von Vergile
Kapitel 1 – Besuch
Der hellbraune Haarschopf fegte nun seit fast drei Stunden beinahe ununterbochen durch das kleine und gemütliche Zimmer. Ein kurzer Seitenblick zum Nachttisch sagte dem dazugehörigen Jungen, dass seit seiner letzten Überprüfung der Uhrzeit gerade mal 23 Sekunden vergangen waren. Seufzend legte er sich auf sein Bett und versuchte zur Ruhe zu kommen.
…zwecklos, denn nur wenige Augenblicke später war er wieder auf den Beinen und streifte nervös an dem prall gefüllten Bücherregal vorbei, das er heute keines Blickes würdigte.
Er zwang sich stehenzubleiben und horchte angestrengt auf die Geräusche, die vom kurzen Gartenweg her zu ihm hinaufdrangen - doch das einzige, was er hören konnte war das schwere Pochen seines Herzens. Es hämmerte so laut gegen seine Brust, dass es ihm schwer fiel überhaupt etwas anderes zu wahrzunehmen. Entnervt fuhr er wieder herum und drehte noch eine Runde durch das Zimmer, und warf sich wieder aufs Bett – sofort setzten die Gedanken wieder ein.
Was wäre, wenn sie es sich doch anders überlegt hätten? Er wollte sich das gar nicht erst ausmalen, doch schon als er heute morgen aufwachte hatte ihn dieses kalte Gefühl gepackt. Angst.
Die Furcht seine Hoffnungen wieder zerbrechen zu sehen, die er sich aufgebaut hatte, seit er vor 7 Tagen den Brief erhalten hatte. Das war die glücklichste Woche seines Lebens gewesen und er war bereit gewesen an die Zukunft zu glauben, die sich vor seinem inneren Auge ausgebreitet hatte – und er würde es nicht ertragen das alles wieder zu verlieren.
Er schob den Gedanken panisch beiseite und ging stattdessen weiter im Zimmer auf und ab.
Plötzlich erstarrte er in der Bewegung. Hatte er nicht eben vom Garten her ein Ploppen gehört?
Nur einen Herzschlag später hechtete er schon zum Fenster und drückte sein Gesicht gegen die Scheibe. Von hier aus konnte er den kleinen Garten überblicken, der sich ungefähr zwei Meter breit vor dem Haus erstreckte und nur von dem kurzen Schotterweg zur Haustür gekreuzt wurde. Doch sein Blick glitt einfach über den nassen, wild wuchernden Rasen hinweg, und auch die schöne Aussicht über das Tal mit dem kleinen Muggeldorf, an dessen Ostrand sich der Hügel Anschloss, auf dem ihr Haus stand, wurde von ihm in diesen Moment einfach ignoriert.
Sein Blick wurde wie magnetisch von dem knallig violetten Spitzhut angezogen, der gerade aus seinem Blickfeld verschwand und nun wahrscheinlich nur einen Meter vor der Einganstür in der Luft schwebte.
Bevor er auch nur den kleinsten Gedanken fassen konnte hörte er auch schon seinen Vater von der Diele aus seinen Namen rufen.
„Remus. Komm herunter, sie sind da.“
Sich vom Fenster abstoßend wirbelte er hektisch herum um möglichst schnell zur Tür zu gelangen, strauchelte bei diesem Manöver jedoch und konnte sich gerade so davon abhalten sich der Länge nach auf den Teppichboden zu packen.
Etwas langsamer, aber immer noch furchtbar nervös öffnete er die Tür und spähte die Treppe hinunter – sie waren wohl schon in das Wohnzimmer gegangen.
Remus atmete noch einmal tief durch und strich sein Hemd glatt, bevor er die Treppe hinunter stieg und ihnen ins Wohnzimmer folgte.
Der Besucher fiel Remus sofort ins Auge.
Passend zu seinem Hut trug er einen strahlend violetten Mantel, der mit goldenen Sternen verziert war und ihm geradezu verboten hell entgegenstrahlte. Mit leicht geöffnetem Mund starrte Remus der Gestalt auf den Rücken.
Sein Vater, John Lupin, der seinen Sohn in der Tür stehend entdeckte lächelte ihm glücklich entgegen. Jahrelang hatte er alles getan um Remus das zu ermöglichen, und war bisher immer auf Unverständnis, Hass und Ablehnung gestoßen – doch nun würde sein Sohn die Chance bekommen, die er verdient hat. Wahrscheinlich mehr als jeder andere.
Er nickte seinen Gast zu und deutete zur Tür.
„Da ist auch schon unser Sohn.“
Die Gestalt drehte sich um und Remus Unterkiefer sank noch einige Zentimeter tiefer.
Der Mann, der ihn nun ansah hatte einen so langen Bart, dass er ihn in den schwarzen Gürtel stecken konnte, und war bereits ergraut. Doch das, was seinen Blick auf sich zog waren die Augen. Strahlend hell lagen sie hinter seinen Brillengläsern und musterten Remus aufmerksam.
„ah, guten Abend Mister Lupin. Mein Name ist Professor Albus Dumbledore. Ich bin der Schulleiter einer Zauberschule namens Hogwarts.“
Remus brauchte einen Moment um sich wieder zu fassen und zu antworten, doch Dumbledore zeigte keine Zeichen von Ungeduld, sondern lächelte ihm ermutigend zu.
Schliesslich nickte er Dumbledore zu und ließ ein leises „Professor“ hören, doch das schien dem Schulleiter zu genügen.
Remus würde diesen Abend nie vergessen.
Sie saßen noch lange mit Dumbledore zusammen und besprachen alle Einzelheiten, die seine zukünftige Schulzeit betrafen und die Maßnahmen, die der Schulleiter bereits ergriffen hatte.
Während Remus aufmerksam zuhörte und jede Sekunde des Gespräches unwiderruflich in sein Gedächtnis eingrub, wuchs die Gewissheit in ihm:
Er würde nach Hogwarts gehen. Genauso wie ein normaler Junge.
Er konnte es nicht verstehen, und doch fühlte es sich so richtig an.
Und erst als sie Dumbledore verabschiedeten und dieser bereits den ersten Schritt aus der Tür gemacht hatte traute Remus sich die Frage zu stellen, die auf seinem Herzen lag.
Er flüsterte beinahe und schaute dabei betreten auf den Dielenboden.
„Professor….warum machen sie das alles für so etwas…für mich?“
Dumbledore wandte sich noch einmal um und in seinen Blick flackerte einen Moment lang Mitleid und große Bewunderung, doch nach einem Augenblick blieb nur ein warmes und ehrliches Lächeln in seinen Augen.
„Möchtest du denn nach Hogwarts kommen?“
Remus sah überrascht auf – das war doch keine Frage. Ihre Blicke trafen sich und Remus nickte.
„Ja, Sir“
„Das ist doch Grund genug, oder? Wir sehen uns dann beim Festessen, denke ich.“
Mit einem letzten Nicken verabschiedete sich die bunte Gestalt und lief fröhlich vor sich hin summend den Weg hinunter, um dann mit einem Plopp wieder zu verschwinden.
Zurück blieb ein überglücklicher elfjähriger Werwolf, der sich seit 4 Jahren das erste mal fühlte wie ein normaler Junge.
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