blöd anstellt“, grinste Ron.
Du meinst wohl blöder als du!
„Überlegen wir mal“, machte Ron weiter.
„Ähm ... erstes Jahr – du hast den Stein der Weisen vor Du – weißt – schon – wem gerettet.“
„Aber das war doch Glück, das hatte nichts mit Können zu tun...“
Ja, sicher doch!
Ich lehnte mich genüsslich zurück, verschränkte die Arme vor meiner Brust, und lächelte.
„Zweites Jahr“, unterbrach Ron, „du hast den Basilisken getötet und Riddle vernichtet.“
„Ja, schon, aber wenn Fawkes nicht aufgetaucht wäre, dann...“
Herrlich, Köstlich, ich habe mich schon lange nicht mehr, so gut amüsiert...
Drittes Jahr, wenn ich nicht den Zeitumkehrer, blablabla...
„Drittes Jahr“, Ron zählte an den Fingern mit, „du hast ungefähr hundert Dementoren auf einmal vertrieben...“
„Du weißt, das war Dusel, wenn der Zeitumkehrer nicht...“
Ich musste ganz schnell, meine Faust gegen meinen Mund drĂĽcken, sie hatte sich gerade triumphierend geballt.
„Letztes Jahr“, machte Ron weiter.
„Hör mir mal zu!“ rief Harry und wurde nun doch zornig.
Es war alles nur GlĂĽck, ich hatte meist keine Ahnung, was ich tat ... ja, ja, ich weiĂź...
Das Grinsen war in mein Gesicht gemeiĂźelt, und es machte Harry noch wĂĽtender, obwohl ich ihm ansah, dass er noch nicht einmal wusste, worĂĽber er eigentlich wĂĽtend war.
„Hört auf zu Lachen!“
Er schrie so laut, dass die Murtlap – Essenz zu Boden krachte und die Schale zerbrach.
Harrys Gesichtszüge waren ernst, fast traurig und mein Lächeln erstickte.
„Ihr habt keine Ahnung, wie es ist!“
Er hatte nicht geschrien, sein Ton klang traurig und ernst.
War es falsch, ihn zu fragen?
Hatte ich es mir zu einfach vorgestellt?
Harry wirkte aufgewĂĽhlt, es ging ihm sichtlich an die Nieren.
„Ihr“, sprach er weiter und zeigte von Ron zu mir, “alle beide – ihr musstet ihm nie gegenübertreten, oder? Ihr glaubt, es geht nur darum, ein paar Flüche auswendig zu lernen und sie ihm an den Hals zu schleudern, wie im Unterricht vielleicht?“
Das ging eindeutig an meine Adresse.
Beschämt blinzelte ich ihn an.
Weder Ron, noch ich, wagten es, ihn zu unterbrechen.
„Die ganze Zeit weißt du genau, dass es nichts zwischen dir und dem Sterben gibt außer deinem eigenen – deinem eigenen Gehirn oder Mumm oder was immer, als ob du klar denken könntest, wenn du weißt, dass du in ungefähr einer Nanosekunde ermordet oder gefoltert wirst oder zusiehst, wie die eigenen Freunde sterben – im ganzen Unterricht hat man uns nie beigebracht, wie es ist, mit solchen Dingen fertig zu werden -, und ihr beide sitzt da und tut so, als ob ich ein schlauer kleiner Bursche wär, der hier steht und überlebt hat, als ob Diggory dumm gewesen wär, als ob er zu blöd gewesen wär – ihr kapiert’s einfach nicht, mir hätte es genauso gehen können, und es wär auch so gekommen, wenn Voldemort mich nicht gebraucht hätte…“
Hilflos blickte ich ihn an, seine Rede hatte mich schwer beeindruckt und schockiert.
Ganz zaghaft erwachte ich aus einer Trance.
„Harry … verstehst du nicht? Das … ist es ja genau, warum wir dich brauchen … wir müssen wissen, wie es w–wirklich ist … sich gegen ihn zu stellen…“
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, Harry sollte merken, dass ich es ernst meine, und es nicht als ein Spiel sehe, „…gegen V – Voldemort.“
Es war das erste Mal, dass ich den Namen öffentlich aussprach, und vielleicht war es diese Tatsache, die Harry besänftigte.
Obwohl er immer noch schwer atmete, ließ er sich erschöpft in seinen Sessel zurückfallen, und verzog schmerzverzerrt sein Gesicht.
Erst jetzt musste ihm bewusst worden sein, dass seine Hand nicht mehr in der schmerzlindernden Essenz ruhte.
„Denke bitte darüber nach“, fügte ich leise hinzu.
Fast schien es, als würde er sich, wegen seines Verhaltens schämen.
Er nickte mir ganz schwach zu, und fĂĽr den Moment gab ich mich damit zufrieden.
Ich räumte ihm Bedenkzeit ein, aber spätestens bei unserem Hogsmeade Wochenende wollte ich die willigen Schüler versammeln, und einen Plan entwickelt, haben.
Eine erste Idee mit einer verzauberten Liste schwirrte in meinem Kopf herum.
Wir brauchen eine Absicherung gegen eventuelle Verräter!
„Also, ich geh schlafen“, unterbrach ich die unheimliche Stille.
Ich sah wie in Harrys Kopf die Mühlen mahlten, und ich wollte ihn nicht weiter drängen, noch nicht.
Aber, mir wir klar, dass wir seine Erfahrung brauchen.
Es gibt keinen besseren Lehrer als ihn.
Wer außer ihm, hat V – Voldemort gegenüber gestanden, und überlebt?
„Ich brauche noch kurz“, sagte er und starrte mich mit leerem Blick an, während Ron bereits im Gemäuer zu den Jungenschlafsälen verschwunden war.
„Da ist noch etwas“, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, kramte in meiner Tasche und zog etwas hervor, das immer in meiner Tasche versteckt blieb. „Es tut mir Leid.“
„Es braucht dir nicht Leid zu tun“, antwortete Harry. „Ich wollte niemanden sehen, ich bin dir die ganze Zeit aus dem Weg gegangen, weil mir das alles über den Kopf wächst.“
Stillschweigend schaute ich auf ihn herab.
Sein Antlitz war mir zugewandt, und hielt meinen Blicken stand.
„Und ich bin immer noch zu feige darüber…“, er nickte zu dem Pergament in meiner Hand. „…zu sprechen. Und ich bin immer noch der Meinung, dass es zu dem damaligen Zeitpunkt nicht hätte passieren dürfen. Es tut mir Leid, aber es war für mich die einzige feige Möglichkeit mit dir darüber zu sprechen, ohne dir in die Augen zu sehen.“
„Nicht du bist feige, Harry…“, wisperte ich, doch er winkte ab.
„Wir sollten es für den Moment nicht verkomplizieren. Lass es und verschieben bis…“
„…wir ihn besiegt haben, und in Ruhe an die Zukunft denken können?“
„Für mich gibt es noch keine Zukunft, erst muss ich mit meiner Vergangenheit leben und zu Recht kommen. Wenn du es dann noch willst, werde ich für dich da sein.“
„Vielleicht geht es nicht nur um deine Vergangenheit“, wisperte ich. „Vielleicht ist es unsere Vergangenheit, die uns verbindet…“
„Auch das werden wir erst in einer ungewissen Zukunft erfahren.“
„Du glaubst daran?“
„Ich habe Sirius mit und ohne deine Gegenwart erlebt“, antwortete Harry, und wieder einmal überraschte mich seine Beobachtungsgabe.
„Du glaubst auch nicht, dass ich mir das Alles nur einbilde?“
„Blicke können sehr vielsagend sein. Augen können sprechen, viel deutlicher, als wenn man es mit Worten ausdrücken würde. Und ich habe Sirius Augen gesehen, wenn er dich anschaut.“
Trotz der wenigen Worte war ich ihm unendlich dankbar, als Zeichen meiner Wertschätzung dessen, streichelte ich sanft und zärtlich über die hässlichen Worte auf seinem Handrücken.
Ich konnte mit zusehen, wie Gänsehaut über seinen Arm aufwärts wanderte.
„Eine letzte Frage…“, hauchte ich, und er nickte. „Warum der Brief?“
„Weil ich die Unsicherheit in deinen Augen gesehen habe, und ich nicht wollte, dass du dich verletzt fühlst. Ich konnte den Verdacht eines Traumes verfolgen, es ist geschehen, Hermine, obwohl es nicht hätte geschehen dürfen.“
Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch erklomm ich die Stufen zu dem Mädchenschlafsälen.
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