von Xaveria
Albus folgte Severus durch die Korridore, spürte, wie die Wärme des Schlosses wieder zurück in seine alten Knochen schlich. Vielleicht war es nur Harrys störende Gegenwart im Garten gewesen, die ihn so nervös gemacht hatte, aber präziser, alter Zaubererinstinkt, welcher jetzt nach seiner Aufmerksamkeit verlangt hatte, hatte ihn für eine sehr lange Zeit am Leben erhalten.Schleichend kam er zum Stehen und ließ Severus ohne ihn weitergehen. Seine Augen schließend, um sich vor jeglichen Ablenkungen zu schützen, sandte er seine Sinne zu den Schutzzaubern des Schlosses aus. Die Zauber waren jetzt ruhiger, ohne die erbitterte Unruhe von vorhin, aber es befand sich noch immer eine unterschwellige Qual in ihnen. Dennoch rührte sich gleichzeitig nichts, was das Schloss um diese Zeit störte.
„Merkwürdig.“ Das Wort hallte schwach vom Korridor zurück.
Mit einem Kopfschütteln verwarf er das Gefühl und machte sich wieder auf den Weg. Severus hatte weder angehalten, noch hatte er für ihn seinen Schritt verlangsamt, also hatte Severus in der Zeit, in der Albus unten im Kerker angekommen war, ein Feuer im Kamin angezündet und durchlief methodisch die Teezubereitung.
Während sich Albus in seinen gewohnten Ohrensessel setzte, beobachtete er Severus, bemerkte die unverkennbaren Anzeichen von Stress in der Anspannung der Schultern des Mannes und seinen dunklen Augenringen. Ein Teil dieser Anspannung konnte Tom zugeschrieben werden, aber er wusste ein Teil davon hatte mit dem Abbruch von Severus Beziehung zu Hermine Granger zutun. Habe ich das Richtige getan, in dem ich Miss Grangers Einfluss entfernt habe? Dass das Mädchen Severus neues Leben eingehaucht hatte, stand außer Frage und doch konnte er den Gedanken, dass das Mädchen irgendwie gefährlich war, nicht abschütteln.
Die Krux von allem kam letztendlich auf eine einfache Tatsache, dass er keine Änderung in seinen seit über Jahrzehnten ausgearbeiteten Plan zulassen konnte. Zu viel ruhte auf diesen Plänen, zu viel stand auf dem Spiel und wie immer war Severus Teilnahme entscheidend.
Zweifel plagten ihn, wenn er Severus so sah. Er hatte Mirandas neue Wahrscheinlichkeit der Matrix gesehen. Er hatte seine Eigene, noch immer verdeckte, gesehen, wie sie darin schnell irgendwelche Wahrscheinlichkeiten manipulierte. Nicht, dass er es als Manipulation per se betrachtete. Es war nicht mehr oder weniger seit er seit der Nacht, in der Sybil Trelawny die Potter Prophezeiung sprach, getan hatte. Es war nicht unbedingt so, als ob seine Zweifel vollkommen neue waren. Er hatte Zweifel in der Nacht, in der er Harry bei den Dursleys gelassen und Severus‘ Eid abgenommen hatte. Dieselben Zweifel waren jedes Jahr erneut aufgetaucht, wenn er dabei zusah, wie der Junge bei einer Familie aufwuchs, die ihn bestenfalls tolerierte und ihn schlimmstenfalls hasste. Er hatte solch eine Angst gehabt, dass aus Harry, wenn er bei den Dursleys blieb, ein weiter Tom heranwachsen würde. Aber er hatte keine Zweitgedanken zugelassen, denn trotz all seiner Zweifel, gab es noch immer keinen anderen Rückzug und niemand anderen, der die Entscheidungen traf. Niemand wollte seine Entscheidungen fällen.Niemand wollte Farbe bekennen. Niemand wollte andere in etwas schicken, was sich als den sicheren Tod herausstellen würde.
Es war eine schwere Entscheidung gewesen Harry abzugeben und der Junge hatte die volle Wucht seiner Entscheidung ertragen müssen. Und doch, am Ende, wenn er Harry zu sich genommen und aufgezogen oder zu den Weasleys gegeben hätte, zweifelte Albus, dass Harry die erste schicksalhafte Begegnung mit Quirrell überlebt hätte. Die schweren Entscheidungen hatten sich bewährt und er hatte wieder einmal recht behalten. Harry war durch seine Prüfungen stärker und mitfühlender geworden. Und während manche vielleicht der Meinung waren, dass der junge Harry dadurch ebenfalls angreifbarer und abhängiger geworden war, wusste Albus, wenn die Zeit reif war, sich Tom gegenüberzustellen, dann würde es diese Entbehrungen sein, mit denen Harry aufgewachsen war, die Liebe, die ihm den größten Teil seines Lebens verweigert worden war und nach der er sich jetzt so sehnte, die ihn bis zum Ende bringen würde.
Albus bemerkte das leichte Zittern in Severus Händen, als der Mann seinen Tee mit bedachten, kontrollierten Bewegungen umrührte. Severus. Er war Harry in so vielen Dingen ähnlich und keiner von ihnen war gewillt sie zu sehen, nur ihre Unterschiede. Wenn Harry, abgehärtet durch das Feuer seiner Jugend hier in Hogwarts, mit derselben Charakterstärke und Wollen von Severus ins Erwachsenendasein wuchs, dann hatte Albus nur noch wenige Ängste für die Zukunft seiner Welt. Aber im Hier und Jetzt schmerzten ihn manchmal die Dinge, die er von dem Mann und dem Jungen verlangen musste, aber er konnte es nicht riskieren, dass auch nur einer von ihnen ihn im Stich ließ.
„Severus?“
Die Löffelbewegung wurde langsamer, bis sie schließlich mit einem Klirren von Metall gegen gebrechliches Porzellan zum Halt kam. Ohne auch nur einen Schluck zu nehmen, stellte Severus die Tasse zur Seite, schloss seine Augen und lehnte seinen Kopf zurück gegen den Sessel. Er sprach zur gewölbten Decke über ihnen, seine Stimme leer und angespannt.
„Ich habe gewusst ... wir haben gewusst“, verbesserte er, „dass der Dunkle Lord noch andere Pläne schmiedete. Ich habe auch gewussst, dass mein Platz an Seiner Seite Grund erheblicher Eifersucht unter den anderen Todesser war. Heute Nacht kam die Instrumentierung und endgültige Darbietung von Thorfinn Rowles Lehenstreue, ausgetragen unter dem absoluten Wissen des Dunklen Lords.“
„Die Häftlinge?“
Severus öffnete kurz seine Augen, bevor er sie wieder schloss. „Ihr Zweck war genau der, den Sie vermutet hatten – eine Ablenkung für die Öffentlichkeit, ein Weg, um Angst und Einwilligung in der allgemeinen Bevölkerung zu installieren, während der Eindruck hinterlassen wird, dass“ – ein spöttisches Lächeln verzog Severus‘ Lippen – „das Ministerium in Wirklichkeit etwas Produktives tut.“
Albus nickte, auch wenn Severus ihn nicht sehen konnte. „Nach dem heutigen Abend wird die Zauberwelt dem Ministerium alles geben, um was es bittet, mit wenigen, wenn überhaupt, irgendwelchen Fragen oder Einwänden.“
„Ich kann Ihnen nicht jeden sagen, der gefallen ist oder überlebt hat. Ich werde Ihr Denkarium brauchen, um alle Erinnerungen zu sortieren. Das wird noch ein paar weitere Namen liefern, aber ...“ Severus verstummte und schnappte dann abgehakt nach Luft. „So viele Dinge geschahen auf einmal.“ Wieder öffnete er kurz seine Augen, bevor sie sich wieder schlossen. „Molly Weasley ist tot. Sie fiel nur wenige Meter von mir. Ich habe Arthur nie gesehen, also vermute ich, dass er noch lebt. Ich weiß nichts von Aberforth. Weder Tonks noch Kingsley waren dort, weder als Auroren oder als Gefangene, also ist ihr Status vermutlich noch sicher. Madame Bones ist tot.“
Ein Schütteln erfasste Severus gesamten, dünnen Körper. Albus schwieg, sehr wohl vertraut mit Severus inneren Kämpfen. Dann, während Albus ihn beobachtete, fand eine unterschwellige Verwandlung statt und die angespannten Gesichtszüge und Körperhaltung verschwanden wie von Zauberhand aus Severus‘ Körper. Abrupt setzte er sich in seinem Stuhl auf, Severus öffnete seine Augen und diesmal blieben sie offen. Er griff mit einer Hand, die nicht mehr länger zitterte, nach seinem abgekühlten Tee. „Wir müssen jetzt Pläne schmieden, heute Nacht. Sie werden morgen früh aktiv werden.“
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Hermine kämpfte mit ihrer Atmung, als die kalte Nachtluft ihre Lungen abkühlten. Sie waren alle tot. Diese armen Menschen. Die Ordensmitglieder. Mrs. Weasley. Was sollte sie nur Ron und Ginny sagen? Was war mit Harry? Der körperliche Schmerz in ihrer Brust schien auszubrechen und sich in jeden Körperteil auszubreiten. Sie wollte nichts weiter als sich in dieser ruhigen und zugefrorenen Gartenecke zusammenrollen und sich ihr Herz ausweinen, aber das konnte sie nicht. Sie musste es den anderen erzählen. Oh Gott, wie soll ich es ihnen nur sagen? Das ungeheure Ausmaß der Neuigkeiten, die sie verbreiten musste, überwältigte sie; Gefühle und Gedanken vermischten sich in ihren Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie in diesem kleinen, verlassenen Garten gekauert hatte, um einen einfachen Weg zu finden das Unmögliche zu sagen. Als sie endlich erkannte, dass es keinen guten oder einfachen Weg gab, das zu sagen, was sie sagen musste, stolperte sie auf ihre eiskalten Füße. Mit klappernden Zähnen und Fingern so taub, dass sie nicht mehr gehorchen wollten, zog Hermine den Tarnumhang enger um sich herum. Konzentriert einen Fuß vor den anderen zu setzen , ging sie zurück ins Schloss.
Der Gang durch Hogwarts schien gleichermaßen ewig anzuhalten und viel zu früh vorbei zu sein. Sie fand sich vor dem Gemälde der fetten Dame stehen, ohne genau zu wissen, wie sie dorthin gekommen war. Sie starrte das Gemälde einen langen Moment an, und erkannte, dass sie zum ersten Mal in all den Jahren in diesem Schloss, sich nicht an das Passwort erinnern konnte. Sie ließ den Umhang von ihrem Kopf auf ihre Schultern fallen und sagte das Einzige, was für sie einen Sinn ergab. „Mir ist kalt.“ Die fette Dame, die schnarchend in ihrem Sessel gesessen hatte, öffnete ein Auge bei dem Geräusch und schrie kurz auf, als sie die halbe Erscheinung vor sich sah.
Hermine zitterte. „Mir ist kalt“, wiederholte sie.
Gemalte Augenbrauen verschwanden in ihrem Haar, und die fette Dame beugte sich vor, um sie genauer zu betrachten.
„Das ist nicht das Passwort, Liebes. Ich befürchte du brauchst--“ Das Gemälde stoppte, als ein mattfarbiger Satyr aus einem Bild aus der Haupthalle in ihren Rahmen sprang und ihr wild etwas ins Ohr flüsterte, während sie die ganze Zeit einen ernsten Blick auf Hermine hielt.
„Oh... oh“, sagte die Dame, und sie selbst ihre Augen aufriss, als sie weiter dem Geflüsterten lauschte. Nachdem der Satyr fertig war, war der sonst so freundliche Ausdruck der Dame zusammengekniffen und bleich. „Vergiss das Passwort, Liebes. Ich weiß, dass du hier richtig bist. Komm rein.”
„Danke“, sagte Hermine schwach, als die Tür aufschwang.
Hermine ging zu den unteren Stufen, die sie hinauf auf die Seite der Jungen führen würde, nur um vergeblich gegen eine unsichtbare Sperre zu laufen. Tränen des Frustes rannen über ihre Wangen. Sie war so nahe. Sie musste nur noch ein Stückchen weiter. Sie legte eine Hand auf die Steinwand. „Bitte“, hauchte sie. „Bitte, lass mich vorbei.“
Noch mehr Tränen, diesmal des Dankes, rannten über ihr Gesicht, als die Sperre aufgehoben wurde und sie vorbeiließ. Langsam kletterte sie die Treppen hinauf, war jetzt auf derselben Ebene, auf der sich ihr Zimmer befand, aber einmal dort, blieb sie verwirrt stehen. Sie drehte sich bedächtig und betrachtete die geschlossenen Türen in der gekrümmten Wand. Sie hatte keine Ahnung, welche Tür zu Ron und Harrys Zimmer führte.
„Psst!“
Hermine zuckte bei dem unerwarteten Geräusch zusammen und entspannte sich, als sie den Satyr in der Ecke eines anderen Bildes, in dem sich zwei Ringer bekämpften, erkannte, und die in ihrem Kampf innehielten und sie neugierig anstarrten.
„Suchst dein‘ Freunde, nich‘?“
Sie nickte.
„Dachte ich mir. Die dritte Tür, Missy.“
„Danke“, sagte sie mit einem fahlen Lächeln.
Der Satyr nickte ihr ernst zu und zeigte dann mit seinem Kopf auf die Türen. „Weiter mit dir.“
Nachdem sie die richtige Tür gefunden hatte, drückte sie sie auf. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür musste laut genug gewesen sein, dass Dean, der seine Vorhänge zurückgezogen hatte, sich müde aufsetzte.
„Wa-?“
Hermine nahm einen weiteren Schritt, ihre Schuhe kratzten über den Boden. Bei diesem Geräusch verschwand jeglicher Schlaf aus Deans Augen und er hielt plötzlich seinen Zauberstab in der Hand, die Spitze wedelte zwischen den Schatten hin und her. „Wer ist da?“, rief er, augenblicklich gefolgt von: „Ron, Harry, Neville, aufwachen! Jemand ist in unseren Zimmer.“ Drei Köpfe und Zauberstabspitzen tauchten hinter den zugezogenen Vorhängen auf.
Dean und seine Schreie verfluchend, ließ Hermine den Umhang von ihren Schultern fallen. „Seid ruhig“, zischte sie. „Wollt ihr etwa jeden wecken?“ Dean riss bei Hermines plötzlicher Erscheinung und ihrem heftigen Ton weit die Augen auf, aber er schloss mit erfreulicher Bereitwilligkeit seinen Mund.
Harry fuhr mit einer Hand über sein Gesicht und richtete seine Brille.
„Hermine, was machst du hier?“
„Denke, eine viel bessere Frage ist, wie bist du überhaupt hier rein gekommen?“, fragte Ron verwirrt und mit so etwas wie Bewunderung. „Nicht einmal Fred und George schafften es die Zauber zu durchbrechen, die die Jungens auf der einen Seite des Turmes und die Mädchen auf der anderen hielten.“
„Ich ...“ Sie verstummte, nicht in der Lage, die Worte zu sagen, die in ihrem Hals feststeckten.
Es war Neville, der die Lähmung durchbrach. Nachdem er aus dem Bett geklettert war, legte er vorsichtig eine Hand auf ihren Rücken. „Hermine, du bist eiskalt.“ Die Berührung und die Sorge in seiner Stimme ließ sie auf ihre Knie fallen.
„Hermine!“
Ihr Zusammenbruch holte die anderen ebenfalls aus ihren Betten und sie knieten sich um sie herum, ihre Stimme überlappten sich in ihrer Dringlichkeit, mit Fragen, die sie nicht beantworten konnte und ihr bereits kreisender Kopf begann zu schmerzen. Sie verspürte unglaubliche Dankbarkeit, als Harrys Geduld endlich riss. „Ruhe! Alle, haltet die Klappe!”
Zum Glück wurden alle ruhig.
„Hermine, was machst du hier?“ Harrys Stimme war jetzt sanft, ein leises Summen, welches man mit einem wilden Tier benutze, von dem man nicht wusste, wie es sich verhalten würde. Sie hegte den flüchtigen Gedanken, dass sie beleidigt sein sollte, aber ehrlich, alles, was sie spürte, war der Trost seiner leisen Stimme.
Sie fand nicht den Mut ihnen in die Augen zu blicken, besorgt, dass wenn sie es tat, sie niemals die Worte aussprechen könnte. So begann sie mit zusammengedrückten Händen, zu sprechen. Es kam stockend, mit Weinkrämpfen, bis sie schließlich in einem heiseren Flüstern die Liste der Toten sprach. Erst dann hob sie ihren Kopf und ihren Blick. Sie fand vier gänzlich schockierte Gesichter, die sie anstarrten, während die Tränen ungeniert über ihr Gesicht liefen. Im nächsten Moment wurde sie von Rons Armen umschlungen, ihr Kopf gegen seine Schulter gedrückt, seine Finger umfassten ihr Shirt.
Sie verharrte eine lange Zeit in dieser Position, in der sie sich einfach an die feste Normalität von Ron klammerte, aber egal wie sehr sie sich auch wünschte, dort zu bleiben, wusste sie, dass sie es nicht konnte.
Als sie schließlich ihren Kopf von Rons Schulter hob, war es Neville, der ihren Blick traf. Seine Augen waren ebenfalls rot unterlaufen, aber fest und sie wurde plötzlich daran erinnert, dass durch eine Laune des Schicksals er der Auserwählte hätte sein können, dem es bestimmt, war gegen Voldemort zu kämpfen. „Wir müssen Pläne machen“, sagte er. „Morgen wird es übel werden.“
„Was ist mit Ginny?“, fragte Harry. „Wir müssen ...“ Seine Worte verstummten, als er hinüber zu Ron blickte.
„Wir müssen es ihr sagen. Ron, du musst es ihr sagen.“
Ron erbleichte bei Harrys Worte, noch viel markanter durch seine Sommersprossen zu erkennen. Er sagte nichts, sondern nickte einwilligend. Hermine kletterte wieder auf ihre Füße. „Ich werde sie holen und bringe sie runter in den Gemeinschaftsraum. Dort werde ich euch treffen.“
„Sollten wir sie nicht lieber hier hochbringen?“, fragte Dean.
Hermine schüttelte mit dem Kopf. „Ich glaube nicht, dass ich es kann. Ich weiß nicht-“ Sie schüttelte erneut mit dem Kopf. Jetzt war nicht der Zeitpunkt ein mitfühlendes Schloss zu erklären. „Unten wäre besser.“
Sie stieß sich auf ihre Füße und verließ die Jungs, als sie die Treppen hinunter und hinüber zum Turm der Mädchen eilte. Sie kümmerte sich nicht darum in Ginnys Zimmer zu schleichen, sondern ging einfach hinein und schüttelte das andere Mädchen. Als Ginny verschlafen blinzelte, flüsterte Hermine: „Komm mit.“ Als das jüngere Mädchen so aussah, als ob sie zum Protest ansetzen wollte, wiederholte Hermine ihren geflüsterten Befehl. Diesmal schwang Ginny ihre Beine über die Bettkante.
Nachdem sie ihren Bademantel geschnappt hatte, folgte sie Hermine stumm, bis sie die Treppen erreicht hatte. Dann begannen die Fragen. „Hermine, was ist lost? Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Wohin gehen wir? Wirst du wohl-?” Die Fragen des jüngeren Mädchens und ihre Schritte stoppten, als sie die letzte Stufe genommen und die kleine Gruppe von Harry, Ron, Dean und Neville auf sie wartend sah.
„Was ist los, Ron?“
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Ginny zu sagen, dass Molly Weasley tot war, war für alle ein erneuter Zusammenbruch. Aber Hermine war froh zu sehen, dass, als Ginny sich an Harry wandte, er sie in seine Arme schloss und sie hielt, während sie weinte. Und als die Tränen versiegt waren, hielt Ginny fest an Harrys Hand fest. Die sechs von ihnen redeten lange über das was sie tun und was sie nicht tun sollten. Sie kreisten endlos um das Thema aber hatten noch immer keine Antwort, als die Morgendämmerung durch die Fenster brach. Harry wollte wörtlich und im übertragenen Sinne durch das Schloss stürmen. Ron riet zur Informationssammlung bevor sie irgendwas taten.
Hermine saß hauptsächlich schweigend da und ließ die anderen um sie herum reden. Zu viel, zu früh war in den letzten Tagen passiert. Erschöpfung, mental und körperlich, zerrten an ihr und sie hatte einfach keine Kraft mehr. Sie gab Antworten, wenn man sie direkt fragte und nickte ihren Kopf an den richtigen Stellen, aber zum größten Teil, und ausnahmsweise in ihren Leben, lehnte sie sich zurück und ließ die anderen die Dinge regeln.
Am Ende müde und voller Kummer, entschieden sie nichts zu tun. Also warteten sie; warteten darauf, dass die Zeit verstrich und dass es Frühstück gab, um zu sehen, wie sich die Welt wieder einmal verändert hatte.
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An diesen Morgen die Große Halle zu betreten war das Schwerste, was Hermine jemals getan hatte. Sie konnte einfach nicht anders, als beim Überschreiten der Türschwelle, Chaos zu erwarten. Was sie bekam, war der normale Missklang von Stimmen und Schüler, die sie jeden Morgen seit sieben Jahren grüßten. Es war verwirrend und erschütterte ihr Zartgefühl. Blind griff sie hinter sich und spürte einen festen Händedruck, der kurz ihre Finger drückte, bevor sie losgelassen wurden. Sie war sich nicht einmal sicher, wer ihr diese Versicherung gegeben hatte, aber sie atmete einmal tief durch und ging weiter. Als sie den langen Tisch hinunter zu ihrem Platz ging, flog ihr Blick hinauf zu den hohen Fenstern, auf der Suche nach den Eulen, die schon bald mit dem Tagespropheten auftauchen würden. Ihr Blick fiel auf Harry, als er ihre Schulter anstieß, während er sich neben sie setzte.
„Dumbledore ist nicht da.“ Harrys Stimme war angespannt und klang verlassen, dass sich der bereits große Knoten in ihrem Bauch noch fester zuzog. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Worte den Nebel, der sie umgab, durchbrach, aber als sie es taten, flog ihr Blick nach vorne. Dumbledores verzierter Eichenstuhl war gegen den Tisch gerückt. Kein Besteck befand sich am Platz des Schulleiters. Neben Dumbledores leeren Stuhl saß Professor McGonagall so steif als hätte sie einen Stock verschluckt, ihre Lippen waren so fest aufeinander gepresst, dass selbst Hermine von ihrem Platz am Gryffindortisch aus, die Missbilligung die von der vertretenden Schulleiterin ausging, spüren konnte.
„Glaubst du Dumbledore ist untergetaucht oder glaubst du das Ministerium hat ihn eingebuchtet?“, fragte Ron.
„Untergetaucht“, schätzte Harry, „wie er es getan hatte, als Umbridge versuchte, alles einzunehmen.“Harrys Kinn deutete in Richtung Lehrertisch. „Snape ist noch immer da.“
„Hat Dumbledore dir jemals gegenüber irgendwelche Notfallpläne erwähnt, Harry?“
Harry schüttelte mit dem Kopf, sein Gesicht ausdruckslos. „Nichts. Fast all unsere Unterhaltungen gingen um Voldemort oder Tom Riddle bevor er zu Voldemort wurde. Das hier hatte er niemals erwähnt.“
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Severus spürte, wie das Gewicht des Tages an ihn zerrte, die Erschöpfung machten Glieder und Augenlider schwer, als er sich seinen Weg durch die Große Halle zum Frühstück bahnte. Letzte Nacht hatte es keine Ruhe gegeben. Zu viele bestehende Pläne hatten geändert werden und viel zu viele neue Pläne hatten geschmiedet werden müssen, um so eine Kleinigkeit wie Schlaf im Wege zu stehen. Irgendwann gegen drei Uhr morgens wurde Minerva geweckt und sie hatte sich in Severus Gemächern eingefunden. Eine Stunde oder so vor Morgendämmerung hatte man Vector aus ihrem warmen Bett geholt. Den Plan, den sie beschlossen hatten, war übereilt und nur wenig ausgereift, aber es war alles, was sie hatten.
Er hielt in der schattigen Türschwelle, die aus dem Kerker in die Halle führte. Der Platz war trüb genug, dass diejenigen, die drinnen waren, ihn nicht sehen konnten und ihm doch eine ausgezeichnete Aussicht schenkte. Er überflog die Tische, bemerkte die neutorischen Frühaufsteher. Vermutlich war der halbe Ravenclawtisch anwesend. Hufflepuff und Slytherin waren nur spärlich besetzt, normal für diese Uhrzeit. Der Gryffindortisch war ebenfalls nur sparsam besiedelt. Es war ein Segen, dass zu diesem Zeitpunkt Potter, Granger und Weasley noch abwesend waren. Es sah, gottseidank, nach einem normalen Donnerstagmorgen aus. Unerklärlicherweise war er besorgt gewesen, dass die Neuigkeiten des Massakers irgendwie durchgedrungen und Panik verursacht hätten. Ein Teil von ihm hatte sich gewappnet in das Chaos und die Hysterie der Schüler zu treten, auch wenn es noch früh genug auftreten würde.
Er straffte seine Schultern und richtete seine Roben. Ein Atemzug und er glitt mit einem finsteren Blick in die Halle. Er nickte Minerva kurz zu, bevor er sich auf seinen Platz setzte und es gezielt vermied auf Dumbledores leeren Stuhl zu schielen. Es würde Panik geben. Der Trick würde es sein das folgende Chaos zu bändigen und Potter und seine Gefolgsleute vor den Fingern des Ministeriums zu retten. Dawlish wird Wert darauf legen, es auf Potter abzusehen. Severus musste sicherstellen, dass dies nicht passierte.
Severus Blick fuhr erneut durch die Halle, auf der Suche nach Dawlish und seinen Strohmännern. Noch war keiner von ihnen anwesend. Aber das war nur ein kleiner Segen. Sein Blick glitt zurück zum Eingang, als eine gemischte Gruppe von Schülern sich durch die Tür boxte. Sein Blick wurde zu einer dünnen Gestalt mit einem eigensinnigen Lockenkopf gezogen. Granger. Hermine. Bemessend nach seinem abwägenden Blick, sah sie blass und so müde aus, wie er sich fühlte. Potter sah stur aus, doch wenn Severus milder gestimmt wäre, hätte er vielleicht gesagt, dass der Junge wütend und entschlossen aussah. Weasley sah fast genauso blass wie Hermine aus, seine Sommersprossen standen im starken Kontrast zu seiner Haut.
Sie wissen es. Er ballte seine Fäuste, bis er sich zwang seine Hände zu entspannen und sie flach auf den kalten Holztisch zu legen. Er hatte keine Ahnung, woher die Drei es wussten, aber irgendwie taten sie es. Die Frage war jetzt, ob dieses Wissen zu ihren Gunsten ausfallen oder für sie ein Hindernis sein würde. Sein Blick glitt zurück zu Potter ... Hindernis also. Severus ergab sich dem, was folgen würde. Selbst nach all den Geschehnissen von letzter Nacht hatte ein kleiner Teil in ihm noch Hoffnung gehabt. Ich hätte es wirklich besser wissen müssen.
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