von Roya
10. Das vierte Schuljahr
Alex kam erschöpft zu Hause an und schmiss sich sofort in ihr warmes Bett. Während sie so da lag, huschten viele Gedanken und Erinnerungen durch ihren Kopf. Charly sprang auf ihren Bauch und ließ sich schnurrend von ihr den Rücken kraulen. Morgen war schon wieder der 1. September. Alex dachte an die vergangenen zwei Monate zurück. Nachdem sie sich wieder eingelebt hatte nach ihrem ersten Jahr in Hogwarts, der Zaubererschule, hatte sie sich oft mit den Zwillingen getroffen. Anfangs war sie noch etwas mürrisch, da die beiden sie schließlich das ganze Schuljahr wenig beachtet hatten, ließ sie aber in dem Glauben, dass sie sie durchschaut hatten und nur zu ihrer Gunst allein gelassen hatten. Mittlerweile hatten sie schließlich Recht. Alex war sehr gerne in ihrer Ecke im Gemeinschaftsraum und lernte gern, sie war sehr neugierig und wollte noch so viel machen und lernen.
Damit sie nicht die gesamten Ferien auf ihrem Zimmer hocke, hatten die Jungs sie oft zu sich eingeladen oder sie waren lange Zeit in der Gegend herumgelaufen. Einmal hatten sie sogar gezeltet. Es waren zwei wunderbare Monate gewesen, die besten Ferien, die Alex jemals gehabt hatte. Mit Kevin und seinen Freunden hatte sie absolut keine Probleme mehr, da sie immer mit den Zwillingen unterwegs war. Vor einigen Tagen waren sie wieder alle zusammen in der Winkelgasse gewesen und haben die neuen Bücher gekauft. Ginny würde dieses Jahr in die Schule kommen und sie freute sich tierisch.
Etwas besorgt blicke Alex ja schon in die Zukunft. Schließlich war das letzte Jahr nicht so verlaufen, wie sie es sich erhofft hatte. Selbst wenn die Jungs sie nicht beim Lernen stören wollten, sie hätte sehr gerne ihre Gesellschaft, da sie sich in den Ferien so super verstanden hatten. Aber das Mädchen hatte sich schon etwas überlegt. Auch wenn sie den Trubel nicht so sehr mochte, wollte sie sich in Zukunft auch mal öfter zu den Jungs gesellen, vielleicht würde sie auf diesem Weg ja auch noch Freunde gewinnen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf schlief Alex lächelnd ein.
Ginny wurde nach Gryffindor eingeteilt, was niemanden verwunderte. Alex saß zwischen Fred und George und beteiligte sich zu ersten Mal an den Gesprächen. Und was sie verwunderte war, dass es ihr sogar gefiel. Mandy saß zum Glück am anderen Ende des Tisches und starrte ab und zu mit säuerlicher Miene zu ihnen hinüber.
Alles in allem konnte man also sagen, dass es ein guter Beginn für das vierte Schuljahr war. Leider bliebe es nicht so, aber das wäre ja auch zu schön gewesen.
Eines Tages fand man des Hausmeisters Katze versteinert im Gang und an der Wand stand geschrieben: „Die Kammer des Schreckens wurde geöffnet.“
Nach und nach versteinerten einige Schüler und auch ein Geist. Die Stimmung in der Schule wurde immer bedrückter. Eines Tages, auch wenn das makaber klingt, ereignete sich etwas scheinbar Gutes für Alex. Die Jägerin von Gryffindor, Katie Bell, wurde versteinert, so dass das Quidditch Team eine neue Jägerin brauchte, bis die Versteinerten wieder gesund wären. Die Auswahl fand an einem Samstagvormittag statt. Es hatten sich etwa zwanzig Schüler und Schülerinnen für das Amt gemeldet und nachdem über die Hälfte schon dran war und ihre Sache ziemlich schlecht gemacht hatte, war Alex an der Reihe. Sie hatte auf Drängen und Bitten der Zwillinge eingewilligt, bei der Auswahl mitzumachen. Natürlich hatte sie Lust, Quidditch zu spielen, sie hatten in den Ferien sehr oft gespielt, aber sie fand es unfair und irgendwie moralisch falsch, sofort nach Katies „Ausfall“ jemand neues zu wählen.
„Foxley!“
Alex zuckte zusammen und schreckte aus ihren Gedanken hoch. Sie fasste mit ihrer rechten Hand noch fester um ihren Besenstiel und setzte sich dann drauf. Über sich sah sie das riesige Quidditchfeld mit den sechs Torpfosten und den Ringen in zwanzig Metern Höhe. Dort kreiste Oliver Wood, der Sucher und Kapitän der Gryffindors, um die Tore. Alicia und Angelina schwebten davon in der Luft, bereit, sie abzufangen. Alex stieß sich vom Boden ab und schnappte sich den Quaffel, den Fred ihr grinsend entgegen warf. Konzentriert flog Alex auf die Torringe zu und wich zuerst Angelina, dann Alicia aus, um danach direkt vor Wood zu schweben. Sie holte noch im fliegen aus und vollführte ein Ablenkungsmanöver, dass es so aussehen ließ, als ob sie nach rechts werfen würde. Doch stattdessen flog der Ball auf den linken Torbogen zu. Wood reagierte nicht schnell genug und der Quaffel flog zu Alex´ Freude im hohen Bogen durch das Tor. Grinsend flog sie hinab, um sich von Fred und George gratulieren zu lassen. Dann schauten sie dem Rest zu, der mehr oder weniger schlecht flog. Die einzige, die noch gut flog und auch neben Alex die einzige war, die ein Tor schaffte, war ausgerechnet Mandy. Sie hatte schon morgens beim Anziehen geprahlt, dass sie auf diesen Augenblick lange gewartete hatte, endlich in das Team aufgenommen zu werden. Sie war fest davon überzeugt, dass sie gewinnen würde. Als sie erfahren hatte, dass auch Alex mitmachen würde, hatte sie laut gelacht.
„Das schaffst du nie!“
Doch da Alex´ Ansehen in den letzten Monaten gestiegen war, lachte keiner mit. Nur Carol und Holly hatten dumpf mitgelacht, weil Mandy sie böse angeschaut hatte.
„Hoffentlich schafft die Kuh es nicht.“
Alex flüsterte die Worte, doch George hatte sie gehört.
„Keine Sorge, wir haben Mitspracherecht!“
Er schaute das Mädel grinsend an und kurz darauf sammelten sich die Spieler Gryffindors in einer Ecke, um sich zu beraten. Alicia, Angelina, Harry, Fred, George und Oliver redeten lang und erst nach etwas fünfzehn Minuten kamen sie zu der Gruppe der Wartenden, die sie erwartungsvoll anschauten. Oliver räusperte sich.
„Also, wir haben entschieden. So gut wie keiner von euch war hervorragend, das haben wir sofort gesehen. Zwei von euch haben es in die engere Wahl geschafft. Alexandra und Mandy, ihr beide seid klasse geflogen.“
Die beiden Mädchen schauten sich an. Mandy sah Alex mit einem so überheblichen Gesichtsausdruck an, dass Alex richtig schlecht wurde.
„Tja, Süße, das hab ich wohl gewonnen. Die nennen dich nur, damit du dich danach noch mehr ärgerst.“
Zischend kamen diese leisen Worte aus Mandys Mund, so dass nur Alex sie hören konnte. Alex funkelte sie an, sagte aber nichts. Auf dieses Niveau wollte sie sich nicht herablassen. In ihrer Tasche drückte sie beide Daumen, als Oliver wieder zum Sprechen ansetzte.
„Wir haben demokratisch abgestimmt und uns am Ende für Alex entschieden. Danke, dass ihr alle hergekommen seid und euch so angestrengt habt. Vielleicht klappts ja beim nächsten Mal.“
Der Ausdruck auf Mandys Gesicht war kaum zu beschreiben. Sie schäumte vor Wut und rief lauthals:
„Nur weil diese Zwillinge Freunde von dieser kleinen Kuh sind, das nennt ihr fair?“
Sie drehte sich um und ging erhobenen Hauptes Richtung Schloss. Alex beachtete sie gar nicht. Freudestrahlend kamen Fred und George auf sie zu und umarmten sie. Das Mädchen konnte ihr Glück noch kaum fassen. Fred flüsterte ihr ins Ohr:
„Von wegen, nur weil wir dich mögen. Das war eine eindeutige Wahl, Mandy hat mit Null zu Sechs Stimmen verloren.“
Das hob Alex´ Stimmung noch mehr, wenn das überhaupt noch ging. Sie strahlte übers ganze Gesicht und am Abend saß sie mit den Zwillingen am Tisch im Gemeinschaftsraum und sie lachten und feierten mit den anderen Mitgliedern und Freunden.
Also spielte Alex von da an in der Quidditch Mannschaft ihres Hauses und sie war wirklich gut. Das nächste Spiel hatten sie haushoch in der Tasche und es hätte niemanden verwundert, wenn dieses Jahr der Gewinner des Pokals Gryffindor geheißen hätte, wäre da nicht ein Zwischenfall gewesen, der vorerst alles verändern sollte.
„Was? Das Spiel wird abgesagt?“
Oliver schien der Ohnmacht nahe, doch es half nichts. Professor McGonagall starrte finster die sieben Spieler an, die gerade auf dem Weg zum Spielfeld gewesen waren. Alex sah zu den Zwillingen, die verwirrt drein schauten.
„Wenn es nicht einen geringeren Grund gibt, außer dass jemand tot oder verschwunden ist, dann raste ich aus.“
Fred flüsterte leise, so dass ihn nur sein Bruder und Alex hören konnte. Der nächste Satz von McGonagall ließ ihn kreidebleich werden.
„Eine Schülerin ist verschwunden.“
Zurück im Gemeinschaftsraum verbreitete sich die Schreckensnachricht wie der Wind: Die Vermisste war Ginny! Fred war dem Zusammenbruch nahe und zitterte. Er und George saßen zusammen mit Percy in einer Ecke des Gemeinschaftsraumes, Alex saß zusammengekauert neben ihm. Das Mädchen schaute in die Runde und betrachtete die Gesichter ihrer Mitschüler, allein um sich abzulenken von den drei Jungs, die sich gegenseitig anschwiegen und hilflos in die Runde schauten. Selbst Mandy schien es die Stimmung verschlagen zu haben, die sie hatte, kurz nachdem das Spiel abgesagt worden war („Tja, mit mir wäre es nicht so gekommen, ich hätte schon dafür gesorgt, dass wir hätten spielen können. Aber da sie mich ja nicht akzeptieren, ihr Pech!“).
Eine halbe Stunde später fiel Alex erst auf, dass Ron und Harry gar nicht da waren. Wo sie nur steckten? Hoffentlich gab es nicht bald weitere Vermisste. Einer aus der Familie Weasley reichte doch wohl aus. Alex sah wieder zu den Zwillingen hin und fasste kurz entschlossen Freds Hand und drückte sie. Er schaute am schlimmsten aus, es zermarterte ihn, dass er so etwas gesagt hatte.
Mehr konnte sie nicht tun. Es verging eine lange, stille, angespannte Zeit, in der ab und zu McGonagall hineinstürmte, um nach dem rechten zu sehen. Jedes Mal, wenn das Portraitloch aufging, schreckten die Schüler hoch und erwarteten das Schlimmste. Alex versuchte sich abzulenken und dachte über ihr Schuljahr nach.
Sie war wieder sehr gut mit dem Stoff zurecht gekommen, hatte auch in den Abschlussprüfungen gut abgeschlossen, wenn sie auch nicht in allen Fächern die volle Punktzahl bekommen hatte. Doch dies war absolut nicht schlimm, dafür hatte sie sich mehr mit Angelina und Alicia angefreundet und auch die anderen Schüler beachteten sie nun mit mehr Respekt als im vorigen Jahr. Bis vor einigen Stunden war alles okay gewesen. Bis auf die Versteinerten. Während Alex vor sich hin sinnierte, öffnete sich erneut das Portraitloch und ihre Lehrerin kam hinein. Doch etwas war anders.
„Höre mir zu! Wir haben Ginny gefunden und ihr ist nichts passiert!“
Die Zwillinge sprangen auf, Percy schritt zügig auf McGonagall zu.
„Ist das wahr? Wo ist sie? Was ist passiert?“
Doch ihre Lehrerin schüttelte den Kopf. Sie wies sie mit einer Geste an, ihr zu folgen. Die anderen schickte sie zu Bett. Was keiner tat. Alle saßen bis zum Zerreißen gespannt weiter im Gemeinschaftsraum und warteten. Nach einer halben Stunde kamen die Drei mit Harry und Ron im Schlepptau wieder zurück. Bis auf Fred und George gingen alle schnurstracks Richtung Schlafsaal. Die Zwillinge setzten sich zu Alex und Lee und erzählten leise, was passiert war. Da die anderen nichts mitbekamen, gingen sie bald zu Bett und es wurde ruhiger im Raum. Alex fiel den Jungs um den Hals, als sie aus ihrem Mund hörte, dass alles okay war. Spät gingen sie zu Bett.
Das Schuljahr war schnell zu Ende. Die Versteinerten wurden erlöst und Ginny ging es auch wieder besser. Bevor sie es sich versah, saß Alex zusammen mit den Zwillingen und Lee im Zug Richtung London. Sie schaute aus dem Fenster und betrachtete die immer schneller vorbei ziehende Landschaft.
„Bist du jetzt sehr traurig?“
Sie schreckte auf und wusste nicht, wovon George redete.
„Na, dass du nicht mehr Jägerin bist, jetzt wo Katie wieder aufgewacht ist.“
„Ach das meinst du. Ich fand es klasse, mitspielen zu können, aber es war ja von Anfang an klar, dass es nur für eine gewisse Zeitspanne ist, deshalb war ich drauf eingestellt.“
Ja es stimmte, sie hatte gewusst, dass Katie wieder kommt und sich nichts vorgemacht. Dennoch war sie traurig, denn das Spiel hat sie näher zu ihren Mitschülern gebracht. Doch daran konnte man jetzt auch nichts mehr ändern. Während Alex noch am grübeln war, öffnete sich die Abteiltür und die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Mandy stand im Türrahmen, blickte einmal verächtlich zu Alex und sagte dann zu den Zwillingen gewandt:
„Hey, Fred, George, ich wollte nur wissen, ob es eurer Schwester wieder besser geht? Sie sah ja sehr mitgenommen aus, nach der Sache.“
Stille. Alex wollte ihren Ohren nicht trauen. Seid wann interessierten Mandy die Gefühle anderer Personen? Auch Fred und George sahen erstaunt zu dem nun lächelndem Mädchen hin, dann fasste sich Fred wieder.
„Ihr geht es schon wieder besser, danke.“
„Da bin ich ja beruhigt. Dann wünsche ich euch beiden noch schöne Ferien!“
Und weg war sie wieder. Alex war der scharfe Unterton nicht entgangen, mit dem Mandy sie und Lee absichtlich ignoriert hatte, sie brodelte.
„Was war das? Da scheint unsere verehrte Mandy ja einen Besinnungswechsel vollzogen zu haben.“
Die Jungs schauten alle drei überrascht, jedoch nicht annähernd beleidigt oder sauer, sie schienen die bissige Bemerkung nicht mitbekommen zu haben. Alex blieb still und streichelte ihren Charly, der mittlerweile richtig groß geworden war.
In Kings Cross angekommen, wurden sie von Mr und Mrs Weasley begrüßt und noch jemand stand da am Bahnhof.
„Remus!“
Alex rannte zu dem alt wirkenden Mann hin und umarmte ihn.
„Wie geht es dir?“
Remus lächelte und betrachtete Alex von oben bis unten.
„Gut siehst du aus. Mir geht es ganz gut, wir hatten ja gerade erst Vollmond.“
Letzteres flüsterte er und zwinkerte ihr zu, was ihr ein Grinsen entlockte.
„Was machst du denn hier?“
„Ach, ich dachte, ich erzähle dir von meinem neuen Job.“
„Der da wäre?“
„Dumbledore hat mir die Stelle als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste angeboten, da er schon letztes Jahr Probleme hatte, jemanden zu finden und da Lockhardt leider im Sankt Mungo verweilt, schickte er mir eine Eule. Und ich nahm an, da ich im Moment nicht gerade gut bei Kasse bin.“
Alex strahlte über das ganze Gesicht.
„Klasse!“
„Ich muss dann jetzt auch schon wieder los, da ich mit Dumbledore verabredet bin, um schon einmal den Lehrplan zu besprechen.“
Alex verabschiedete sich und versprach, auch weiterhin Briefe zu schreiben, wie sie es schon das ganze Jahr über getan hatte. Dann verließ sie mit der Familie der Weasleys den Bahnhof und kam einige Zeit später glücklich zu Hause bei ihrer Grandma an.
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