von Roya
66. Gespräche…
Vollkommen geschockt sah Alex ihren Mentor an. Nur langsam realisierte sie, was genau die Worte bedeuteten. Sie war schwanger. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, wie es dazu kommen konnte. Sie hatte doch mit Fred geschlafen. Jetzt fielen ihr siedend heiß die einzelnen bruchteilhaften Erinnerungsstücke ein, von denen sie geträumt hatte. Fred über ihr. Fred ganz nah bei ihr. Sein Mund. Seine Zunge in ihrem.
Ihr Herz hämmerte wie verrückt und sie sah verzweifelt zu Stanford hoch.
„Was soll ich denn jetzt tun?“
Dieser war mit ihrer Reaktion erst einmal geschockt, hatte er doch damit gerechnet, dass sie ihm nur etwas nicht erzählt hatte. Aber sie schien vollkommen aufgelöst und er nahm sie in den Arm. Nach einigen Minuten sah er sie an.
„Was ist passiert?“
Zögernd fing sie an zu erzählen.
„Es war… es war an dem Abend, an dem Jamie auf die Welt gekommen war. Fred und ich hatten viel zu viel getrunken und dann… ich kann mich nicht mehr wirklich dran erinnern und hatte bis gerade gehofft, es ist nichts weiter passiert damals.“
Sie wartete auf die Tränen, aber sie kamen nicht. Dabei war sie vollkommen verzweifelt. Was würde jetzt nur geschehen? Vorige Nacht hatte sie von dem Streit geträumt und sie dachte daran, warum sie sich damals gestritten hatten. Sie hatten sich geliebt… Fred hatte sie geliebt und hatte auf sie gewartet. Sie beide hatten viel Mist gebaut. Aber heute? Fred würde sie nicht mehr lieben so wie damals. Diese Zeiten waren vorbei. Er hatte schließlich noch viele Dates gehabt, seit Alex bei den Zwillingen eingezogen war. Es hatte ihr nicht sonderlich gefallen, aber… was dachte sie da gerade eigentlich? Sie war vollkommen verwirrt.
„Hey.“
Stanford sah sie ruhig an.
„Hör mir zu. Wie wärs, wenn wir spazieren gehen draußen? Dann können wir in Ruhe über alles reden.“
Alex nickte mechanisch und die zwei standen auf. Bevor sie raus gingen, legte ihr Mentor einen magischen Schutz um sie herum, der verhinderte, dass man sie erkannte. Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann fing Stanford an zu reden.
„Was ist an Fred so toll?“
Alex sah ihn verwirrt an, doch sein Gesicht verriet nichts.
„Er ist… einfach ein wunderbarer Mensch. Sein Humor deckt sich genau mit meinem, wir können über die gleichen Dinge lachen. Aber er kann auch ernst sein, auch wenn man das als Außenstehender fast nicht glauben kann. Es gab Zeiten, in denen er sehr depressiv drauf war und man ihn nicht mehr mit sonst vergleichen konnte. Hauptsächlich wenn er an seine Beziehung mit Mandy – seiner ersten Freundin, die ihn nur verarscht hatte – dachte, dann war er todernst. Ich konnte ihn dann immer aufmuntern. Weißt du, wir sind einmal fast zusammen gekommen…“
Sie sprach nicht weiter, das Streitgespräch mit Fred vor zwei Jahren war seit ihrem Albtraum wieder sehr präsent und schmerzte. Nach ein paar Minuten fragte ihr Mentor weiter.
„Warum hat es nicht geklappt?“
„Ich habe es nicht gemerkt. Einfach nicht gemerkt, dass er… dass er mich liebte. Und als ich mir dann endlich meine eigenen Gefühle für ihn eingestanden habe, war es zu spät. Er hatte sich versucht, abzulenken, indem er mit anderen Mädchen ausging. Genau an dem Abend, an dem ich ihn meine Gefühle gestehen wollte, kam er mit einem Mädchen im Schlepptau nach Hause und fragte mich tatsächlich noch lächelnd, wie es mir geht.“
Alex blickte auf ihre Schuhe und erzählte schließlich zögernd weiter.
„Ich wollte weg, aber George brachte mich in den Laden und ich schlief dort. Am nächsten Morgen hatten Fred und ich einen unglaublich schlimmen Streit, der unsere Freundschaft zerstörte. Wir haben uns Dinge an den Kopf geworfen, die nicht wieder gutzumachen waren.“
Tränen liefen ihr über die Wangen und Stanford legte einen Arm um sie.
„Als du deine Ausbildung anfingst und ich dich näher kennen gelernt habe, habe ich nicht nur die starke, selbstbewusste Frau gesehen, die du bist. Tief in dir drinnen habe ich eine Traurigkeit gespürt, die du zu verdrängen versuchtest. Natürlich habe ich dich nicht darauf angesprochen, da wir uns nicht allzu gut kannten. Nach dem Tod von Dumbledore warst du verschlossener denn je und entwickeltest dich in eine Richtung, die ich dir niemals gewünscht hätte. Du hast dich in Dinge hineingesteigert, damit du alles andere vergisst. Das war falsch von dir, aber ich will dich nicht verurteilen. Jeder macht Fehler. Auch ich habe viele Fehler im Leben begangen und bereue vieles. Aber im Gegensatz zu mir ist es bei dir noch nicht zu spät. Als du vor ein paar Monaten zu Remus kamst und wir uns wieder getroffen hatten, warst du ein neuer Mensch. Du warst aufgeblüht und hast von innen heraus gestrahlt. Ich wusste, dass es etwas mit dem Mann an deiner Seite zu tun haben musste und war glücklich, dass du es endlich geschafft hattest, deine Trauer zu überwinden. Das solltest du nicht aufgeben. Ihr beide passt wirklich perfekt zusammen…“
Er schwieg und schien in Gedanken verloren zu sein. Auch Alex ließ ihren Gedanken freien Lauf. Es stimmte, sie hatte sich tief im Inneren zerfressen vor Trauer und Sehnsucht. Damals hätte sie es niemals zugeben können, aber heute… Sie sah hoch zu Stanford.
„Was ist mit dir?“
Er schreckte hoch.
„Was meinst du?“
„Dich scheint auch etwas zu bedrücken.“
Er seufzte und ein träumerischer Ausdruck lag nun auf seinem Gesicht.
„Ach weißt du… als ich damals frisch zum Ausbilder befördert worden war, bekam ich eine junge Frau zugeteilt, genau wie dich damals. Sie war wirklich witzig und klug und hübsch.“
„So wie ich.“
Er grinste.
„Ja genau. Gegen meinen Willen verliebte ich mich in sie. Ich wusste, dass es nicht sein durfte, aber wer kann schon etwas für seine Gefühle? Ich konnte es ihr jedoch nicht sagen, da ich sonst unser gutes Verhältnis zerstört hätte. Denn ich wusste nicht, was sie fühlte. Als sie nach den drei Jahren dann ihren Abschluss in der Tasche hatte, wollte sie ins Ausland gehen, nach Spanien. Dort hatte sie eine Stelle im Außendienst angeboten bekommen. Sie wollte sich vorher noch einmal mit mir treffen. Ich bin nicht hingegangen. Die Angst war zu groß, ich wollte nicht am letzten Abend noch etwas zerstören. Von einem Kollegen weiß ich, dass sie in Spanien einen sehr guten Job macht, wie nicht anders zu erwarten. Sie ist seit drei Jahren dort und scheint immer noch keinen Freund zu haben. Einmal war sie zu Besuch hier und ich traf sie wieder. Sie war noch viel hübscher als das letzte Mal und sie sah mich etwas traurig an. Stanford, hat sie gesagt, warum warst du nicht da? Ich habe auf dich gewartet. Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen und ließ sie wieder gehen.“
Alex sah ihren Mentor traurig an, er schien ziemlich am Boden zu sein. Dann blickte er auf und lächelte schief.
„Und wie stets mit dir und deinen Gefühlen im Moment?“
Es dauerte lange, bis sie sich zu einer Antwort aufraffen konnte.
„Es ist sehr schwer zu sagen. Seit wir den Neuanfang gewagt hatten, verstanden wir uns super. Fast sogar besser als früher. Ich mag ihn wirklich sehr, sonst hätte ich schließlich niemals mit ihm geschlafen. Aber um irgendwelche tieferen Gefühle zu zu lassen, muss noch einiges geklärt werden. Da ist immer noch der Streit von damals, er liegt wie eine riesige Schlucht zwischen uns. Eigentlich ist es ganz einfach. Schnapp dir einen Besen und flieg hinüber. Aber andererseits muss man erst einmal auf den Grund der Schlucht fliegen und schauen, wie es dort aussieht, damit man sie beruhigt hinter sich lassen kann.“
Stanford nickte. Alex sah ihn an und wie um sich selber Mut zu machen, sagte sie dann, während sie stehen blieb:
„Wir schließen einen Pakt.“
„Wie bitte?“
Stanford war zwei Schritte vor ihr stehen geblieben und sah sie nun fragend an.
„Ich werde bald mit Fred über den Streit reden. Und du wirst nach Spanien reisen und dich mit dieser Frau aussprechen. Abgemacht?“
Stanford starrte sie an und nach einer Weile schluckte er und nickte langsam. Sie streckte die Hand nach ihm aus und er schlug ein.
„Abgemacht?“
„Abgemacht.“
„Und über die Schwangerschaft verlieren wir bitte kein Wort, ja? Ich muss erst einmal selber drauf klar kommen.“
Er nickte und zusammen machten sie sich auf den Heimweg.
Fred saß nachdenklich auf dem Bett. Draußen wurde es dunkel und er war immer noch nicht unten bei den anderen gewesen. Ihn hielten einige Gedanken gefangen. In seinen Händen hielt er ein Lederarmband mit einer länglichen Silberplakette. Es war das Band, was er damals auf der Couch gefunden hatte, nachdem Alex verschwunden war. Nach ihrem Streit, der alles zunichte gemacht hatte. Auf der Plakette waren Zeichen eingraviert, die Fred nicht gekannt hatte. Mittlerweile wusste er, dass dort „Für die Liebenden“ stand. Er hatte das Band vorhin mittels Aufrufezauber aus London hierher geschafft. Zuerst hatte er nicht daran geglaubt, dass es über so eine große Entfernung zu ihm kommen würde, aber auf einmal war es zum Fenster herein gesegelt.
Wenn er an den Streit dachte, zog es ihn den Magen zusammen. Wie hatten sie sich nur so hinreißen lassen können? Wäre dieser Streit nie gewesen, wäre alles anders gekommen. Doch was geschehen war, konnte man nicht mehr rückgängig machen. Man könnte nur versuchen, es wieder ins Lot zu bringen. Seine Hand wanderte an seinen Hals. Auch da hing eine Kette von Alex. Diese hatte er niemals abgelegt, seit Alex sie ihm geschenkt hatte. Das war schon lange her, in ihrer Schulzeit. Auch der Anhänger an der Kette war eine Rune und Fred hatte nachgeschaut. Es war das Zeichen für Liebe. Das hatte Alex damals wohl nicht gewusst. Er hatte es herausgefunden, aber erst viel später.
„Hi.“
Er zuckte zusammen. Alex stand in der Tür und lächelte ihn an. Sie hatte immer noch das Wolfsshirt an, dazu eine Jogginghose. Zögernd schritt sie in ihr Zimmer und schloss die Tür. Freds Herz begann, schneller zu pochen.
„Wie geht’s dir?“
„Besser. Remus und Stanford haben mich gut zusammen geflickt.“
„Ja, es war wirklich großes Glück, dass sie hier waren.“
Seine GefĂĽhle drohten ihn zu ĂĽbermannen, als Alex sich zu ihm aufs Bett setzte.
„Warum…“
„Lass das, Fred. Bitte nicht schon wieder Anschuldigungen. Ich weiß, dass ich mich in Gefahr gebracht habe und es nicht hätte tun müssen, aber wie ich schon den anderen erklärt habe: mir war es wirklich wichtig, dass ihr eure Zauberstäbe wieder habt.“
Sie sah ihn an und er spürte ihre Defensivität. Er schüttelte sanft lächelnd den Kopf.
„Das wollte ich doch gar nicht sagen.“
„Oh.“
„Ich weiß doch, dass du nur so gehandelt hast, weil du es für richtig empfindest und nicht, weil du die Heldin spielen oder dein Leben riskieren wolltest. Ich wollte eigentlich fragen, warum du das Armband die ganzen Jahre lang nicht weggetan hast? Es lag dort oben. Ich verstehe das nicht ganz. Du musst doch wirklich richtig sauer auf mich gewesen sein und gerade dieses Armband… na ja, es zeigte schließlich meine wahren Gefühle zu dir.“
Er spĂĽrte die Hitze in seinem Gesicht und starrte auf das Lederarmband in seiner Hand.
„Vielleicht, weil ich niemals die Hoffnung aufgegeben habe? Dass wir all das klären können?“
Er schaute hoch und in ihr Gesicht. Ihre Augen blickten tief in seine und sein Herz hämmerte so schnell gegen seine Brust, dass es schmerzte. Dann war der Augenblick vorbei und Alex nickte zu dem Band in seiner Hand.
„Du hast es ja auch noch.“
Er nickte langsam.
„Ja. Und ich denke, aus den gleichen Gründen wie du.“
Sie nickte und lehnte sich dann an ihn. Ihre Augen waren geschlossen und eine zeitlang redeten sie nicht. Fred genoss ihre Nähe und legte einen Arm um sie. Von unten hörten sie Molly rufen.
„Ich glaube, es gibt Essen.“
Widerwillig stand Fred auf und wartete auf Alex. Diese suchte etwas in ihrem Schrank und richtete sich dann mit einem Top in der Hand auf.
„Wart kurz. Ich zieh mir nur was anderes an.“
Und sie zog sich kurzerhand das weite Shirt über den Kopf. Fred spürte, dass ihm die Röte ins Gesicht schoss und er sah benommen zu Boden.
„Ach, Fred! Du kennst mich doch so!“
Sie lachte und ihre Stimme klang in seinem Kopf wieder. Es war das schönste Geräusch, das er seit Tagen vernahm. Zusammen gingen sie die Treppe hinunter und setzten sich an den voll gedeckten Tisch.
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