Er wurde durch das einfallende Licht geweckt. Severus musste ein paar Mal gegen die ungewohnte Helligkeit blinzeln. Als Kerkerbewohner war es für ihn eher ungewohnt durch das Morgenlicht aus dem Schlaf, gerissen zu werden. Nicht unbedingt etwas, an das ich mich gewöhnen möchte, dachte er grimmig.
Vorsichtig streckte Severus seinen Körper und verzog sein Gesicht in Vergeltung, als sich seine schmerzenden Muskeln bemerkbar machten. In Anbetracht des Schweregrads seiner Verletzungen war er eher überrascht, dass er so gut geschlafen hatte. Er konnte sich noch nicht einmal an irgendwelche Albträume erinnern, was im Grunde recht merkwürdig war, da lebhafte Träume und Albträume eine unkontrollierbare Nebenwirkung seiner täglichen, rücksichtslosen Unterdrücken jeglicher Erinnerungen waren. Natürlich hatten vermutlich eine Kombination aus Heilungszaubern, Zaubertränken und seine Verletzungen zu einer Nacht von ununterbrochenem Schlaf dazu beigetragen.
Als er die Decke etwas anhob, dachte er sehnsüchtig an sein graues Flanellnachthemd. Aber er verstand nur allzu gut Arrosas Gründe ihn so unbekleidet zu lassen. Selbst jetzt war die wage Berührung der Laken auf seiner Haut wie das Kratzen von Schmirgelpapier für seine angegriffenen Nerven. Alleine das zusätzliche Gewicht der Bettwäsche war schon zu viel zu ertragen.
Als immer mehr Licht das Zimmer erhellte, bemerkte er seine Umgebung. Es war etwas, was er dem vorigen Abend nur flüchtig Aufmerksamkeit gezollt hatte. Genau wie die anderen Zimmer im Grimmauld Platz, war auch dieses eher dunkel und schäbig, wenn man auch bei einem genaueren Blick die ehemalige Eleganz noch erkennen konnte. Jedoch waren noch deutlich die erst jüngsten Versuche des Putzens zu erkennen. Das Fenster, durch welches das abscheuliche Licht fiel, war sogar geputzt worden und selbst die allgegenwärtigen Spinnenweben, die ansonsten alle Ecken und Nischen des Hauses zierten, waren verschwunden. Sogar das Hartholz war poliert worden, selbst wenn die Abnutzung nicht zu leugnen war.
In der Ecke des Zimmers stand eine von Decken überfüllte Pritsche, die schon eher einem Nest glich. Anhand der hinausragenden, spindeldürren Beine und überlangen Zehen, wusste Severus, dass Rink seine Pflicht als sein persönlicher Hauself wieder einmal nachgekommen ist. Es erklärte zumindest die Sauberkeit dieses Zimmers.
Hauselfen. Er musste noch daran denken das Mädchen wegen der Hauselfen zu fragen – nenn sie Granger, erinnerte er sich. Er hatte, was das anging, noch so viele Fragen, angefangen damit, wie sie auf die Idee gekommen war, dass die Elfen dem Orden helfen könnten, bis dahin, wie sie es geschafft hatte, dass die Grangers ihr eigenes Haus bekommen hatten. Es waren seit der letzten Hausgründung mindestens mehrere Hundert Jahre vergangen. Albus hatte schon praktisch vor wahnsinniger Entzückung in die Hände geklatscht, als er Severus diese Neuigkeit mitgeteilt hatte.
Wer hätte gedacht, dass die Hauselfen der Schlüssel für so viele Missschläge des Dunklen Lords sein würden? Dass es ausgerechnet Granger, eine Muggelgeborene und Verfechterin der Elfenrechte, war, die den Mittelpunkt bildete, verlieh dem Ganzen einen gewissen slytherianischen Sinn von Ironie. Und nur ein weiterer Beweis dafür, dass das Schicksal mich hasst. Meine eigene Schülerin bringt mich zu Fall.
Als es heller im Zimmer wurde, konnte er Bewegungen von Rink ausmachen. Es sah ganz danach aus, als ob sein Gefährte das Licht ebenso verabscheute, da er sich mit einem kurzen Stöhnen in die Dunkelheit rollte und sich die Decke über den Kopf zog. Severus grinste mitfühlend. Er wünschte sich, er könnte dasselbe tun. Im Moment war er sich jedoch noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt seine Arme über den Kopf legen, ganz zu schweigen sich auf die Seite rollen, konnte.
Und da war er wieder zurück in seiner Zwickmühle. Zur Hölle mit Albus und dem Dunklen Lord. Zumindest hatte Albus ihn in einem Moment seiner Freundlichkeit mit Granger als seine Leibeigene bestraft. Er würde es diesem Mann sogar zutrauen ihn Potter zuzuweisen und es als abstrakte, bindende Erfahrung zu verbuchen. Als ob auch nur einer von ihnen das überlebt hätte.
Mit einem Blick aus dem Fenster sah er, wie hell es wirklich war. Granger, so übereifrig und nervig, wie sie war, würde schon bald hier sein. Wenn auch es nach Arrosa seine übereifrige Nervensäge war. Er vermutete, dass dies den Unterschied machte. Besser er begann jetzt mit dem Tag, bevor seine Nervensäge auftauchte.
„Rink“, rief er.
Der Haufen unter den Decken rührte sich und ein Murmeln war zu hören, aber es tauchte keine Hauselfe auf. Mit Augen zu Schlitzen verzogen und gekräuselten Lippen, betrachtete Severus den Deckenhaufen. Ein langsames, eher böses Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Rink!“, blaffte er, das Wort hallte wie ein Peitschenschlag durch die Luft.
Eine zerknitterte Hauselfe mit strampelnden, knochigen Knien und Ellbogen, sprang in die Luft. Severus versteckte schnell sein Grinsen hinter seinem gewohnten, finsteren Blick.
„Sir?“, quietschte Rink mit flatternden Ohren.
Da Severus Verlangen nach Belustigung nun gestillt war, nickte er knapp und nur mit einem Hauch von Verärgerung sagte er. „Deine Hilfe wird benötigt. Ich hege gar keine Zweifel daran, dass Granger schon sehr bald an meine Tür klopfen wird.“
Überraschenderweise sah der Hauself ziemlich verärgert bei seiner Bemerkung aus. Interessant.
„Miss hat sich gut um den Herrn gekümmert.“
„Ich bin mir sicher, dass sie das getan hat“, antwortete er trocken. „Jedoch werde ich mit meinem morgendlichen Prozedere Hilfe brauchen, bevor Granger hier eintrifft.“
Glücklicherweise verstand Rink die Bedeutung hinter seinen Worten, sodass er nicht gezwungen war, sein Problem in all seinen schmutzigen Details zu erläutern. Er sollte verdammt sein, wenn er all seine Würde vor einer Schülerin verlieren sollte.
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Hermine hantierte nervös mit dem Frühstückstablett herum. Unter ihren Wimpern konnte sie sehen, wie Harry sie von der anderen Seite des Tisches aus anstarrte und sie war wieder einmal der Grund für seine Wut. Diesmal jedoch war es ihr egal. Harry mit seinem mürrischen Blick konnte diesen Morgen einfach nicht ihre Aufmerksamkeit erlangen. Sie musste sich einigen viel einschüchternden Drachen stellen. Um die Wahrheit zu sagen, war sie ziemlich erleichtert, als Harry aufstand und aus der Küche verschwand.
Obwohl sie sich keine Gedanken über das Tablett machen musste, warf sie ihm einen letzten Blick zu. Die Hauselfe, die die Küche übernommen hatte, hatte alles Genausten nach Hermines Anweisungen angerichtet. Alles war mild und genau die Dinge, von denen sie gesehen hatte, dass Snape sie auch wirklich in Hogwarts gegessen hatte. Ganz zu schweigen davon wäre das Essen leicht genug für einen Mann, der gerade mehrere Tage mit nichts weiter als Fleischbrühe und medizinischen Zaubertränken verbracht hatte.
Und dennoch begann sie zu zappeln, alles neu anzurichten und die Servierten neu zu falten. Sie wusste, warum sie gerade die Nerven verlor. Wenn sie einmal das Tablett aufnahm, würde es keine weitere Begnadigung mehr für sie geben.
Es war nun endlich an der Zeit mit Snape zu reden. Kein weiteres Hinauszögern. Keine weiteren Rückzüge mehr in letzter Minute. Keine weiteren Ausflüchte.
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Mit einem Stöhnen erlaubte Severus Rink, ihn zurück in die Kissen zu legen. Sogar der kurze Weg ins Bad ließ ihn schwitzend und außer Atem zurück. Er atmete einmal tief durch, zählte bis zehn und entließ langsam die Luft wieder. Gott, er hasste es schwach zu sein. Wenn er jegliche Zweifel gehabt hätte Grangers Hilfe zu brauchen, so waren sie jetzt zerstört worden.
Klopf. Klopf.
Er schnaubte amüsiert. Wenn man vom Teufel spricht.
Beiläufig entließ er Rink mit einem Winken und rief. „Kommen Sie rein, Granger.“
Die sich öffnende Tür offenbarte ein offensichtlich nervöses Mädchen mit seinem Frühstückstablett gegen ihre Hüfte gestemmt. Er kannte die Anzeichen nur zu gut und wusste auch, das sie versuchte ruhig und unbesorgt zu wirken. Er schrieb ihr zumindest im Kopf Punkte zu, dass sie es immerhin versuchte.
Was jedoch wirklich außergewöhnlich war, dass obwohl ihre Nervosität mehr als offensichtlich war, schien sie keine Angst zu haben. Severus kannte Angst – er wusste, wie sie sich in den Augen seines Gegenübers widerspiegelte, kannte den anwidernden Gestank in der Luft und den Geschmack besser als ihm lieb war. Sie hatte sich einen weiteren Punkt seines Respekts verdient, entschied er, da er an einer Hand die Menschen abzählen konnte, die sich nicht vor ihm fürchteten.
Für einen kurzen Augenblick konnte er in dem Mädchen die Frau sehen, zu der sie mal werden würde – herausfordernd und direkt, genau wie jeder Gryffindor, aber versehen mit einer scharfen und gefährlichen Intelligenz hinter ihren beruhigenden, braunen Augen. Er fand dieses Bild merkwürdigerweise anziehend, besonders da er wusste, dass das Potenzial dieser Frau in seinen Händen lag. Ein Blinzeln später war sie wieder das Mädchen, die nervös auf ihrer Unterlippe kaute und darauf wartete, dass er ihre Anwesenheit würdigte.
„Sehe ich so schlimm aus, Granger?“, fragte er trocken. Er wurde mit errötenden Wangen belohnt, als sie schuldig zusammenzuckte.
„Es ist nur, dass …“ Sie verzog ihr Gesicht, als sie verstummte.
Amüsiert beobachtete er, wie sie mit dem Tablett herumhantierte. Zweifelsohne versuchte sie gerade eine passende Antwort zu finden, ohne ihn zu beleidigen. Er hatte sich selbst im Badezimmerspiegel gesehen. Er war sich durchaus bewusst, dass er halb tot aussah.
„Entschuldigen Sie, Sir, aber Sie sehen schrecklich aus und gestern war es noch nicht so schlimm gewesen.“
„Das war zu erwarten. Gestern war recht erschöpfend.“
Sein Blick fuhr von ihren Augen hinunter zu ihren Schuhen und beobachtete belustigte, wie sie unter seinen Blick zu zucken begannen. „Also wollen Sie mich nun füttern oder einfach dort stehen bleiben?“
Sie zuckte zusammen, als ob er sie angeknurrt hätte und es fiel ihm schwer, ein Lachen zu unterdrücken. Sie zu sticheln war offenbar genauso, wenn nicht noch amüsanter, wie Albus und Minerva.
Bestimmt straffte sie ihre Schultern und hielt das Tablett vor sich.
Das typische Sammeln von Gryffindor Mut. Als Nächstes würde ein direkter Angriff erfolgen. Er schürzte seine Lippen, um das Lächeln zu verstecken, welches definitiv den Angriff, auf den er anspielte, ruinieren würde, aber er hatte schwer mit sich zu kämpfen.
Ein Zucken durchfuhr ihren Körper. „Ich bin hier, um Ihnen Ihr Frühstück zu bringen.“ Sie hielt ihm das Tablett entgegen. „Ich hoffe, dass es Ihren Ansprüchen entspricht.“
Diesmal wartete sie nicht auf eine Einladung, sondern setzte brüsk das Tablett auf seine von der Decke bedeckten Beine ab.
Er schielte hinunter auf das Tablett; ein pochiertes Ei und etwas dünner Haferbrei. Kein Kaffee, aber Farbe und Geruch ließ auf einen Kräutertee schließen.
Er atmete stumm erleichtert auf. Nichts auf dem Tablett würde ihm zum Würgen bringen. Das Granger zu erklären wäre etwas schwierig geworden und ohne jegliche Zweifel würde sie ihn an Alverez verpetzen. Er sollte verdammt sein, wenn er auch noch dieses bisschen Kontrolle verlieren würde.
Einfach nur, um ihre Reaktion zu sehen, fragte er: „Werden Sie mich nicht füttern?“
Ihr gesamter Körper begann zu zucken.
Oh ja, definitiv lustiger als Minerva, entschied er. „Nicht der Rede wert, ich werde es tun“, sagte er erhaben, als ob er ein großes Opfer vollbringen würde.
Als sie sich steif und angespannt auf den Stuhl neben dem Bett fallen ließ, versteckte er ein Lächeln hinter seiner Tasse.
Für eine Weile konzentrierte er sich auf sein Essen und versuchte zu verhindern, dass das Besteck in seinen Händen zu zittern begann. Während sich das Schweigen zwischen ihnen immer weiter ausbreitete, fragte er sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie einbrach. Er blickte hinunter auf seinen Teller und schätzte, dass es noch passierte, bevor er seine Eier aufgegessen hatte, und gratulierte sich selbst, als sie das Schweigen brach, während er gerade den letzten Bissen auf seine Gabel schob.
„Wollen Sie, dass ich das Fenster für etwas frische Luft öffne?“
Es war mehr als offensichtlich, dass das nicht wirklich das war, was sie fragen wollte. Schweigen, so hatte Severus herausgefunden, vollbrachte Wunder, wenn es darum ging, gefasste Zauberer und Hexen wie Idioten drauf losreden zu lassen. Für ganze zwei Sekunden zog er in Erwägung sie wegen ihrer Dummheit anzublaffen, bevor er sich noch zurückhalten konnte. Das bedeutete jedoch nicht, dass er es ihr einfach machen würde. Mal sehen, aus welchem Holz das Mädchen in Wirklichkeit geschnitzt ist.
Während er sie nachdenklich betrachtete, nahm er einen weiteren Schluck von seinem Tee. „Lassen Sie es geschlossen, Granger“, sagte er schließlich, bevor er sich wieder seiner Tasse zuwandte.
Wenn man von ihrem verdutzten Blick ausging, war es offenbar nicht das, was sie erwartet hatte. Irgendein Zwang ließ sie erneut ihren Mund öffnen. „Wenn Sie sich sicher sind … ich meine, es dauert nur eine Sekunde, es eben zu öffnen.“
Severus starrte sie an, bedacht darauf seine Gedanken nicht zu verraten.
„Okay“, sagte sie schließlich und blickte überall hin, nur nicht in seine Richtung. „Kein Fenster also.“
Sie fiel erneut in ein Schweigen, aber er konnte schon praktisch ihre Gedanken auf ihren ausdrucksstarkem Gesicht lesen: Er verhielt sich nicht wie er selbst. Er schrie nicht. Er sagte ihr nicht, was für ein Idiot sie war. Wo war die Strafpredigt? Wo war die Enttäuschung? Wo war das Ego zerschmetternde ‚Warum haben Sie nicht nachgedacht, Miss Granger?‘- Kommentar?
Definitiv mehr unterhaltsamer als er ursprünglich gedacht hatte. Als er sah, wie sie erneut, begann ihre Schulter zu straffen, kam er ihr zuvor, bevor sie wieder ihren Mut gesammelt hatte. „Wenn ich es mir recht überlege, öffnen Sie es doch.“
„Was?“
„Das Fenster, Granger?“ Er deutete mit seinem Kopf auf das besagte Objekt und betrachtete sie mit einem Ausdruck, den er für gewöhnlich für die Erstklässler … oder Neville reserviert hatte.
„Ja, genau, das Fenster.“ Vollkommen verwirrt ging sie hinüber und war sich seinem Grinsen hinter ihr in keinster Weise bewusst. Ihre Tat vollbracht, blieb sie in der Mitte des Raumes stehen.
Natürlich konnte er sie nicht so früh schon allzu sehr sticheln oder er würde überhaupt keinen Spaß mehr haben. Es war vermutlich an der Zeit mit der Befragung zu beginnen, die sie zweifelsohne erwartete.
Er schob das Tablett zur Seite und rutschte so lange in seinem Bett herum, bis er eine bequeme Position gefunden hatte. „Also?“
Bei ihrem verwirrten Blick seufzte er schwer. „Ich habe Dumbledors Sicht der Dinge gehört. Ich habe Alverez‘ Sicht der Dinge gehört. Was ich bisher noch nicht gehört habe, ist Ihre Sicht. Beginnen Sie mit den Hauselfen, fahren Sie fort mit Ihrem außergewöhnlich dummen Besuch in St. Mungos, um Heilerin Alverez zu holen und schließen Sie dann mit Ihrer auferlegten Strafarbeit mir zur Seite zu stehen, ab.“
„Es ist keine Strafarbeit“, blaffte sie, bevor sie ein verspätetes „Sir“ anhängte.
Er antwortete nicht, sondern zog nur eine höhnische Augenbraue hoch, sehr wohl wissend, wie sehr sie - und jeden anderen, den er kannte - diese Geste nervte.
Sie nahm wieder ihren Platz an seiner Seite ein und schob ihre Hände unter ihre Beine. „Ich habe gar nicht so viel mit den Hauselfen gemacht, wissen Sie.“
„Falsche Bescheidenheit steht Ihnen nicht. Mit Ihrer Einführung der Hauselfen haben Sie eigenhändig das Gleichgewicht der Familienlinien der Hauselfen und ihre Verbundenheit zu den ältesten Zaubererfamilien durcheinandergebracht. Durch ihren Gebrauch haben Sie den Dunklen Lord verärgert – auch wenn er bis jetzt noch nicht verstanden hat, dass es sich um die Hauselfen handelt – Sie haben einige seiner Pläne in großem Maße durcheinandergebracht. Sie haben fast meinen sicheren Tod hervorgerufen und Sie haben den gesamten Orden ins Chaos gestürzt. Wirklich, Granger, ich glaube, dass es noch nicht einmal Potter in seinen nervigsten Momenten schafft, so viele Parteien auf einmal zu verärgern.“
„Harry ist nicht … oh, vergessen Sie’s“, schnaubte sie, bevor sie sich wieder auf das eigentliche Thema ihrer Unterhaltung konzentrierte. „So war es nicht. So war es wirklich nicht. Ich interessiere mich schon seit einigen Jahren für die Hauselfen.”
„Ich bin mir Ihrer erbärmlichen Bemühungen mit Belfer bewusst.“
„Das heißt B.ELFE.R. Und meine Bemühungen waren nicht erbärmlich“, verteidigte sie sich wütend. „Außerdem waren es diese Bemühung, die die Matriarchin von Hogwarts, Lonny, auf mich aufmerksam gemacht hat.“ Ihre Wut auf ihn verwandelte sich in Verzweiflung für die Hauselfen. „Ich hatte keine Ahnung, dass sie mir - ich meine, meiner Familie – eine eigene Hauselfenlinie geben würde. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, was das überhaupt bedeuten soll“, sagte sie mit hochgeworfenen Händen.
Sie atmete einmal tief durch, bevor sie ihre Finger wieder unter ihre Beine steckte. „Ich habe nur bemerkt, dass sich die Magie der Hauselfen von der unseren unterscheidet und dass sie nicht einigen gängigen Schutzzauber und Antiapparationszauber unterliegen. Es machte also Sinn sie um ihre Hilfe zu bitten. Sie haben zugestimmt.“
Sie verstummte einen Moment, bevor sie flüsternd fragte: „Hat er Sie wirklich wegen mir verletzt?“
„Gryffindors und ihre Schuldkomplexe“, seufzte er. Bei ihrem geplagten Blick brach er eine lang stehende Tradition und setzte zu einer Erklärung an. „Der Dunkle Lord weiß nicht, dass die Hauselfen dem Orden helfen seine gesetzten Ziele zu verstecken. Hauselfen werden von den meisten Zauberern und Hexen noch nicht einmal bewusst wahrgenommen. Es wäre für einen Zauberer unfassbar überhaupt in Betracht zu ziehen, dass eine Hauselfe das tun könnte oder sogar würde, was sie gerade eben tun. Von daher entschied der Dunkle Lord, dass ich zum Orden zurückkehren sollte, um Dumbledores geheime Verteidigung herauszufinden.“ Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Also war die Art und Weise wie ich zurückgekehrt bin lediglich zu seiner Belustigung und nicht Ihre Schuld.“
Interessanterweise erbleichte Granger noch mehr.
„Er… er hat Sie fast umgebracht!“
Etwas überrascht über ihre Reaktion, begann er schon bald zu lachen oder zumindest, bis ein stechender Schmerz über seine noch heilende Brust und Rippen schoss. Er schlang einen Arm um seinen Körper und traf ihren Blick. „Verschwenden Sie Ihre Empörung nicht für mich. Ich bin der Spion des Ordens, Granger. Ich bin der Spion des Dunklen Lords. Ich habe weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft. Ich lebe nur in der Gegenwart. Und in dieser Gegenwart bin ich noch am Leben und noch in der Lage die Aufgaben zu erfüllen, die man mir stellt.“
„Aber--“
„Genug“, sagte er mit einer wirschen Handbewegung. „Sagen Sie mir, was Sie mit Alverez gemacht haben.“
Sie wollte die Unterhaltung nicht aufgeben. Er sah, wie sich ihre Rücken anspannte und sich ihre Finger in ihre Beine bohrten, aber ihr angebliches Mitleid verlieh ihm eine Unbehaglichkeit, die er nicht weiter hinterfragen wollte. Sich um jemanden zu sorgen, bedeutete nur, dass irgendwer verletzt werden würde. Mitgefühl bedeutete, dass man anfing, über die Zukunft nachzudenken, dass man Pläne und Träume haben würde. Er hatte die Träume schon längst aufgegeben und er besaß keine Zukunft.
„Alverez?“, hakte er nach, als sie sich sträubte zu beginnen.
Ein feines Zittern durchfuhr ihren Körper, begleitet von einem gedämpften, frustrierten Schnauben, dicht gefolgt von einem Seufzen. Er hatte diese Reaktion schon allzu oft an Minerva gesehen, um zu wissen, dass Granger, wenn auch nur widerwillig, seinem Wunsch Folge leisten würde.
„Als Sie verletzt waren, schien niemand irgendwas zutun. Ich war aufgebracht und ich habe mit Dumbledore gesprochen und er hatte nur gesagt, dass Madam Pomfrey nicht verfügbar war.“ Sie presste ihre Hände gegen ihre Beine. „Sie lagen im Sterben und ich konnte nicht einfach nur so herumsitzen und … und … Däumchen drehen. Mir ist unser Besuch bei Heilerin Alverez eingefallen. Und da war ich auch schon aus der Tür.“
„Ohne irgendeinen Plan?“
Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ja.“
„Ohne eine Idee, wie Sie Alverez rein bringen könnten, um mich zu sehen.“
„Ja“, gab sie zu und schielte verlegen zu ihm hinüber. „Der Fidelus Zauber ist mir nicht einmal in den Sinn gekommen. Es war im Grunde die Heilerin, die an den Somnambul-Zauber gedacht hat.“
„Also, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, in welche Gefahr Sie den gesamten Orden und ihren kostbaren Potter gebracht haben, sind Sie Hals über Kopf nach St. Mungos gestürmt.“
Sie lief rot an, als ihre Schultern zusammensackten. „Ja.“
„Verstehe.“
Wieder breitete sich Stille zwischen ihnen aus, bis Granger wieder einmal die Unterhaltung aufgriff. „Sie schreien mich nicht an.“
Amüsiert atmete er aus. „Sollte ich etwa schreien?“
„Ja. Also … ich meine … ja. Das tun Sie …“ Sie unterbrach sich, bevor sie erneut begann. „Ich habe Dumbledores Befehle missachtet. Ich habe den Orden gefährdet. Ich habe gelogen. Sie haben gesagt, ich soll nachdenken und das habe ich nicht getan. Ich habe reagiert. Und jetzt schreien Sie nicht, obwohl Sie es eigentlich sollten und ich habe Sie enttäuscht. Und jetzt wollen Sie mich vermutlich nicht mehr unterrichten. Und…“
„Sind Sie fertig?“
Granger stolperte bei seiner Unterbrechung.
„Ich … Sie … ja.“
„Gut. Sie haben einiges gut gemacht. Sie haben einiges weniger gut gemacht. Sie haben meine Ankunft hier am Grimmauld Platz – eine äußerst kritische Situation – souverän gemeistert.
„Granger, ich versuche Ihnen nicht beizubringen, reine Logik in jeder Situation anzuwenden. Menschen handeln selten logisch, selbst wenn es nur zu ihrem Besten wäre. Noch reagieren sie so, wie es im Buche steht. Und letztendlich ist das nicht der Punkt, den ich versuche Ihnen beizubringen.
„Es ist kein Test. Es gibt kein richtig oder falsch. Zu meinem Entsetzen sind Sie eine Gryffindor. Sie werden sich wie eine verhalten. Aber es spricht nichts dagegen dies mit etwas wie die ‚Slytherin Feinheiten‘ – die Fähigkeit darüber nachzudenken, was man tut und was andere tun werden– zu kombinieren. Ich will, dass Sie hinter die Regel und über die Bücher hinausblicken. Aber vor allem will ich, dass Sie die zahlreichen Möglichkeiten betrachten, die aus einer einzelnen Handlung resultieren können. Also sagen Sie mir, wo die Kette Ihrer Fehlentscheidungen begonnen hat.“
„Ich bin ohne Erlaubnis zu Heilerin Alverez gegangen.“
Er verdrehte seine Augen und sie lief erneut rot an. „Von Anfang an, bitte, Granger. Alverez aufzusuchen war nicht Ihr erster Fehler gewesen.“
Als sie zögerte, antwortete er für sie. „Sie haben das Haus verlassen, ohne jemanden Bescheid zu geben, wohin Sie gehen. Sie hätten auch genauso gut gefangen genommen werden können. Der Orden hätte noch nicht einmal gewusst, wo er hätte anfangen sollen zu suchen. Ich kann Ihnen versichern, ich hatte schon glücklichere Momente in meinen Leben, hätte mir der Dunkle Lord Ihren blutverschmierten Körper vor die Füße geworfen, damit ich Sie zurück zu Potter bringe. Also beginnen Sie jetzt am Anfang und sagen Sie mir jeden Schritt, in dem Sie eine Entscheidung treffen mussten, und sagen Sie mir, ob es die richtige oder falsche war.“
„Sie wollen alles durchgehen?“
„Wurden Sie mir nicht zugeteilt? Oder gibt es noch etwas Wichtigeres, was Sie zu erledigen haben?“
Sie lief bei seinen sarkastischen Worten rot an, aber ihre Augen leuchteten genervt und mit etwas, was vielleicht – wenn er denn ganz weit ausholte – Humor auf. Er fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn er neben Albus noch jemanden hätte, der ihn ‚nerven‘ würde. Aber schnell zerschmetterte er dieses fragile Verlangen nach Bindung wieder. Da war schon wieder dieses Mitgefühl. Mitgefühl würde ihn noch eines Tages umbringen, wenn er nicht vorsichtig war.
„Nein, Sir. Ich habe nichts anderes vor und Sie wissen sehr wohl, dass ich hier bin, um mich um Sie zu kümmern.“
„Gut. Dann fangen Sie an.“
Granger senkte ihren Kopf, aber nicht, bevor er noch ihr Augenverdrehen sehen konnte. Dafür werde ich sie noch drankriegen.
+++
Sie war absolut fertig.
So müde, dass sie noch nicht einmal wirklich darauf achtete, wie ihre Finger über die Bücher in der Bibliothek fuhren. Sie las die Titel nicht wirklich, sondern wartete eher darauf, welches sie ansprach. Ein etwas gefährlicher Gedanke, erkannt sie, da es sich hier um Zauberbücher handelte und es somit nicht unmöglich war, dass eines von ihnen hervorpreschte und sie schnappte. Um die Wahrheit zu sagen, sie war einfach viel zu müde, als dass es sie noch kümmerte. Also, während sie über die Natur der Bücher nachdachte, versuchte Hermine ein Buch zu finden, von dem sie sich vorstellen könnte, welches Professor Snape während seines Aufenthalts beschäftigen könnte.
Sie konnte noch nicht einmal behaupten, müde von etwas Anstrengendem zu sein. Alles, was sie getan hatte, war Fragen von Professor Snape zu beantworten. Eine Menge Fragen … dessen Antworten unweigerlich zu weiteren Fragen geführt hatten.
Es wurden nur Pausen zum Essen und für seine Zaubertränke eingelegt und dann war das Kreuzverhör weitergegangen. Und es war ein Kreuzverhör gewesen. Die Auroren und Scotland Yard konnten noch einiges von Severus Snape lernen, wenn es darum ging, Antworten zu finden. Noch nicht einmal ihre UTZe würden so schlimm werden.
Sie war sich ziemlich sicher, dass ihr Gehirn zu Brei verarbeitet worden war … dieser klumpige mit Stückchen drin.
Um den Ganzen noch die Krone aufzusetzen, war sie sich absolut sicher, dass der Mann denken musste, dass sie absolut bescheuert sei. Sie hatte nichts richtig gemacht. Okay meldete sich der ehrliche Teil in ihr, sie hatte ihm am Leben erhalten, aber danach hatte sie alles falsch gemacht. Er war bestimmt vollkommen enttäuscht von ihr. Und gerade jetzt hatte sie begonnen zu glauben, dass sie Fortschritte gemacht hatte, seinen Respekt zu erlangen.
Es war so verwirrend mit ihm. Er besaß die Fähigkeit sie frustriert aufschreien zu lassen und zwei Sekunden später dachte sie, dass er lustig sei – auf eine absolut dunkle und verdrehte Art und Weise, natürlich. Es war eine recht frustrierende Reaktion und sie hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Harry und Ron machten sie entweder wahnsinnig oder brachten sie zum Lachen. Aber es war niemals beides.
Und über Snape nachzudenken brachte sie nirgendwo hin und endete nur darin den Brei zwischen ihren Ohren nur noch weiter zu verrühren.
Ihre Nägel kratzten über das alte Leder. Nein, entschied. Das nicht.
Haushaltszauber? Ganz bestimmt nicht.
„Miss Granger?“
Hermine wandte sich vom Bücherregal ab. „Professor Vector. Guten Abend.“
Vector nickte in Richtung der Regale. „Suchen Sie etwas zum Lesen?“
„Im Grunde ist es für Professor Snape.“
Vector lachte leise. „Dann wünsche ich Ihnen viel Glück. Versuchen Sie es mit magischer Theorie. Das sollte ihn etwas beschäftigen und hält ihn von Ihnen für eine Weile fern.“
„Danke. Ich werde es versuchen.“
„Wenn ich so direkt sein darf, Miss Granger, aber Sie sehen etwas müde aus.“
Hermine konnte das halbherzige Schnauben bei Vectors Worten nicht unterdrücken. „Entschuldigen Sie, Professor. Ich bin müde. Professor Snape hatte heute eine Menge Fragen und er ist sehr gründlich.”
„Gründlich? Ich glaube, das Wort, welches Sie suchen, ist erbarmungslos. Ich habe ein paar arithmantische Gleichungen für einige von Professor Snapes Zaubertränke erstellt. Hufflepuffs sind nicht die Einzigen, die die hartnäckigen Eigenschaften des Dachses besitzen.“
Hermine verschluckte sich und begann bei dem Gedanken an einen in Kanariengelb mit schwarz gekleideten Snape zu husten.
„Ja“, antwortete Vector verschmitzt, „wenn ich ihn mir als einen Hufflepuff vorstelle, geht’s mir genauso.“
Als Hermine lachte, schenkte Vector ihr ein Lächeln. „So ist es richtig. Lassen Sie sich nicht von Professor Snape herunterziehen. Ich verrate Ihnen sogar ein Geheimnis: Seine Bisse sind noch lange nicht so schlimm, wie sein Bellen.“
Hermine schüttelte mit dem Kopf. „Danke, Professor.“ Dann hielt sie inne und fragte: „Professor?“
„Hm?“
„Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihre Matrix den einen Abend … mir fehlen dafür einfach die Worte. Die numerischen Auflistungen, die Gleichungen, sie … ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
Vectors Belustigung verschwand und sie betrachtete Hermine für einen Moment, bis sie das Gefühl hatte, wieder unter Professor Snape unnachgiebigen Blick zu sein.
„Würden Sie gerne die Berechnungen sehen, Miss Granger?“
„Wirklich?“, fragte sie überrascht.
Vector lachte erneut. „Miss Granger, ich denke Sie sind die Einzige in diesem Haus, die erfreut wäre die arithmantische Gleichung der Ordensmatrix zu sehen.“
„Arithmantik war schon immer mein Lieblingsfach gewesen.“
Vector warf ihr wieder diesen Blick zu, aber Hermine, die plötzlich nicht mehr müde war, war viel zu aufgeregt Professor Vectors Gleichung zu sehen, als dass sie sich irgendwelche Gedanken darüber machte.
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Ich war bei MTV in New York und es war tierisch kalt draußen. Sie brachten mich rüber ans Fenster und da stand dieses Mädchen, das nichts außer ein Harry-Potter-Handtuch trug und ein Schild in der Hand hielt, auf dem stand 'Nichts kommt zwischen mich und Harry Potter!'. Es war toll. Sie ist eine Legende.