von Xaveria
Hermine beendete das Lied, die letzten Worte des Kinderliedes verstummten, bevor sie vorne über in ihren Schoß sackte. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich darauf, tief ein und aus zu atmen. Erst als sie sich sicher war wieder die Kontrolle zu haben, richtete sie sich langsam auf und zuckte leicht wegen ihrer protestierenden Rückenmuskeln zusammen.
„Au“, murmelte sie leicht, während sie ihren Rücken von der einen Seite zur anderen bewegte, um den Druck etwas zu lindern. Mit ihrer linken Hand löste sie ihre Finger von der silbernen Nadel. Erst als sie ihre Handfläche massierte, begannen sich die Krämpfe zu lösen. Nach einer schnellen Überprüfung ihres Körpers war sie erleichtert, dass obwohl sie zwar ziemlich müde war, sie aber nicht vollkommen ausgelaugt war und sie spürte, wie die Magie stetig unter ihrem Schlüsselknochen pochte. Das Laken wieder zu reparieren hatte nicht so viel Energie benötigt, wie es herzustellen.
Dann bin ich wohl fertig. Als sie von ihrer Magie abließ, benutzte sie ihre noch immer schmerzende Hand, um all ihre Utensilien vorsichtig wegzulegen und das Laken vor ihr auszubreiten. Es erfüllte sie mit Genugtuung zu sehen, dass es jetzt wieder ganz war und man keine Naht erkennen konnte. Mit einem leichten Lächeln fuhr sie über die Schnittstelle. Die Stiche waren weich und flach, kaum zu bemerken. Das Siegel jedoch war geblieben – Löwin und Schlange – nur, dass jetzt die Löwin mit ihrem Kopf auf ihren Pfoten dalag. Die Schlange lag zusammengerollt unter ihrem Kinn und war im Schatten kaum auszumachen.
Hermine fuhr leicht mit ihren Knöcheln über die Figuren und tätschelte schon fast die goldbraune Mähne. „Ich auch“, flüsterte sie. „Ich bin auch müde.“ Langsam rutschte sie auf ihrer Matratze hinunter, breitete das Laken über sich aus und tauchte in Träume ein, an die sie sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern würde.
++++++
Hermine sammelte langsam ihre Ausgangstoffe, die verteilt auf ihrem Tisch standen, zusammen. Sie konzentrierte sich auf ihre Hände und ignorierte die Schüler, die ihre Wiederholungsklasse verließen. Es waren mal zehn Schüler gewesen. Jetzt waren es nur noch fünf. Um die Wahrheit zu sagen, waren es nur noch drei, da es lediglich Neville, Colin und Agnes waren, die regelmäßig erschienen. Die anderen beiden schauten immer wieder dann vorbei, wenn sie ein Problem in Slughorns Klasse hatten und selbst, wenn die beiden Ravenclaws erschienen, dann beobachteten sie die anderen mit misstrauischen Blicken. Wenn sie Voldemort nicht bereits hasste, dann würde sie es sicherlich jetzt mit all der Paranoia und dem Misstrauen unter den Schülern von Hogwarts. Was für eine Verschwendung.
Als sie hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, seufzte sie erleichtert und die Anspannung verließ ihre Schultern.
„Du bist heute nicht verkleidet.“
Überrascht zuckte Hermine zusammen und schrie kurz auf, aber ihr Zauberstab lag in ihrer Hand und war auf Agnes gerichtet, bevor sie überhaupt wusste, was sie tat. „Verdammt, Agnes“, zischte Hermine grob und schrill.
Agnes reagierte nicht, sondern beobachtete Hermine nur dabei, wie sie wieder ihren Zauberstab zurücksteckte. „Du bist heute nicht verkleidet“, wiederholte sie.
Es war eine Feststellung, aber Hermine konnte die darunterliegende Frage in Agnes Stimme hören. Sie schaute wieder hinunter auf ihre Sachen, ignorierte das andere Mädchen bestimmt, zuckte gleichgültig mit den Schultern und hoffte, dass Agnes es einfach dabei belassen würde.
„Letzte Stunde warst du auch nicht verkleidet. Dachte eigentlich, dass Longbottom oder Creevey was sagen würden. Scheint aber nicht der Fall zu sein.“
So viel dann also dazu es einfach dabei zu belassen. Hermine hielt inne und schaute durch ihre Locken zu Agnes auf. Das Mädchen saß auf einen der Tische, ihre Beine hatte sie unter sich gekreuzt und beobachtete Hermine mit blauen Augen, die viel zu alt für ihr Alter erschienen, zu scharf und bewertend. Verdammte Slytherin und ihr angeborenes Verlangen Verbindungen zwischen Menschen und Ereignissen herstellen zu wollen. Überaus listig. „Ich fühle mich einfach nicht danach. Das ist alles.”
Diese blauen Augen wurden noch schärfer. „Du bist besser als die meisten, aber Gryffindors sind schreckliche Lügner.“
„Agnes“, stöhnte Hermine, irgendwo zwischen Verärgerung und Übertreibung.
„Professor Snape war heute in Verteidigung außer sich.“
Hermine blinzelte überrascht bei dieser unlogischen Äußerung.
„Im Grunde hat sich Professor Snape gestern genauso aufgeführt“, fuhr Agnes fort. „Und vorgestern und den Tag davor. Es gibt einige in Slytherin, die inzwischen glauben, dass Professor Snape… nun, wütend ist.“ Agnes betonte dieses Wort, als ob es etwas Besonderes wäre, und deutete dann auf Hermine. „Oh, ich weiß schon“, fuhr sie fort, „ihr Gryffindors glaubt, dass Professor Snape immer wütend ist. Aber das hier ist anders.“
Hermine verspürte heiße Röte unter Agnes scharfen Blick in ihrem Gesicht aufsteigen und verfluchte alle Slytherins stumm. „Ich…ich bin mir sicher, dass er sich nur wegen den Berichten im Tagespropheten sorgt.“
Agnes neigte leicht ihren Kopf und Hermine unterdrückte das Verlangen, herumzuzappeln. „Er hat gestern zwanzig Punkte von Slytherin abgezogen.“
„Er zieht durchaus Punkte von seinem Haus ab, besonders dann, wenn es sich dabei um Dummheiten handelt. Und so selten ist das gar nicht“, protestierte Hermine.
„Hast du mal einen Blick auf den Punktestand geworfen?“ Wieder schien Agnes Frage keinen Zusammenhang zu ihrer Unterhaltung zu haben.
„Nein“, gab Hermine schließlich zu. „Der Hauspokal… nun, im Moment ist der nicht unbedingt meine Priorität.“
„Hufflepuff führt.“
„Wirklich?“, fragte sie und fühlte sich augenblicklich schuldig so überrascht zu sein. Hufflepuff konnte immerhin nicht jedes Mal verlieren.
Agnes nickte. „Tun sie.“ Das andere Mädchen schwieg und wartete offensichtlich auf etwas.
Hermine atmete schließlich aus. „Agnes, was willst du mir mit all dem sagen?“, fragte sie letztendlich, obwohl sie befürchtete, dass sie genau wusste, worauf Agnes hinauswollte.
Jetzt war Agnes an der Reihe mit den Schultern zu zucken. „Ich will gar nichts sagen. Ich beobachte nur.“
„Du beobachtest was?“
„Die Zauberwelt bricht zusammen, Hufflepuff führt um den Hauspokal. Professor Snape zieht Punkte von seinem eigenen Haus ab. Hermine Granger lächelt nicht mehr und nimmt nicht mehr die Gestalt ihres Lieblingslehrers an.“
„Er ist nicht mein-“ Hermine verstummte, als Agnes Augenbrauen in ihrem Haaransatz verschwanden. „Oh, na schön, er ist mein Lieblingslehrer“, schnappte sie.
Agnes grinste, aber sagte nichts weiter, wofür Hermine unglaublich dankbar war. Gedanken an Snape schmerzten einfach noch zu sehr. „Bist du jetzt mit deiner Beobachtung fertig, Agnes?“, fragte sie stattdessen.
Agnes schenkte ihr ein langsames Lächeln, gemischt mit etwas, was für Hermine irgendwie nach Mitgefühl aussah. „Ja“, sagte sie und sprang vom Tisch. „Ich habe all das, was ich wissen wollte.“
Hermine beobachtete, wie Agnes mit einem selbstzufriedenen Schritt durch die Tür verschwand. Sie schüttelte mit dem Kopf. Gott steh‘ der Zauberwelt bei.
++++++
Das nächste Mal sah Hermine Agnes in Harrys Verteidigungsunterricht. Im Gegensatz zu Hermine war Harrys Klasse zeitgleich zu der angespannten Atmosphäre in Hogwarts, gewachsen. Jeder Schüler, der entweder muggelgeboren oder Muggeleltern hatte, war jetzt ein Teil dieser Klasse. Andere Schüler waren ebenfalls beigetreten, alle aus ihren eigenen Gründen. Und obwohl niemals offen darüber gesprochen wurde, all die hier waren, waren gegen Voldemort und jeder Einzelne war verängstigt. Jedes Mal wenn sie den Raum der Wünsche betrat, erfüllte es Hermine mit Stolz, genauso wie sie es krankmachte, dort ihre Mitschüler zu sehen. Sie konnte einfach nicht aufhören sich zu fragen, welcher von ihnen wohl tot sein würde, wenn alles vorbei war.
Obwohl sie ihren Rücken der Tür zugewandt hatte und gerade Schildzauber mit Padma übte, wusste Hermine genau, wann Agnes den Raum betrat. Niemand anderes als ihr einziger Slytherin konnte die Anspannung noch höher schrauben.
„Hey, Creevey“, rief Agnes laut hinter ihr, „darf ich dir heute in den Hintern treten?“
Hermine wehrte einen von Padmas Flüchen ab und schoss einen Wabbelbein-Fluch zurück, während sie mit einem Ohr der Unterhaltung lauschte. Eines Tages wird sie sich noch umbringen.
Colin, dem der Kommentar galt, lachte auf. „Das will ich sehen.“ Hermine wusste, dass Colin Agnes mochte. Eigentlich war sich Hermine ziemlich sicher, dass er ein wenig in das Mädchen verliebt war.
„Das hast du beim letzten Mal auch gesagt“, pfiff sie. „Und dennoch habe ich dir in deinen knochigen Hintern getreten.“
Hermine wich Padmas nächsten Angriff aus und erstarrte bei Agnes nächsten Worten. „Potter, ich habe hier ein paar Freunde, die auch mitmachen wollen.“
Padmas Ganzkörperklammer traf sie mitten in die Brust und augenblicklich landete sie auf dem Boden. Als sie aufschlug, rollte Hermine so, dass sie eine Perfekte, wenn auch etwas tiefe Sicht auf drei Schüler, die den Raum betraten, hatte. Alle drei trugen Slytherinroben und sahen sehr nervös aus
++++++
Ron beobachtete von seiner Ecke in der Bibliothek aus, wie Hermine ziellos auf und ab lief. Er hatte diese gemütliche, kleine Nische gefunden, als er nach älteren, militärischen Strategiebüchern gesucht hatte. Es war nicht unbedingt Schachstrategie, aber Schach war Krieg nur in klein und in seiner Aufgabe Snape zu schlagen, war er auf Bücher ausgewichen, bei denen selbst Hermine ungläubig ihre Augenbrauen hochgezogen hätte.
Es war ja nicht so, dass er nicht lesen konnte, bisher hatte er lediglich nur noch nichts Interessantes gefunden. Was er dort fand, oder um genauer zu sein, was er dort nicht fand, überraschte ihn und erklärte eine Menge über die Zauberwelt, worüber er sich vorher noch gar keine Gedanken gemacht hatte.
Zauberer, als Gesellschaft, zogen nicht in den Krieg. Sie hatten interne Konflikte. Sie hatten ihre Kämpfe. Sie hatten Fraktionen, die mehr als einmal Blut vergossen hatten, aber wie ein verstaubter Historiker in seinem Vergleich zu Konflikten unter Muggels und Zauberern bemerkt hatte, kämpften die Muggel in einer Gruppe, während die Zauberer alleine kämpften. Ein Zauberer, ein Zauberstab, ein Zauber. Es gab nichts Vergleichbares in der Zauberwelt, das in irgendeiner Weise mit der Kapazität der Massenzerstörung der Muggel vergleichbar wäre. Ein großer Teil in Ron war darüber sehr erleichtert. Hexen und Zauberer waren in ihrer Zahl einfach unterlegen, um die Art von Kriegen zu überleben, die die Muggel führten.
Aber er kannte jetzt Snapes Spiel und wusste auch, auf was der Zauberer in stoßen wollte. Er war sich nur noch nicht sicher, ob er schon bereit war, diesen Weg zu beschreiten.
„Hermine“, zischte Ron leise, als sie an ihm vorbeiging.
Als sie zum Stehen kam, hob Ron seinen Zauberstab, vollführte einen schnellen Lumos, um die kleine Nische zu beleuchten.
Schnell nahm sie die Fluchtmöglichkeit, die Ron ihr bot, wahr und sank mit einem Seufzen auf die Sitzbank in der Nische.
„Du siehst etwas verloren aus, Hermine“, sagte er, als er ihre erschöpfte Erscheinung begutachtete.
„Mir geht’s gut“, beharrte sie.
„Nein, geht’s dir nicht.“ Bei ihrem überraschten Blick fügte er hinzu: „Nicht blöd, Hermine.“ Ron zuckte gleichgültig mit den Schultern. Wenn er nicht mit weißen Knöcheln seine Schachbox umklammern würde, hätte sie ihm die Gleichgültigkeit abgekauft. „Was ist los, Hermine?“
„Es ist ni--“
„Belügst du mich etwa?“ Unglaube und Betroffenheit zeichneten seine Stimme. „Nach allem … nach dir und mir und Harry und … und allem einfach, da willst du mich belügen?“
„Ron-“
„Nein. Ich will wissen, was los ist. Erst warst du noch du selbst und dann bist du irgendwie vollkommen zusammengebrochen und jetzt schleichst du nur noch hier herum, obwohl selbst ich sehe, dass du genau das versuchst, nicht zu tun. Neville sagt, dass du dich nicht mehr verkleidest, was auch immer das heißen mag. Du verbringst viel mehr Zeit mit mir und Harry als sonst. Deine kleine Schoß-Slytherin taucht einfach mit drei weiteren Slytherins auf--“
„Sie ist nicht mein Schoßhündchen!“
„Darum geht’s ja auch gar nicht“, schnappte Ron frustriert. „Ich will wissen, was los ist.“
Hermine biss fest auf ihre Unterlippe, während Ron sie wütend anstarrte. Er beobachtete, wie ihr Blick zu dem Zauberschach in seiner Hand glitt und sah, wie ihre Augen aufleuchteten. Es fühlte sich an, als ob jemand Lumos in der Dunkelheit gesagt hätte.
„Snape!“ , trumpfte Ron auf, als ob diese kleine Bewegung das gewesen wäre, worauf er gewartet hätte. „Er hat etwas mit all dem zutun“, spuckte er, während seine Aussage irgendwo zwischen Feststellung und Frage steckte.
„Ron--“ Wieder war es nur seinen Namen, den sie aussprechen konnte, so, als ob es das Einzige war, zudem sie noch imstande war.
„Ich weiß, dass ich hier nicht der Klügste bin, Hermine, aber dumm bin ich auch nicht.“ Ron hob die Holzschachtel mit seinen Schachfiguren hoch und schüttelte sie etwas. „Diese hier“, sagte er bestimmt, „sind nicht die Einzigen, die Snape herumschiebt.“
Plötzlich lachte Hermine bitter auf, ein Geräusch, welches sie genauso wie Ron schockierte. Hermine schnappte nach seinem Arm, als er aufsprang und verschwinden wollte. Er hielt bei seiner Berührung inne, aber die Muskeln unter ihrer Hand zuckten vor Anspannung.
„Ich habe dich nicht ausgelacht. Das habe ich wirklich nicht. Es ist nur …“ Sie zog sanft an seinem Arm, bis er nachgab und sich zu ihr umdrehte, um sich wieder zu setzen. „Ich habe dich nicht ausgelacht“, wiederholte sie. „Im Grunde werde ich ausgelacht. Nun, ich und Professor Snape.“
Sie zog wieder an seinem Arm, als sich sein Blick bei Snapes Erwähnung verdunkelte. „Wir stecken alle so dermaßen in unseren Mustern von Gryffindor und Slytherin und Hufflepuff und Ravenclaws fest, dass ich einfach nur glaube, dass ich gerade erst verstanden habe, warum wir so mit den anderen Häusern hadern.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, welches zugleich beruhigend und lustig sein sollte, dem aber noch nicht einmal annähernd nahe kam. „Verstehst du denn nicht? Wir durchkreuzen gegenseitig unsere Pläne.“
„Versteh ich nicht, Hermine.“
„Professor Snape hat mir meine Pläne durchkreuzt. Agnes durchkreuzt – okay, im Grunde glaube ich, dass sie es genießt, Harry zu reizen. Ich habe …“ Sie schüttelte mit dem Kopf, um ihre Gedanken zu sammeln. „Snape hat mich nicht herumgeschoben. Ich habe ihn herumgeschoben oder zumindest ist es das, was er denkt.“
Angespannt runzelte Ron mit der Stirn. „Was genau meinst du damit?“, fragte er direkt.
Sie verzog ihr Gesicht. „Ich wollte nur helfen.“ Selbst er konnte den traurigen Unterton in ihrer Stimme hören. „Ich wollte nur… ich war einfach nur eine Gryffindor“, beendete sie mit einem Seufzen.
„Wobei wolltest du helfen? Und was hat der Mistkerl getan, als er es herausgefunden hat? Du warst bei keinem Nachsitzen, zumindest habe ich davon nichts mitbekommen.“
„Es ist vollkommen egal, wobei ich helfen wollte und er ist kein Mistkerl, Ron. Er hat nichts getan.“ Sie runzelte mit der Stirn, als ob die Worte für sie noch eine andere Bedeutung hätten. „Er hat nichts getan“, wiederholte sie flüsternd, leicht überrascht. „Zumindest nicht so, wie er könnte; nicht so, wie du es von ihm erwarten würdest.“
Ron beobachtete sie und fragte sich, ob jetzt all seine Freunde komplett ihren Verstand verloren hatten. „Also, was hat er getan? Und jetzt komm mir nicht mit nichts. Du hast die letzte Zeit nur herum gegrübelt und warst traurig und du warst einfach nicht du. Du hast mich letzte Woche nicht einmal angeschrien, dass ich für meine Prüfung in Verwandlungen lernen soll.“
Ein Hauch eines Lächelns zeichnete sich ab. „Snape redet nicht mehr mit mir; er hat aufgehört, mich zu sehen.“
Da konnte Ron ein Augenrollen nicht unterdrücken. „Hermine …“
„Sag jetzt nichts. Ich weiß, dass es viele Schüler gibt, die es genießen würden, nicht von Professor Snape beachtet zu werden. Ich …“ Sie lehnte sich weiter in die Sitzbank und lehnte ihren Kopf zurück, um an die Decke zu starren. „Professor Snape und ich … wir hatten eine Art Verbindung.“
Hundert verschiedene Sachen schossen durch seinen Kopf, keine Einzige davon war eine gute und die Letzte war schlimmer als die davor. „Hermine“, begann er vorsichtig, aber stieß ein überraschtes „Oof“ hervor, als Hermines Hand fest auf seinem Bauch landete.
„Nicht so etwas“, sagte sie bestimmt. „Was auch immer du jetzt denken magst, vergiss es ganz schnell wieder.“
Ron starrte seine Freundin an, sie saß noch immer zurückgelehnt da und starrte an die Decke. Es lag eine Ruhe auf ihr, die er vorher noch nie bemerkt hatte und eine Traurigkeit, die für ihn vollkommen neu war. Er sah, wie einzelne Tränen unter ihren geschlossenen Augen hervortraten. „Oh, Hermine, ich habe schon verstanden, dass du Snape magst, aber ich hatte gedacht, es war nur … ich meine … Hermine, meine …“ Rons Kopf füllte sich mit Tausenden von Wörtern, die alle nur als Erstes seinen Mund verlassen wollten. Er kam sich wie ein verdammter Trottel vor, als er schließlich, „Grundgütiger Merlin, Hermine, was hast du denn gedachtt?“, sagte.
++++++
Ein lautes Klopfen an Severus Tür ließ seinen Blick verfinstern. Für einen kurzen Augenblick dachte er, dass es Granger sein würde, aber schnell zertrümmerte er die wirren Gefühle und Gedanken, die der Name des Mädchens in ihm auslöste. Es konnte gar nicht Granger sein. Nicht an der Tür zu seinen persönlichen Quartieren. Es konnten auch nicht Albus oder Minerva sein, da sie einfach das Flohnetzwerk benutzen würden. Knurrend ging er zur Tür und zog sie auf. Mit einer gehobenen Hand stand Miranda Vector vor ihm.
„Hat ja ganz schön lange gedauert“, sagte sie, als sie an ihm vorbei in sein Wohngemach stürmte.
Noch während er seine Wut zügelte, fixierte er sie mit einem Blick. „Es ist“, begann er und schielte kurz auf die Uhr an seiner Wand, „zwei Uhr morgens und ich habe Ihnen nicht erlaubt einzutreten.“
Sie antwortete ihm mit einem unhöflichen Geräusch, was viel mehr zu einem Gryffindor Drittklässler passte, als sie es sich auf seiner Couch bequem machte. „Als ob Sie geschlafen hätten. Ich glaube nicht, dass Sie seit meinem Beginn hier mehr als nur ein paar Stunden geschlafen haben.“
Ich war es mal gewohnt zu schlafen, kam der Gedanke, aber er schüttelte ihn fort. „Ich habe Ihre Gesellschaft mehr genossen, als Sie noch genau wie der Rest der Lehrerschaft mir gegenüber argwöhnisch waren.“ Er starrte mit einem Stirnrunzeln auf sie hinunter, da sie offensichtlich sehr zufrieden mit dieser Feststellung war. „Was wollen Sie hier?“
„Weil Sie aufgeblasener Idiot sterben werden.“
Er blickte sie weder besonders amüsiert noch beeindruckt an. „Ravenclaws – immer so dramatisch, wenn sie ihre großen Wahrheiten offenbaren.“ Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und hoffte sie so ebenfalls zum Aufstehen zu bringen, um sie zur Tür zu drängen. „Sie haben mir Ihre großartige Erkenntnis mitgeteilt. Dem Drama wurde nun Genüge getan. Wenn Sie mich dann jetzt bitte entschuldigen würden--“
„Drama?“, stotterte sie. „Haben Sie mich nicht verstanden? Sie werden sterben.”
Er begann sich seinen Nasenrücken, zu massieren. „Und das unterscheidet sich jetzt inwiefern von dem, was ich bereits weiß?“
„Was?“, fragte sie erstaunt.
Er bedachte sie mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu. Als sich seine Kontrolle wie ein Mantel um ihn legte, zwang er sich ruhig zu sprechen. „Sie wissen doch bereits seit Monaten, dass die Wahrscheinlichkeiten meines Überlebens allenfalls minimal sind. Eine Tatsache, die den Schulleiter äußerst beunruhigt. Aber es ist nichts Neues, also verstehe ich Ihre Aufregung nicht.“
„Aufregung?“, wiederholte Vector und starrte ihn halbwegs schockiert an. „Aufregung. Verdammt, aber es ist kein Wunder, dass Sie keine Freunde haben. Eiswasser muss durch Ihre Venen fließen. Und ziehen Sie nicht diese Augenbraue hoch. Ich betrachte mich als Ihr Freund.“
Jetzt wanderten beide Augenbrauen überrascht hoch und zogen sich dann zusammen.
Sie schien seine verborgene Überraschung nicht zu bemerken, da Vector einfach weiter redete. „Sie sind mein Freund“, sagte sie langsam, als ob sie mit einem Erstklässler reden würde, „ob es Ihnen nun passt oder nicht. Und wenn Sie denken, dass ich bei dem hier einfach zusehen werde, dann haben Sie Ihren kleinen Slytherin-Verstand verloren.“
Es sah ganz danach aus, dass sie sich langsam beruhigte und Severus überlegte sich, ob er sie mit einem Klammerfluch belegen und sie einfach vor die Tür setzen sollte, aber schließlich gewann dann doch die Neugier. „Gibt es irgendeinen Grund für dieses Geschwätz?“
Sie schenkte ihm ein freudiges Lächeln, welches er nur mit einem finsteren Blick erwiderte. Fürchtet sich denn gar keiner mehr vor mir?
„Der Grund ist der, dass ich denke, dass ich die Instabilität eingeschränkt habe.“ Sie zog ihren Zauberstab heraus. „Hier sehen Sie selbst.“
Er betrachtete ihre Matrix, bevor er mit den Schultern zuckte. „Sie sieht nicht sonderlich anders aus.“
Vector nickte. „Genau. Aber vergleichen Sie sie mal mit der hier.” Eine neue Matrix tauchte neben der anderen auf und kam seinen untrainierten Augen irgendwie unfertig und grober vor. „Was sehe ich mir hier an?“
„Einen bestimmten Zeitpunkt. Mir kam der Gedanke vor ein paar Tagen. Das hier ist vom Anfang letzten Jahres.“ Sie gestikulierte mit ihrem Zauberstab. Das Bild veränderte sich leicht. „Das hier ist nach einem Zusammentreffen mit Miss Granger später im Jahr. Beachten Sie die abnormale Linie.“ Schnell bewegte sie ihren Zauberstab und jedes Mal änderte sich die Matrix.
„Alle Punkte betreffen Miss Granger“, sagte er und begann die Sprünge in der Matrix zu sehen.
Vector schüttelte mit einem listigen Lächeln den Kopf. „Nicht nur Miss Granger, Severus, sondern Miss Granger und Sie.“
Seine Gedanken rasten, als er sich selbst setzte. „Wie bereits gesagt, nichts Außergewöhnliches“, sagte er mit ruhiger und gleichmäßiger Stimme. „Wir wissen bereits, dass sich Miss Granger in meine Richtung bewegt.“ Er deutete auf die Matrix. „Ihre Linie hat meine schon eine Weile überschattet.“ Er erwähnte nicht, dass er jetzt wusste, warum Grangers Linie parallel zu seiner verlief. Aber es war jetzt vorbei und er erwartet voll und ganz, dass wenn Vector das nächste Mal ihre Gleichungen erstellte, sich dann Grangers Linie von ihm fort bewegte.
„Ja, Albus und ich haben das bereits besprochen. Albus ist immer davon ausgegangen, dass es dazu dient Ihnen Harry näher zu bringen. Dass Miss Granger der Katalysator ist, der Potter und Sie im Kampf vereint. Jetzt allerdings glaube ich nicht, dass dies der Fall ist. Ich denke, dass Hermine Granger von der ganzen Sache mit Harry und der Prophezeiung getrennt ist.“
Er schielte zu den bunten Linien. Er war müde und zwischen den ganzen Farben und dem Gedrehe, bemerkte er die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen. „Granger ist unwichtig. Ihre Wahrscheinlichkeit hat-“ – seine Lippen kräuselten sich – „die meine getroffen und Potter ist noch genauso entzückt von mir, wie zuvor. Welches Potenzial Granger auch immer gehabt haben mochte, ist jetzt verloren, und wenn ich mich nicht irre, wird die abnormale Linie in kürzester Zeit mit mir kollidieren. Vielleicht sollten Sie sich mehr darum sorgen.“
„Sturer Mistkerl“, sagte Vector. „Das ist es ja, worum ich mich sorge. Ich glaube, dass die abnormale Linie irgendwie mit Miss Granger verbunden ist. Verflucht noch mal! Soweit ich weiß, ist die abnormale Linie Miss Granger, oder zumindest ein Teil von Miss Granger, den ich irgendwie nicht erkennen oder berechnen kann, der aber trotzdem Einfluss hat.“
Severus spürte, wie sich sein Bauch zusammenzog und es eiskalt seinen Rücken hinunterlief. Er wusste, was dieser Einfluss war, aber er brachte es nicht über sich, es zu erklären. Es war etwas Persönliches. Seine nächsten Worte waren grob und sollten sie ablenken. „Also, was soll das nun heißen? Dass sie ein Spion des Dunklen Lords ist und mich töten wird?“
„Oh, natürlich nicht. Aber ich weiß, dass vor ein paar Tagen etwas vorgefallen ist, das dazu geführt hat, dass alle Wahrscheinlichkeiten durcheinander geworfen wurden.“ Vector warf ihm einen forschenden Blick zu. „Etwas ist vor ein paar Tagen passiert, dass Miss Granger voll und ganz aus der Bahn geworfen hat.“
Severus spannte sich in seinem Sessel an. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, sagte er rundheraus.
Sie schnaubte auf diese nervende Weise, wie es Frauen immer taten – die, die einem ganz genau wissen ließen, dass sie einem kein Wort glaubten. „Tun Sie nicht? Das Licht der jungen Frau ist erloschen, Severus.“
Plötzlich loderte Wut in ihm auf, ließ ihn aus seinem Sessel schnellen und auf die andere Seite des Raumes eilen. „Warum meint sich jeder mit meiner Beziehung zu Granger beschäftigen zu müssen?“, knurrte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und wusste bereits, als er die Worte sprach, dass er lieber seinen Mund hätte halten sollen.
Erstaunt entgleiste Vector ihre Miene, aber sie brachte alles unter Kontrolle, bevor er den Vergleich mit einem Karpfen anstellen konnte. Ihre Augen leuchteten vor Neugier auf und sie beugte sich auf der Couch vor. „Wer beschäftigt sich noch damit?“
Für eine lange Minute debattierte Severus, ob er ihr antworten sollte, und spuckte dann schließlich: „Minerva.“
„Minerva?“ Das schien sie zu überraschen. „Ich hätte nicht gedacht … dann auch wieder ist sie in der Position es zu bemerken.“ Vectors Blick wurde nachdenklich. „Und vorher hat sie nie etwas gesagt? Huh? Minerva.”
„Ja. Minerva – der Schottenmuster tragende, scharfzüngige, grauhaarige Drache. Sie wollte wissen, was ich getan habe, um Granger so aufzuwühlen, was eine vollkommen absurde Anschuldigung ist, da ich seit einer Woche nicht mehr mit dem Mädchen gesprochen habe.“
Vector schnaubte erneut. „Severus Snape, Sie sind sicherlich nicht so begriffsstutzig.“ Bei seinem sturen Blick fügte sie hinzu. „Die junge Frau hat sich in Sie verguckt.“
„Sie ist ein Kind“, schnappte er, während all seine chaotischen Gefühle aufloderten.
„Kind? Oh, lieber Merlin, bewahre mich vor den Männern. Sie ist eine Frau, jung ja, aber gewiss kein Kind mehr.”
„Ich will mir das nicht länger anhören“, forderte er und wirbelte herum, sodass er sich teilweise von Vector, den beiden Matrizen abgewandt hatte, die noch immer zwischen ihnen schwebten. Er war zu paranoid, um der Frau ganz den Rücken zuzudrehen, aber seine Haltung verließ pure Ignoranz verlauten.
„Das müssen Sie aber.“ Sie deutete wütend auf die Matrix. „Severus, Sie haben es ihr bestimmt schon seit dem Sommer, wenn nicht vielleicht sogar schon früher, angetan. Sie sorgt sich um Sie und ihre Sorge … ich schwöre Ihnen, Severus, ich schwöre auf alles, was ich über die Arithmantik weiß, dass ihre Sorge etwas mit dieser abnormalen Linie zu tun hat.“
Er schnaubte, aber Vector ignorierte es.
„Was ist passiert?“, verlangte sie zu wissen. „Severus, Sie haben alle Verbindungen zu dem Mädchen abgerochen, und das ist selbst mir aufgefallen. Sie ist am Boden zerstört. Todunglücklich.“
Todunglücklich. Das Wort hallte in seinem Inneren, berührte alte Erinnerungen und halb geheilte Wunden. „Das ist sie nicht und es ist jetzt für Sie an der Zeit zu gehen. Sie kennen ja den Weg. “
Er wirbelte herum und verschwand in seinem Schlafgemach und ließ eine verwirrte Vector alleine in seinem Wohnzimmer zurück. Selbst als er die Tür hinter sich zuschlug, wusste er, dass er flüchtete, aber er konnte einfach nicht anders. Sein Herz schlug zu schnell, hastig schnappte er nach Luft. Vector irrte sich. Es gab keine Verliebtheit. Es gab keine Beziehung. Es gab keine Sorge.
Sorge bringt einen nur um. Mir ist es egal, beharrte er. Granger hatte ihn betrogen. Sie hatte nicht das Recht todunglücklich zu sein.
++++++
„Hermine, was hast du denn gedacht?“
Selbst zwei Tage später hallte Rons Stimme noch immer durch ihren Kopf. Das Lustige daran war, dass sie es nicht erklären konnte. Und schon ganz sicherlich nicht ihm. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob sie es sich selbst erklären konnte. Als sie an den Anfang zurückdachte, wo alles begonnen hatte, konnte sie nicht den Sprung von dort nach hier erkennen, aber wenn sie dem Weg folgte, mit jedem Schritt vor und zurück, dann fand sie sich am Ende immer nur an einem Ort. Und reicht das nicht aus, um melodramatisch aufzuseufzen?, schoss ihre innere Stimme, die immer verdächtig nach Snape klang, zurück.
Nervig oder nicht, die scharfe Stimme hatte recht. Sie hatte sich selbst geschworen nicht in die Falle der jammernden Heldin zu fallen, die nur auf ihren Ritter in der schimmernden Rüstung wartete, und wenn sie schon bei dieser blöden Analogie war, dann war Severus mehr der schwarze Drachen in der Geschichte als der umherziehende Ritter.
Hermine schnaubte spöttisch. Schätze, das macht mich dann zu der tapferen Küchenmagd und nicht der kultivierten Dame im Turm.
Als sie das Bündel in ihren Armen verlagerte, atmete sie einmal tief ein. „Hör schon auf mit dem Unsinn und stell dich deinem Drachen, Hermine“, sagte sie bestimmt in nur einem halbwegs erfolgreichen Versuch sich Mut zuzusprechen. Noch einmal tief durchatmend stieß sie die Tür zu Professor Snapes Büro auf. Snape saß mit gesenktem Kopf hinter seinem Schreibtisch. Von seinem gequälten Ausdruck her vermutete Hermine, dass er gerade Hausarbeiten für Verteidigung korrigierte.
Sie war sich sicher, dass er ihr Eintreten gehört hatte, aber da er bisher noch nicht seinen Kopf gehoben hatte, ergriff sie die Möglichkeit, um ihn in diesem ruhigen Moment zu beobachten. Er sah blass und gestresst aus und selbst mit all dem Schmerz zwischen ihnen, hoffte sie, dass sie nicht der Grund für die Ringe unter seinen Augen war. Als er schließlich seinen Kopf hob, meinte sie etwas auf seinem Gesicht gesehen zu haben, aber es war zu flüchtig, um es zu benennen oder zu erkennen. Als es verschwand, blieb nichts weiter als eine versteinerte Maske zurück, die sie nicht durchdringen konnte.
„Miss Granger.“
Hermine erschauderte bei der Kälte in Severus Stimme, aber sie weigerte sich, zurückzuweichen. Er besaß vielleicht die Fähigkeit sie zu verletzen, aber er hatte schon vor einer langen Zeit aufgehört, sie einzuschüchtern.
„Ich verstehe, dass Sie nicht mit mir reden wollen“, begann sie, bevor er etwas sagen konnte. „Aber ich muss Ihnen etwas sagen und ich muss mich entschuldigen.“ Sie hielt inne, in der Hoffnung, dass seine Maske sich verflüchtigen würde, aber als sein Ausdruck gleichgültig blieb, fuhr sie hastig vor. „Ich könnte Ihnen sagen, wie alles begonnen hat. Ich könnte Ihnen Entschuldigungen und Gründe nennen, aber die interessieren Sie nicht und das weiß ich. Ich könnte Ihnen sagen, dass ich gute Absichten hatte und dass ich nie etwas tun würde, was Ihnen schaden könnte.“
Sie verstummte erneut und schenkte ihm ein kleines, reuevolles Lächeln, welches schnell wieder verschwand, als er nicht darauf reagierte. „Ich vermute jedoch, dass Sie wohlmöglich mehr meine Absichten als meine Gründe interessieren.“ Sie holte einmal tief Luft und atmete langsam wieder aus. „Also werde ich nichts von dem erwähnen. Ich werde Ihnen sagen, dass es mir leidtut, dass ich Sie verletzt habe, dass ich Ihnen nichts gesagt habe … es Ihnen nicht schon früher erklärt habe. Ich denke, ich hatte einfach nur gedacht oder besser gehofft, dass es niemals so weit kommen würde.“
„Ich brauche keinerlei Entschuldigung von Ihnen“, sagte er schließlich mit kalter Stimme. „Eine Entschuldigung würde bedeuten, dass Sie die Macht besitzen mich zu verletzen. Ich kann Ihnen versichern, das tun Sie nicht.“ Er hielt inne. „Ist das alles?“
Obwohl es als Frage formuliert war, wusste sie, wann sie entlassen war. Sie spannte ihre Arme um das Bündel an und sagte. „Nur noch eine Sache.“
Er antwortete nicht, sondern beobachtete sie einfach nur und wartete. Kalt, zurückgezogen, unnahbar. Wie sehr sie doch diese unerbittliche ruhige Fassade zerstören wollte.
„Rink.“ Sie konnte sehen, dass die Erwähnung der Hauselfe ihn überraschte. „Alles was Rink getan hat“, sagte sie, „tat er, weil ich ihn darum gebeten habe. Sie sind verständlicherweise wütend auf mich. Aber bitte, lassen Sie es nicht an ihm aus.“
Dann stand er mit verschränkten Armen auf. „Warum sollte ich nicht?“, fragte er.
Sie wagte es, ein paar Schritte vorzutreten und somit die Distanz zwischen ihnen zu minimieren. „Weil er Sie verehrt. Weil Ihnen zu dienen, Ihre Hauselfe zu sein, ihn mit großer Freude erfüllt. Er hat es nicht verdient, für meine Taten büßen zu müssen.“
„Und wenn ich ihn nur unter der Bedingung, dass Sie alle Verbindungen zu der Elfe trennen, zurücknehme?“
Sie schluckte. Sie hatte bereits erwogen, dass eine seiner Bedingungen es sein würde sich von Rink zu trennen. Aber jetzt mit der Wahl konfrontiert zu werden, schmerzte mehr als sie gedacht hatte. „Wenn es das ist, was Sie wollen“, antwortete sie schließlich gedämpft.
Er neigte seinen Kopf, um sie zu begutachten, als plötzlich seine schwarzen Augen aufleuchteten. „Würde dieser Abbruch dieser Freundschaft nicht einem … Verrat gleichkommen?“
Sie zuckte bei dem Wort zusammen, aber blickte dann auf und schüttelte mit dem Kopf. „Rink dient Ihnen. Dadurch diente ich ebenfalls. Er würde es verstehen.”
Er betrachtete sie und sie stand aufrecht und ruhig unter seinem Blick. Sie ließ ihn nicht eine Sekunde wissen, wie sehr sie sich auf ihn stürzen und mit ihm streiten, wie sie ihn anflehen wollte, wie es sich für eine Gryffindor gehörte. Sie wollte wütend sein und schreien und wollte hören, wie er zurückschrie. Sie wollte, dass diese Auseinandersetzung wütend und mit Gefühlen geladen war. Aber nichts dergleichen sickerte nach außen durch, denn sie wusste, dass es zu nichts führen würde. Also machte sie es auf seine Weise und unterdrückte alles in ihrem Inneren.
„Also schön“, sagte er schließlich.
Erleichtert schloss sie ihre Augen. Jetzt musste sie nur noch eine, schwierige Aufgabe erfüllen, bevor sie sich zurückziehen und ein letztes Mal weinen konnte. Sie drückte ein letztes Mal das Bündel in ihren Armen und zwang sich dazu es ihm zu reichen. „Dies hier gehört Ihnen und Sie sollten es zurück bekommen.“
Als er seine Hand nicht ausstreckte, nahm sie einen weiteren Schritt und legte die Sachen vorsichtig auf dem Schreibtisch ab.
„Danke, Professor“, flüsterte sie, bevor sie sich umdrehte.
In jeder Romanze, die Hermine bisher gesehen hatte, war das jetzt der Moment, in dem es sich der widerspenstige Held anders überlegte und die davon schreitende Heldin zurückrief. Hermine konnte einfach nicht anders, als ihren Atem anzuhalten, während sie sich der Tür näherte und durchtrat.
Sie schloss sich mit einer festen Endgültigkeit hinter sich. Tränen stachen in ihre Augen, aber sie blinzelte sie fort, bevor sie ausbrechen konnten. Zwei tiefe Atemzüge und sie hatte wieder die Kontrolle. Das war’s dann wohl mit dem Hollywood Happy End.
++++++
Neugierde überkam ihm, selbst als er versuchte gleichgültig zu bleiben. Letztendlich konnte er nicht mehr widerstehen und trat um seinen Schreibtisch herum, um sich dem Bündel zu nähern. Oben auf lag gewaschen und sorgfältig gefaltet sein Taschentuch. Es war das Taschentuch, welches er ihr gegeben hatte, als sie bei der Nachricht von Lupins Tod und der Festnahme der Weasleys Trost bei ihm gesucht hatte.
Unter dem Taschentuch fand er eine seiner Roben. Wieder war das Stück gewaschen und zusammengelegt. Er runzelte die Stirn und erinnerte sich dann – die Nacht, in der er nicht mehr aus seiner Legilimentik ausbrechen konnte. Rink hatte sie zu ihm gebracht. Sie hatte nur ihr Nachthemd getragen und er hatte ihr die Roben gegeben, damit sie sich damit bedecken konnte. Er hatte vergessen, dass sie die Robe überhaupt noch gehabt hatte.
Seine Finger fuhren unter den schweren Stoff, hob die Robe an und legte es neben das Taschentuch auf den Tisch.
Etwas wie Reue ließ ihn nach Luft schnappen, als er das letzte Stück sah. Dort, fein säuberlich gefaltet, lagen die Laken. Mit einem Finger fuhr er über die feinen Stiche, die den Riss zusammenhielten. Jeder Stich war sauber und genau, keiner verzog das Laken in irgendeiner Weise. Er wusste, dass sie jeden per Hand getan hatte, um nicht die Magie, die bereits dort eingearbeitet war, zu behindern.
Vectors Stimme rang von der gestrigen Nacht in seinen Ohren: Sie sorgt sich um Sie. Todunglücklich.
Severus schluckte schwer und legte dann alles mit gezielten Bewegungen zurück. Dann wandte er sich um und verließ den Raum.
++++++
Thorfinn Rowle verlagerte sein Gewicht, sodass die Falten seiner dunkelblauen Robe gerade herabfielen. Leicht lächelte er, als der junge Auror, der ihn beschützen sollte, seinen Blick traf, bevor er nervös zur Seite blickte. Rowle genoss die Unsicherheit der anderen.
„Auror Gruene?“ Gerade genug Ungeduld und Wut zeichnete seine Worte.
Gruene errötete bei seinem Ton. „Es tut mir leid, Mr. Rowle“, stotterte er. „Ich-ich weiß nicht, was so lange dauert. Auror Davison hätte schon längst zurück sein sollen. Wenn Sie nur--“ Der Junge unterbrach sich selbst, als die Türen zum Vorraum geöffnet wurden. Er hörte nichts, aber Rowle würde einige Galleonen verwetten, dass der Jüngling erleichtert aufatmete.
„Mr. Rowle, der Aufseher erwartet Sie. Wenn Sie mir dann bitte folgen würden?“
Der weibliche Auror war höflich genug, aber Rowle konnte schon praktisch ihre Abneigung ihm gegenübersehen. Davison war wohl aus härterem Holz geschnitzt, als der Jüngling, da sie Rowles Blick entgegnete. Rowle schenkte ihr ein kleines, ausdruckloses Lächeln, welches er für gewöhnlich für Untergebende oder gesellschaftliche Niedergestellte übrig hatte. Es erfreute ihn, als er die schlecht verborgene Wut in Davisons Augen erkannte. „Aber natürlich, Auror Davison.“ Er deutete auf die offene Tür hinter der Frau. „Bitte, nach Ihnen.“
Innerlich lachte er auf, als er den angespannten Rücken die verschiedenen Korridore, die in jeden Stein der Insel, die das Gefängnis von Askaban ausmachte, gehauen worden waren, folgte. Endlich blieb sie vor einer mit Eisenriegeln verschlossenen Holztür stehen und die Aurorin klopfte einmal, bevor sie die Tür öffnete.
„Mr. Thornfinn Rowle aus dem Zaubereiministerium ist hier, um Sie zu sehen, Aufseher Morrison.“
Rowle hörte ein leises Murmeln und dann trat Davison zurück und zeigte ihm an in den Raum zu gehen. „Sir“, sagte sie steif, während ihre Abneigung sich um das Wort legte.
Er nickte ihr zu und entließ sie voll und ganz und betrat den Raum. Genau wie die Korridore, war der Raum mit Magie aus dem Stein erwachsen. Im Gegenteil zu den Korridoren hatte man den Raum magisch etwas verändert, um so etwas wie Gemütlichkeit hervorzubringen. Ein dicker Teppich lag auf dem Boden und ließ seine Fußschritte verstummen. Wandteppiche hingen an zwei Wänden, während ein großes Landschaftsgemälde die andere Wand zierte. Für Rowle hatte es den Eindruck, als ob man versuchen würde, eine Hure aus der Nockturngasse in Seide zu kleiden. Verkleide sie so, wie du willst, am Ende bleibt sie doch nur eine Hure.
Er setzte sich und wartete bis der Aufseher ein paar Zauber vollführt hatte und sich letztendlich in seinem Stuhl zurücklehnte.
„Alles ist vorbereitet und fertig?“, fragte er rundheraus.
Morrison nickte und benetze sich nervös seine Lippen. Rowle bemerkte die Geste und speicherte sie ab. Wissen war immer Macht und Wissen von einem möglichen Wettstreit war durchaus mächtig. Morrison war kein Todesser, aber einer derjenigen, der endlos die Elite des Dunklen Lords umkreiste und nur darauf wartete seine Chance zu nutzen, um seinen Platz an der Seite des Dunklen Lords einzunehmen.
Rowle machte es sich auf seinem Stuhl bequem und beobachtete den Aufseher von Askaban in seinem angeberischen Stuhl. Rowle war bedacht darauf seine Abneigung gegenüber diesem kleinen, runden Mann auf seinem Gesicht nicht aufflackern zu lassen, obwohl es ihm sehr schwer fiel. Rowle war ein Pragmatiker, er verstand durchaus die Verwicklungen und manchmal auch delikaten Berührungen, die oftmals von einem abverlangt wurden, um sowohl die Loyalität der Anhänger des Dunklen Lords zu pflegen und zu sichern. Er war keine Lestrange, die sich auf rohe Gewalt berief oder sogar ein Malfoy, der in dem Glauben lebte, dass alle Leute mit Geld zu motivieren waren. Rowle wusste, was wirklich die Menschen motivierte. Er kannte und verstand das komplizierte Netz aus Hoffnung und Träumen und dieses ultimative Verlangen auf der Gewinnerseite zu stehen – gemocht und respektiert und angehimmelt zu werden, und das nicht nur von seinen Gefolgsleuten, sondern von der Masse, die sich vor deinen Füßen versammelt hatte.
Das war es, was Morrison und andere wie ihn motivierten. Er wollte zu einem Todesser heranwachsen. Als ob er dadurch, dass er in den inneren Kreis der Todesser eintrat, nicht mehr der kleine, übergewichtige, ausdrucklose Zauberer sein würde, der er nun einmal war. Aufseher Eli Morrison würde alles tun, um der großartige und mächtige Zauberer zu werden, für den er sich in seiner Erhabenheit hielt.
Rowle schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Als ob dieser Zauberer jemals die rechte Hand des Dunklen Lords werden könnte.
Thorfinn Rowle würde diese Position einnehmen. Malfoy war in den Gunsten des Herren etwas abgestiegen. Bellatrix und die Carrows waren zu wahnsinnig, als das man ihnen vertrauen könnte. Goyle, Crabbe und all den anderen mangelte es an Verstand und Vision. Nur noch Snape stand zwischen Rowle und das, was er wollte und um Snape konnte man und würde man sich kümmern. Mit diesem Sieg würde der Dunkle Lord Rowles Nutzen und dem Versprechen, was er ihm noch in der neuen Rangordnung der Zauberwelt bringen würde, sehen. Schon bald. Schon sehr bald.
„Ist alles bereit, Aufseher?“, fragte er erneut.
„Oh, ja. Ja. Ich habe alles Ihren Anweisungen nach vorbereitet. Alles … und jeder ist auf seinem Platz.“
„Gut. Gut. Ich kann Ihnen sagen, Eli – ich darf Sie doch Eli nennen, nicht wahr? – dass der Dunkle Lord sehr mit dieser Operation zufrieden sein wird. Ich bin mir sicher, dass er nach diesem Erfolg mit Ihnen über Ihre weiteren Ambitionen reden wird.“
Der Aufseher strahlte, sein Körper begann vor Aufregung schon fast, zu zittern. „Oh! Ja, ja, natürlich. Ich meine … nun, es gibt noch vieles zu besprechen.”
Rowle lächelte. „Das gibt es in der Tat.“
++++++
„Ich bin erbärmlich.“
Die Worte laut auszusprechen, war nicht so tröstend, wie sie gehofft hatte. Sie hatte Snape vor drei Tagen seine Sachen – die Laken – zurückgegeben. Sie hatte gehofft, dass mit ihrer Entschuldigung er sich ihr wieder etwas zuwenden würde. Das war nicht der Fall gewesen. Nichts hatte sich geändert, außer, dass Ron jetzt noch mehr zu Snape starrte und ihr Blicke in einer Mischung aus Verwirrung und Mitleid zuwarf.
„Erbärmlich und traurig.“
Sie saß wieder in ihrem Himmelbett, Gedanken an A.S.V.U.R. brachten ein bittersüßes Lächeln auf ihre Lippen. Sie konnte ihm nicht helfen … konnte es nicht … nicht, wenn er es nicht wollte. Nicht, wenn er sie noch nicht einmal anerkennen wollte.
Unter ihrer Decke rollte sie sich zu einem Ball zusammen, schloss ihre Augen und sehnte sich nach Schlaf, aber eine unbekannte Ruhelosigkeit kitzelte sie. Nachdem sie nach einer Stunde noch immer keine angenehme Position gefunden hatte, gab sie auf. Sie schmiss sich auf den Rücken und starrte mit einem Gefühl von Déjà vu an die Decke. Schließlich setzte sie sich mit einem leisen Seufzen auf, rieb mit ihren Händen durch ihre Haare, bis sie sich sicher war, dass sie aussah wie Frankensteins Braut.
Als sie erkannte, dass es aussichtslos war, gab sie nach, streckte einen Arm zwischen den zugezogenen Vorhängen hervor und suchte in der Schublade in ihrem Nachtisch nach den beiden Sachen, die sie haben wollte. Harrys Tarnumhang, der ordentlich gefaltet in der Ecke lag und ihr A.S.V.U.R Notizbuch. Sie hatte Harrys Umhang jetzt schon eine ganze Weile und wollte ihn schon längst wieder zurückgegeben zu haben, aber irgendwie kam immer wieder etwas dazwischen und von daher hatte sie ihn noch. Das Notizbuch war ihr eigenes Werk und sie hatte es zu einer leicht modifizierten Herumtreiberkarte umgewandelt. Sie hatte die Karte am Anfang ihres Jahres nachgemacht, um Snape im Auge zu behalten. Sie hatte sich irgendwie an den Gedanken gewöhnt zu wissen, wo er sich aufhielt und so hatte sie ihre eigene Version hergestellt. Es war ihrer Meinung nach kein Nachstellen, da sie nur hin und wieder einen Blick auf Snape warf. Außerdem hatte sie die Karte seit Monaten nicht mehr benutzt, wie die leichte Staubschicht bewies.
Sie wischte die Staubpartikel schnell an ihrer Decke ab und blätterte die Rückseite auf, wo sie noch ein extra Blattpapier angeheftet hatte. Sie griff unter ihr Kissen und zog ihren Zauberstab hervor und tippte dann dreimal auf das Papier. „Öffne Sesame.“ Es besaß vielleicht nicht den Flaire seines Originals mit ihrem ‚Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin‘, aber sie hatte sie nicht wegen den Kleinigkeiten kopiert.
Die Karte breitete sich von selbst über ihre Knie aus, Farben und Linien bluteten über die Oberfläche. Wieder tippte sie mit ihrer Zauberstabsspitze auf das Papier. „Zeige mir Severus Snape.“
Die Linien verschwommen und formten sich erneut, bis sie die flachen Umrisse der Kerker, in dem sich Snapes Gemächer befanden, erkennen konnte. Er lief auf und ab, wenn seine Fußabdrücke ein Indiz dafür war. Sie beobachtete seine Schritte ein paar Minuten und verspürte bereits den bekannten Schmerz in ihrer Brust. Das ist eine dumme Idee. Was tue ich nur?
„Idiot“, flüsterte sie zu sich selbst. „Du bist keine schmachtende Heldin, schon vergessen?“ Mit dieser Erinnerung griff sie nach ihrem Zauberstab, um die Karte wieder zu schließen, als sie sah, wie die Fußabdrücke plötzlich stehen blieben. Für eine ganze Weile blieben sie regungslos und dann rannte er los. Verwirrt beobachtete sie, wie die Schritte erst zum Kamin, dann zu seinem Schlafgemach und dann wieder zurück zum Kamin liefen. Die Schritte hielten an und verließen dann die Tür. Verwirrt sah sie, wie Professor Snape den Kerker verließ. Nur eine Sekunde später tauchte ein neuer Geheimgang auf und da erst erkannte sie, dass Professor Snape das Schloss verließ. Diese körperlosen, schnellen, bemessenden Schritte auf der Karte zu sehen, löste etwas in Hermine aus. Als die Darstellung von Professor Snape letztendlich die Karte verließ, wusste Hermine nicht, warum ihr Herz so wild pochte.
Hermine wusste mit absoluter Sicherheit, dass Professor Snape auf den Weg zu Voldemort war. Nichts anderes würde sein plötzliches Verschwinden durch eine der Geheimgänge erklären. Bei legitimen Geschäften wäre er durch das Haupttor verschwunden. Sie wusste, dass er immer wieder zu seinen dunklen Herren ging. Sie hatte das Nachspiel von einem dieser Treffen vor nicht allzu langer Zeit selbst gesehen. Aber diese Tatsache zu wissen war etwas vollkommen anderes, als die Person dabei zu beobachten, wie sie in ihren eigenen Tod lief und bei all den Beobachtungen, die sie bisher unternommen hatte, hatte sie noch nie gesehen, wie Snape fortgegangen war.
Ein erstickendes Verlangen stieg in ihr auf, ließ sie nach Luft schnappen. Es war egal, dass er nicht mehr mit ihr redete. Es war vollkommen egal, dass er sie vermutlich hasste. Schon fast panisch griff sie nach ihrer Jeanshose und ihren Turnschuhen. Ein weiteres Oberteil ließ sie links liegen und schnappte sich Harrys ausgeliehenen Tarnumhang und ihre Karte. Angetrieben von dem Bedürfnis Snape zu sehen, bevor er den Grund verließ, raste sie die Treppen hinunter. Noch während sie die Stufen hinunter hechtete, überschlugen sich die Orte in ihrem Kopf, wo sie am besten hingehen könnte – Astronomieturm … Glockenturm … etwas, was hoch lag, von wo man aus eine gute Aussicht… wo… wo… das Rosenfenster in dem unbenutzten vierten Stockwerk. Sie hatte es während einer ihrer Spaziergänge, bei denen die Treppen den Weg bestimmt hatten, entdeckt.
Sie ignorierte einfach die wenigen Schüler, die sich noch im Gemeinschaftsraum befanden, und sprang über einen der Jungen, der mit ein paar Kissen auf dem Boden lag.
„Hey, Granger, wo gehst du--?“
Sie war bereits verschwunden, das Porträt hinter ihr zugeschlagen und die Stimmen verstummt.
Der Tarnumhang, den sie unter ihren Arm geklemmt hatte, war vollkommen vergessen, als sie mit hämmernden Schritten die Korridore entlanglief und dazu stetig in ihrem Kopf immer wieder dasselbe Mantra hallte – sei noch da, sei noch da, sei noch da -
Sie rutschte um die Ecke, die sie zu den bewegenden Treppen führte. Hermine schlug hart mit ihrer Hand gegen die Steinwand. „Treppen“, flehte sie während ihres Rennes das Schloss an. „Bitte, ich brauche Treppen zum großen Fenster im vierten Stockwerk.“
Ob es Glück oder das Schloss war, als sie auf die Plattform trat, hielt ein Treppensatz genau vor ihr an. Hastig eilte sie die Stufen entlang, bis sie auf der richtigen Ebene angelangt war und mit neuem Tempo raste sie den verstaubten Korridor entlang. Vollkommen außer Atem und mit Seitenstichen, stolperte Hermine vor dem großen Rosenfenster im vierten Stockwerk zum Stehen. Als sie ihr Gesicht gegen das kalte Glas presste, knurrte sie frustriert, als sie sah, dass ihr Atem das Fenster beschlug. Schnell wischte sie mit ihrem Ärmel die Scheibe ab und starrte hinaus auf den Grund zum Verbotenen Wald hin, während noch immer das Mantra in ihrem Kopf trommelte – sei noch da, sei noch da, sei noch da.
Erleichterung erfasste sie, als sie Snape – ein Schatten im Schatten versunken – mit stetigem Schritt erkannte. Sie sah, wie er die Grenze zu Hogwarts überschritt; beobachtete, wie er etwas, was im Mondlicht silbern glitzerte aus seinem schwarzen Umhang zog; beobachtete, wie er davon apparierte.
Er war jetzt bei Voldemort.
Langsam rutschte sie auf den Boden, um es sich dort gemütlich zu machen und endlich den Tarnumhang über sich zu legen, um sich einmal vor Filch zu schützen, aber auch um sich zu wärmen. Abwechselnd schaute sie zwischen dem Fenster und der Karte hin und her, während sie in ihrer Nachtwache auf Professor Snapes Rückkehr wartete.
Nach vier langen Stunden, Stunden, in denen ihr die schlimmsten Dinge durch den Kopf gerast waren, sprang Hermine auf, als sie eine Bewegung am Rande des Verbotenen Waldes erkannte. Schnell vergewisserte sie sich, dass sie von dem Umhang bedeckt war, benutzte sie die Karte, um ihre Schritte zu koordinieren und sich zu vergewissern, dass sie in der Nähe war, wenn Professor Snape den Grund des Schlosses betrat.
++++++
Dumbledore wusste genau, wann Severus zurückkehrte, die alten Zauber, die die Schule und ihre Insassen seit ihrer Gründung beschützten und von jedem Schulleiter automatisch erfasst werden konnten und unter Eid geschworen wurden, liefen seine Nervenbahnen entlang.
Mit einem erleichterten Seufzen legte er seine Feder nieder. Albus kannte sehr wohl das Elend und die Opfer eines Krieges, war sich den Risiken, die sein Zaubertränkemeister jedes Mal, wenn er Toms Ruf folgte, bewusst. Und obwohl er sich wünschte, den anderen Mann Sicherheit versprechen zu können, so konnte er es nicht. Albus brauchte die Informationen, die ihm nur Severus liefern konnte. Mit einer Skrupellosigkeit, die nur wenige jemals gesehen haben, sandte er den jungen Mann jedes Mal mit dem Wissen hinaus, dass es das letzte Mal sein könnte. Und jedes Mal wartete er in seinem Büro auf die Rückkehr. Nicht, dass Severus jemals diese Art von Verhätschelung für gut heißen würde, die Albus aufbringen müsste, um den Mann hinter den sicheren Mauern dieses Schlosses zu halten.
Konzentriert entfachte er mit einer Handbewegung die Flammen im Kamin. Als er sich seinen Mantel umwarf, rief er eine Kerze, die ihm den Weg erhellen sollte. Albus nahm einen der vielen Geheimgänge des Schlosses und folgte den Treppen, bis er unten im Kerker angekommen war. Hier folgte er den mit Fackeln versehenen Korridor. Er hätte dem Weg geradewegs in Severus Quartier folgen können, aber er wollte Severus nicht überraschen, besonders jetzt nicht, wenn er sich von einem Treffen mit Tom erholte und seine Beziehung zu dem jungen Mann im Moment recht angespannt war.
Als er die Tür des Zaubertränkemeisters erreichte, drückte Albus in der Erwartung, dass sie auf seine Berührung reagierte, gegen die Tür. Überrascht musste er feststellen, dass die Tür verschlossen blieb. Mit einem Stirnrunzeln konzentrierte er seine magischen Sinne und erkannte besorgt, dass Severus persönliche Schutztauber noch immer aufrecht waren.
Die ersten Ansätze von Angst breiteten sich aus, als Albus sich noch mehr konzentrierte, richtete er sein Bewusstsein zusätzlich auf die Schutzzauber, die das Schloss umkreisten, und verspürte so etwas wie eine Warnung. Die anfängliche Sorge wandelte sich in Alarm, als er erkannte, dass Severus durchaus die äußersten Schutzzauber passiert hatte, während die inneren Zauber ihn nicht erkannten. Er schloss zusätzlich seine Augen und tastete sich die Zauber entlang, bis er genau ausmachen konnte, wo Severus die Zauber gekreuzt hatte. Nur wenige Augenblicke später hatte er ihn gefunden.
Erleichtert seufzte Albus auf und verließ anschließend die Kerker. Albus fand Severus auf einem kleinen, verlassenen Innenhof, der von Unkraut überwuchert war, gezeichnet wurde von kahlen Bäumen, die in dem fahlen Mondlicht klauenartige Schatten an die Mauer warfen. Und dennoch, wenn man den richtigen Blick dafür hatte, erkannte man in dieser Trostlosigkeit trotz allem eine sonderbare Schönheit. Wenn man hinter die Äußerlichkeiten blicken konnte und die Pracht in den Pflanzen erkannte, die sich weigerten, ihre überwucherten Betten im Kontrast zwischen Schatten und Mondlicht, abzugeben, wusste Albus, warum Severus diesen Ort aufgesucht hatte. Sein Zaubertränkelehrer verschmolz praktisch mit dem Ort, als ob die Äußerlichkeiten nur sein Innenleben darstellten, ein Schatten über ein Dutzend anderer, grob, scharfkantig und kalt.
Albus trat hervor, jeder Schritt hallte gegen die Platten wie zerbrechendes Glas. Ergriffen von den späten Novemberwinden, zog Albus seine Robe enger um sich und setzte sich auf die letzte nicht zerstörte Bank neben den Mann. Er bot ihm kein Zitronenbonbon oder irgendwelche mitleidigen Weisheiten an, sondern saß einfach nur wartend da.
Leichte Zitterschübe durchfuhr Severus Körper, obwohl Albus nicht wusste, ob das Zittern von der Kälte oder etwas anderem verursacht worden war. Dinge, über die Albus nicht unbedingt nachdenken wollte. Allerdings sorgte er sich mehr um die keuchenden Atemzüge, gefolgt von einem langen Luftanhalten, bevor er zitternd ausatmete. Dieses kratzende Keuchen sprach von anderen Zaubern als dem Cruciatus. Tom mochte den Cruciatus, um den Eifer seines Inneren Kreises zu testen, aber bevorzugte andere Zauber zur Bestrafung. Es gab noch andere Flüche, die genauso große Schmerzen wie der Cruciatus verursachen konnte, aber nicht so permanente Nachwirkungen mit sich zog. Und wenn Tom Flüche benutzte, um zu bestrafen, was hatte Severus dann getan oder nicht getan, um sie zu provozieren?
Also saßen sie beide da, während Albus seinen Spion aus dem Augenwinkel heraus beobachtete, da er wusste, dass sein Nebenmann seine Blicke und Sorge nicht mochte. Er war so konzentriert auf Severus, dass er den verschwommenen, unnatürlichen Fleck, der sich halbwegs bedeckt neben der Zentaurstatue befand, beinahe nicht bemerkt hätte. Er kniff seine Augen zusammen, konzentrierte sich auf den Fleck, bis er ein schattiges Jeansbein entdeckte, welches hinter dem Schwanz des Zentaur hervor lugte und ihm sagte, dass sich jemand unter einen Tarnumhang versteckt hatte.
Harry.
Für einen Moment verspürte Albus aufkeimende Wut, gemischt mit Bedauern auf Harrys Eindringen gerichtet. Severus wäre alles andere als glücklich zu wissen, dass James Potter Sohn Zeuge eines Momentes war, den Severus eindeutig als Schwäche ansah. Kurz erwog er den Jungen auffliegen zu lassen, entschied sich dann aber doch dagegen. Vielleicht würde ja etwas von dem Misstrauen seinen Zaubertränkemeister gegenüber schwinden, wenn er selbst sah, was Severus unter Toms Hand erleiden musste. Bewusst wandte er sich von der Statue ab. Es wäre keinem geholfen, wenn Severus sein Interesse für die Überreste der Statue bemerken würde. Sein Spion war immerhin kein Dummkopf und viel feinfühliger den gesehenen und ungesehenen Dingen gegenüber, als sonst jemand.
Einen langen Moment später zuckte Severus stark von einem weiteren Schub zusammen. Darauf hatte Albus gewartet.
Er zog seine Robe noch weiter um sich, während Albus darauf bedacht war Severus nicht anzusehen, sondern richtete seine Worte stattdessen auf die Reste des Heidelbeerbusches. „Ich bin leider nicht mehr so jung, wie ich es gerne wäre, Severus. Könnten wir vielleicht reingehen, wo es wärmer ist? In meinem Büro wartet ein schönes Feuer und eine Tasse Tee auf uns. Ich glaube, ich habe sogar die Mandelplätzchen, die Sie so mögen.“
Eine weitere Minute verstrich, bevor Severus antwortete. „Sie sind alle tot“, sagte er, seine normalerweise dunkle und weiche Stimme, war rau und abgehakt. Es war das Geräusch einer Stimme, die vom Schreien ganz heiser war.
Albus schloss bei den Worten seine Augen, der Geschmack von Asche in seinem Mund. Aber er fragte nicht nach. Severus würde es ihm schon noch früh genug erzählen und Albus hatte dieses Szenario mit Severus schon zu oft durchgemacht, um zu wissen, dass welche Informationen Severus auch immer für ihn hatte, es seine Zeit brauchte. Er dachte erneut an Harry, wie er zusammengehockt gegenüber im Innenhof saß, aber entschied, dass dies vielleicht der letzte Stoß war, den Harry auf seinen Weg brauchte. Er hoffte nur, dass Harry sich kontrollieren konnte.
Und so saßen sie da, als Severus keine Anstalten machte aufzustehen, während die Schatten sich immer weiter über den Boden zogen. Albus wartete mit jahrelanger Geduld, bis Severus schließlich mit einem leisen Seufzen aufstand und ihn ausdrucklos anstarrte. „Es war eine Falle. Der Dunkle Lord hatte angeordnet, dass die Todesser diesen Abend einen Angriff auf Askaban ausübten. Nur, dass alles vorbereitet war. Es war kein Angriff, sondern ein Rettungsversuch.“
Die Worte waren abgehakt, während Severus Stimme so klang, als ob er sich von all dem abkapseln wollte. Er zeichnete ein raues und erschreckendes Bild. Todesser auf ihren Besen, wie sie über das dunkle Gewässer schossen. Eine Explosion, die das gesamte Gefängnis erschütterte und die Südwand sprengte. Schreie und verzweifeltes Flehen. Auroren flogen umher und schossen auf die Häftlinge, die vom Ministerium umzingelt worden waren, die Todesser, die kamen, um ihres gleichen zu befreien.
Albus bekämpfte die Kälte, die sich um ihn legte. „Überlebende?“
Severus nickte. „Ein paar. Die Wichtigen. Die, die der Dunkle Lord wollte.” Er verstummte und fuhr dann leiser fort. „Ich habe Molly Weasley fallen gesehen. Von den anderen weiß ich nichts. Das Chaos …“ Severus schüttelte mit dem Kopf. „Es wird einige Zeit brauchen, um alles genau zu sortieren und ich werde ein Denkarium brauchen.“ Schließlich drehte sich Severus direkt zu Albus um. „Seien Sie vorbereitet. Der Dunkle Lord … morgen wird …“ Er verstummte erneut und schien sich dann selbst zu schütteln.
Als er sich umdrehte, hielt er Albus eine Hand entgegen, die er dankend annahm. Er ließ sich von dem starken Arm hochziehen und brauchte einen Moment, um sein Gleichgewicht auf seinen tauben Füßen zu finden. Erst als er sein Gleichgewicht zurückhatte, zog Severus seine Hand fort und trat zurück, um die gewohnte Distanz zwischen ihnen wieder aufzubauen.
Severus wartete nicht auf ihn, sondern drehte sich um und betrat das Schloss. Albus blickte ihm hinterher und schielte einmal über seine Schulter, wo Harry noch immer unter seinem Tarnumhang zusammengekauert saß.
++++++
Hinter den Resten der Marmorstatue schüttelte sich Hermine mit einer ganzen Ansammlung an Gefühlen, während Tränen ihr Gesicht hinunter strömten.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel