von Roya
75. Auf und ab
…und Percy kam hereingestürmt. Erleichtert ließ Angel ihren Zauberstab sinken. Im Schlepptau hatte er Arthur, Bill und Fleur, aber was Angel die größte Furcht nahm, war der letzte, der ins Zimmer stürzte.
„Wo sind sie?“
„George!“
Angel umarmte ihn stürmisch und Alex sah sein gehetztes Gesicht. Sein Blick galt nur einem.
„Fred.“
Er ließ sich neben seinem Bruder auf die Knie fallen und nahm seine andere Hand. Auch Bill und Fleur ließen sich neben Fred auf den Boden sinken, während Percy die Tür sicherte.
Alex sah Georges Blick und wusste genau, was in ihm vorging. Genau die gleichen Gedanken gingen ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf. Sie räusperte sich und sagte dann leise:
„Er wird schon wieder. Fawkes hat ihn gerettet.“
George sah auf und schien zum ersten Mal zu realisieren, was er vor sich sah. Sein Gesicht weitete sich vor Schreck.
„Al! Was tust du hier?“
„Euch alle retten, ist doch klar.“
Sie lächelte nicht. Ihre Stimme klang müde und ruhig. Sie spürte keine Freude in sich. Noch war nichts entschieden. Es war alles offen.
Arthur saß neben seinem bewusstlosen Sohn und sah nun von Percy zu Angelina.
„Was ist geschehen?“
Sie berichteten abwechselnd und als sie fertig waren, setzte sich George auf Freds andere Seite und nahm Alex in den Arm. Sie erwiderte nichts und regte sich nicht. George bekam große Angst um seine beste Freundin. Was war los mit ihr? Ihre Augen waren ausdruckslos und leer. Sie schien große Schmerzen zu haben, aber sie zeigte es nicht. Er öffnete den Mund, um zu ihr zu sprechen. Doch eine andere, grausigere Stimme kam ihm zuvor:
„Ihr habt gekämpft.“
Es war eine hohe, schreckliche Stimme und sofort wusste jeder im Raum, der da zu ihnen sprach.
„Heldenhaft gekämpft. Lord Vodemort weiß Tapferkeit zu schätzen. Doch ihr habt schwere Verluste erlitten.“
Von Alex kam ein leises Stöhnen, als sie sich aufrichtete.
„Wenn ihr mir weiterhin Widerstand leistet, werdet ihr alle sterben, einer nach dem anderen. Ich will nicht, dass dies geschieht. Jeder Tropfen magischen Blutes, der vergossen wurde, ist ein Verlust und eine Verschwendung.
Lord Voldemort ist gnädig. Ich befehle meinen Streitkräften, sich sofort zurückzuziehen. Ihr habt eine Stunde. Schafft eure Toten mit Würde fort. Versorgt eure Verletzten.“
Voldemort sprach nun zu Harry und forderte ihn auf, sich in dieser Stunde zu ergeben. Ansonsten würde Voldemort alle töten, die sich ihm in den Weg stellten.
Stille zog sich über Hogwarts. Die Anwesenden in dem kleinen Klassenzimmer sahen sich schweigend an. Dann brach Arthur die Stille.
„Los. Wir gehen alle zusammen in die Große Halle.“
Ohne ein Widerwort erhoben sich alle, Alex wurde von George gestützt, da sie immer noch nicht alleine gehen konnte. Percy übernahm wieder den Part, Fred auf der Trage vor sich her zu zaubern.
Sie erreichten die Große Halle ohne Zwischenfälle. Viele Verletzte, Tote und Gesunde Kämpfer warteten dort und sahen die Neuankömmlinge müde an. Ein Schrei durchbrach das allgemeine Gemurmel.
„Fred!“
Molly rannte auf die kleine Gruppe zu, das Gesicht vor Furcht verzogen. Arthur rief ihr laut, aber sichtlich müde entgegen;
„Er lebt, Molly. Er lebt.“
Auch Ginny und Charlie liefen auf sie zu und umrundeten die Trage. Flankiert von den ganzen Rotschöpfen gingen sie bis zum Ende des Raumes. Sie legten Fred auf den Boden und blieben bei ihm. Alex ließ sich von George führen. Er führte sie weg von dem bewusstlosen Zwilling, was sie nicht ganz verstand. Doch ihr war in diesem Moment seltsamerweise alles egal. Sie hatte keine Kraft, sich dagegen zu wehren. Eine seltsame Leichte hatte Besitz von ihr ergriffen und sie schwebte immer wieder am Rande einer wohltuenden Ohnmacht. Wohin brachte er sie nur? Dann hörte sie eine bekannte Stimme, die sie momentan aber nicht einschätzen konnte.
„Oh je. Setz sie da auf den Stuhl, ich komme sofort.“
Alex spürte, wie sie auf einen harten Platz gedrückt wurde und sah hoch. George stand neben ihr. Er ließ sie nicht allein, das wusste sie. Die Person mit der bekannten Stimme kam wieder und endlich erkannte Alex sie. Es war Madam Pomfrey. Alex hob abwehrend die Hände und nuschelte:
„Kümmern Sie sich um die, die es dringender brauchen als ich.“
Unwirsch erwiderte sie pummelige Frau jedoch:
„Reden Sie nicht so einen Unfug, Mrs Foxley. So wie sie aussehen, sind Sie jemand, der mich sehr dringend braucht.
Alex ließ sie gewähren, was sollte sie auch sonst machen? Sie bekam etwas zu Trinken gereicht und schluckte es mühsam herunter. Es schmeckte widerlich und sie musste husten. Dann stand Madam Pomfrey wieder vor ihr und wedelte mit ihrem Zauberstab herum.
„Zeigen Sie mir Ihren Arm, Mrs Foxley.“
Sie regierte nicht.
George sah seine beste Freundin mit immer tieferer Besorgnis an. Was hatte sie nur? Sein Herz hatte sich immer noch nicht beruhigt, nachdem er von Percy erfahren hatte, was mit Fred geschehen war. Wenn Alex nicht gewesen wäre… und Fawkes, wo auch immer der hergekommen war. Aber was war bloß jetzt, fast eine halbe Stunde später, mit Alex los? Sie schien unglaublich erschöpft zu sein, aber selbst der Ausdruck in ihren Augen, der immer an ihr haftete, war verschwunden.
„Mr Weasley, halten Sie das hier mal.“
Er nahm Madam Pomfrey einen dicken Verband aus den Händen und sah zu, was sie mit Alex machte. Das Bein hatte sie ihr bereits geheilt, der Knöchel war gebrochen gewesen. Jetzt dürfte es nur noch ein wenig zwicken. Der Stärkungstrank, den er Alex eben eingeflößt hatte, schien noch keine Wirkung zu zeigen. Immer noch starrte sie einfach so geradeaus. George hätte viel darum gegeben zu wissen, was gerade in ihr vorging. Er konnte es sich leider beim besten Willen nicht vorstellen.
Vielleicht ahnte sie schon, was sie bald erfahren würde. Traurig sah George hinter sich. Etwa zehn Meter von ihm lagen zwei Gestalten auf dem Boden mit friedlich geschlossenen Augen. Remus und Tonks waren tot. Tonks wurde von ihrer Tante Bellatrix Lestrange getötet.
Dabei war Remus der einzige, den Alex noch hatte außer ihm und seinem Bruder.
Und beinahe hätten sie Fred auch verloren… George verdrängte den Gedanken und widmete sich wieder der Person vor ihr. Langsam schien wieder Leben in Alex´ zu kommen. Madam Pomfrey hatte nun alle Wunden geheilt und ihren linken Arm in den dicken Verband gewickelt. Diese Fluchschäden waren wirklich zum verzweifeln.
„So, Mrs Foxley. Ich bin fertig mit Ihnen. Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie Bescheid.“
Und mit den Worten wuselte die Krankenschwester davon zum nächsten Patienten. George hockte sich vor seine beste Freundin, die durch ihn hindurch sah.
„Hey.“
Jetzt erst fokussierte sich ihr Blick auf ihn.
„Hi.“
Ihre Stimme klang sehr rau und leise.
„Wie geht es dir?“
Sie zuckte mit den Schultern, schlapp und müde.
„Keine Sorge, der Stärkungstrank wird dich wieder auf die Beine bringen.“
Keine Reaktion. Verdammt, was war mit ihr los?
„George?“
Er drehte seinen Kopf und sah Angel auf sich zukommen. Jäh pulsierte in seinen Adern die Liebe zu seiner Frau und er nahm sie schweigend in den Arm. Er hielt sie ganz fest und wollte sie nicht mehr loslassen. Aber Angel löste sich von ihm. Ihre Augen suchten seine.
„Wie geht es ihr?“
„Ich weiß nicht genau. Sie ist seltsam abwesend.“
Angel nickte und lehnte ihren Kopf an Georges Brust. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und hielt sie einfach nur fest.
„Wo willst du hin, Al?“
George drehte sich um und sah, wie Alex gerade aufstand und mit nunmehr festerem Schritt an ihren vorbei ging. Sie blieb zu Füßen von Remus und Tonks stehen und starrte lange Zeit auf die Toten. Dann sah sie zu George und er stellte erleichtert fest, dass in ihren Augen das Feuer brannte, das er von ihr kannte und er schon vermisst hatte.
„Dafür werden sie bezahlen.“
Nach einem kurzen Zögern fügte sie leise hinzu:
„Ich habe es die ganze Zeit gespürt…“
George nickte verstehend und zusammen mit Angel ging er zu Alex. Er legte seinen freien Arm um sie, aber ihr schien nicht danach zu sein, in diesem Moment zu weinen, wie er eigentlich gedacht hatte.
Langsam durchfloss wieder mehr Energie ihren Körper und Alex fühlte sich besser. Sie spürte wieder die Zauber um sich herum und ließ sie auf sich einwirken, zu schwach um sie abzuwehren. Die junge Frau fühlte sich immer noch wie betäubt und ein paar Gedanken wiederholten sich in einer endlosen Schleife.
Was wäre, wenn sie zu spät gekommen wäre? Wenn Fawkes nicht aufgetaucht wäre? Sie hatten sich sehr gestritten vor der Schlacht. Wenn sie nun nie mehr reden könnten, was sollte sie dann machen? Sie hatten sich schon wieder eine Falle gestellt. Endlich hatten sie zusammen gefunden. Endlich haben sie sich selber eingestanden, dass sie den anderen lieben. Und dann kam so etwas Dummes und beinahe hätten sie sich niemals mehr aussprechen können. Niemals. Niemals… das Wort hallte in Alex´ Kopf wieder.
Ihr Blick fiel auf einen Körper, der in der Nähe lag. Es war der kleine Colin, den sie vor gefühlten Wochen gefunden hatten. Alex stand auf. Wer war noch gestorben? Wen hat sich dieser sinnlose Krieg noch alles geholt?
Sie fühlte es, bevor sie es wirklich sah. Dort lagen sie, beide. Als ob sie es nicht schon geahnt hätte. Sie hatte es im Gefühl gehabt, als sie sich vorhin von Remus verabschiedet hatte. Trauer wollte sie wieder übermannen, aber Alex wusste, dass das jetzt nicht angebracht war. Ein anderer Gedanke kristallisierte sich stattdessen heraus. Sie mussten diese Schlacht gewinnen, koste es, was es wolle. Alleine deshalb, damit Tonks und Remus und Colin und all die anderen, die hier aufgebart lagen, nicht umsonst gestorben waren. In Alex regte sich etwas. Die erste Gefühlsregung seit langem. Es war keine Hoffnungslosigkeit, keine Trauer und keine Wut. Es war die Entschlossenheit, Voldemort endgültig zu besiegen.
Sie spürte, wie jemand neben sie trat und sah hoch. George blickte sie an, mit einem Blick, der sie zu durchbohren schien. Dann flackerte Freude in ihm auf und Alex wusste warum.
„Wir müssen diese Schlacht gewinnen.“
Er nickte langsam.
„Das werden wir.“
Auch Angel nickte entschlossen, auch wenn Alex ihre Angst spürte.
Sie warteten eine lange Zeit lang, in der sie bei Fred oder den anderen Weasleys saßen. Hermine, Ron und Harry waren verschwunden und Alex hoffte inständig, dass sie einen Plan hatten. Die junge Frau sah hinab in Freds friedliches Gesicht. Er war immer noch sehr blass, aber Madam Pomfrey hatte ihm einen Blutaufbautrank gegeben, der innerhalb von wenigen Stunden seinen Bluthaushalt reguliert haben sollte. Sie hatte seinen Zauberstab an sich genommen, da ihrer kaputt war. Selbst wenn sie die letzte sein sollte, die zwischen Fred, den anderen Verletzten und den Todessern stand, sie würde sie bis zur letzten Sekunde mit ihrem Leben verteidigen, wenn sie schon sonst nichts machen konnte, um Voldemort zu besiegen.
Es wurde zwölf Uhr, nichts passierte. Unruhe brach langsam in der Großen Halle aus. Schließlich ertönte die grausame Stimme Voldemorts durch die Halle:
„Harry Potter ist tot. Er wurde getötet, als er wegrannte, als er versuchte, sich selbst zu retten, während ihr euer Leben für ihn gegeben habt. Wir bringen euch seine Leiche zum Beweis dafür, dass euer Held gestorben ist. Die Schlacht ist gewonnen. Ihr habt die Hälfte eurer Kämpfer verloren. Meine Todesser sind in der Überzahl gegen euch, und der Junge, der überlebt hat, ist erledigt. Der Krieg darf nicht länger währen. Jeder, der weiterhin Widerstand leistet, ob Mann, Frau oder Kind, wird niedergemetzelt werden, wie jedes Mitglied seiner Familie. Kommt aus dem Schloss, unverzüglich, und kniet vor mir nieder, und ihr werdet verschont werden. Eure Eltern und Kinder, eure Brüder und Schwestern werden leben, und es wird ihnen verziehen, und ihr werdet euch mir anschließen in der neuen Welt, die wir gemeinsam errichten werden.“
Stille breitete sich in der Großen Halle aus. Alex´ Herz klopfte ohne Unterlass. Das konnte nicht sein! Sie weigerte sich, dass zu glauben und sah zu George und Angel. Auch sie schüttelten ungläubig den Kopf.
„Unmöglich!“
Die ersten setzten sich in Bewegung und Gemurmel kam auf.
„Lasst uns raus gehen und schauen, ob es stimmt.“
Also machten sie sich auf den Weg. Alex wollte Fred nicht alleine lassen, aber immerhin war kein Todesser hier und er somit nicht in Gefahr.
Draußen auf dem Gelände war es stockdunkel. Die Widerstandskämpfer gingen langsam hinaus, einer nach dem anderen. Dann hörte Alex einen Schrei, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„NEIN!“
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Rekommis: flitsch
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