von Roya
30. Die zwei Quidditchspiele
Freds Gefühle spielten Quidditch. Die beiden Mannschaften hießen Eintracht Vernunft und TSV Bauchgefühl und beide kämpften schon seit Stunden gegeneinander, doch keiner bekam die Oberhand, stets gab es ein Unentschieden und mal führte der eine mit einem Tor, mal der andere. Fred hatte das Gefühl, dass dieses Match noch sehr lange gehen würde. Er lag mit leerem Blick auf seinem Bett, komplett angezogen und mit den Händen hinter dem Kopf. George, der sich gerade waschen war, kam zu ihm geschlendert und setzte sich auf die Bettkante. Ihre anderen Schlafsaalmitbewohner waren noch unten im Gemeinschaftsraum und das war auch gut so, denn George wollte mit seinem Bruder reden.
„Hey.“
Nach ein paar Sekunden sah Fred zu ihm und man sah, dass seine Gedanken immer noch weit weg waren.
„Musste das sein?“
Er wusste, dass er auf diese Frage keine Antwort bekommen würde, jedenfalls keine vernünftige.
„Ich konnte nichts dagegen machen.“
„Du weißt aber, dass es für Alex wohl nur ein Spiel war?“
Fred setzte sich langsam auf, die Augen nachdenklich auf George gerichtet.
„Warum sagtest du „wohl“?“
George seufzte. Er hatte genau den geübten Blick, durch den er sofort gemerkt hatte, dass Alex verwirrt gewesen war, vorhin im Raum der Wünsche.
„Sie war verwirrt. Ich glaube, sie hat da was gemacht, was sie selber verwirrt hat. Aber das kann einfach die Tatsache sein, dass du ihr bester Freund bist.“
Ein Punkt Vorsprung für die Eintracht.
„Aber sie hat sich so… so… so willig angefühlt.“
Er wusste, dass sich das komisch anhörte, doch er konnte keinen anderen passenden Ausdruck dafür finden. Er hatte es doch gespürt, dass Alex nicht einfach teilnahmslos da gestanden hatte.
„Sie hat den Kuss doch erwidert.“
Der Aufholpunkt für den TSV.
„Das kann aber genauso die Tatsache gewesen sein, dass sie nicht so doof da stehen wollte.“
Und schon wieder ein Punkt für die Eintracht Vernunft.
„Und außerdem hat sie letztens erst mit Martin Schluss gehabt, sie leidet bestimmt immer noch darunter und wollte einfach nur noch mal küssen. Fred, ich will doch nur, dass du dir keine Hoffnungen machst. Al hat bisher kein einziges Anzeichen gegeben, dass sie so etwas Derartiges für dich spürt, was du für sie spürst. Jetzt komm, wir schlafen. Bald ist das erste Quidditch Spiel, ich hoffe, wir gewinnen. Schlaf erst mal drüber.“
Für heute hatte die Vernunft wohl gewonnen, aber das war bestimmt nicht das erste Spiel, was sie gegeneinander ausfechten würden. Fred war müde, doch er konnte noch lange nicht einschlafen.
Doch er war nicht der Einzige, der nicht schlafen konnte. In dieser Nacht weinte Alex zum ersten Mal wieder, seit sie zum Grimmauldplatz gekommen war. Ihre Gedanken kreisten um Martin, um ihre schöne Zeit, die sie miteinander verbracht hatten. Sie hatten sich das erste Mal geküsst, auf dem Zeltplatz des Weltmeisterschaftfinales vorletzten Sommer. Martin war so liebevoll gewesen. Und ohne es mit Absicht zu tun, hatte Fred heute ähnliche Worte benutzt wie Martin damals. Alles hatte an ihn erinnert, doch der Kuss war so anders gewesen. Fred hatte eine viel weichere Zunge als Martin, er war nicht so forsch, sondern noch so schüchtern gewesen. Als habe es Mandy nie gegeben. Als sei es sein allererster Kuss gewesen. Alex hatte ihn genossen, ja, aber warum nur? Sie kam nach einigen Stunden des Wachliegens und Weinens zu dem Schluss, dass sie einfach mal wieder einen Kuss gebraucht hatte. Mit dem Gedanken an Freds Lächeln schlief sie endlich ein.
Das Spiel Gryffindor gegen Slytherin stand vor der Tür und am Morgen des Samstages saßen die versammelte Mannschaft zusammen mit Lee, Hermine und Alex am Frühstückstisch. Ron bekam kein Stückchen Essen herunter, im Gegenteil, er sah so aus, als würde er jeden Moment auf den Tisch brechen. Die Slytherin hatten allesamt Anstecker an, auf denen eine Krone abgebildet war. Wenn man darauf drückte, verschwand die Krone und stattdessen stand auf dem Anstecker: Weasley ist unser King.
Finster schauten die Zwillinge zum Tisch der verhassten Slytherin. Dann standen die sieben Spieler auf und Alex, die zwischen Fred und George saß, drückte ihnen einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich mit den Worten: „Haut ihnen die Rübe weg.“
Eine halbe Stunde später waren alle Ränge voll besetzt, Luna Lovegood hatte einen riesigen Löwen auf dem Kopf, der laut brüllte. Doch das konnte Ron in dem Spiel auch nicht helfen. Die dröhnenden Stimmen gegenüber aus der Slytherin Ecke ließen auch bis in den hintersten Winkel ihr Lied strömen: „Weasley hält doch nie ein Ding, Weasley ist unser King.“
Es war ein Jammer, dieses Spiel anzuschauen, doch glücklicherweise gab es ja auch noch rei Jägerinnen, die ebenso viele Tore machten wie Ron rein ließ, zwei Treiber, die durch die Luft fegten und gekonnt die Klatscher hin und her scheuchten und natürlich den Sucher, der nach einer wilden Verfolgungsjagd den Schnatz direkt vor Malfoys Nase wegschnappte. Die Menge war am Jubeln, Gryffindor hatte gewonnen. Alex sprang vor Freude auf und lief aufs Spielfeld. Dort angekommen traf sie auf eine sehr angespannte Situation. Schon im Laufen hatte Alex gesehen, wie Crabbe einen Klatscher nach Ende des Spiels auf Harry geschleudert hatte, jetzt standen Fred, George, Angelina, Katie, Alicia und Harry Malfoy gegenüber, der sie hämisch angrinste.
„Und eure Mutter, die Schlampe. Die hat doch bestimmt schon genug von euch Scheißkerlen.“
Alex glaubte, sie hörte nicht Recht. Redete er gerade über Molly?
„Ich wusste gar nicht, dass Inzucht noch erlaubt ist heutzutage.“
In Alex loderte blinde Wut auf, doch nichts war im Vergleich zu den Zwillingen, die mittlerweile von den Mädels und Harry zurückgehalten wurden.
„Lasst mich los“, Fred wurde von den Mädels gehalten, die ihre Mühe und Not hatten, den Rotschopf fest zu halten. Harry hielt George in Zaun und Alex ging ihm schnell zur Hilfe.
„George! Überhör ihn einfach!“
„Aber er beleidigt Mum.“
„Ja und, seine Mum hat nicht einmal gelächelt, seit diese Mistgeburt von Sohn auf der Welt ist, der soll sich nicht beklagen.“
„Sagt wer?“
Malfoy hat Alex’ letzten Satz mitbekommen gehabt und drehte sich nun höhnisch zu ihr.
„Die Schlampe, die noch nicht einmal Eltern hat und bei ihrer alten Oma wohnt, die nicht mehr alle Tassen im Schrank hat?“
„Oh, du beleidigst meine Grandma, die du nie gesehen hast, wie mutig von dir, Malfoy.“
Alex schaute ihn genauso höhnisch an wie er sie. Da er erkannte, dass sie kein Opfer für sie war, drehte er sich weiter und sah Harry an.
„Und du? Du wärest doch am Liebsten selber einer von diesen Blutsverrätern! Diese Schlammblutliebhaber. Freust dich wohl, wenn diese fette Wachtel dich in den Arm nimmt, was? Fühlst du dich wie bei Mami? Würdest wohl auch gerne in einem Drecksloch wohnen, ist bestimmt gemütlicher als bei dir, was?“
Malfoy lachte laut auf, doch das war entschieden zu viel. Harry hielt George nicht mehr zurück, sondern beide rannten auf den etwas erstaunt dreinblickenden Malfoy los und begruben ihn unter sich. Harry gab ihm eine Rechte, George schlug ihm in den Magen. Alex versuchte, ihren Zorn zu zügeln. In diesem Moment kamen Professor McGonagall und dahinter Dolly an und McGonagall schrie lautstark:
„Auseinander!“
George hatte eine blutige Lippe, Harry ein angeschwollenes Auge, doch Malfoy sah noch schlimmer aus. Seine Nase und Lippe bluteten, er hielt sich stöhnend den Magen und sein Auge lief blau an.
„Was fällt Ihnen beiden ein?“
McGonagall hatte sich zu ihrer vollen Größe aufgerichtet und sah bedrohlicher aus denn je.
„In mein Büro, Sofort!“
Sie schaute böse in die Runde und die Zwillinge, Harry und Malfoy schlurften hinter den beiden Professoren her.
Alex gesellte sich stink wütend zu den drei anderen Spielerinnen und sie schauten finster umher. Am Liebsten hätte Alex alle Zaubersprüche und Flüche, die sie konnte, auf diesen Malfoy abgefeuert, aber sie wollte die Situation nicht noch schlimmer machen, als sie sowieso schon war. Stattdessen ging sie langsam zum Schulgebäude hoch, mit all den anderen Schülern, die über das Spiel diskutierten und alle so schrecklich gute Laune hatten. Im Gemeinschaftsraum ließ sie sich seufzend auf ein Sofa fallen und schnappte sich ein Buch. Konzentrieren konnte sie sich allerdings kein bisschen und ihre Laune wurde auch nicht besser. Doch wie fast schon erwartet, kam alles noch ein wenig schlimmer als bisher. Nach einiger Zeit öffnete sich das Portraitloch und die drei Gryffindor kamen hinein, mit einem Gesichtsausdruck, der allen signalisierte, dass sie in Ruhe gelassen werden wollten. Ohne ein Wort zu sagen, verschwanden die Zwillinge in ihrem Schlafsaal und Harry ließ sich auf einen Sessel neben Ron und Hermine fallen. Alex bekam mit, wie er verkündete, dass er und die Zwillinge lebenslanges Spielverbot aufgebrummt bekommen hätten. Mit laut klopfendem Herzen saß Alex da und starrte abwesend auf ihr Buch. Es zerriss sie fast, dieses überkommende Gefühl der Wut, was sich mehr und mehr steigerte. Diese Umbridge! Diese verfluchte Tante! Angelina platzte ebenfalls fast vor Wut und sie wollte hoch zu den Zwillingen laufen. Alex rief laut:
„Angelina. Bleib hier!“
Angel sah sich irritiert und noch mehr verärgert (wenn das überhaupt noch ginge) um und sah zu Alex, die einfach nur stumm den Kopf schüttelte.
„Was soll das?“ Sie kam wutschnaubend auf Alex zu und baute sich vor ihr auf.
„Ich will mit ihnen reden.“
„Wenn du mit reden meinst, dass du sie anschnauzen willst, weil sie unabsichtlich aus dem Team geflogen sind, dann lass es.“
„Was…?“
Sie war kurz vorm Ausrasten, Alex wusste, dass sie nichts für ihr Temperament konnte, doch sie konnte ebenfalls die Gefühle ihrer besten Freunde erraten.
„Lass sie. Sie müssen erst einmal selber darauf klar kommen. Du wirst sie nicht aufmuntern können, wenn du sie jetzt anbrüllst.“
„Willst du mir etwa vorschreiben, ob ich zu meinem Freund gehen darf oder nicht? Und du darfst es?“
In Alex’ Körper pochte das Blut in den Venen, sie war sauer auf Angel und auf Umbridge und musste mit aller Macht ihre Wut unterdrücken. Ihre Stimme zitterte jetzt leicht.
„Hör mir zu…“
„Du kannst mir nichts verbieten!“
„Das hat auch niemand vor, ich meine lediglich…“
„Du kannst mich mal, ich werde da jetzt hoch gehen, mir doch egal was du sagst, das ist immerhin mein Team und mein Freund, verstanden! Ich weiß schon, was ich tue!“
Und Alex rastete aus. Sie sprang auf, baute sich zu ihrer vollen Größe vor ihrer Freundin auf und stemmte ihre Hände, zu Fäusten geballt, in ihre Hüfte. Ihre Augen funkelten bedrohlich und sie sah wirklich zum Fürchten aus. Dennoch schrie sie nicht, sondern redete mit nur leicht erhobener, jedoch kaum noch kontrollierter Stimme.
„Angelina Johnsson!“
Angel sah sie erstaunt an, denn so war Alex noch nie gewesen.
„Ich würde dir niemals verbieten zu deinem Freund zu gehen, da habe ich nicht die Berechtigung zu und werde sie auch niemals einfordern. Aber ich kann sehr gut nachempfinden, wie es ihnen gerade geht, schließlich sind wir seit Jahren die besten Freunde und haben schon verdammt viel miteinander durchgemacht. Und außerdem kenne ich dein Temperament und so lieb du die beiden auch hast, besonders George, würdest du in diesem Moment leider nicht vergessen können, dass du der Kapitän der Mannschaft bist und du gerade drei sehr wichtige Spieler verloren hast. Deshalb verbiete ich dir nicht, ich bitte dich darum, den beiden erst einmal etwas Zeit zu geben, damit sie selber diese Tatsache verdaut bekommen, sie spielen immerhin seit sechs Jahren Quidditch und wenn so eine daher gelaufene Zimtzicke wie Dolly ankommt und es ihnen verbieten will, dann kann das ziemlich hart sein. Mehr verlange ich nicht, als ein bisschen Zeit.“
Und damit drehte sie sich um und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum. Sie hatte ihre Stimme beherrschen können, aber sie hatte auch gemerkt, wie sie ein seltsames Gefühl durchströmt hatte. Es war das gleiche Gefühl gewesen, was sie spürte, wenn sie zauberte. Leicht verwirrt, mit klopfendem Herzen und immer noch sauer ging Alex durch die Gänge, bis sie schließlich zum großen Tor kam. Sie wollte frische Luft und ging hinaus. Als sie sicher war, dass sie keiner bemerkte, verwandelte sie sich in den silbernen Wolf und lief los. Einfach geradeaus. Zum See hinab. Einmal halb herum. An Hagrids Hütte vorbei, in der noch Licht schien. Die kühle Luft, die ihr um die Schnauze strich, tat wunderbar gut und Alex genoss die herbstliche Frische. Nach einer Stunde war sie erschöpft. Sie trottete zum Schloss zurück und verwandelte sich in einer dunklen Ecke. Schweißbedeckt betrat sie die Eingangshalle und blieb überrascht stehen. Professor Dumbledore stand oben auf der obersten Stufe der Treppe und lächelte sie über seine Halbmondbrille hinweg an.
„Guten Abend, Alexandra.“
„Nabend, Professor.“
Sie atmete schwer, der Lauf war sehr anstrengend gewesen im Nachhinein. Außerdem war sie gerade vom Schulleiter erwischt worden, wie sie nachts auf den Länderein herum lief. Missmutig ging sie die Treppen hinauf und sah dann in Dumbledores Gesicht. Doch er lächelte immer noch, er zeigte keine negative Reaktion auf ihr falsches Benehmen.
„Es tut mir Leid, Professor.“
Sie senkte den Kopf und starrte auf ihr Abzeichen. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können?
„Was denn?“
Sie schaute verwirrt in das ältere Gesicht.
„Na, dass ich so spät noch draußen herum gelaufen bin.“
„Kommen Sie doch einmal mit mir.“
Alex runzelte die Stirn und folgte dem Mann, der sie geradewegs zu seinem Büro brachte. Was hatte er nur vor?
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