Vector war besorgt. Im Grunde war sie mehr als nur etwas besorgt; vielleicht befand sie sich sogar irgendwo zwischen besorgt und beunruhigt. Andererseits sollte sie die ganzen Stadien dazwischen einfach überspringen und gleich zu verängstigt übergehen. Sie starrte von ihrem Platz auf dem Boden hinauf zu der Hauptgleichung. Sie konnte mit beunruhigt arbeiten.
„Miranda? Warum sitzen Sie auf dem Boden, Kind?"
Als Miranda sich auf ihre Füße mühte, versuchte sie den Schmutz und die Kreide von ihrer Robe zu klopfen, bevor sie sich zum Schulleiter umdrehte. Verdammt! Sie wollte so etwas wie vorzeigbar sein, wenn der Schulleiter eintreffen würde. Er hatte einen Hang dazu immer dann aufzutauchen, wenn sie gerade etwas tat, was ihr mehr als peinlich war. Stattdessen beantwortete sie seine Frage: „Stühle nehmen nur unnötig viel Platz ein. Wenn ich auf dem Boden sitze, dann kann ich alles viel besser erkennen."
Albus lächelte sie gutmütig an und antwortete ein „Natürlich, meine Liebe", bevor er zum Thema kam.
Miranda hatte bemerkt, dass er dies in letzter Zeit häufiger tat – die Fassade des alten Mannes begann immer mehr zu bröckeln und wurde durch Albus Dumbledore, einen der mächtigsten Zauberer der heutigen Zeit, ersetzt.
„Sie sagten, Sie hätten schlechte Nachrichten, Miranda." Albus betrachtete Vector mit besorgten, aber ernsten, blauen Augen. „Ich glaube nicht, dass Sie mich gerufen hätten, wenn Sie gute Nachrichten haben würden. Sagen Sie mir, was Sie so beunruhigt."
„Ich habe eine neue Gleichung hinzugefügt. Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe es schließlich geschafft, sie in die Matrix einzubinden." Vector deutete auf eine der Tafeln. „Ich hatte sie vorher nur als einen Teil der Gruppe gehabt. Dann nach … nun, sagen wir einfach, dass ich sie eines Abends in einem ganz neuen Licht gesehen habe, habe ich mich entschieden, ihr eine eigene Gleichung zu geben. Ich hatte recht gehabt."
Albus schnalzte mit seiner Zunge. „Sie eilen schon wieder voraus, Miranda. Wen haben Sie hinzugefügt?"
Sie rümpfte leicht ihre Nase. Sie hatte es schon immer bevorzugt am Ende anzufangen und sich dann nach vorne durchzuarbeiten, als anders herum. „Entschuldigen Sie, Albus, ich habe Hermine Granger hinzugefügt."
Bei den hochgezogenen Augenbrauen des Schulleiters gestikulierte sie, als ob sie sagen wollte ‚Ich-hatte-keine-Wahl-gehabt'. „Ich weiß, ich weiß. Ich war auch überrascht. Mr. Potter hat natürlich seine eigene Gleichung. Da stimme ich Ihnen auch voll und ganz zu, genauso wie mit der Gleichung, die Potters Freunde als Gruppe darstellt. Jetzt habe ich Miss Granger herausgenommen und ihr eine eigene Gleichung gegeben und ich fange an zu glauben, dass Mr. Weasley ebenfalls seine eigene benötigt."
Albus sah skeptisch aus. „Miss Grangers Ausschluss hat die Hauptgleichung dermaßen verändert?"
Vector deutete auf die farbenfrohe Grafik, die faul in der Luft schwebte. „Sehen Sie es sich selbst an."
Als er die Linien betrachtete, fragte Albus: „Miss Granger ist die violette Linie?"
Nickend schnaubte Vector zustimmend.
Nachdem Albus die Grafik einen Moment lang begutachtet hatte, drehte er sich mit einem besorgten Stirnrunzeln zu ihr um. „Haben Sie Ihre Gleichungen überprüft? Sind Sie sich sicher, dass die Ergebnisse stimmen?"
Vector merkte, wie aus ihrer anfänglichen Besorgnis Angst wurde. Albus war besorgt. Wenn Albus besorgt war, dann steckten sie alle in großen Schwierigkeiten. „Ich haben sie immer und immer wieder überprüft", sagte sie.
„Miranda, das hat das ganze Gleichgewicht verschoben. Die Zeitlinie mit Toms Zusammentreffen hat sich-"
„Um Monate vorgeschoben", beendete Vector für ihn. „Ich weiß. Was ich nicht weiß, ist, wie und warum. Dass eine Person in diesem Ausmaße die Daten beeinflussen kann …" Sie zuckte leicht mit ihren Schultern. „Es erscheint unmöglich, aber meine Gleichungen lügen nicht."
Beide schwiegen einen Moment, bevor Vector ihren Zauberstab zu der leuchtenden Grafik hob. „Was auch immer sie tut, es passiert hier." Vector deutete auf den Punkt, wo die violette die graue Linie kreuzte. „Es findet hier an diesem Punkt eine Interaktion mit ihr und Ihrem Spion statt, genau wie hier …" Vector berührte verschiedene Punkte der sich überschneidenden Linien, „mit zwei oder vielleicht auch drei weiteren Ordensmitgliedern. An diesem Punkt hier scheint alles aus dem Ruder zu laufen; was vorher vielleicht noch Jahre gewesen waren, wurde auf ein Jahr, höchstens eineinhalb Jahre komprimiert."
„Harry ist noch nicht bereit für das Zusammentreffen."
Vector spielte mit einem Stück Kreide in ihrer Tasche. Sie hasste es wirklich, diese Unterhaltungen mit Albus zu führen. „Dann schlage ich vor, sorgen Sie dafür, dass er bereit ist. Und zwar schon bald, Albus, schon sehr bald. Ganz zu schweigen von dem, was auch immer es ist, was Miss Granger tut, es lässt die Opferzahl auf unserer Seite dramatisch sinken. Wir sollten dieses Geschenk lieber nicht verschwenden."
Albus folgte der grauen Linie, die seinen Spion darstellte. Wie schon zuvor war sie mal präsent und mal nicht. Sein Blick glitt zu der silbernen Linie auf die Vector das letzte Mal hingedeutet hatte. „Die abnormale Linie bleibt bestehen."
„Ja. Ich hatte angenommen, dass es vielleicht Miss Granger sein würde, aber wenn dies der Fall gewesen wäre, dann hätte die Linie, als ich sie hinzugefügt habe, verschwinden müssen. Ich weiß noch immer nicht, warum sie überhaupt da ist, aber etwas innerhalb dieser Gleichungen erzeugt sie."
„Sie steuert noch immer auf meinen Spion zu?"
„Ja, und merkwürdigerweise, war es die Einzige, die nicht durch Miss Granger beschleunigt wurde. Das Tempo jedoch ist sprunghaft. Es springt vor und verharrt dann, nur um dann wieder vorzuschnellen. Noch vor einigen Tagen hatte sich die Linie stetig bewegt, aber seit dem steht sie komplett still. Aber selbst mit ihren zwischenzeitlichen Stopps, ist sie noch immer auf Kurs."
Albus schwieg und betrachtete einfach nur die Linien. Als er gedankenverloren mit seinen Fingern durch seinen Bart fuhr, wog er für alle Beteiligten ihre Wichtigkeit im Ganzen ab. Dann hielt er inne, um sich daran zu erinnern, dass diese Linie Menschen darstellten, die mehr als nur Bauern auf dem Schachbrett zwischen sich selbst und Tom waren. Harry musste bereit sein.
„Kein Wort zu niemandem, Miranda", sagte er schließlich mit müder Stimme.
„Selbstverständlich, Albus."
Albus bemühte sich um ein Lächeln, als er sich aufrichtete und zur Tür ging. Gerade als er hinaustreten wollte, drehte er sich zurück zu ihr um. „Erstellen Sie auch für Ronald Weasley eine Gleichung, Miranda. Behalten Sie die, die sie als Gruppe darstellt noch drinnen, aber jeder soll seine eigene haben."
+++
Hermine fuhr mit ihren Händen über Stofffalten, ihre sensiblen Fingerspitzen glitten über die rauen Leinen. Sie hatte eine Ahnung, was sie wollte und doch schien bisher nichts unter den schweren Baumwollstoffen für sie dabei gewesen zu sein. Jeder der Stoffe hatte etwas an sich, was ihr nicht gefallen hatte: Zu dünn, zu dick oder zu steif. Die Liste der Ungenauigkeiten wurde immer länger und länger, bis sie frustriert schnaubend entschied, dass sie erst einmal genug hatte. Vielleicht konnte sie ja etwas Passendes in einem Muggel-Geschäft finden. Ganz abgesehen davon wurde sie schon bald von Harry und Ron am „Drei Besen" erwartet. Ihr wäre es lieber, wenn sie nicht erklären musste, warum sie in einem Textilgeschäft und nicht im Bücherladen gewesen war.
Die alte Hexe hinter der Theke lächelte Hermine an, als diese wieder in Richtung Tür ging. „Haben Sie gefunden, nach was Sie gesucht haben, Liebes?"
Auf Hermines Gesicht spiegelte sich Enttäuschung wieder. „Leider nicht. Ich konnte einfach nicht den richtigen Stoff finden."
Die Hexe lächelte sie weiterhin freundlich an, als sich tiefe Falten um ihre Augen herum abzeichneten. „Lassen Sie mich raten", sagte sie, „Sie suchen nach einem Stoff für ein neues Gewand, um die Aufmerksamkeit eines jungen Zauberers auf sich zu ziehen?"
Hermine spürte, wie sie rot anlief. „Oh, nein", verbesserte sie hastig. „Ich möchte gerne ein paar Bettlaken nähen." Als die andere Frau sie verwirrt anblickte, fügte Hermine hinzu: „Auf die traditionelle Art und Weise."
Die Verwirrung wurde schnell durch ein freudiges Aufleuchten in den Augen ersetzt. „Oh, Bettlaken!", rief sie und trat vor, um mit einer faltigen Hand Hermines Bauch zu tätscheln. „Herzlichen Glückwunsch, Liebes. Sie müssen es gerade erst erfahren haben."
Für einen Moment war Hermine von der Geste der Frau so verblüfft, dass sie wie erstarrt dastand. Warum war jeder so entschlossen, sie schwanger zu sehen? Schnell sammelte sie ihre zerstreuten Gedanken und versuchte es irgendwie zu erklären. „Nein, Madam, Sie-" Hermine jedoch kam nie dazu den Satz zu beenden, da die alte Hexe immer weiter redete und schlichtweg die Tatsache ignorierte, dass Hermine sie vollkommen entgeistert anstarrte.
Hermine konnte erst wieder ihre Worte hören, als sie sagte: „Gesegnet seien Sie, dass Sie sich noch an die alten Traditionen erinnern. Ich muss schon sagen, nicht viele der modernen Hexen legen noch besonders viel Wert darauf. Es ist wirklich eine Schande. Auch ich habe diese Laken für meine Kinder gemacht, als sie noch jung waren. Ich glaube fest daran, dass dies der Grund ist, warum sie heute so gesund sind und sich so gut eingegliedert haben. Heutzutage muss alles immer nur schnell gehen. Verwandle dies, verwandle das. Bei der Magie, wissen Sie, geht es nicht nur um irgendwelches dummes Gefuchtel mit dem Zauberstab."
Hermine biss sich auf ihre Wangen, um bei dieser Wortwahl nicht drauf loszulachen. „Ja, Madam. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu", antwortete sie schließlich in der Hoffnung ernst auszusehen. „Im Grunde kenne ich sogar jemanden, der Ihnen absolut zustimmen würde."
Die Hexe tätschelte erneut Hermines Arm, ihre faltige Hand lag wie weiches Papier auf ihrer Haut. „Folgen Sie mir, Liebes." Sie beugte sich etwas vor und flüsterte verschwörerisch. „Die guten Sachen befinden sich im Hinterzimmer."
Hermine folgte der Frau, die sich als Agatha vorstellte. Agatha führte sie in einen Raum, der auf den ersten Blick wie ein winziger Lagerraum aussah, aber da es sich um einen magischen Raum handelte, täuschte oftmals der erste Eindruck. Sie gingen an Hunderten von Stoffstangen, alle in den verschiedensten Farben, vorbei. Agatha wandte sich ihren Weg durch die Stangen und führte Hermine immer tiefer in das Labyrinth ihres Geschäftes – vorbei an Gefäßen mit Nähnadeln, Behälter, die bis oben hin mit Zwirn gefüllt waren, weiter an Stapeln von Stoffüberresten und schiefen, aufgetürmten Stoffbolzen. Hermine war sich hundertprozentig sicher, dass diese monströsen Türme nur durch einen Stasezauber vom Umfallen abgehalten wurden. Sie war so sehr damit beschäftigt alles aufzunehmen, dass sie überrascht war, als Agatha wieder das Wort ergriff: „Da sind wir auch schon."
In einem niedrigen Holzregal lagen acht Stoffrollen. Selbst durch die leichte Staubschicht hindurch konnte Hermine den feinen Glanz im Kerzenschein erkennen. Sie fuhr mit einer Hand über den Stoff und seufzte zufrieden, als ihre Finger feine Seide berührten. „Agatha, das ist perfekt."
Die Geschäftsführerin brüstete sich leicht bei Hermines offensichtlicher Zustimmung. „Nepalesische Spinnenseide, die magisch in die Baumwolle eingewoben wurde", erklärte die alte Hexe. „Natürlich etwas kostspieliger, aber der Stoff ist kräftig, beständig und der Grad an Weichheit und Bequemlichkeit kann nicht übertroffen werden."
Hermine fuhr mit ihrer Hand erneut über den Stoff. „Ich nehme ihn."
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Hermine, die es sich in ihrem Lieblingssessel im Gryffindor – Gemeinschaftraum gemütlich gemacht hatte, schielte auf den wikingischen Runentext und richtete dann wieder ihre Aufmerksamkeit auf den Kissenbezug in ihrem Schoß. Während jedes Stiches durchlief sie in ihrem Kopf die Bedeutungen und gegenteiligen Bedeutungen der Runen, nur um gelegentlich aufzusehen, um zu überprüfen, ob ihre Übersetzung richtig war.
Die Abschlussprüfungen kamen immer näher und sie musste lernen, aber sie war genauso entschlossen vor ihrer Abreise Professor Snape sprichwörtlich wie ein Baby schlafen zu lassen. Das bedeutete, das Lernen musste sich einfach seinen Platz mit A.S.V.U.R teilen. Es war nicht unbedingt die beste Ausgangssituation, aber sie war entschlossen. Daher hatte sie angefangen, ihre Stichtechnik zu üben.
Agatha hatte mehr als einmal betont, Hermine benötigte für das, was sie vorhatte, einige komplizierte Stichtechniken und sie hatte vorgeschlagen, vorher ein paar Probeläufe zu starten. Da Agatha diese magischen Bettlaken für alle ihrer fünf Kinder angefertigt hatte, war Hermine mehr als bereit den Rat der älteren Hexe zu berücksichtigen.
Dieser Rat hatte also dazu geführt, dass sie versuchte zu lernen und gleichzeitig ihre Stiche zu üben. Aber Hermine wäre nicht Hermine, wenn sie nicht schon bereits nach kurzer Zeit von der monotonen Arbeit gelangweilt gewesen wäre. Um sich also davor zu bewahren von den Fängen der Langeweile verschluckt zu werden, hatte sie entschieden, gleich etwas Nützliches zu machen. Sie hoffte nur, Rink würde nicht gleich hyperventilieren, bevor sie ihm erklären konnte, dass sie ihm keine Kleidung schenken wollte.
„Hermine, was tust du da?"
„Wiederholen", war die etwas abgelenkte und gemurmelte Antwort, wenn auch ihr Tonfall keinen Zweifel daran ließ, was sie von einer solch offensichtlichen Frage hielt.
Als sie ihren Kopf hob, blieb Hermines Blick bestimmend auf dem Schachbrett zwischen Harry und Ron hängen. „Wir haben nur noch sieben Wochen Zeit. Manche von uns warten eben nicht bis zur letzten Woche vor den Abschlussprüfungen, um den Stoff eines ganzen Jahres in den Kopf zu zwängen."
Rons Blick verfinsterte sich, während Harry – und zwei Bauern auf dem Schachbrett – leise lachten.
„Hermine, du wiederholst bereits seit dem ersten Tag und ich weiß, wie du aussiehst, wenn du lernst. Was ich meine, ist, was machst du da?", sagte er und deutete auf den Stoffhaufen in Hermines Schoß. „Ich glaube, ich habe dich zuvor noch nie lernen und gleichzeitig stricken gesehen." Rons Stirnrunzeln wurde plötzlich misstrauisch. „Du lässt doch wohl nicht wieder Belfer aufleben, oder? Die Hauselfen mögen Gryffindor endlich wieder. Du und deine blöden Elfenhüte werden es alles wieder vermasseln."
Hermine schnaubte wütend. „Erstens, Ronald, ich STRICKE nicht. Ich übe Stichtechniken. Zweitens, ich habe .R. nicht wieder ins Leben gerufen. Drittens, sieben Wochen sind nicht mehr lange hin. Im Grunde ist es sogar ein extrem kurzer Zeitraum, besonders dann, wenn man viel lernen muss und noch viel zu erledigen hat."
Mit einem Blick auf ihre Uhr sammelte sie Sachen ein und stopfte Stoff, Nadeln, Zwirn und Bücher in ihren Rucksack. „Bis gleich dann. Ich treffe mich jetzt mit meiner Lerngruppe. Und wenn ich dann zurück bin, werden wir uns hinsetzen und eure Lernpläne für Verwandlungen und Zauberkünste durchgehen." Sie ignorierte Rons entsetztes Gesicht und Harrys resignierten Blick. Nachdem sie noch einmal die Zeit überprüft hatte, sagte sie: „Ihr habt eine Stunde, um euch selbst einen Plan aufzustellen." Damit schulterte Hermine ihren Rucksack und verließ den Gryffindor-Turm, um zum Raum der Wünsche zu gehen.
Als sich das Porträt hinter ihr geschlossen hatte, warf Harry seinen König auf dem Schachbrett um und signalisierte somit, dass er aufgab. Es war kein wirklicher Verlust, da er so oder so verloren hätte.
Ron, der noch immer knurrte, packte das Spiel zusammen. „Weißt du, Mann, jedes Jahr aufs Neue sage ich mir, dass ich mir ihre Rechthaberei nicht bieten lasse. Aber jedes Jahr wieder sitze ich dann mit Lernplänen und farbigen Stundenplänen da."
Er lachte. „Willst du Zauberkünste denn nicht bestehen?"
Ron verzog sein Gesicht und lachte dann leicht. „Natürlich will ich das. Ich will es aber nur ein Jahr mal schaffen, ohne die bunte Tinte hervorzuholen."
Mit dem Schachbrett sicher verstaut, machte sich Ron auf zum Schlafgemach der Jungen zu gehen, um seine Bücher und ein paar Pergamente zu holen. „Weißt du, Harry, sie hat überhaupt nicht gesagt, was sie stickt und warum sie es überhaupt macht."
+++
Mit einem zufriedenstellenden Knallen von Holz gegen Stein öffnete sich die Tür zum Raum der Wünsche. Hermine konnte das flüchtige Lächeln nicht unterdrücken, als sie sah, wie Colin und Neville vorhersehbar zusammenzuckten. Es war kaum von Bedeutung und doch lag etwas absolut Zufriedenstellendes darin, diese Tür aufschlagen zu können. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, wie viel Spaß es machen würde. Es war eine gute Art des Stressabbaus.
„Profess-"
„Ruhe!", donnerte sie.
Colin und Neville saßen mit einem Male kerzengerade auf ihren Stühlen, die Blicke geradewegs nach vorne gerichtet. Neville, wie Hermine stolz bemerkte, war zwar angespannt, aber nicht unterwürfig. Nach vorne schreitend, starrte sie ihre beiden ‚Schüler' an. „Alles von den Tischen, bis auf eine Pergamentrolle, eine Feder und etwas Tinte."
Als Colin etwas zu langsam war, schnappte Hermine: „Fünf Punkte, Mr. Creevey, dafür, dass Sie meine Zeit verschwenden. Räumen Sie sofort Ihren Tisch!"
Mit erfreulicher Schnelle waren die Tische leer geräumt und beide Schüler warteten auf ihre nächsten Worte. Sie legte, selbst wenn sie bei den ernsten Blicken ihrer beiden Freunde lachen wollte, ein passendes, snapisches Stirnrunzeln auf. Hermine starrte sie so lange an, bis Colin leicht zu zappeln begann. In einem kaum wahrnehmbaren Flüstern, welches Neville und Colin dazu zwang, genau zuzuhören, begann sie: „Es ist an der Zeit für Ihre Abschlussprüfung."
„Abschlussprüfung?", schrie Colin.
„Abschlussprüfung. Ja, die Prüfung, auf die Sie das ganze Jahr hingearbeitet haben. Die Prüfung, die beweisen wird, dass Sie in meinem Unterricht etwas Wertvolles gelernt haben und ich nicht nur Ihre und noch viel wichtiger, meine Zeit verschwendet habe. Diese Abschlussprüfung", zog Hermine das Wort in die Länge und ignorierte Nevilles leises Lachen, „wird natürlich Ihre schriftliche sein. Die praktische Prüfung wird während der nächsten Unterrichtseinheit abgehalten werden."
Nachdem sie ihnen jeden eine Kopie von ihrer Prüfung gegeben hatte, ging Hermine zurück zu Professor Snapes Schreibtisch. Sie öffnete wieder ihr Runenbuch und zog den Kissenbezug heraus und teilte erneut ihre Aufmerksamkeit zwischen Lernen und Sticken und, um hin und wieder zu ihren Schülern aufzublicken, auf. Nach ungefähr der Hälfte, begann sie durch den Raum zu laufen und blickte drohend über ihre Schultern, um auch den Schein von Snape aufrechtzuerhalten.
Es war während ihres zweiten Rundgangs, als sie Nevilles sonderbare Haltung bemerkte. Er schrieb mit einer Hand, während die andere zwischen den Falten seines Gewandes vergraben war. Nachdem Hermine ihn eine Weile beobachtet hatte, war sie sicher, dass er etwas festhielt. Und wenn seine Armbewegung irgendein Indiz war, dann, dass er dieses Etwas, ziemlich fest umklammerte. Jetzt wo sie darüber nachdachte, erkannte sie, wie sie Neville mit etwas herumhantieren gesehen hatte, als sie ihre Tische leer räumen sollten.
Von der Neugier ergriffen, ging Hermine ein paar Schritte zurück, damit sie Neville nicht länger zu nahe stand. Dann wurde sie ganz ruhig, da sie wusste, dass Neville sie in seiner Konzentration vergessen würde. Es war eine bevorzugte Snape-Taktik. Wie zu erwarten entspannte sich Neville ein paar Minuten später, wenn sich auch sein Griff um das versteckte Objekt nicht lockerte.
Das war der Moment, in dem Hermine zuschlug und Nevilles Handgelenk umfasste. Neville schrie überrascht auf, aber wehrte sich nicht, als sie seine Hand herauszog. Neville umklammerte ein stoffumhülltes Bündel; ein vertrautes Stoffbündel.
Sehr wohl wissen, dass Colin nur einige Stühle nebenan saß, beugte sich Hermine vor, so dass sie in Nevilles Ohr flüstern konnte. „Neville, ist das die Snape-Puppe?"
Neville, der bemerkenswert rot anlief, schielte flüchtig zu Colin hinüber, bevor er zurückflüsterte. „Das ist nur der kleine Sev."
„Der kleine-", würgte Hermine, nicht in der Lage den Namen auch auszusprechen. „Neville!"
Neville zuckte nur mit den Schultern und versteckte den kleinen Sev wieder in seiner Robe. „Ich fühle mich sicherer, wenn er da ist. Er hilft mir, zu denken."
„Er hilft dir …" Hermine verstummte. Da sie diejenige gewesen war, die ihm diese Snape-Puppe gegeben hatte, konnte sie ihn schlecht anschreien. Um die Wahrheit zu sagen, sie hatte sie total vergessen. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Neville die Puppe noch immer zur Snape-Therapie benutzte.
Mit einem Augenrollen richtete sie sich wieder auf und rückte ihre Lehrerroben zurecht. Colin, bemerkte sie, warf ihnen einen neugierigen Blick zu. „Zurück an die Arbeit, Mr. Creevey", schnappte sie. Als sich der andere Junge wieder seinem Pergament zugewandt hatte, lehnte sie sich noch einmal zu Neville herunter. „Darüber unterhalten wir uns später noch, Neville."
Während sie ihren Nasenrücken massierte, ging Hermine zurück zur Vorderseite des Klassenraumes. Kein Wunder, dass Snape uns alle so hasst.
„Ich glaube, das hier war sogar noch schwerer als Snapes – entschuldige, Professor Snapes – richtige Prüfung." Für Colins Geschmack hatte er in Hermines Gegenwart bereits genug Punkte abgezogen bekommen, weil er den Titel des Professors vergessen hatte.
Neville, der seinen Kopf in seinen Handflächen vergrub, stimmte ihm zu. „Sechs Anwendungen von Mondstein in Zaubertränken, Hermine? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Professor Snape dem Thema überhaupt fünf Minuten gewidmet hatte."
Hermine lachte die beiden jungen Männer an. „Genau", sagte sie. „Deshalb wird sie vermutlich auch in der richtigen Prüfung gestellt werden. Ich vermute mal, dass es eine Zusatzfrage sein wird."
„Also, Professor Granger- Snape, da dies nun unsere schriftliche Prüfung war, bedeutet das dann, dass wir nach der praktischen fertig sind?"
„Ganz genau", antwortete sie. „Ihr beide habt großartige Arbeit geleistet und sehr viel gelernt. Neville, du bist jetzt viel selbstbewusster und du hast dich wirklich verbessert. Ich bin beeindruckt. Ich habe schon immer gewusst, dass du es schaffst." Dann warf sie ihm einen ernsten Blick zu. „Aber wir werden noch immer darüber reden." Als Neville nickte, wandte sie sich an Colin.
„Colin, du hast auch großartige Arbeit geleistet, besonders nach Professor Snapes Vere-Veneficus-Zauber." Sie grinste. „Also, für herausragende Arbeit, selbst für Gryffindors, gebe ich jeden von euch … fünf Punkte." Sie hatte es perfekt abgestimmt. Neville und Colin begannen über die armseligen Punkte, zu lachen. Als sie sich wieder gefangen hatten, fuhr sie fort: „Wir haben nur noch sieben Wochen, bevor das Schuljahr endet. Ich denke, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um unsere Sitzungen zu beenden, damit ihr die verbleibende Zeit für eure anderen Fächer nutzen könnt. Ich werde auch weiterhin diesen Raum hier zum Lernen benutzen, also seid ihr willkommen ebenfalls hier zu lernen. Der Gemeinschaftsraum kann manchmal etwas zu laut sein."
Hermine zog ihren Zauberstab heraus und tippte sich auf den Kopf, auf ihre Augen und Brust, um den Snape-Zauber aufzuheben. Mit ausgestreckten Armen drehte sie sich zu den beiden Jungen um. „Kein Professor Granger-Snape mehr. Ab jetzt bin ich nur noch die alte Hermine."
Etwas später machten sich die Drei zurück auf den Weg zum Gryffindor-Turm. Gerade als hinter ihnen die Türen des Raumes der Wünsche verschwunden waren, drehte sich Neville zu Hermine um. „Also, wie sieht es nächstes Jahr aus, Professor?", fragte er grinsend.
+++
Ein paar Abende später tauchte Rink mit einem Pop in den Gemächern von Professor Snape auf. Nachdem er den Kaffeekessel mit dem Silbertablett auf den kleinen Seitentisch abgestellt hatte, verneigte sich Rink und drehte sich um, um wieder zu verschwinden.
„Halt", befahl Severus laut genug, damit er gehört wurde, aber nicht so kräftig, um den Elf aufzuregen.
Rink drehte sich um und betrachtete den Menschen, den er diente. „Herr wünscht noch etwas von Rink?"
Severus legte einen Finger zwischen die Seiten seines Buches und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf Rink. Rink, wie Severus bemerkt hatte, trug nicht länger das schäbige Geschirrtuch, welches er seit dem Beginn seiner Dienste getragen hatte. Stattdessen trug er einen makellos, weißen Kissenbezug, in dem an den entsprechenden Stellen Löcher für den Kopf und den dünnen Armen der Elfe geschnitten worden waren. Severus Erfahrung mit Elfen sagte ihm, dass sie nur sehr selten ihre Kleidung wechselten. „Ich brauche heute Abend nichts mehr. Ich möchte lediglich wissen, was du da trägst?"
Rink, der auf seinen neuen Kissenbezug hinunterblickte, streckte stolz seine Brust heraus. „Hermy hat es extra nur für Rink gemacht." Als er sah, dass sein Herr neugierig war, ging Rink zu Snape und stellte sich auf seine Zehenspitzen, damit dieser den Schriftzug einfacher in dem flackernden Feuer lesen konnte. Rink zeigte stolz auf die gestickten Linien über seiner linken Brustseite. „Hermy hat Rinks und den Namen des Meisters der Zaubertränke aufgenäht, damit jeder weiß, wem Rink dient."
Erstaunt über Rinks offensichtlichen Stolz, strich Severus mit einer schwieligen Fingerspitze leicht über die etwas unebenen Stiche. Oben, in einem Slytherin-Grün, stand RINK gestickt. Darunter, in kleineren Buchstaben stand in Silber geschrieben: SEVERUS SNAPE, MEISTER DER ZAUBERTRÄNKE.[i]
Rink grinste zufrieden. „Hermy sagte, da Herr der Anführer der Slytherins ist und Rink dem Herrn dient, dann kann Rink auch Slytherin-Farben tragen." Rink sank zurück auf seine Füße, als ein besorgtes Stirnrunzeln sein Gesicht zeichnete. „Kann Rink die Farben des Herrn tragen? Wenn es dem Herrn nicht gefällt, wird Rink sie sofort entfernen und sich angemessen bestrafen."
Severus war sprachlos. Der Elf wollte, dass man ihn mit ihm in Verbindung brachte? Er wollte die Farben von Slytherin tragen? Niemand, der kein Slytherin war, wollte die Farben von Slytherin tragen. Seine Überraschung hielt nur einen Moment an, als er seine persönliche Elfe betrachtete.
Rink war im Verhältnis zu den anderen Elfen ein junger Elf und war seit Severus' Beginn an dieser Schule für seine persönliche Dienste zuständig. Insgeheim hatte er sich immer gefragt, ob Rink ihm als Teil einer Strafe zugeteilt worden war. Er und der Elf hatten sich bereits vor langem darauf geeinigt, was innerhalb seiner Wohnräume und seiner Arbeitsräume angefasst werden durfte. Es hatte anfängliche Schwierigkeiten mit passenden Bestrafungen gegeben, genauso wann eine Bestrafung angebracht war. Am Ende war seine sture Natur den eingefleischten Neigungen der Elfen überlegen gewesen. Rink verletzte sich nicht und Severus erteilte nur sehr wenige Befehle; seine eigene Situation mit dem Dunklen Lord ließ ihn eine natürliche Abscheu gegenüber von Sklaverei empfinden. Gelegentlich jedoch musste er Rink an die ‚Keine Bestrafung'- Regel erinnern.
Als er sich in seinem Stuhl vorbeugte, damit er fast auf Rinks Augenhöhe war, erinnerte Severus den Elf an ihre frühere Unterhaltung. „Du wirst dich nicht bestrafen. Wir hatten diese Diskussion bereits. Wenn schon bestraft wird, dann werde ich derjenige sein, der die Bestrafungen austeilt. Habe ich eine Bestrafung verlangt?"
Rink schüttelte mit dem Kopf. „Nein."
„Dann wird es auch kein weiteres Gerede mehr über Bestrafungen geben." Dann, mit einem etwas albernen Gefühl, fügte er hinzu: „Dir steht deine neue Kleidung sehr gut, Rink. Du darfst gerne meinen Namen und Hausfarben tragen, wenn es das ist, was du wünschst." Severus wurde mit einem Lächeln, welches von dem einen Fledermausohr bis zum anderen reichte, belohnt. [i]Bei Gott, ich werde weich! Oder wohlmöglich nur weich im Kopf. Danke Merlin, dass die Hauselfen nur unter sich blieben und ihnen ansonsten niemand große Aufmerksamkeit schenkt.
Aber da war etwas, was der Elf gesagt hatte. „Wer ist Hermy?", fragte er, als er sich wieder an den Namen erinnerte.
„Hermy ist neu bei den Elfen in Hogwarts. Hermy hat gebeten, mit Rink zusammen dem Meister der Zaubertränke zu dienen."
Severus betrachtete einen Moment die Stickerei und Rinks Begeisterung für die junge Elfe und riskierte eine Vermutung. „Hermy ist … weiblich?" Als Rink nickte, fuhr Severus fort. „Diese Hermy wünscht es, dir bei deinen Diensten für mich behilflich zu sein?"
Rink nickte erneut. „Hermy kam zu Lonny und hat darum gebeten mit Rink zu sprechen, um Rink und Lonny zu fragen, ob Hermy auch dem Meister der Zaubertränke dienen kann. Lonny hat es erlaubt. Rink ist sehr glücklich darüber. Hermy ist schlau und wird sich sehr gut um den Herrn kümmern."
Severus unterdrückte ein Stöhnen. In Anbetracht für Rinks Begeisterung für diese Hermy, vermutete er, würde er schon bald das Getrappel von kleinen Elfenfüßen hören. Mit seinem strengsten Blick, oder zumindest streng, wenn es um Hauselfen ging, blickte er auf Rink hinab. „Du wirst Hermy so trainieren, wie du es von mir gelernt hast. Ich werde keinerlei selbst auferlegte Strafen dulden, noch wird sie irgendwas, was außerhalb ihrer Befugnis liegt, in meinen Wohnräumen, Klassenräumen und Arbeitsräumen verschieben oder verändern oder säubern. Ich werde dich für ihre Erziehung zur Verantwortung ziehen. Hast du das verstanden?"
Rink nickte. „Rink versteht. Rink wird dafür sorgen, dass Hermy eine gute Elfe für den Herrn sein wird."
Sein Blick verlor an Strenge und er lächelte den Elf flüchtig zu. „Gut. Du darfst jetzt gehen. Ich werde heute Abend deine Dienste nicht mehr brauchen."
Rink verbeugte sich und verschwand.
+++
Nachdem sie an Rinks neuen Kissenbezug geübt hatte, war Hermine bereit es zu versuchen und so zog sie die Vorhänge zu, legte einen Schweigezauber und Schutzzauber über ihr Bett, zog ihr Babybuch mit den Schlafzaubern heraus und begann mit der Arbeit.
Nach nur zwei Stunden erkannte sie, dass ihre Arbeit mit den Zaubern, dem Seidenstoff und der silbernen Nadel ein kompletter Reinfall gewesen war.
An ihrem nächsten Abend fühlte sie sich schon besser vorbereitet und wieder einmal zog Hermine die Vorhänge zu, belegte ihr Bett mit den nötigen Zaubern, zog ihr Babybuch mit den Schlafzaubern heraus, nur um festzustellen, dass ihre Magie nicht in die zerbrechliche Nadel fuhr und ihr zweiter Versuch endete mit dermaßen verheddertem Garn, dass nur eine Schere den Fehler beheben konnte und eine heftige magische Gegenreaktion hatte nur für extreme Kopfschmerzen und einen Besuch bei Madam Pomfrey gesorgt.
Nach ihrem zweiten, schmerzlichen Fehlschlag wartete Hermine noch einen weiteren Tag, bevor sie sich ein drittes Mal an die magische Näharbeit wagte. Sie hatte sich halb durch das magische Siegel genäht, bevor die Magie sie in Stich ließ und sie sich nicht länger konzentrieren konnte. Dieser Fehlschlag hatte sie magisch dermaßen ausgelaugt, dass sie am nächsten Tag in Professor Flitwicks Klasse praktisch absolut nutzlos gewesen war.
Heute Abend würde sie ihren vierten Versuch starten und die ersten Gedanken, dass es das alles nicht wert war, begannen sich in ihren Kopf zu schleichen. Ihre Finger verkrampften sich vom Halten der kleinen Nadel, ihr Kreuz schmerzte, weil sie ständig über den Stoff gebeugt saß und ihre Augen brannten, da sie kaum etwas in dem flackernden Licht von Zauberstab und Kerzen erkennen konnte.
Das war schwieriger als sie anfangs gedacht hatte. Hermine hatte nie erkannt, wie viel Magie genau durch ihren Zauberstab kanalisiert worden war. Sie hegte eine ganz neue Anerkennung für Professor Dumbledore, der die Anwendung von Magie ohne einen Zauberstab so einfach aussehen ließ. Sie war leicht eingeschüchtert von der Tiefe seiner Macht. Macht, die er unter der Maske eines alten, tattrigen Mannes versteckte. Macht, die sie offensichtlich nicht besaß. Mit einem frustrierten Knurren ließ sie den Stoff fallen und lehnte sich zurück in ihre Kissen.
Krummbein entschied mit der Weisheit eines Halbkniesel, dass es sein Stichwort war für eine sehr benötigte Ablenkung. Zwei Kopfstöße später und Hermine waren den unnachgiebigen Verlockungen des Katers verfallen.
Sie kraulte ihn hinter seinem orangefarbenen Ohr. „Fein, Krumm, du hast gewonnen."
Als sie sah, dass sie im Moment bereitwillige und einnehmende Gesellschaft hatte, ließ Hermine ihre gesamte Frustration in der Sicherheit ihres Schweigezaubers und den verschlossenen Vorhängen aus. „Das sollte wirklich nicht so schwer sein, Krumm. Ich habe die Bücher gelesen. Die Zauber sind einfach genug. Ich bin noch nicht einmal vollkommen unmusikalisch, also sollte der singende Teil des Zaubers okay sein. Es kann auch nicht daran liegen, dass ich nicht genug Macht habe. Ganz gewöhnliche Hexen bewerkstelligen diese Zauber, um ihre Familien zu behüten und zu beschützen; sie werden also nicht nur von irgendwelchen mächtigen Überhexen benutzt. Warum funktioniert es dann also bei mir nicht?"
Krummbein jedoch bot ihr keinerlei weise Ratschläge.
Mit einem übertriebenen Seufzen entschied sie es noch ein einziges Mal zu versuchen, bevor sie diesen Abend kapitulieren würde. Als sie einen protestierenden Krummbein von ihrer Brust schob, setzte sie sich erneut auf und nahm den Stoff, die Fäden und die Nadel wieder in die Hand.
Sie kämmte vorsichtig ihre Finger durch die bunten Fäden, als sie versuchte herauszufinden, was genau sie falsch gemacht hatte. Sie kannte den Liedzauber; sie hatte die Stiche geübt und sie wusste, dass das Siegel, welches sie ausgesucht hatte, ein gutes war. Sie hatte sowohl die Fadenfarbe als auch die Symbolik sehr sorgfältig ausgesucht, als sie das magische Zeichen entworfen hatte. Sie hatte sogar von der offensichtlicheren Schlangensymbolik, die sowohl für Wissen als auch Wiedergeburt stand, abgesehen, obwohl sie passend für das gewesen wären, was sie vorhatte.
Stattdessen hatte sie sich für eine Eiche, die für Stärke und Ausdauer stand, entschieden, gestickt im tiefsten Schwarz – die Farbe des Schutzes. Die Blätter wurden von einem Ring aus blauen Sternen umkreist. Die Farbe Blau stand für Schutz, Frieden und Ruhe, während das Muster der Sterne noch einmal den Schutz betonte und gleichzeitig Hoffnung und Harmonie spendete.
Es sollte funktionieren.
Sie zog Erziehung eines magischen Kindes noch näher an sich heran und begann erneut, in der Hoffnung etwas übersehen zu haben, den Teil über die Schlafzauber zu lesen.
Sorgfalt muss bei dem Versuch mit Schlafzaubern zu arbeiten das oberste Gebot sein. Der potentielle Missbrauch und Schaden kann nicht oft genug betont werden. Derjenige, der sich daran versucht magische Bettlaken zu erstellen, muss sich immer wieder vor Augen halten, dass sie dem Empfänger ihre Magie schenken. Während die Ausführende das magische Siegel erstellt, verkörpern die Symbole die eigenen Gefühle und die eigene Magie. Es ist keine Ausübung mit dem Zauberstab dazwischengeschaltet. Das ist rohe Magie und sollte mit dem Respekt behandelt werden, die sie verdient hat. Weder kontrolliert noch zwingt die Ausführende die Magie, sondern sie wird die lebende Vermittlerin dieser Magie.
Wählen Sie Ihr Siegel und Ihre Farben mit Bedacht; denken Sie an das Kind und all Ihre Hoffnungen und Träume, die für dieses Kind in Erfüllung gehen sollen. Absoluter Glaube muss immer gegenwärtig sein. Die reine Absicht muss anwesend sein. Es reicht niemals aus, nur zu singen und zu sticken. Die Ausführende muss sich selbst im Zauber wiederfinden.
Hermine glättete den Stoff. Glaube, Absicht und sich selbst darin wiederfinden, das konnte sie. Ein paar Mal tief durchatmend, beruhigte sie sich und griff dann nach der Magie in ihrem Inneren, hielt sich die leuchtenden Chakrapunkte und das Fließen ihrer Magie vor Augen. Als sie die Silbernadel aufnahm, vergewisserte sie sich, dass ihre Fäden glatt waren und sie begann leise zu singen.
Wo sich bunte Träume drehen, In dieser Nacht
Hermine spürte das Aufleben, den Anstieg ihrer Magie, als sie sich entschlossen auf das Bild von Professor Snape konzentrierte. Darauf bedacht die Macht nicht zu zwingen, sandte sie eine Spur von Magie durch ihre Finger in die Silbernadel.
Die in Zärtlichkeit entstehen, In dieser Nacht
Sie dachte an die Ruhelosigkeit ihres Professors und an all die Male, in denen sie seine endlosen Runden durch das Schloss auf der Karte der Herumtreiber beobachtet hatte. Hermines Blick verlor sich im weißen Nebel, aber sie wurde sicher in der Magie gehalten und sorgte sich nicht. Noch immer sang sie.
Werden wir uns wiederfinden,
Sie dachte an das müde Zusammensacken seiner Schultern, das immer dann auftauchte, wenn er dachte, dass es niemand auffallen würde. Verloren in ihrer Magie, bemerkte Hermine nicht, als sie die Kontrolle der Magie in ihr und um sie herum endgültig abgab.
Wenn Gedanken uns verbinden
Sie dachte an ihren Wunsch, ihn endlich friedlich schlafen zu sehen.
Ist die Liebe neu erwacht, In dieser Nacht
Friedlich und ruhig.
Wo das Lied zu Hause ist, In dieser Nacht
Beschützt und bewacht. Sicher vor denen, die ihm schaden wollen.
Werden wir uns wiedersehen, In dieser Nacht
Schöne Träume.
Wo die Worte Hoffnung bringen,
Albträume hinter unzerbrechlichen Schutzwalle gefangen.
Wo die Gefühle leise schwingen.
Ist die Liebe neu erwacht,
In dieser Nacht.
Sie sang noch immer, wiederholte eine Strophe nach der anderen, als Hermine ihr Vertrauen, ihre Sorge um seine Sicherheit und ihr Verlangen zu helfen und beschützen in ihre Worte legte, bis mit einem leisen Schnappen des Fadens das Lied und die Magie zu Ende waren.
Verwirrt neigte sie sich vor, nur um sich auf einer Hand abzufangen. Sie fühlte sich, als ob sie von einem Lastwagen überrollt worden wäre. Während sie vor Anstrengung schwer zu atmen anfing, kämpfte sie gegen die Müdigkeit an. Als sie ihre Finger entkräuselte, zuckte sie bei den verkrampften Muskeln und den sich wieder einrenkenden Gelenken zusammen.
Hatte es funktioniert? Sie rieb sich ihre trockenen und grobkörnigen Augen. Gegen den Schlaf ankämpfend, versuchte Hermine sich zu konzentrieren und hob den Stoff vor ihre verschwommene Sicht, nur um überrascht ihre Augen aufzureißen. Das war nicht das Siegel, welches sie entworfen hatte. Das Buch hatte gesagt, dass die Magie die Kontrolle übernehmen und Verbesserungen durchführen könnte, aber das hier war keine Verbesserung. Das war ein komplett neues Siegel.
Mit einer zitternden Hand fuhr sie über die Seide und bemerkte die winzigen, festen Stiche. Es war wunderschön und kompliziert verschachtelt, und absolut nichts, was sie hätte anfertigen können.
Auf der Seide eingenäht befand sich eine gebückte Löwin, die ihre Pfoten vor sich ausgestreckt hielt. Das Fell der Löwin schimmerte in braunen und goldenen Farben, die für Freundschaft, Stärke und Gesundheit standen. Ihr Kopf und ihre Ohren waren wachsam aufgerichtet. Sanfte Muskeln zeichneten sich unter ihrem Fell ab. Zwischen ihren gespreizten Pfoten ruhte eine schwarze, dunkelblaue Schlange, deren aufgerollter Körper Macht und Stärke ausstrahlte.
Die Löwin wachte, während die Schlange schlief.
Mehr als unsicher, ob sie auch wirklich verstand, was da gerade eben geschehen war, versuchte sich Hermine wieder zu konzentrieren. Unglücklicherweise wollten weder ihr Körper noch ihr Verstand kooperieren. Noch immer sitzend schloss sie ihre Augen. Einen Augenblick später fiel sie nach vorne und rollte sich in dem Laken ein.
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Irgendwann später tauchte Rink, in voller Erwartung seine menschliche Helferin über ein Buch gebeugt oder an ihren Stoff arbeitend vorzufinden, mit einem Pop auf Hermines Bett auf. Er war überrascht Hermy komplett bekleidet, tief schlafend auf ihrer Bettdecke zu sehen.
„Hermy?", flüsterte er.
Als sie nicht antwortete, stellte Rink das Tablett mit den Brotscheiben ab und ließ sich neben das Mädchen auf die Knie fallen. Er rüttelte leicht ihre Schulter und war verwirrt, als sie noch immer nicht aufwachte. Er stieß sie ein weiteres Mal an. Als das auch keine Rührung hervorbrachte, lehnte sich Rink zurück und begann darüber nachzudenken, was er tun sollte.
Er hatte diese Art von komatösem Zustand schon mehr als einmal bei seinen Herren gesehen. Er wurde normalerweise nur durch schweren magischen Verlust verursacht. Rink wusste, dass sein Herr einmal im Monat einen Zaubertrank braute, der schwer an seiner Magie zerrte. Hermy hatte ihm nicht gesagt, dass die Magie, an der sie arbeitete, sie so erschöpfen würde. Menschen. Sie fügten sich nur unangemessenen Schaden zu. Rink war sich sicher, dass ohne die Hilfe der Hauselfen, die Menschen absolute hilflos wären. Es war gut, dass Rink sich dafür entschieden hatte, sowohl für die junge Miss als auch für den Meister der Zaubertränke zu dienen. Sie war seine Verantwortung.
Sich seiner Verpflichtung bewusst, tat Rink das, was er bei solch einem Anlass auch für seinen Herrn immer tat. Mit einem Winken zauberte Rink Hermys Uniform fort und kleidete sie in ihr Nachthemd ein, von dem er wusste, dass es versteckt unter ihrem Kissen lag. Selbst wenn der Vorgang so störungslos wie nur möglich ablief, war Rink doch besorgt, dass das Mädchen nicht aufwachte. Für gewöhnlich erwachte sein Herr immer an diesem Punkt und beschwerte sich darüber, dass er eine sich allzu oft einmischende Hauselfe war.
Es war, erst als er ihren zusammengerollten Körper streckte, dass Rink das fertige Laken sah. Das neue Siegel schimmerte im sanften Kerzenschein. Rink riss erfreut seine Augen auf und hüpfte leicht auf dem Bett auf und ab, bevor er sich daran erinnerte, dass er sich zurückhalten musste.
„Hermy hat die Magie gemeistert", sagte er mit einem breiten Grinsen. Jetzt verstand er. Dass das Mädchen so erschöpft war, konnte nur Bände dafür sprechen, wie viel sie von sich selbst in den magischen Schutz gesteckt hatte.
Leicht summend machte sich Rink an die Arbeit. Eine weitere Handbewegung und Hermy lag unter der Decke. Noch eine und die Bücher und Pergamente waren von dem Bett verschwunden. Ehrfürchtig faltete Rink das neue Bettlaken per Hand zusammen, bevor er es unter Hermys Kopfkissen schob.
Zufrieden mit seinen Diensten, hob Rink den Schweigezauber und die Schutzzauber auf und blies die Kerzen aus. Er tätschelte einen von Hermys freiliegenden Armen und flüsterte: „Schlaf jetzt", bevor er verschwand.
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Anm: Das Lied, welches Hermine singt ist ein Kinderlied und heißt "In dieser Nacht" (Through the Night)
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Ich glaube, man hätte mich für geisteskrank erklärt, wenn ich mit all dem gerechnet hätte. Wer konnte das vorausahnen? Niemand. Ich jedenfalls nicht...