Pet Project - Wiedersehen
von Xaveria
Wiedersehen
„Herein", rief eine Stimme von der anderen Seite der Tür aus.
Bevor Severus die schwere Eichentür aufdrückte, atmete er einmal tief durch, um sich zu konzentrieren und zu sammeln. Voldemort hatte ihn in sein privates Arbeitszimmer bestellt; es war ein übertrieben, prahlerisch, eingerichteter, kleiner Raum, der nur so vor Reichtum und demonstrativer Macht protzte. In seinen tief vergrabenen und niemals ausgesprochenen Gedanken vermutete Severus, dass dies wohl ein Raum war, wie sich ein Muggel das Allerheiligste eines Zauberers vorstellen musste. Gleichwohl war es ein imposantes Zimmer, welches seinen Zweck, Bewunderung und Respekt hervorzurufen, durchaus erfüllte. Vor mehr als zwanzig Jahren war auch er diesen Eindrücken erlegen gewesen; und auch heute noch gab es diese Idioten, die zu ihm strömten, zuhörten und ihre Unterstützung ‚der Sache' verschrieben.
Niemals gelangten seine wahren Gedanken über ‚die Sache' an die Oberfläche. Nicht ein einziges Mal. Noch nicht einmal in seinen halb sicheren Gemächern in den Kerkern.
„Sseverus", begrüßte Lord Voldemort ihn mit einer ausfallenden Armbewegung, die auf einen Sessel vor einem massiven Tisch deutete. „Komm, setz dich zu mir."
Als Severus seinen Platz einnahm, beobachtete er, wie Voldemort dem Raum den Rücken zuwandte und aus dem Fenster starrte. Es war eine bewusste Beleidigung und zeigte nur, wie unterlegen er Severus betrachtete, aber es kümmerte Snape nicht. Besser Voldemort hielt ihn für schwach, als dass er ihn als Bedrohung ansah. Diejenigen, die in Voldemorts Augen eine Bedrohung darstellten, führten für gewöhnlich ein recht kurzes Leben.
Er nutzte diese Gelegenheit jedoch dazu, um Voldemorts Reflexion im Fenster genauer zu betrachten.
Die Vermenschlichung, die Voldemort das gesamte Jahr durchlaufen hatte, schien nun endlich Früchte zu tragen. Der Mann, der sich im Glas widerspiegelte, war genau das – ein Mann, kein Monster – oder zumindest war er kein erkennbares Monster mehr. Schwarzes Haar umrahmte wilde, intelligente Augen. Lebendigkeit und Selbstbewusstsein signalisierten seine aufrechte Haltung, die anmutigen Schultern, während hinter der Jugendlichkeit seines faltenfreien Gesichtes Voldemorts wahres Alter verborgen blieb. Sogar die zischenden Silben, die ansonsten immer seine Worte gezeichnet hatten, verschwanden nach und nach, wenn auch Severus mit äußerster Genugtuung feststellen musste, dass sein eigener Name ihm noch immer arge Probleme bereitete.
Die Zweischneidigkeit dieser beiden Bilder ging an Severus nicht verloren. Hier saß er nun in einem ordentlichen Büro vor dem Tisch eines jugendlichen Voldemort. Leise Kammermusik hallte durch das kleine Zimmer. Und dennoch hatte Severus noch vor Sommerbeginn vor einen anderen Schreibtisch mit einem anderen Zauberer, einen alternden Dumbledore, in dessen überfülltem Büro das Chaos regierte, gesessen. Auch dort hatte leise Kammermusik im Hintergrund gespielt.
Zwei mächtige Zauberer spiegelten sich in dem jeweils anderen wieder – Gut und Böse, Jung und Alt, Erschaffer und Zerstörer. Und ich stehe genau zwischen ihnen. Ich bin die Verbindung, die sie zusammenhält.
In manchen dieser schlaflosen Nächte schlugen seine Gedanken seltsame und manchmal gefährliche Wege ein. Einer seiner merkwürdigeren Gedanken durchbrach die Oberfläche, bevor er ihn wieder zurück unter Wasser drücken konnte. Wenn er nicht existierte, könnten dann Voldemort und Dumbledore existieren? Konnte das Gute ohne seinen bösen Gegenspieler existieren? Konnte das Böse ohne das Gute bestehen? Wenn Dumbledore nicht mehr leben würde, würde dann auch automatisch Voldemort verschwinden?
„Welche Neuigkeiten bringst du, Sseverus?", fragte Voldemort letztendlich und riss Snape aus seinen gefährlichen Gedanken.
Er bemühte sich um eine ruhige Stimme, als er antwortete: „Zwei Angriffe waren für letzte Nacht geplant. Der Angriff auf die Brücke über den Ouse River in York war ein eindrucksvoller Erfolg gewesen. Die Muggels fürchten sich und ihre Regierungsangestellten sind überfordert, zumal die Angriffe zufällig und sporadisch über ganz England verteilt erscheinen. Ihre Angst breitete sich bereits in der Zauberwelt aus. Magische Geschäfte, die in Verbindung mit den Muggel stehen, sind nun angespannt. Einige haben bereits ihre Türen geschlossen." Er hielt inne, unsicher, wie Voldemort seine nächsten Worte aufnehmen würde. „Unglücklicherweise", sagte er schließlich, „ist der Angriff gegen den Auror Patkins und seine Muggelfrau gescheitert. Kurz nach unserer Ankunft sind bereits die ersten Auroren eingetroffen. Niemand, der sich Eurer Loyalität verschrieben hat, wurde gefasst, lediglich Macnair wurde verletzt."
„Also sagst du mir, dass wir eine Brücke zerstört haben, aber unsere eigentlichen Ziele entkommen sind?"
Severus zuckte bei den Worten seines Herrn leicht zusammen. „Ja, Sir. Uns war es nicht möglich die Patkins' gefangen zu nehmen. Unsere Leute haben sie nie gesehen."
Voldemort begann vor Wut zu zischen und Severus spannte sich an. Voldemort neigte dazu, den Überbringer schlechter Nachrichten zu bestrafen. „Sage mir, wie ein Schlammblut meinen Todessern entkommen konnte?", verlangte Voldemort zu wissen. „Sag mir, Sseverus, wie stellt Dumbledore das an?"
„Das kann ich Euch nicht sagen, mein Herr. Ich weiß es nicht. Wir befinden uns in den Sommermonaten und um meine Tarnung aufrechtzuerhalten, habe ich mich noch nicht mit Dumbledore getroffen. Dieser alte Narr hatte während der Schulzeit nie diesen Plan, oder wie er ausgeführt werden sollte, erwähnt."
Aufgebracht lief Voldemort vor dem Fenster auf und ab. Severus blieb auf dem Stuhl sitzen, unsicher, wo ihn diese Unterhaltung noch hinführte. Langsam begann sich in ihm die Angst zu formen, dass er diesen Raum nicht mehr lebend verlassen würde. Bei Voldemorts nächster Frage wurde aus seiner anfänglichen Angst eine absolute Sicherheit.
„Befinden sich Spione unter meinen treusten Anhängern, Sseverus?" Voldemort drehte sich herum und fixierte Severus mit einem harten Blick. „Halte ich mir selbst jetzt noch eine Giftschlange an meine Brust?"
Severus Kopf wurde ganz leer; nichts störte die spiegelglatte Oberfläche seines Sees, als er antwortete: „Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, mein Herr."
Voldemort hielt in seinen Schritten inne und stellte sich stattdessen vor Severus' Stuhl. „Und was ist mit dir, mein Diener? Wo liegt deine Loyalität?"
„Meine Loyalität ist unverändert", antwortete er augenblicklich. „Sie befindet sich dort, wo sie schon immer gelegen hat. Nichtsdestotrotz wisst Ihr, dass ich ein Spion bin, mein Herr. Ihr selbst habt mich auf diesen Weg geführt und ich bin nicht einmal geschwankt. Selbst jetzt noch folge ich Dumbledores Anweisungen und denen seines erbärmlichen Ordens. Ich habe dies die letzten Jahre auf Euer Geheiß hin getan."
„Aber wessen Spion bist du wirklich?", fragte Voldemort, als er sich zwanglos gegen die Tischkante lehnte.
Serverus ließ sich nicht von Voldemorts plötzlicher Entspannung täuschen und seine Grundhaltung sorgte dafür, dass seine Loyalität ihm gegenüber sichtbar blieb. Ohne zu zögern, traf er Voldemorts Blick und spürte wie die Leglimentik seines Herrn seine Gedanken streifte.
„Sage mir, Sseverus, weißt du überhaupt, wem du deine Loyalität verschrieben hast?"
Kalte Angst ergriff ihn. Hatte Voldemort etwas gesehen? „Meine wahre Loyalität gilt Euch." Er wählte seine Worte mit Bedacht.
Voldemort begann zu lachen, ein Geräusch, welches die sich windende Angst in seinem Bauch nicht beruhigte. „Das ist der Grund, Sseverus, warum ich deine Gesellschaft der deiner Brüder gegenüber am meisten schätze. Die anderen verbeugen sich und werfen sich zu Boden, rollen sich sogar auf den Rücken. Aber du, Sseverus, bietest mir selbst dann noch die Stirn, wenn mich deine Worte besänftigen sollen."
„Mein Herr-"
Voldemort fuhr fort, als ob Severus nicht gesprochen hätte. „Weißt du, Severus, dass unter all meinen obersten, hochgeschätzten Todessern, du der Einzige bist, bei dem ich noch immer nicht sagen kann, wann er mich belügt? Es war klug von mir dich zu meinem Spion zu machen." Voldemort lachte erneut. „Ich bin mir sicher, dem alten Narren ergeht es nicht anders. Er fühlt sich sicher in seiner Annahme, dass sein Spion unauffindbar ist. Sage mir, Sseverus, weiß Dumbledore, wenn du ihn belügst?"
Eine verbale Falle – jede Antwort könnte ihn zu einem schmerzhaften Tod verbannen. „Nein, mein Herr, ich glaube nicht, dass er es weiß."
Ein zufriedenes Lächeln zeichnete Voldemorts Gesicht und Severus atmete erleichtert aus. „Sehr gut, Sseverus. Wirklich gut. Und aus diesem Grund gebe ich dir eine weitere Aufgabe. Ich muss wissen, wie der Orden meine Ziele ausfindig macht."
„Der Sommer ist noch nicht vorbei, mein Herr. Jetzt dauerhaft zum Orden und zu Dumbledore zurückzukehren, würde Fragen aufwerfen, die ich nicht beantworten könnte."
„Dann ist es ja gut, dass du einen Grund haben wirst zurückzukehren."
„Mein Herr? Ich verstehe ni-"
Er schaffte es nicht seinen Gedanken zu Ende zu führen, als er mit einer Handbewegung Voldemorts zurückgeworfen wurde, sein Körper flog aus seinem Stuhl und knallte gegen die entlegene Wand.
Überrascht von diesem unerwarteten Angriff, kämpfte Severus darum Luft in seine Lungen zu pressen. Sein Instinkt schrie ihn an, nach seinem Zauberstab zu greifen. Seine Erfahrung jedoch kämpfte gegen diesen Drang an. Er lebte; Voldemort hatte ihn nicht umgebracht und Voldemort hatte nie etwas ohne einen Grund getan, wenn auch seine Gründe oftmals grotesker Natur waren. Nach Luft schnappend, keuchte Severus: „Mein Herr… ich verstehe nicht… habe ich Euch enttäuscht?"
Voldemorts Lächeln offenbarte Eckzähne, die nur die Spur länger als menschliche Zähne waren. Hinter der mentalen Täuschung schlich sich ein Gedanke ein. Offenbar Naginis Einfluss.
Voldemort kniete sich zu Severus auf den Boden. „Ganz im Gegenteil, Sseverus, ich bin nicht enttäuscht von dir." Eine blasse Hand strich eine schwarze Strähne zur Seite, die Severus in die Augen gefallen war. Die Geste nichts weiter als eine Parodie von väterlicher Zuneigung. Severus zwang sich, unter der Berührung ruhig zu bleiben.
Ein leichtes Fingerzucken und Voldemorts Zauberstab erschien. Die Holzspitze fuhr über seine jetzt entblößte Schläfe. „Du, mein Diener, wirst eine Entschuldigung brauchen, um an die Seite des alten Narren zurückzukehren. Ich werde dir eine angebrachte und überaus überzeugende Entschuldigung liefern."
Wieder fuhr die Spitze über sein Gesicht, hinunter über seine Wange und unter sein Kinn. „Wenn Dumbledore fragen sollte, wirst du ihm sagen, du hast mich mit den misslungenen Angriffen äußerst enttäuscht."
Der Zauberstab fuhr seinen Hals hinunter, um gegen seinen Kragen zu tippen. „Du wirst herausfinden, wie er es anstellt." Wieder bewegte sich der Zauberstab, diesmal hielt er über seinem Herzen inne. „Und wenn du herausgefunden hast, wie er es macht, wirst du mir berichten. Verstanden?"
„Ja, mein Herr."
Ein erneutes Lächeln zeichnete die Fassade von väterlicher Sorge. „Das wird mir natürlich mehr wehtun als dir."
Das war die einzige Warnung, die er erhielt, bevor er von giftgrüner, gelblicher Magie eingehüllt wurde. Als er diese kostbaren Sekunden nutze, um sein Bewusstsein in die kalten Tiefen seines Sees zu tauchen, hörte er sein eigenes Schreien.
+++
Hermine lauschte dem Donnergrollen vor den Fenstern des Black Hauses. Sicher und warm in dem Kokon ihres Bettes eingehüllt, starrte sie hinauf an die Decke. Es war in letzter Zeit zu ihrer Gewohnheit geworden vor den anderen Bewohnern des Grimmauldplatzes aufzuwachen. Für gewöhnlich würde sie um diese Zeit unten in der schäbigen Küche sitzen und auf Professor Snape warten, während die Hauselfen um sie herumwirbelten, um das Frühstück vorzubereiten. Sie war der Tatsache, den Status einer Pseudo-Elfe einzunehmen, der es ihr erlaubte auch in der Küche zu bleiben, überaus dankbar. Mrs. Weasley war es noch immer verboten, mehr als fünf Minuten dort zu verbringen. Natürlich wollte jeder wissen, warum sie diese Sonderrechte besaß. Überraschenderweise war es Ron gewesen, der ihr zu Rettung geeilt kam, als er wieder über das Große und Noble aus der Granger in Gelächter ausbrach. Jeder schien zu glauben, da sie die einzige legitime Hauselfbesitzerin am Grimmauldplatz war, würden sich die Elfen ihren Befehlen beugen. Es war natürlich absoluter Schwachsinn, aber Hermine hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihre Vermutungen richtigzustellen.
An diesem stürmischen Morgen blieb sie etwas länger in ihrem bequemen Bett liegen. Ein weiterer Blitz erhellte die dreckige, rissige Decke, dicht gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner, der an den Fenstern rüttelte.
Also lag sie wieder flach auf dem Rücken und starrte an die Decke. Ihre Gedanken wirbelten, folgten weiteren Verbindungen und führten sie auf andere abschweifende Wege. In diesem sicheren und warmen Moment dachte sie an alles und nichts.
Ich hoffe wirklich, Professor Snape muss bei diesem Wetter nicht dort draußen sein. Ich frage mich, ob er schon bald wieder zurückkommen wird. Decken sind langweilig. Das sollte ich mir für meine eigene Wohnung merken. Ich brauche eine interessante Decke, während ich nachdenke. Wenn ich mit Hogwarts fertig bin … falls ich mit Hogwarts fertig werden sollte … wenn wir dann noch alle am Leben sind und die Zauberwelt noch immer bestehen sollte … wenn es denn jemals vorbei sein wird.
Als sie bei einem weiteren Donner zusammenzuckte, wandte sich Hermine von ihren dunkleren Gedanken ab. Sie zog an dem Bettlaken, um Krummbein von seinem Platz auf ihren Beinen zu verscheuchen, aber die schwere Katze rührte sich nicht ein Stück.
„Faule Katze", murmelte sie liebenswürdig.
Sie entschied, Krumm noch eine Weile an seinem Platz liegen zu lassen und ihre Gedanken wanderten zurück zu Snape. Sicherlich würde Snape nicht in so einer dunklen und stürmischen Nacht zurückkommen. Zwei Wochen waren seit ihrem verhängnisvollen Zusammentreffen in der Küche vergangen und jeder Tag, der verstrich, ohne dass sie von ihm hörte, ließ den Knoten in ihrem Bauch nur noch weiter anwachsen. Ihre Ängste wurden sicherlich nicht durch die vermehrte Ordensaktivität besänftigt. Menschen kamen und gingen zu den seltsamsten Stunden und Treffen mit Dumbledore, Moody oder Lupin fanden jetzt in regelmäßigen Abständen statt.
Die vermehrten Aktivitäten ließen darauf schließen, dass ihr Schattenkrieg mit Voldemort sich zu ihren Gunsten abspielte. Es gab Berichte im Tagespropheten, die besagten, mehrere Angriffe auf Zauber – und Muggelfamilien waren fehlgeschlagen. Offenbar war die Hilfe der Hauselfen ein voller Erfolg.
Und dennoch konnte sich Hermine nicht der freudigen Stimmung im Black Haus anschließen, solange sie nicht von einem Lebenszeichen von Professor Snape gehört hatte.
Sie konnte auch genauso gut aufstehen. Die Hauselfen am Grimmauldplatz würden mehr als froh sein für sie ein schönes Frühstück anzufertigen. Übertrieben rümpfte sie mit der Nase. Hauselfen. Zumindest hatte sich Rink eine Stellung am Grimmauldplatz verschafft. Den kleinen Elf in ihrer Nähe zu wissen, beruhigte sie und sie war sich ziemlich sicher, dass es Rink ähnlich erging. Zumindest konnten sie so gemeinsam ihre Sorgen teilen.
Gerade als sie entschieden hatte aufzustehen, tauchte Rink mit einem stummen Pop auf ihrem Bett auf. Da sie sich inzwischen an das ständige Kommen und Gehen der Hauselfe gewöhnt hatte, schrie sie nicht mehr überrascht auf. Jedoch fuhr sie alarmiert auf, als sie Rinks erschrockenen Blick sah. Seine für gewöhnlich aufrecht stehende, große Fledermausohren, lagen jetzt genau wie bei einem besonders wütenden Krummbein an seinen Kopf an.
„Ri-"
Sie schaffte es nicht seinen Namen auszusprechen, als er nach ihrer Hand griff und sie beide verschwanden.
„—nk?"
Für nur eine Sekunde musste sie um ihre Orientierung kämpfen, bis sie schließlich verstand, dass sie unten im Foyer stand. Die massive Eingangstür stand sperrangelweit auf und eine Traube der anwesenden Hauselfen stand darum versammelt.
„Rink? Was ist hier los?", fragte sie verwirrt.
Rink zog sie näher zu den anderen Elfen, welche automatisch zur Seite traten. Auf der Türschwelle lag in einer rötlichen Pfütze die zusammengekauerte Gestalt von Professor Snape.
Für den Bruchteil einer Sekunde war sie absolut geschockt, bevor ein weiteres Ziehen von Rink sie wieder in Bewegung setzte. Als sie Rinks Hand losließ, kniete sie sich neben ihren Professor. Frische Wunden zeichneten sein Gesicht, die sporadisch verteilten dunklen Abhebungen wirkten in ihren Kontrast auf der viel zu blassen Haut, besonders erschreckend. Prägnante Blutrinnsale zierten seinen von getrocknetem Blut befleckten Haaransatz. In einem Schreckensmoment dachte sie, er sei, bis sie seine flache Atmung erkannte, tot.
Was soll ich nur tun? „Professor Snape? Können Sie mich hören?"
Hermine biss fest auf ihre Unterlippe. Er rührte sich nicht. Sie hatte nach einem normalen Quidditch-Spiel schon schlimmere Wunden und Verletzungen gesehen, also sollte sie sich keine Sorgen machen, nicht wahr?
„Professor Snape?"
Mit einer zitternden Hand drückte sie gegen seine Brust, nur um durch eine verborgenen Magie, ihre Hand erschrocken wieder zurückzuziehen. Feuer brannte auf ihrer Hand und sie biss sich auf ihre Zähne, um den aufkeimenden Schrei zu unterdrücken.
Als sie sich zurück gegen die Wand lehnte, trat Rink einen Schritt hervor, nur um mit einem unentschlossenen Blick zwischen Hermine und Professor Snape inne zu halten. Er war sich nicht sicher, wer mehr Hilfe brauchte.
Hermine schüttelte den Kopf. „Mir geht's gut", zischte sie angespannt. „An ihm haftet ein magisches Überbleibsel oder irgendein Fluch."
Sie stützte sich mit ihrer Schulter gegen die Wand ab und Hermine drückte sich zurück auf ihre Füße. Der Schmerz in ihrer Hand ließ bereits nach, aber dennoch konnte sie noch immer nicht richtig ihre Finger bewegen.
Welche Schmerzen musste Professor Snape ertragen? Konnte man überhaupt solch einen Schmerz ertragen und dabei nicht den Verstand verlieren? Würde er wie Nevilles Eltern enden? Was soll ich nur tun?
Kostbare Sekunden verstrichen, in denen sie sich einfach nicht entscheiden konnte, was sie als Nächstes tun sollte. Irgendwo in ihrem panischen Hinterkopf knurrte eine akribische Stimme, die sich verdächtig nach ihrem Professor anhörte: „Sind Sie dumm, Mädchen? Denken Sie!"
Zitternd atmete sie aus und wandte sich an die Hauselfen.
„Brolly, mache Professor Dumbledore ausfindig und bringe ihn sofort her. Mir ist es egal, wo er ist oder was er gerade tut. Hol ihn her."
Brolly, der im Hause der Black für den Orden als ‚Boten' diente, nickte scharf und verschwand augenblicklich.
Als Nächstes wandte sie sich an Rink, welcher ängstlich seine Ohren zwischen seinen Händen verdrehte. „Rink, bring Professor Snape in eines der leeren Zimmer. Zieh ihm die nassen Sachen aus und lege ihn ins Bett. Versuche ihn so ruhig wie möglich zu halten und egal, was du auch tust, fass ihn nicht direkt an."
Rink starrte sie einen Moment verloren an, bevor er ein leises „Ja, Miss", flüsterte. Mit einer komplizierten Handbewegung begann Professor Snape in der Luft zu schweben. Seine langsamen und gezielten Bewegungen führten ihn die Treppe hinauf.
Hermine war sich nicht sicher, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, dass Rink zu dem formelleren ‚Miss' als seinem gewöhnlichen ‚Hermy' zurückgekehrt war. Darüber würde sie sich später Gedanken machen.
„Wren, bitte wecke Mrs. Weasley auf. Sag ihr, Professor Snape ist verletzt worden und führe sie zu ihm. Denk daran ihr zu sagen sie soll ihn nicht direkt anfassen."
Als Wren verschwunden war, hielt Hermine unsicher inne.
„Bitte, Miss, was kann Pella tun?"
Hermine erkannte, dass sich noch immer eine Elfe im Foyer befand. Sie begann zu zittern und bemerkte erst zu spät, dass die Tür noch immer weit offen stand und der Regen in das Innere peitschte.
„Miss?"
Sie schüttelte sich einmal selbst, bevor sie sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrierte. „Schließ die Tür, Pella. Und … wenn du so lieb wärst, würdest du dann bitte den Boden sauber machen?"
Unsicher, was sie sonst noch tun sollte, setzt sich Hermine auf die Treppe, um zu warten. Brolly würde den Schulleiter zurückbringen. Mit noch immer pochender Hand begann das Warten.
+++
Kaum eine Stunde später befand sich das gesamte Haus der Blacks in Aufruhr. Jeder, der zurzeit am Grimmauldplatz wohnte, war in der Bibliothek versammelt. Andere Ordensmitglieder waren ebenfalls eingetroffen. Während der Sturm noch immer außerhalb der Mauern wütete, lauschte Hermine dem Sturm, der sich im Inneren abspielte und sie begann sich zu fragen, woher diese Menschen auf einmal alle kamen.
Argumente und Spekulationen kursierten durch den Raum. Jeder hatte seine ganz eigene Theorie über Snapes Rückkehr und was sie bedeuten könnte. Dass seine Verletzungen ernst waren, hatte sich ebenfalls herumgesprochen. Was auch immer Voldemort mit ihm gemacht hatte, hatte selbst jetzt noch Auswirkungen. Zudem griff der Fluch jeden an, der ihn berührte. Das unangenehme Kribbeln in ihrer Hand war nur Beweis genug dafür, selbst wenn der brennende Schmerz bereits abgeklungen war. In dieser Situation konnte sie sich noch nicht einmal vernünftig um Professor Snape kümmern und seine Wunden behandeln.
Rink hatte ihr berichtet, neben seine Kopfverletzung hatte Snape noch andere Wunden. Dass niemand Professor Snape helfen konnte, schien Rink langsam in den Wahnsinn zu treiben. Sie hatte Rink gesagt, er sollte bei dem Professor bleiben. Sie befürchtete er würde den Nächsten, der etwas Abfälliges über den Meister der Zaubertränke sagte, angreifen. Und mehr als ein abfälliger Kommentar war in der letzten Stunde gefallen. Sollte noch ein weiteres abwertendes Wort über den Zaubertränkemeister fallen, würde sie diese Aufgabe für Rink übernehmen.
Wie auf das Stichwort wurde ihre Aufmerksamkeit auf Moodys lauter Stimme gelenkt. „Wir wurden verraten. Es ist offensichtlich. Dieser Verräter hat uns alle verraten."
Ein Widerspruch traf auf Moodys Worte, auch wenn Hermine diese Person nicht sehen konnte, erkannte sie den trockenen, akribischen Akzent von Professor McGonagall. „Unsinn, Alastor. Dieser Mann wurde gefoltert und geschlagen. Wenn Severus uns verraten hätte, glauben Sie dann nicht auch, dass Riddle ihn besser belohnt hätte?"
„Er wurde für seinen Verrat gefoltert. Er wurde doch nur aus reinem Hohn auf unserer Türschwelle zurückgelassen."
Hermine wurde übel, als sie sah, wie Harry sich neben Moody stellte, um seiner Stimme in der bereits garstigen Bibliothek Verhör zu verschaffen. „Snape kann man nicht vertrauen. Es ist offensichtlich eine Art von Falle. Warum hätte man ihn ansonsten hierher bringen sollen?"
Sie konnte sich das nicht mehr länger anhören … sie würde es sich nicht länger anhören.
Als sie aufstand und zur Tür ging, erhoben sich überall um sie herum aufgebrachte und besorgte Stimmen. Sie ließ sie alle über sich ergehen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte sie bereits aufgehört, auf sie zu hören. Warum waren diese Menschen überhaupt hier? Was erhofften sie sich davon? Und selbst wenn Voldemort es geschafft hatte aus Snape den Fidelius herauszufoltern, bedeutete es doch nur, dass alle Anwesenden jetzt in einer noch größeren Gefahr schwebten.
„Idioten", murmelte sie, als sie den Raum verließ. Langsam begann sie zu verstehen, warum Professor Snape die Menschen so hasste. Sie waren alle nur Idioten.
Als sie Professor Dumbledore die Treppe hinunterkommen sah, vergaß sie ihre Wut auf die anderen Ordensmitglieder und eilte zu ihm, um am Fuße der Treppe stehen zu bleiben.
„Wie geht es Professor Snape, Sir?"
„Ich fürchte nicht besonders gut, Miss Granger. Tom hat ihn sehr schwer verletzt." Der Schulleiter seufzte leise. „Wie ich gehört habe, verdanken wir es Ihnen, dass er noch lebt. Ihr schnelles Handeln, Hermine …" Der Schulleiter verstummte. „Ich weiß nicht, wie er es in dieser Verfassung alleine zum Grimmauldplatz geschafft hat."
Sie griff Professor Dumbledores Worte auf „Sie glauben, dass er von selbst hierhin gekommen ist? Dass Voldemort ihn nicht zum Spott hier liegen gelassen hat?"
Dumbledore lächelte sie schwach an. „Ich habe nie an Severus Stärke oder seiner Loyalität gezweifelt, Miss Granger. Einer Sache bin ich mir absolut sicher: Severus ist von selbst zu uns gekommen." Ein Schatten, den Hermine nicht genau definieren konnte, kreuzte sein Gesicht, bevor er fortfuhr: „Ich glaube fest daran, Severus wird immer zurückkommen."
Ein seltsames Gefühl von Vorahnung traf Hermine bei den Worten des Schulleiters, aber sie schüttelte sie ab, um die Frage zu stellen, die ihr seit Dumbledores Ankunft im Kopf herumspukte. „Wann wird Madam Pomfrey hier sein?"
Dumbledore schüttelte mit einem ernsten Blick den Kopf. „Poppy ist zurzeit unabkömmlich. Der Zeitaufwand erst eine Eule zu schicken und sie dann herkommen zu lassen ist einfach zu groß. Wir haben nach Poppy geschickt und ich habe getan, was ich konnte. Mir ist es letztendlich gelungen den verbleibenden Fluch zu brechen, aber seine anderen Verletzungen sind sehr ernst. Er ist ein starker Zauberer. Ich bin mir sicher, er wird bis zu Poppys Ankunft durchhalten."
Plötzliche Wut vertrieb ihren gesunden Menschenverstand. „Also nehmen Sie in der Zeit, in der wir auf Madam Pomfrey warten, sein Leiden oder seinen möglichen Tod einfach so in Kauf?"
„Miss Granger! Sie vergessen sich!", antwortete Dumbledore barsch. „Severus war für mich schon ein Freund, da waren Sie noch nicht einmal auf der Welt gewesen. Sie wünschen wie eine Erwachsene behandelt zu werden, dann verhalten Sie sich auch dementsprechend; erwachsen zu sein bedeutet auch zu wissen und zu verstehen, welche Entscheidungen jeder einzelne der Ordensmitglieder in Bezug auf Tom trifft." Bestimmt legte er eine Hand auf Hermines Schulter. „So schwer es vielleicht auch ist es zu verstehen, aber ich darf den restlichen Orden nicht gefährden. Severus hat vor Jahren aus freien Stücken seine Entscheidung getroffen. Wir werden auf Poppy warten. Das ist das Einzige, was wir tun können."
Hermine entzog sich Dumbledores Griff. Ein Plan, noch nicht ganz ausgereift, formte sich bereits in ihrem Kopf. Wieder einmal überließen sie Snape seinem eigenen Schicksal. Sie sollte verdammt sein, wenn sie sich dort einreihen würde.
„Dann werde auch ich jetzt meine Entscheidung treffen." Sie hastete an ihm vorbei und rannte zur Haustür. Nachdem sie die Tür aufgerissen hatte, eilte sie hinaus in den Sturm.
Der Sturm jagte ihr wie Höllenhunde nach, als sie den Grimmauldplatz verließ. Sie zitterte und war innerhalb weniger Sekunden bis auf die Knochen durchnässt. Jedoch spürte sie kaum die Kälte und den Regen, als sie den kleinen Weg entlang rannte, den das Haus von dem Bürgersteig trennte. Noch während sie den Zauber des Fidelius' auf ihrer Haut spürte, begann sie zu rutschen. Sie befand sich jetzt außerhalb der Magie, die das Haus beschützte. Gerade als sie sich umdrehte, konnte sie so eben noch den Zauber erhaschen, den das Haus zwischen der Nummer elf und dreizehn verschwinden ließ.
In dem Moment, in dem das Haus vollkommen verschwunden war, schnappte sich Hermine ihren Zauberstab, konzentrierte sich und apparierte begleitet von Blitzen und dem grollenden Donner von der Stelle.
Vor den Mauern von St. Mungos tauchte sie wieder auf. Kaum angekommen rannte sie wieder los, bog in die Richtung ein, die sie bereits mit Professor Snape während ihres Nachsitzens passiert hatte.
Als sie die Tür aufstieß, wurde sie von derselben plumpen Hexe wie schon damals begrüßt. Hermine hielt noch nicht einmal an, als sie klatschnass an ihr vorbeiraste. Hinter ihr hörte sie ein geschrienes „Halt!", aber Hermine ignorierte es einfach. Sie nahm sich noch nicht einmal die Zeit ihre durchnässte Kleidung zu trocknen, als sie durch das Labyrinth der Korridore hechtete, um zu dem Büro von Heilerin Alverez zu kommen. Als Leiterin der Abteilung für Fluchschäden war sich Hermine sicher, dass sie die Hexe war, die Professor Snape noch helfen konnte.
Wenn sie denn zu der Heilerin durchkam.
Als sie Schreie hinter sich hörte, legte Hermine noch einmal an Tempo zu. Sie musste die Heilerin erreichen, bevor die Empfangsdame Hermine erreichte. Das Schicksal stand jedoch nicht auf ihrer Seite, als zwei korpulente Zauberer am Fuße der Treppe, die zum Büro der Heilerin führte, auftauchten. Hinter ihr tauchte mit hochrotem Kopf und schweren Atemzügen die Empfangsdame auf.
„Da ist sie!", schnaubte die Frau. „Schnappt sie!"
Hermine hielt ihre leeren Hände hoch, um zu zeigen, dass sie keinen Zauberstab hielt. „Bitte warten Sie. Das ist ein Notfall. Ich muss mit Heilerin Alverez sprechen."
„Notfälle", schnappte die Hexe, „werden am Empfang angemeldet, wo sich einer der anwesenden Heiler, um Sie kümmern wird."
Hermine trat einen Schritt zurück, bereit wieder loszulaufen, als sich plötzlich die Bürotür öffnete.
„Edelrod, was ist hier los?" Die Heilerin bemerkte Hermine, die noch immer ihre Hände in die Luft hielt. „Miss Granger? Was tun Sie hier?", fragte sie verwirrt.
Erleichtert senkte Hermine bei der rechtzeitigen Unterbrechung ihre Hände. Bevor Edelrod ihre Seite der Geschichte erzählen konnte, begann Hermine ihr Flehen und brach damit vermutlich ein Dutzend Ordensregeln über die Geheimhaltung.
„Bitte, Heilerin Alverez. Ich muss mit Ihnen sprechen. Es geht um Professor Snape."
Die Heilerin zog ihre Augenbrauen hoch und betrachtete sie leicht skeptisch. Nicht dass Hermine es ihr übel nahm. Sie war klatschnass, ihr Haar war vermutlich das reinste Chaos und mit der ständigen Warnung von verdächtigen Aktivitäten und Todessern, hätte Hermine vermutlich auch gezögert.
„Bitte", versuchte sie es erneut und versuchte all ihre Verzweiflung in ihre Worte zu legen. „Es ist wichtig."
Die Heilerin starrte sie einen langen Moment an, bevor sie schließlich nickte. „Also schön, Miss Granger. Sie haben ein paar Minuten." Mit einem Lächeln wandte sie sich an die Empfangsdame. „Das ist schon in Ordnung, Edelrod. Ich werde mit Miss Granger reden und mich um sie kümmern."
Die ältere Hexe warf Hermine einen misstrauischen Blick zu. „Wenn Sie meinen, Heilerin." Als die Heilerin nickte, sammelte die Hexe die beiden Wächter ein und verschwand zurück im Flur. Als sie an Hermine vorbeiging, konnte sie ein paar weniger nette Dinge wie „randalierende, junge Hexen richten in den frühen Morgenstunden bereits Unruhe an" hören.
Erst da erkannte Hermine, dass es noch immer früh am Morgen war. So viel war in innerhalb so kurzer Zeit geschehen, dass sie vollkommen die Zeit aus den Augen verloren hatte. Sie hoffte nur, Professor Snape hielt noch etwas länger durch.
Endlich zog sie ihren Zauberstab heraus und trocknete sich schnell selbst, bevor Hermine der Heilerin in ihr Büro folgte.
Als sie sich auf eine der Stühle setzte, versuchte Hermine einen Anfang zu finden. Sie war etwas überrascht, als Heilerin Alverez die Unterhaltung begann.
„Also sagen Sie mir, was für ein Notfall lässt eine junge Hexe durch die Hallen von St. Mungos rennen?"
Es war wohl am besten am Anfang zu beginnen. „Professor Snape ist verletzt. Es ist niemand da, der ihm helfen kann und Sie sind die Einzige, die es können."
Das erregte definitiv die Aufmerksamkeit der Hexe. „Severus ist verletzt? Wie?"
Hermine setzte bereits zur Antwort an, als sie plötzlich wieder ihren Mund schloss. „Das kann ich Ihnen nicht sagen."
„Das können Sie mir nicht sagen?" Eine Augenbraue zog sich ungläubig hoch.
„Nein, Ma'am.
Heilerin Alverez betrachtete sie durch zusammengekniffene Augen. Sie begann leicht, unter dem Blick auf ihrem Stuhl herumzurutschen.
„Wenn Sie mir schon nicht sagen können, wie er verletzt wurde, dann zumindest, wo er sich befindet?"
„Uh …" Hermine zögerte für einen Moment. „Das kann ich Ihnen auch nicht sagen."
Hermine zuckte zusammen, als diesmal die Augenbrauen der Heilerin in ihrem Haaransatz verschwanden. „Bitte, ich weiß es hört sich dämlich und unglaubwürdig an. Aber Professor Snape hat etwas sehr Wichtiges getan. Und er wurde verletzt. Und er ist wirklich schwer verletzt. Schwer genug, dass selbst Professor Dumbledore glaubt, dass er es wohlmöglich nicht überlebt. Er braucht jemand, der ihm hilft."
„Professor Dumbledore glaubt das also, ja?"
Hermine biss sich auf die Unterlippe. Dumbledore zu erwähnen war vermutlich ein Fehler gewesen. Sie hatte gerade vermutlich den Orden kompromittiert. Erneut stieg die Panik in ihr auf. Das lief nicht ganz so, wie sie geplant hatte. Nicht, dass sie überhaupt einen wirklichen Plan gehabt hatte, als sie aus dem Grimmauldplatz geflüchtet war. Ich bin ein absoluter Idiot.
Heilerin Alverez lehnte sich jetzt über ihren Schreibtisch und faltete die Hände vor sich. Hermine mochte den Blick der Frau nicht. Es erinnerte sie viel zu sehr an Krummbein, wenn er endlich seine Maus in die Ecke getrieben hatte.
„Wenn Sie mir nicht sagen können, wo sich Professor Snape aufhält, wie er verletzt wurde, können Sie mir dann zumindest erklären, was eine Schülerin von Hogwarts in ihren Sommerferien mit all dem zu tun hat?"
Sie war definitiv die in die Enge getriebene Maus. Abrupt stand sie auf. Das war ein Fehler, einer, wie sie jetzt erkannte, den gesamten Orden ernsthaft schaden konnte.
„Setzen Sie sich, Miss Granger."
Hermine ignorierte sie. Bevor man ihr noch mehr Fragen stellen konnte, würde sie verschwunden sein. „Schon gut, Heilerin Alverez. Ich glaube, ich habe mich geirrt. Ich werde dann jetzt-"
„Hinsetzen!", rief die Hexe. Jahrelanger Umgang mit dickköpfigen Patienten und gestresstem Personal hatte Heilerin Alverez genau wie Snape, der sich mit weniger begeisterten Kindern abfinden musste, die Fähigkeit verliehen ihrer Stimme einen absoluten Befehlston zu verleihen.
Mit Angst erfüllt, setzte sich Hermine wieder hin.
Mit einer weniger fordernden Stimme fuhr Heilerin Alverez fort. „Ich kenne Ihren Professor bereits seit Jahre, junge Dame. Seine Talente sind außergewöhnlich. St. Mungos' Forschungsabteilung würde ihn vom Fleck weg nehmen, sollte er Hogwarts jemals verlassen. Seit nun mehr als vierzehn Jahren bieten sie ihm jedes Jahr aufs Neue einen Job hier an. Jedes Jahr bieten sie ihm mehr Geld und mehr Mitarbeiter und mehr Freiheiten, um seine Ideen zu verfolgen, an. Jedes Jahr lehnt er ab."
Verwirrt runzelte Hermine die Stirn, aber schwieg. Sie verstand nicht, was das mit ihrer derzeitigen Situation zu tun hatte und warum die Hexe sie nicht gehen ließ.
„Vor ein paar Jahren, nachdem er wieder einmal ein Angebot ausgeschlagen hatte, habe ich Severus gefragt, warum er jedes Mal ablehnt, wenn es doch nur allzu offensichtlich ist, dass er nur wenig für die Kunst des Unterrichtens übrig hat. Wissen Sie, was er mir gesagt hat, Miss Granger?"
Hermine schüttelte noch immer verwirrt mit dem Kopf.
„Er sagte mir, dass er, bevor er Hogwarts verlassen könnte, noch Versprechen einzuhalten hätte. Die nervige Hexe, die ich bin, habe ich ihn also gefragt, was das für Versprechungen seien. Er lachte daraufhin, auch wenn ich schon immer geglaubt habe, dass es ein unglückliches Lachen war. Er sagte mir, er hatte Versprechungen Wahnsinnigen gegenüber abgegeben, die er nicht brechen konnte."
Hermine antwortete nicht, unsicher, was sie darauf erwidern sollte.
Heilerin Alverez stand auf. „Ich fand es schon immer interessant, dass Severus von Wahnsinnigen und nicht einem einzelnen Wahnsinnigen gesprochen hatte. Ich wurde nie darum gebeten dem Kampf, der um uns wütet, beizutreten. Und ich bin nicht dumm, Miss Granger. Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass, egal, was uns das Ministerium glauben lassen will, sich der Krieg vor unserer Tür befindet. Ich denke, es ist langsam an der Zeit sich eine Seite auszusuchen und ich vermute es ist bereits überfällig, einen dieser Wahnsinnigen zu treffen."
Als die Heilerin aufstand, schnappte sie sich ihren Reiseumhang und eine braune Ledertasche, in der es leise klirrte. „Wir müssen natürlich dort, wo wir hingehen werden, Seit-an-Seit apparieren." Heilerin Alverez betrachtete sie kritisch. „Sie sind noch jung, also bitte, versuchen Sie uns nicht zu zersplittern. Oder, wenn Sie es tun, dann doch bitte nur sich selbst. So kann ich Sie zumindest wieder zusammenflicken. Sie müssen mich außerdem vermutlich in einem Schlaf versetzen. Albus ist kein Dummkopf und wo auch immer wir hingehen werden, dieser Ort wird vermutlich von einem halben Dutzend von Schutzzaubern belegt sein. Ich tippe mal auf den Fidelius. Den würde ich zumindest benutzen." Sie hob leicht ihren Kopf, als sie überlegte. „Hmm, Petrificus Totalus wird nicht funktionieren, da das Gehirn noch immer bei Bewusstsein ist. Ich schlage den Somnambule-Zauber vor. Sind Sie mit diesem Zauber vertraut?"
Bei Hermines sprachlosem Nicken lächelte Heilerin Alverez. „Gut. Also sollen wir dann?"
Hermine konnte die Frau nur erstaunt anstarren. Wann hatte sie komplett und hoffnungslos die Kontrolle verloren? Dumbledore würde sie umbringen.
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Samstag, 01.07.
Freitag, 02.06.
Mittwoch, 24.05.
Mein Buch sollte tatsächlich in den Buchläden verkauft werden. Das war wahnsinnig!
Joanne K. Rowling