Als Hermine am nächsten Morgen Snapes Zimmer mit dem Frühstückstablett in der Hand betrat, war sie entschlossen, sich diesmal nicht so unbeholfen anzustellen. Sie würde erwachsen und selbstbeherrscht sein. Gestern hatte sie das Gefühl gehabt, immer einen Schritt hinter ihm gewesen zu sein. Snape würde sie heute nicht aus der Fassung bringen.
„Granger."
Sie lächelte schief bei seiner eher ausdruckslosen und monotonen Begrüßung. ‚Kein Morgenmensch', beschrieb noch nicht einmal ansatzweise Severus Snape. Andererseits war es für jemanden, der die Dunkelheit bevorzugte, recht hell. Kein Wunder, dass er nicht ganz auf der Höhe ist. Und mit dem auferlegten Zauberverbot konnte er sich noch nicht einmal selbst heilen und wehe er zeigte vor jemanden auch nur die geringste Schwäche und müsste um Hilfe bitten. Idiot, wenn auch ihr dieser Gedanke mit einer amüsierten Toleranz durch den Kopf schoss.
Nachdem sie ihm sein Frühstückstablett gereicht hatte, ging sie direkt zum Fenster hinüber. Zwei Sekunden überlegte sie unentschlossen, bevor sie mit ihrem Zauberstab zwei durchschnittliche Vorhänge zauberte. Augenblicklich wurde das Zimmer von freudiger, eher blendender Helligkeit in gedämmte Dunkelheit getaucht.
Sie bekam kein direktes Dankeschön für ihr dummes Rumgefuchtel mit dem Zauberstab, aber dennoch bemerkte sie sein erleichtertes Seufzen. Hermine schrieb sich einen Punkt auf ihrem A.S.V.U.R-Konto gut.
Während sie die Medizin, die Heilerin Alverez für sie dagelassen hatte, überprüfte, ignorierte Hermine einfach seine typische, morgendliche Verdrießlichkeit. Gestern hatte er nur Heiltränke bekommen, heute jedoch würde sie ihm noch zusätzlich die Salbe auf seine verbrannten Hautstellen auftragen müssen.
Es war nicht unbedingt etwas auf das sie sich freute, da sie sich ziemlich sicher war, dass Professor Snape, wenn es erst einmal so weit war, lauthals zum Protest ansetzen würde. Um die Wahrheit zu sagen, würde es für sie beide unangenehm werden. Hermine versuchte ihr Bestes den Gedanken, dass Snape unter dem Bettlaken nackt war, zu verdrängen. Es war zu den merkwürdigsten Momenten, an denen sie daran denken musste. Die Tatsache, dass sie Salbe auf seine Haut auftragen würde, bedeutete, dass Verdrängung nicht zur Option stand. Sie würde die ganze Situation - selbst wenn es sie umbrachte … oder er sie, was auch immer zuerst passierte - wie eine Erwachsene handhaben.
Nachdem sie ihre Inventur abgeschlossen hatte, nahm sie die Salbenkruke und kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Da sie nichts zutun hatte, breitete sich erneutes, schweres Schweigen zwischen ihnen aus.
Zum ersten Mal, seitdem sie das Tablett abgestellt hatte, sah Hermine, wie Snape zu ihr aufblickte. Dann schaute er hinab auf seinen Teller und mit einem kalkulierten Glitzern wieder zurück zu ihr.
Etwas wie Verärgerung stieg in ihr auf. Ernsthaft, was dachte er – dass ich seine Eier vergiftet habe, oder was?
In dem Versuch nicht ihr Gesicht zu verziehen, suchte sie sich eine Ablenkung. Warum redete er nicht? Ron und Harry redeten die ganze Zeit … darüber, welches Mädchen diesmal ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, was es zum Abendessen gab, über Quidditch und … und … na schön, und meistens darüber, was für ein Idiot der Mann, der jetzt auf all den Kissen lag, doch war.
Das Schweigen machte sie nervös. Sollte sie etwas tun, etwas sagen? Also wirklich, für die nächsten Tage würden sie beide ihre Zeit miteinander verbringen müssen, war da eine höfliche Unterhaltung wirklich zu viel verlangt?
Als das Schweigen zu laut für Hermine wurde, gab sie nach. „Wie geht es Ihnen heute, Sir?"
Daraufhin zog er diese verdammte, schwarze Augenbraue hoch und Hermine begann innerlich, zu fluchen. Sie war sich nicht sicher, was sie verbrochen hatte, aber es gab keine Zweifel, dass sich der Punktestand verändert hatte: A.S.V.U.R: 1, Snape: 1.
Nachdem er das leere Tablett zur Seite gestellt hatte, sagte er: „Mir geht es miserabel. Und da sich dieser Umstand höchstwahrscheinlich nicht ändern wird, denke ich, können wir in Zukunft davon absehen, diese Frage noch einmal zu wiederholen. Einverstanden?"
Wieder hob sich zusammen mit Hermines Wut diese Augenbraue. Sie konzentrierte sich auf ihre Reife und Selbstbeherrschung und schenkte ihm ein angespanntes Lächeln. „Ja, Sir."
Dafür verdiente sie sich, wie sie es immer nannte, ein Snape-Grinsen. Was bedeutete, wenn sie ihn richtig verstand, dass er sich in Anbetracht seiner derzeitigen Lage ziemlich gut fühlte, selbst wenn er sagte, ihm ginge es miserabel. Denn dieses grinsende Lächeln war ein geringfügig größeres Lächeln, als sein wahres Grinsen und sie betrachtete es eher als den Snape-ist- zufrieden- Ausdruck, als den Snape–plant–deinen–Untergang-Ausdruck.
Was wiederum bedeutete, sie sollte vermutlich seine gute Stimmung ausnutzen, solange sie noch anhielt.
„Professor, es ist an der Zeit die Brandsalbe aufzutragen."
Sein zufriedener Blick verwandelte sich sofort in ein dunkles Starren. „Natürlich ist es das."
„Heilerin Alverez-"
„Ja, ja", winkte er ab. „Ich bin mir Heilerin Alverez's Auflagen bezüglich meiner Genesung und Ihre Rolle darin durchaus bewusst." Er verstummte und Hermine bekam den Eindruck, dass er sich auf etwas Unangenehmes vorbereitete. „Sie können mit den Verbrennungen an meinen Beinen anfangen."
Das war eine Überraschung und viel einfacher als sie erwartet hatte. Bestimmt ignorierte sie den Teil in sich, der etwas enttäuscht war, eine gute und durchaus zu gewinnende Argumentation, verpasst zu haben.
Hermine setzte sich ans Ende des schmalen Bettes und zog den Krug hervor und legte ihn neben sich. Da Alverez ihr mehr als deutlich eingetrichtert hatte, wie empfindlich Snapes Haut reagierte, hob sie zaghaft die Decke von seinen Füßen und Unterbeinen und faltete sie so zusammen, dass sie über seine Knie lagen.
Ihr Professor schwieg und Hermine riskierte einen Blick in seine Richtung. Er starrte direkt an die Decke und vermied es gezielt in ihre Richtung zu blicken.
Sie spürte bereits den nervösen Schweiß zwischen ihren Schulterblättern prickeln. Es war ja nicht so, als ob sie dies nicht schon zuvor getan hatte, aber da war er nie wach gewesen. Sie wusste, wie sehr Snape es hasste, berührt zu werden. Das hier musste besonders schwierig für ihn sein.
„Nun machen Sie schon, Granger", schnappte er durch zusammengebissene Zähne.
„Genau, bin schon dabei", murmelte sie mehr zu sich selbst als zu ihm.
Als sie den Korken löste, schwebte ihr eine Geruchswolke der Kräuter entgegen. Sie tauchte zwei Finger in die Salbe und verrieb sie, genauso wie sie es all die Male zuvor getan hatte, als er noch bewusstlos gewesen war. Damals hatte sie es getan, damit er selbst in seinem bewusstlosen Zustand gewusst hatte, dass man sich um ihn sorgte und dass die Berührung, die er spürte, keinen Schmerz verursachen sollte. Sie tat es jetzt, um seine Anspannung in ihm zu lösen.
„Ich beginne mit Ihrem linken Fuß."
Mit Fingerspitzengefühl trug sie die Salbe auf die starken Verbrennungen, die sein Fußgelenk umkreisten und sich bis zu seinen Waden ausbreiteten, auf. Hermine versuchte sich auf diese eine Aufgabe alleine zu konzentrieren, damit sie nicht daran denken musste, dass sie gerade ihren Lehrer anfasste - ihren nackten Lehrer. Den nackten Lehrer, der überraschenderweise äußerst muskulöse Waden und dünnknochige, schon fast elegante Füße besaß, selbst wenn die äußerst knochigen Gelenke nur Beweis für seine ungesunde Gewichtsabnahme waren. Dünnes, schwarzes Haar kitzelte ihre Fingerspitzen, als sie die Salbe auf seinen Waden verteilte.
Schweißtropfen liefen ihr den Rücken hinunter und sie suchte verzweifelt nach irgendwelchen Worten, die das erdrückende Schweigen unterbrechen würden.
„Das ist ein wirklich merkwürdiges Verbrennungsmuster." Ihre Stimme klang merkwürdig laut in der Stille.
„Stiefel", grunzte Snape, während er weiterhin an die Decke starrte.
Da sie sich verzweifelt an alles klammerte, was das Schweigen durchbrechen würde, stellte sie die automatische Frage, die die rätselhafte Antwort ‚Stiefel' hervorrief.
„Wie-"
Mit einem übertriebenen Seufzen schnitt Snape ihr das Wort ab. „Ich unterrichte Zaubertränke anscheinend nur an Idioten." Da dies für ihn eine standardisierte Beschwerde war, war sie nicht beleidigt. „Zaubertränke sind grundsätzlich gefährlich und explosiv, besonders dann, wenn sie falsch zubereitet werden. Ich trage Stiefel aus Drachenhaut, Granger, die gegen einen gewissen Grad an Feuer und Säure resistent sind."
Als Snape in seine ‚Lehrerrolle' zurückkehrte, merkte Hermine, wie sich seine Muskeln unter ihren Fingern etwas entspannten.
„Und da Drachen von Natur aus bereits magische Geschöpfe sind, wird die Haut zumindest begrenzt gegen Flüche und Zauber geschützt. Meine Füße waren geschützt, wohingegen die Haut über meinen Stiefeln es nicht war."
Hermine schluckte schwer. Er sprach mit solch einer Gleichgültigkeit, als ob nicht er derjenige war, der die Folter erleiden musste. Aber er redete und da sie vermutete, dass sie beide etwas Ablenkung brauchten, stellte sie ihm eine Frage, über die sie sich schon immer Gedanken gemacht hatte.
„Der Schulleiter sagt, wir sollen uns nicht vor einem Namen fürchten. Dass wir-" sie wollte, gerade Voldemort sagen, bevor sie sich doch noch anders überlegte – „'Sie wissen schon wen' bei seinen Namen nennen sollen. Warum nennen Sie ihn nicht bei seinem Namen?"
Die Muskeln unter ihren Fingerspitzen spannten sich erneut an und Hermine wappnete sich bereits für die Standpauke. Als er dann sprach, war seine Stimme kalt. Augen, die zuvor noch an die Decke gestarrt hatten, hielten sie jetzt mit einem rücksichtlosen Blick gefangen. „Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich Ihnen die Wahrheit sagen werde. Dass ich nicht das Wissen zurückhalten würde, welches Sie benötigen, um die Umstände besser zu verstehen. Denken Sie sorgfältig über die Fragen, die Sie mir stellen, nach. Einige der Türen, wenn sie denn einmal geöffnet sind, werden sich nie wieder schließen."
Sie hatte den Hauch einer Ahnung, dass er versuchte ihr Angst einzujagen. „Ich möchte … es verstehen." Sie biss sich auf ihre Zunge, bevor sie ‚Sie' sagen konnte.
Erneutes Schweigen.
Als er nicht sprach, versuchte sie es zu erklären. „Ich habe nie verstanden, wie sich eine gesamte Gesellschaft vor einem Namen fürchten konnte. Niemand hat es wirklich erklärt."
„Muggelgeboren", antwortete er schließlich, als er endlich seinen Blick abwandte, um wieder die Decke zu betrachten und Hermine atmete zitternd ein. Sie war sich nicht sicher, ob sie stolz auf sich sein oder sich fürchten sollte, da der Punktestand eine neue Höhe erreicht hatte. A.S.V.U.R: 2, Snape 1.
Sie sammelte ihren gesamten Gryffindor-Mut zusammen, als sie ihre nächste Frage stellte: „Was macht es für einen Unterschied Muggelgeborene zu sein? Es ist ein Name."
„Nein, Granger, es ist nicht nur ein Name. Es ist töricht von uns den Schülern etwas über die Goblinkriege beibringen zu wollen und die Zeit, in der sie leben, vollkommen zu ignorieren. Als der Dunkle Lord zum ersten Mal an Macht gewann, nannte er sich bei dem Namen, unter dem er heute bekannt ist."
„Lord Vo-"
„Wagen Sie es nicht", zischte er. Er atmete einmal tief durch, bevor er in einem normaleren Ton fortfuhr. „Aber ja, so wurde er genannt. Als seine Macht und Anhängerzahl zunahm, formte er seinen inneren Kreis."
„Die Menschen, die zu Todessern wurden."
„Letzten Endes, ja. Viele, die in diesen Tagen nach seiner Gunst strebten, wollten ihm nahe stehen. Es war ein Gefühl sich in Größe zu sonnen, dass man im Mittelpunkt von etwas Wichtigen und Weltbewegendes stand und dass all das, was man kannte, sich ändern würde. Nicht alle, die nach dieser Position strebten, bekamen sie auch. Man musste sich diesen Platz verdienen, es war eine Abhängigkeit von Loyalität und wie nützlich man für ihn war. Am Ende bekamen die, die sich für ihn als wertvoll erwiesen, das Mal."
„Ich habe immer gedacht, alle seine Anhänger würden das Mal tragen. Wollen Sie mir gerade sagen, dass wir versuchen gegen Menschen zu kämpfen, die wir noch nicht einmal identifizieren können?"
„Die Welt ist niemals so einfach. Mir sind zweiundzwanzig bekannt, die das Mal tragen. Es gibt vermutlich noch andere, von denen selbst ich nichts weiß. Aber es gibt Hunderte von Gefolgsmännern, die seine Ideologie tragen. Würden Sie eine Armee aufbauen und sie dann so kennzeichnen, dass Ihr Gegner sie einfach identifizieren kann?"
Sie errötete. „Nein. Daran habe ich noch nie gedacht. Jeder spricht immer nur von den Todessern. Aber warum bekommen sie dann das Mal?"
„Weil sie" – diese Augen fingen, wieder die ihren – „weil wir etwas Besonderes sind. Unsere Loyalität wurde getestet und bewiesen. Wir sind die Elite. Es war wie ein Ehrenzeichen. Erst später … wurde es zu mehr."
Die Gleichgültigkeit, die sie gehört hatte, als er von seiner Folter sprach, wurde durch selbstironischen Hohn ersetzt, sodass Hermine sich schon fast wieder seine Gefühllosigkeit herbeiwünschte. Hatte er jemals außer mit Dumbledore mit jemandem darüber gesprochen? Und selbst dann fragte sie sich, wie oft dieser Mann dem Schulleiter mit seinen Gedanken belastet hatte? Als sie ihm zuhörte, verstärkte sie nur ihren Entschluss seine Vertraute – der Freund – zu sein, den Snape brauchte.
„Was hat sich verändert?"
„Die damaligen Pläne unterschieden sich von dem heutigen Kurs des Dunklen Lords. Beim ersten Mal war er noch menschlich – charismatisch und ein geborener Anführer. Es gab viel Gerede, dass er der neue Zaubereiminister werden würde. In solch einer Autoritätssituation hätte er unwiderruflich das Gesicht der Zauberwelt in England verändert. Ich hege gar keine Zweifel daran, dass wenn er Erfolg mit seinen Plänen gehabt hätte, er innerhalb weniger Jahre einen Großteil der Zauberwelt eingenommen hätte."
„Er war so dicht dran gewesen?", fragte sie überrascht. Sie hatte noch nicht einmal daran gedacht, dass Voldemort so nahe davor gestanden hatte seine Ziele zu erreichen.
„Dicht?" Er schnaufte amüsiert. „Er war bereits dort. Er kontrollierte bereits die Schlüsselmitglieder des Ministeriums und des Zaubergamot."
Hermine war so gefangen in Snapes Geschichte, dass sie die Salbe vergaß und ihre Hand leicht auf Snapes Wade ablegte. „Aber wenn er solch eine Machtgrundlage hatte, was ist dann passiert?", fragte sie. „Wie ist er gescheitert? Wie kam der Orden ins Spiel?"
„Dumbledore passierte. Er sah, was der Dunkle Lord vorhatte. Der Schulleiter, der vielleicht nicht immer das sieht, was sich direkt vor seinen Augen befindet" – Hermine erhaschte alte Bitterkeit in seinen Worten – „besitzt dessen ungeachtet die einzigartige Gabe die Dinge in einem größeren, ausschweifenden Muster zu sehen. Ich vermute, Miranda Vector steckte hinter Dumbledores Erkennungen in der Bedrohung des Dunklen Lords. Um diese Bedrohung zu bekämpfen, versammelte Dumbledore die um sich, von denen er dachte, dass sie ihm behilflich dabei sein könnten den Krieg, den er kommen sah, zu stoppen."
„Also traf er zum ersten Mal auf Widerstand."
Das brachte ihr den Hauch eines Lächelns. „Sehr gut. Als Dumbledore die Machenschaften hinter den Mauern des Ministeriums aufdeckte, begann sich auch die öffentliche Meinung zu wenden. Die Zaubergesellschaft zog sich von einem Individuum zurück, welches als gefährlich rigoros entlarvt worden war."
„Dumbledore brachte ihn in Zugzwang."
„Genau. Unglücklicherweise war es auch Dumbledore, der sich verschätzte."
„Versch…", begann sie, aber hielt inne, als sie all das, was Snape ihr gesagt hatte, zusammensetzte. „Dumbledore vermutete, er würde eine Sache tun und er handelte komplett anders."
Snape schürzte seine Lippen. Hermine sah, dass er darüber nachdachte, ob er seine Gedanken aussprechen sollte oder nicht.
„Sir?"
„Über die Jahre hinweg, Granger, habe ich erkannt, dass der Schulleiter fast unfehlbar ist. Wenn er sich jedoch verschätzt, sind die Konsequenzen seines Fehlers oftmals unvorstellbar."
Sie rutschte bis zur Kante und beugte sich vor. „Was ist passiert?"
„Da die Slytherintaktiken gescheitert waren, griff der Dunkle Lord zu offensichtlicheren Methoden – die Razzien waren geboren und die Morde begangen."
„Aber was hat das mit Ihrem-" Sie deutete auf seinem Arm. „Und warum sagt niemand den Namen des Dunklen Lords?"
„Das Mal ist nicht nur ein Tattoo. Es ist eine magische Verbindung zwischen denen, der es erschaffen hat und denjenigen, die es tragen. Es verbindet all die, die es tragen letztendlich mit ihm. Wegen dieser Verbindung ist der Dunkle Lord mit einigen Fähigkeiten gesegnet. Es erlaubt ihm, die, die es tragen, zu ihm zu holen. Der Träger braucht an keinen Bestimmungsort zu denken – sie müssen einfach nur dem Zug des Males folgen. Der Dunkle Lord bekommt auch begrenzten Zugriff auf die Magie des Trägers."
„Ähnlich wie die Affinität, die wir teilen."
„Ja und nein. Es erzwingt eine Art von Affinität, aus der er wie aus einem Pool der Macht schöpfen kann. Jedoch müssen die, die das Mal tragen, dafür in unmittelbarer Nähe sein."
„Was erklärt, warum er Sie an seiner Seite haben wollte."
„Genau. Und guter Letzt, versorgt das Mal den Dunklen Lord mit seinem nützlichsten Werkzeug in seinem Kreuzzug Angst in der Zauberwelt zu säen. Es ermöglicht ihm zu ‚hören', wenn jemand seinen Namen spricht."
„Was hat das zu bedeuten?"
„Es ist kein Abhörgerät per se, aber wenn man seinen Namen spricht, würde das Mal auf meinen Arm es erkennen. Daher ist sich der Dunkle Lord bewusst, wenn man über ihn spricht."
„Also fürchtete sich jeder davor, seinen Namen zu sagen. Sie wollten keine Aufmerksamkeit erregen, da sie nicht wussten, wer das Mal trug. Wenn sie von der falschen Person belauscht wurden, konnte dies ihr Todesurteil bedeuten. Das ergibt viel Sinn."
Und dann kam ihr ein Gedanke. „Aber … aber … das bedeutet ja, dass jedes Mal, wenn Dumbledore seinen Namen sagt und Sie dabei sind … dass er …"
Hermine riss ihre Augen auf, als ihre Gedanken um diese Neuigkeiten rasten.
„Das ist absolut unverantwortlich", brachte sie schließlich aufgebracht hervor. „Dumbledore ist nicht derjenige, der sich ihm stellen muss. Der Dunkle Lord könnte seine Wut an Ihnen auslassen."
„Ein kalkuliertes Risiko."
„Das ist absoluter Schwa-"
„Kalkuliert, Granger. Wie so viele Dinge", sagte er trocken. „Also, ich glaube, wir sind fertig mit Ihrer Geschichtsstunde. Sind Sie bereits fertig mit mir?", fragte er mit einem bestimmten Blick auf ihre ruhende Hand auf seinem Bein.
Hastig zog sie ihre Hand zurück und versuchte die aufsteigende Röte zu bekämpfen. „Genau", murmelte sie weniger elegant. „Aber ich bin noch nicht fertig mit Ihnen. Ich muss Sie umdrehen, damit ich an die Verbrennungen auf Ihrem Rücken komme."
„Haben sich Ihre Fähigkeiten in Bezug auf Moblicorpus seitdem Sie das letzte Mal die arme Miss Stuart durch die Hallen von Hogwarts geschleift haben, verbessert?"
„Ich habe Miss Stuart nicht … oh, Sie tun es schon wieder. Diesmal kriegen Sie mich nicht."
„Wie Sie meinen, Granger."
„Das tue ich", schnappte sie frecher als vermutlich gut war. Aber er zog lediglich eine höhnische Augenbraue hoch, was sie zur Weißglut brachte. Genau in diesem Moment wollte sie ihn mit einem Moblicorpus belegen, aber er hatte die Zweifel in ihr geschürt. Wenn sie ihn fallen ließ oder nur zu hart auflegte, könnte sie ihm jede Menge Schmerzen zufügen. Zum Teufel mit ihm.
„Rink!", rief sie.
Augenblicklich erschien Rink neben ihr. Mit einem zufriedenen Lächeln in Snapes Richtung, sagte sie: „Ich muss mich um die Verbrennungen auf Professor Snapes Rücken kümmern. Könntest du ihn bitte für mich auf den Bauch drehen, ohne dass er verletzt wird?"
Snape riss seine Augen auf, bevor er sie zu Schlitzen zusammenzog. „Einen Moment, Granger. Ich werde bestimmt nicht von Ihnen oder einer Elfe so mit mir herumhantieren lassen."
„Den Herrn zu bewegen ist kein Problem für Rink, Miss."
Mit aufgerissenen Augen drehte er sich zu Snape um und tadelte: „Miss muss sich um den Herrn kümmern." Wenn auch Rink dies aus der Sicherheit hinter ihren Beine machte.
Bevor Snape auch nur darüber nachdenken konnte noch weiter zu protestieren, wurde er hochgehoben, gedreht und sanft wieder auf das Bett gelegt. Augenblicklich war Rink verschwunden; vermutlich in die Sicherheit der Küche, wie Hermine schätzte.
„Seit wann nimmt meine Hauselfe von Ihnen Befehle an?", knurrte Snape verärgert mit gedämpfter Stimme von seinem Kissen aus. „Das haben Sie gestern nicht erwähnt."
Hermine begann damit, die Decke von seinen Schultern zurück zu falten. „Es ist eine neue Entwicklung", antwortete sie und versuchte bestimmt ihre Belustigung aus ihrer Stimme zu halten. „Ich habe Dumbledore gefragt und er meinte, die Elfen sehen mich in diesem Haus als die Anführerin der Granger-Hauslinie an."
Ihr Blick verfinsterte sich. „Technisch gesehen, ist es meine Mutter, aber da sie eine Muggel ist, bin ich auf verdrehte Art und Weise für die Elfen sie. Und da niemand anderen sonst hier im Grimmauldplatz gibt, Professor Dumbledore mit eingeschlossen, da er für die Hogwarts-Linie steht und dadurch bereits eine Hauslinie besitzt, wenden sich die Elfen an mich."
Snape lachte dunkel. „Zweifelsohne eine Tatsache, die Molly Weasley in den Wahnsinn treibt."
Hermine seufzte zustimmend. „Sie haben die Küche übernommen und lassen sie nicht mehr rein. Immer wenn es zur Sprache kommt, starrt sie mich böse an."
Sie beugte sich vor, um einen besseren Blick auf seine Verbrennungen zu werfen und fuhr mit ihren Fingerspitzen darüber. „Diese hier verheilen gut, Sir", sagte Hermine ihm und rieb die Stelle ein.
Eine Anzahl von älteren Fluchnarben befand sich unter seinem rechten Schulterblatt. Sie wollte ihn danach fragen, aber vermutete, dass sie ihr Repertoire an persönlichen Fragen für diesen Tag aufgebraucht hatte. Er war außergewöhnlich entgegenkommend gewesen und sie wollte diese delikate Beziehung, die sie führten, nicht überstrapazieren.
Snape rührte sich, stützte sich auf seine Unterarme und blickte über seine Schulter.
„Erzählen Sie mir von Potter."
Überrascht blinzelte Hermine, bevor sie aufgeregt ihren Professor angrinste. Er hatte es nicht vergessen.
„Sie werden mir wirklich helfen?"
Er legte sich zurück auf seine Kissen. „Es sieht ganz danach aus, dass ich wohl nichts Besseres zutun habe, als hier zu liegen. So bereitwillig ich auch bin Mr. Potter zu helfen, so wissen Sie und ich doch auch, dass er auf nichts, was ich zu sagen habe, hören wird. So sehr ich es auch hasse, es vorzuschlagen, aber es wird die Intervention von Mr. Weasley benötigen."
Snape rührte sich erneut, als Hermine die Salbe über seine Rippen rieb. Kitzelig, bemerkte ein Teil von ihr grinsend. Sie war klug genug dies nicht zu kommentieren. Stattdessen sagte sie: „Ron kann besser mit Harry umgehen, als Sie sich vorstellen können."
„Kann er das?"
„Im Grunde glaube ich, Ron kann es besser als ich. Harry hört noch immer auf Ron, aber ich hingegen scheine ihn nur noch wütender zu machen."
„Ich wage zu behaupten, dass Ihre Intervention mit meiner Person sich nicht unbedingt günstig auf Ihre Beziehung zu Potter auswirkt."
„Ich glaube, Harry hat sich am Anfang noch darüber gefreut, dass ich bestraft worden bin. Aber es ist schon seltsam. Er weiß, dass ich mich um Sie kümmere, aber er wird wütend, sobald ich etwas tue, was mit meiner Aufgabe zutun hat."
„Und was ist mit Mr. Weasley?"
Sie lachte kurz auf. „Ron ist wie ein Fels. Ich meine, Harry scheint auch wütend auf Ron zu sein, aber es hält für gewöhnlich nicht lange an und selbst dann scheint Ron ihn noch immer irgendwie zurückholen zu können."
Das schien Snapes Aufmerksamkeit zu erregen. „Wie?", fragte er.
„Ich bin mir nicht ganz sicher. Es ist nicht so, als ob er wirklich etwas tut oder sagt. Meistens sehe ich, wie er ihn berührt. Ron legt dann eine Hand auf Harrys Rücken oder umfasst seinen Arm. Das scheint meistens zu helfen. Ist das wichtig?"
„Alles ist wichtig und steht miteinander in Verbindung. Ein Teil vom selbstständigen Denken ist die Verbindung zwischen den Dingen zu sehen. Was habe ich Ihnen über dunkle Magie erzählt?"
„Hmm…" Sie hielt inne, als sie überlegte. „Sie haben gesagt, dass Magie wie die Unverzeihlichen schwer auszuführen ist und dass man von ihnen überzeugt sein muss und dass sie viel magische Energie ziehen. Sie haben auch gesagt, die dunkle Magie wird sich den leichten Weg suchen. Das ist irgendwie ein Widerspruch, nicht wahr?"
„Magie besteht in ihrem Fundament aus Widersprüchen. Der stärkste Heilungstrank beinhaltet die giftigsten Ausgangsstoffe. Zauber erschaffen Dinge aus dem Nichts. Verwandlung modifiziert das absolute Sein eines Objektes in etwas vollkommen anderes."
Snape verlagerte erneut sein Gewicht und schnaubte wütend auf, als er versuchte sich zu bewegen. „Holen Sie Rink, damit er mich auf die rechte Seite drehen kann. Ich weigere mich diese Unterhaltung zu führen, während ich mit einem Kissen sprechen muss."
Rink brauchte nur wenige Sekunden, um Snape wieder umzudrehen, während Hermine die Brandsalbe verstaute und den Rest seiner Zaubertränke vorbereitet. Snape betrachtete die zwei Phiolen, die sie ihm brachte, mit Abscheu.
Nachdem er den Stopfen gelöst hatte, schluckte er den Inhalt auf einmal hinunter. „Wie ich bereits gesagt habe, besteht die Magie aus Widersprüchen, aber was ich meinte, als ich sagte, dass die dunkle Magie sich den leichten Weg sucht, ist, dass bestimmte Gefühle dafür benutzt werden können dunklere Flüche zu füttern – Hass, Wut, Rache – diese Emotionen sind in der Regel leichter zu ergreifen. Der Krux der dunklen Magie ist, dass der Teil in einem, der die Magie hervorruft, meistens nicht mit irgendwelchen Gefühlen verbunden ist. Die Benutzung dieser Unverzeihlichen entstellt diese Gefühle unwiderruflich. Wenn Sie eine Gläubige sind, würden Sie vielleicht sagen, es beschädigt Ihre Seele. Der Schaden ist unausweichlich und hinterlässt Spuren."
„Welche Art von Spuren?"
Er zuckte mit den Schultern und trank die zweite Phiole, bevor er antwortete: „Emotionale Instabilität ist einer der sichersten Auslöser. Größenwahn, Paranoia und Wahnsinn sind andere."
Sie verspürte das Verlangen, ihren Freund zu verteidigen. „Harry ist wütend, nicht verrückt."
„Ihr Körper und Ihre Magie fallen in die Muster, die sie beigebracht bekommen. Sie können niemanden mit dem Imperio belegen ohne die Absicht zu haben jemand anderes kontrollieren zu wollen. Es ist ein enormer Energieverlust. Also wendet man sich mächtigen Gefühlen zu, die diese Energie liefern können. Jetzt ist es ganz einfach. Das nächste Mal muss eine andere Person kontrolliert werden. Sie müssen diese Person nicht unbedingt hassen, aber Sie erinnern sich daran, wie es sich das letzte Mal angefühlt hat. Also erinnern Sie sich an die letzte Person und die Wut kommt kochend zurück. Schon bald ist der Hass mit diesem Zauber verbunden. Nicht mehr lange und Sie erkennen, dass schon die kleinsten Kleinigkeiten diesen Hass zurückbringen. Und kurz darauf sind nicht mehr Sie, die es kontrollieren, sondern die, die kontrolliert werden."
Da war sie wieder – diese kalte Gleichgültigkeit. Sie wusste, dass er nicht nur Harry, sondern auch sich selbst beschrieb und sie begann zu zittern. „Wo passt da Ron hinein?"
„Mr. Weasley durchbricht das Muster. Jedes Mal, wenn er Potter berührt, erinnert er augenblicklich an die positiven Gefühle – Vertrauen und Kameradschaft."
„Und Liebe", fügte sie hinzu.
Snape verzog sein Gesicht, aber stimmte ihr zu. „Und Liebe."
„Sie glauben nicht an die Macht der Liebe?"
„Der Schulleiter wird Ihnen sagen, dass es die größte Macht ist."
„Glauben Sie ihm nicht?"
„Liebe mag vielleicht mächtig sein, aber sie ist nicht unbedingt liebenswürdig. In den meisten Fällen verlangt sie im Austausch Opfer."
„Die meisten würden sagen, diese Opfer sind es das wert."
„Die meisten Menschen sind Idioten und mussten niemals diese Konsequenzen bezahlen."
Snape lehnte sich zurück in die Kissen und schloss seine Augen. „Ich bin jetzt müde, Granger. Kommen Sie nach dem Mittagessen zurück und wir reden weiter."
Er entließ sie. Etwas an ihrer Unterhaltung schien ihn wirklich zu stören, mehr sogar als ihr Gespräch über Voldemort und dem Dunklen Mal. Hermine wollte protestieren und weiter drängen. Vor sechs Monaten hätte sie es noch getan. Jetzt sammelte sie nur das leere Tablett zusammen und versprach nach dem Mittag wieder zurückzukehren.
Sie musste über vieles nachdenken – über Ron und Harry und sich selbst. Sie musste über vieles was Snape anging nachdenken und über das, was sie heute gelernt hatte. Als sie einen letzten Blick auf den Mann warf, musste sie sich fragen: ‚Wer hat Ihr Muster durchbrochen und was ist passiert?'
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Weil ich ein riesiger Fan von Gary Oldman bin, war ich bei unserem ersten Treffen völlig eingeschüchtert. Dabei ist er echt ein cooler Typ und ich habe mich in seiner Gegenwart sofort sehr wohl gefühlt.