Je weiter Hermine die Stufen hinabstieg, desto kälter wurde die Luft in der Dunkelheit des Kerkers um sie herum. Das hier war vermutlich nicht unbedingt eine ihrer besten Ideen, aber sie hatte all ihre anderen Quellen ausgeschöpft. Sie wusste, sie war eine kluge, intelligente, junge Hexe. Sie hatte nie von sich behauptet ein Genie zu sein, egal was man ihr auch nachsagte, etwas, was besonders oft von Professor Snape selbst kundgetan wurde. Aber wie Professor Snape geschickt mit seinem kleinen Miniunterricht in Sachen Affinität bewiesen hatte, wusste Hermine nicht alles. Sie war jedoch klug genug, um diese schlichte Tatsache anzuerkennen.
Während sie ihre verschwitzten Handflächen an ihrer Robe abrieb, wünschte sie sich wirklich alles zu wissen. Aber es gab absolut keine andere Lösung. Sie brauchte Informationen, von denen sie vermutete, dass nur Professor Snape sie ihr geben konnte. Die Frage war nur: Würde er ihr helfen? Sie konnte nur hoffen, dass er heute mit seinem Wissen genauso zuvorkommend war, wie bei ihrem Nachsitzen.
Viel zu schnell stand sie vor Professor Snapes Tür. Die Tatsache, dass seine Bürotür nur angelehnt war, ließ sie hoffen, dass er zugänglicher sein würde ihr zu helfen.
Leicht klopfte sie an, gerade laut genug, dass man es hören konnte, aber nicht fest genug, um die Tür noch weiter zu öffnen.
„Herein."
Als sie sein Büro betrat, versuchte Hermine alles auf einmal aufzunehmen. Das letzte Mal, als sie hier gewesen war – in ihrem zweiten Jahr – hatte sie unter extremen Zeitdruck gestanden, um das Horn eines Zweihorns und Baumschlangenhaut zu entwenden, bevor sie entdeckt worden wäre. Es hatte einfach keine Zeit gegeben, um sich umzusehen. Ihre Erinnerungen von dem Diebstahl bestanden hauptsächlich aus Eindrücken – Gefäße, die keine Etiketten trugen, Angst, ein verschnörkelter Holztisch, der mit Büchern und Papieren bedeckt gewesen war, Aufregung, das laute Herzpochen in ihren Ohren, das Wissen, dass sie nur ein paar Minuten der Ablenkung hatte, um die notwendigen Zutaten zu stehlen und wieder zu verschwinden. Jetzt hatte sie die Möglichkeit sich wirklich umzusehen. Die nicht beschrifteten Gefäße säumten noch immer die Regale, es waren sogar verschiedene Objekte erkannte sie, jetzt, wo ihre Sicht nicht durch eine vom Adrenalin vernebelte Masse geblendet wurde. Anstatt beunruhigt oder angeekelt von den einzelnen eingelegten Exemplaren zu sein, war sie vielmehr fasziniert von ihnen. Ihre Fingerspitzen begannen vor Verlangen sie zu berühren und zu erforsche zu zucken, sie wollte die einzelnen Gefäße anstoßen und die Dinge, die in den Gefäßen schwammen genauer untersuchen. Ooh, war das wirklich ein Glumbumbel in dem blauen Gefäß?
„Miss Granger."
Ihren Namen, mit diesem sarkastischen Ton in die Länge gezogen, brachte ihre wandernde Aufmerksamkeit wieder zurück zu dem Mann, den sie aufsuchen wollte. Da sie seine momentane Stimmung nicht kannte und seinem angestachelten Gemüt mehr als argwöhnisch gegenüber war, richtete sich Hermine unbewusst auf, um seinen fragenden Blick mit ihren eigenen ruhigen und einem Lächeln zu begegnen.
Hermine wehrte sich gegen den Drang herumzufuchteln, während Professor Snape sie teilnahmslos betrachtete. Wenn er überrascht war sie in seiner Tür stehen zu sehen, dann zeigte er es nicht auf seinem Gesicht. Nicht, dass sie es wirklich erwartete. Sie hatte das Gefühl ihn inzwischen ziemlich genau zu durchschauen und seine Stimmungen zu interpretieren, jedoch war dieser Professor für sie noch immer ein großes Rätsel. Selbst nach ihrer Zeit, in der sie ihn unter Augenschein genommen hatte, fand sie, es war so gut wie unmöglich, ihn wirklich zu deuten.
„Zwanzig Jahre des Unterrichtens und ich glaube Sie sind die erste Gryffindor, die Nutzen von meinen Bürozeiten macht. Und zu welchem Zweck brechen Sie mit einer bisher glänzenden Gryffindor-Tradition, Miss Granger?"
Bei seinen Worten entspannte sie etwas ihre Haltung. Er hatte sie nicht augenblicklich rausgeworfen und sein Ton war nur leicht schneidend. Im Großen und Ganzen würde sie sagen war er recht guter Laune.
Früher am Tage hatte sie überlegt, wie sie ihr Anliegen formulieren sollte, aber sie konnte mit nichts auch nur annähernd Subtilem aufkommen. Untertreibungen standen ihr so oder so nicht, also entschied sie, dass die direkte Methode die effektivere war, selbst wenn es seine verfeinerten Slytherin-Empfindlichkeiten beleidigen würde. „Ich wollte Sie um Ihre Hilfe bei einem Problem, welches ich habe, bitten, Sir."
Eine Augenbraue zog sich überrascht hoch. „Von der Art Ihres Anliegens kann ich davon ausgehen, dass es sich dabei nicht um die Ausarbeitung einer Hausarbeit in Zaubertränke handelt?"
Sie schüttelte mit dem Kopf und spürte bereits die Enttäuschung. „Nicht direkt, Sir. Es ist eher ein persönliches Projekt, an dem ich arbeite." Sie war sich sicher, jetzt war sie gescheitert. Er würde ihr nicht helfen wollen, wenn er wusste, dass sie seine Zeit für persönliche Anstrengungen verschwendete. Jedoch ließ der kalkulierende Blick, den er ihr zuwarf, ihren Puls in plötzlicher Hoffnung aufschnellen. Nun, Hoffnung gezügelt von Angst. Sie war sich nicht sicher, ob sie das Leuchten in seinen Augen mochte.
„Wie viele Hauspunkte, Miss Granger, schätzen Sie werden am Ende dieser Unterhaltung verloren sein?"
Die Art dieser Frage überrascht sie. Dann verstand sie – er wollte wissen, wie wichtig es ihr war. Sie biss sich auf ihre Unterlippe. Ihm fünf oder zehn Punkte anzubieten würden ihr nicht weiterhelfen, es sei denn, sie wollte aus seinem Büro geschmissen werden. Professor Snape beobachtete sie mit einem leichten Lächeln, ein Mundwinkel war in verspottender Belustigung nach oben gezogen, bereit sie dafür herauszuschmeißen, weil sie seine Zeit verschwendet hatte. Sie traf eine Entscheidung. „Fünfzig", bot sie an. Ron würde sie umbringen.
Der Professor hatte offensichtlich nicht erwartet, dass sie die Herausforderung annehmen würde. Sie hegte gar keine Zweifel, er hatte sicherlich geglaubt, sie würde bei der Erwähnung von Hauspunkten fluchtartig sein Büro verlassen.
Er legte seine Feder zur Seite und lehnte sich in dem Stuhl zurück, seine Fingerspitzen tippten leicht gegeneinander. „Da gibt es die, Miss Granger, die Ihnen sagen würden, dass Abmachungen mit Slytherins Abmachungen mit dem Teufel in nichts nachstehen." Er hielt kurz inne, bevor er sagte: „Einhundert."
Die Ungeheuerlichkeit seines Gegenangebots ließ sie zeitweilig die Umstände und mit wem sie sprach, vergessen. „Das ist … das ist Ausbeutung!" Mit verschränkten Armen kniff sie ihre Augen zusammen. „Sechzig", sagte sie.
Sein Lächeln vertiefte sich, dieser hochgezogene Mundwinkel begann zu zucken, als ob er versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. Teilnahmslos begutachtete er seine Nägel und kratzte beiläufig gegen etwas Hornhaut an seinem Mittelfinger. Schweigen breitete sich aus, wodurch Hermine nur ihre Zähne zusammenbiss. Wenn er dachte, er könnte sie überdauern, dann würde er sich noch wundern. Nach einigen langen Minuten schaute er wieder zu ihr auf. „Sie provozieren, belästigen und stellen meine Geduld auf die Probe, Mädchen."
Dann hielt er inne, als ob er sehen wollte, wie sie auf diese Worte reagierte. Was sollte sie darauf schon erwidern? Ihre bockige Haltung aufgebend, löste sie ihre Arme und hob ihr Kinn an. „Ja, Sir, das tue ich."
Er schnaubte leicht, hoffentlich in Belustigung und nicht vor besagter Provokation, Belästigung, mit der sie seine Geduld auf die Probe stellte. Ihre Hoffnungen wurden erhört, als er „Neunzig", antwortete.
Ihre Handflächen begannen wieder zu schwitzen. Es waren Momente wie diese, in denen sich ein guter Wortwitz als nützlich erwies. Was sollte sie jetzt tun? Und noch viel wichtiger, wie viel würde er ihr noch durchgehen lassen? Ganz zu schweigen, warum handelte er überhaupt mit ihr? Ein Appell an seine Eitelkeit? Seinem Ego? Dann traf es sie. „Als Zaubertränkemeister, denke ich, würden Sie das Problem als eine intellektuelle Herausforderung betrachten, Sir." Sie neigte höflich ihren Kopf in seine Richtung. „Mit allem Respekt biete ich Ihnen siebzig an."
Er kehrte wieder dahin zurück sie über seine Finger hinweg zu betrachten, bodenlose, schwarze Augen verließen nie ihr Gesicht. Dennoch, hinter dieser Maske, dachte sie so etwas wie ehrliches Vergnügen zu erkennen. „Dreistigkeit sollte zu den Punkten Belästigung, Provokation und Geduldsprobe hinzugefügt werden. Fünfundsiebzig."
Sie zögerte nicht. „Abgemacht!" Dann fügte sie hastig hinzu: „Sir." Ron würde sie auf jeden Fall umbringen. Ganz zu schweigen von dem Rest aus Gryffindor, wenn sie den Punkteverlust bemerkten, besonders da sie es unmöglich ihren Hauskameraden erklären konnte.
„Ihnen ist sicherlich klar, Miss Granger, dass ich nicht verpflichtet bin, mich an einen Handel mit einer Schülerin zu halten. Ich könnte ganz einfach die eigentlich einhundert Punkte dafür abziehen, dass Sie eine so unbeschreibliche Plage sind und Sie Ihres Weges schicken."
„Ja, Sir, dessen bin ich mir bewusst. Jedoch hoffe ich, dass Sie mir mit meinem Projekt helfen oder es sich zumindest erst einmal anhören werden. Ich weiß, der Einsatz der Punkte ist es wert."
„Das wissen Sie?", fragte er flüsternd, bevor er mit seinen Fingern auf den Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch zeigte und ihr andeutete, sie sollte sich setzen. „Das werden wir ja sehen, nicht wahr? Und seien Sie beruhigt, Miss Granger, WENN Sie nur meine Zeit verschwenden sollten, dann werden einhundert Hauspunkte das Geringste Ihrer Probleme sein. Und jetzt sagen Sie mir, was für ein Problem haben Sie, welches so wichtig ist?"
Ihre Erleichterung war so groß, dass sie froh war, einen Stuhl zu haben. Ihr war schon fast schwindelig von diesem kleinen Sieg. Er hatte sie ausgewählt, ihr zuzuhören. In dem Versuch sich wieder zu fangen, griff sie in ihre Tasche, um Colins sechs Phiolen herauszuziehen, jedes einzelne Glas war sorgfältig mit einem Etikett mit Datum, Uhrzeit und Zaubertrank in ihrer säuberlichen Handschrift beschriftet. Bedachtsam reihte sie die Phiolen auf dem Schreibtisch zwischen sich und Professor Snape auf.
Er nahm zwei Phiolen an sich, eine mit dem geglückten und eine mit dem misslungenen Versuch von Ausschlaglindernder-Salbe. Leicht kippte er jedes Gefäß und beobachtete, wie der zähflüssige Inhalt in dem Glas schwamm. „Das Problem, Miss Granger?"
Auf die beiden Phiolen in seiner Hand deutend, begann sie zu erklären, breitete die Umstände, aus unter denen die Salbe hergestellt worden war, wie genau dieselben Ausgangsstoffe benutzt worden waren und dass sie jeden einzelnen Schritt genausten beobachtet hatte. Gewissenhaft beschrieb sie alles, bis auf die Identität der Schüler, genauso das Warum und wo sie hergestellt worden waren. Als sie fertig war, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und bemerkte überrascht, dass er recht bequem war. Das war nicht etwas, was sie erwartet hatte in seinem Büro vorzufinden.
Dann begann seine Befragung und jegliche Gedanken an Bequemlichkeit waren vergessen.
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Severus hasste Lehrerversammlungen. Soweit es ihn betraf, waren diese Versammlungen der größte Grund das Unterrichten zu hassen – an zweiter Stelle zu den Schülern selbst natürlich. Unglücklicherweise hatte keine seiner sonstigen Entschuldigungen sich aus der Affäre zu ziehen, gegriffen. Der Schulleiter wusste, er hatte zurzeit keinerlei Verpflichtungen, was auch der Grund war, warum er sich jetzt ohne die Hoffnung auf Entkommen in diesem überfüllten, kleinen Raum vorfand. Albus hatte dafür gesorgt, indem er ihm persönlich aus dem Kerker begleitet hatte, als ob er wirklich den Vorwand des Schulleiters ‚Gerade in der Nähe gewesen zu sein' ernsthaft Glauben geschenkt hätte, als Albus vor seiner Tür gestanden hatte. Lehrerversammlungen ließen Severus verstehen, warum Tiere, um einer Falle zu entkommen, ihre eigenen Gliedmaßen abbissen.
Albus setzte sich mit all der Würde eines Königs, der seinen Thron einnahm, in den abgenutzten Ledersessel nahe dem Kamin. Wie es seine Gewohnheit war, wenn diese Treffen unvermeidlich waren, beanspruchte Severus den abgenutzten Lederohrensessel in der entfernten Ecke, wodurch die anderen Lehrer sich ihre Plätze in einem Halbkreis um Albus herum aussuchen mussten.
Nachdem er sich gesetzt hatte, fuhr er mit seinen Fingern über das verknitterte Leder der Armlehnen. Er mochte den alten Stuhl – abgenutzt, geschlagen und dennoch da, um die Aufgaben zu erfüllen, für die er da war – seine abgenutzte Stärke beruhigte ihn. Darüber hinaus hatte es den enormen Vorteil in einer recht günstigen Position zu sitzen, die es ihm ermöglichte immer einen guten Blick auf die anderen zu haben, während diese ihre Köpfe verdrehen mussten, um ihn ansehen zu können.
Der Erste im Raum zu sein, erlaubte es Severus sowohl seinen Lieblingsstuhl zu wählen, wie auch die anderen dabei zu beobachten, wie sie durch die Tür kamen und sich ihre Plätze suchten. Seine eigene schattenartige Gegenwart wurde anerkannt, vergessen oder ignoriert, ganz abhängig von der Person, die auf ihn traf.
Minerva und Pomona Sprout betraten zusammen den Raum, aber trennten sich auf der Türschwelle – Minerva, um ihren Platz neben Albus einzunehmen, Pomona, um den Stuhl zu wählen, der dem Fenster, durch welches die letzten Nachmittagssonnenstrahlen fielen, am nächsten stand und die Tapete aufwärmte. Minerva beehrte ihm mit einem knappen Nicken und kleinen Lächeln, bevor sie sich an Albus wandte, und ihn flüsternd eine Frage stellte. Pomona gab ihm ein steifes Nicken, dem es an jeglicher Wärme fehlte. Selbst als einen jungen Mann hatte er Pomona nervös gemacht. Die verstrichenen Jahre, das Geflüster über seine Loyalität und sein eigenes dunkles Gemüt hatten nichts an dieser Einstellung geändert. Ihrer Hausneigung ganz treu, war Pomona standhaft und loyal. Aber ihre Loyalität galt Albus und Hogwarts und war niemals auf ihn ausgebreitet worden.
Hagrid, der nach nassen Hunden stank, kam als Nächstes herein. Seine dröhnende Ankunft und seine übergroße Gestalt ließ den Raum gleich viel kleiner wirken. Trotz all seiner dunklen Verstimmungen und seinen verachteten Blicken mochte er den Halbriesen. Rubeus Hagrid hatte Snape niemals, in all seinen Jahren, mit weniger Zuneigung, als er es wert war, behandelt. Selbst als unsicheren und oftmals mürrischen Jungen hatte Hagrid ihn immer mit offenen Armen begrüßt. Dieser jahrelange und unerschütterliche Respekt erlaubte es Severus Hagrid nach seinem enthusiastischen „'Allo!" zuzunicken, als er Severus in der hinteren Ecke erblickte.
Sinistra war die Nächste, schnell gefolgt von Hooch und Vector. Die Ersten beiden hatten seine Anwesenheit ignoriert, während die Dritte, wie sie es häufiger die letzten Tage getan hatte, ihn einen Moment zu lange anstarrte, bevor sie sich setzte. Diese Blicke waren immer auffälliger geworden. Eine Gegebenheit, die die Frage aufwarf, welche Arithmantikrechnung das plötzliche Interesse der Lehrerin an ihn geweckt hatte.
Die Damen Pince und Pomfrey folgten gemeinsam und waren in einer Diskussion über Bücher von medizinischen Zaubersprüchen, die erst neu in der Bibliothek eingetroffen waren, vertieft. Die Bibliothekarin warf ihm einen flüchtigen Blick zu, aber ließ keinerlei Gefühle, die sie für ihn hegte, deutlich erkennen. Poppy hingegen zeigte nicht solche Zurückhaltung. Ihr halbes Winken und Lächeln war sowohl warm als auch ehrlich. Genau wie Hagrid, verdiente sich auch Poppy ein kleines Nicken seinerseits.
Die letzten Professoren, die als geschlossene Gruppe den Raum betraten, waren Flitwick, Ambrose Franklin, der Professor für Muggelkunde, Mortimer Galend, der neuste Lehrer in Verteidigung gegen die Dunkle Künste und Trelawney. Nur Trelawney blickte in seine Richtung und dann auch nur, um dramatisch zu erschaudern, während sie ihren Schal enger um ihre Schultern zog. Er antwortete mit einem finsteren Blick, was die verrückte Frau auf ihren Stuhl jagte.
Nachdem sich Sybill in ihren gewohnten Stuhl gesetzt hatte, begann Severus persönliche, kleine Hölle des Lehrerdaseins.
Was einer Ewigkeit gleichkam, stellte Albus endlich Severus Lieblingsfrage in diesen Versammlungen: „Also, gibt es noch etwas, was besprochen werden sollte, bevor wir hier abschließen?"
Severus war bereits halb aus seinem Sessel gesprungen, bevor er sah, wie Flitwick auf seinem Kissen hin und her rutschte. Verflixt und zugenäht! Seiner Erlösung so nahe. Seine lange Erfahrungen mit dem winzigen Zauberkundelehrer ließ Severus wissen, dass seine Zuckungen mehr 'Ich habe noch was auf dem Herzen' als 'Beeilung, alter Mann, und lass uns endlich hier raus' war. Er vermutete oftmals, dass er der Einzige war, der die letzte Behauptung teilte. Resigniert eine weitere Stunde damit zu verbringen über die Schule zu diskutieren, setzte sich Severus zurück und richtete seine Gedanken wieder einmal auf das interessante Problem, welches Miss Granger ihm dargelegt hatte und konnte so erfolgreich die Stimmen seiner Kollegen ausblenden.
Er gab es nur ungern zu, aber sein Zusammentreffen mit dem Mädchen in seinem Büro, war früher an diesem Tag überraschenderweise höchst zufriedenstellend gewesen. Natürlich beinhaltete der Tag eine Lehrerversammlung, an der er teilnehmen musste, also sagte es nicht besonders viel aus. Dennoch, ihre Bitte nach seiner Hilfe in einem außerschulischen Zaubertränkeexperiment, gekoppelt mit dem bestehenden Rätsel von Miss Grangers veränderten Hausarbeiten, hatte sein Interesse geweckt. Zusammen mit ihrem hartnäckigen Beharren ihn ständig grüßen zu müssen und ihrem merkwürdigen Verhalten in seinem Unterricht, war das Benehmen des Mädchens recht sonderbar und es sah nicht danach aus, als ob es sich so schnell wieder legen würde. Nur die Tatsache, dass ihre beiden dummen Begleiter – Potter und Weasley – noch keine äußeren Verhaltensänderungen gezeigt hatten, hatte ihn erfolgreich überzeugt, dass nicht irgendeine Intrige geplant wurde.
Ganz zu schweigen von dem Zaubertränkedilemma, das sie ihm vorgestellt hatte, welches recht ungewöhnlich war – sechs Salben, die alle unter denselben Bedingungen hergestellt worden waren, die dieselben Inhaltsstoffe enthielten und dennoch waren vier ein Erfolg und zwei nicht. Es war äußerst faszinierend, besonders, wenn man die Dinge bedachte, die das Mädchen ihm nicht erzählt hatte. Sie hatte relevante Fakten wie, wer die Salbe hergestellt hatte, wie sie hergestellt und warum sie überhaupt angefertigt worden war, außen vor gelassen … ja, es war ein faszinierendes Rätsel.
Die unerwartete Erwähnung von Grangers Namen erlangte sofort seine volle Aufmerksamkeit.
„Es ist wohlgemerkt nicht so, dass das Mädchen etwas falsch macht", sagte Filius. „Ich befürchte nur, sie nicht mehr so viel Aufwand in ihre Ausarbeitungen, wie all die Jahre zuvor."
Minerva, bemerkte Severus, runzelte angespannt die Stirn. Noch übersah er den flüchtigen Blick in seine Richtung, als sie sich in ihrem Stuhl vorbeugte, um den Zauberkundelehrer anzusprechen. „Leidet ihre Arbeit darunter?", fragte sie.
Flitwick zwirbelte die Enden seines Schnäuzers in nervöser Angewohnheit, als er über Minervas Frage nachdachte. „Das ist es ja, meine Liebe", antwortete er schließlich, „sie erreicht noch immer einen 110%igen Durchschnitt in der Klasse. Sie erreicht nur eben nicht mehr ihre gewöhnlichen 120%." Er belächelte Sinistras amüsiertes Schnauben. „Ich weiß, es hört sich kaum verdächtig an. Sie ist noch immer die beste Schülerin ihres Jahrgangs. Anfangs war ich nicht besonders besorgt, als sie aufhörte, ihre Randdiskussionen aufzuführen. Ich bin davon ausgegangen, dass sie noch jung ist und vielleicht die extra Zeit für sich nutzen möchte. Immerhin ist mit ihren gewöhnlichen Noten die Zusatzarbeit kaum notwendig."
„Verständlich", warf Rolanda Hooch dazwischen und zuckte unbesorgt mit einer Schulter.
Snape beobachtete jedoch, dass Vector jetzt dasselbe Stirnrunzeln, wie noch vor wenigen Minuten Minerva hatte, trug.
Flitwick nickte Rolanda zu. „Normalerweise würde ich zustimmen. Es ist absolut verständlich, wenn es dort aufgehört hätte, aber das Mädchen hat ein 120cm langes Pergament eingereicht. Genau die Länge, die gefordert war ohne irgendwelche Zusatzarbeit!"
Rolanda konnte Flitwicks offensichtliches Erstaunen nicht nachvollziehen. Als Fluglehrerin hatte sie nie die privilegierte Erfahrung gehabt eine von Hermine Grangers schriftlichen Ausarbeitungen lesen zu dürfen. Die Information allerdings war mehr als eine verblüffende Offenbarung für Severus. Das Rätsel, welches Miss Granger umgab, begann sich zu vertiefen. Offensichtlich war sein Unterricht nicht der Einzige, in dem sie sechs Jahre Gewohnheit über den Haufen warf.
„Albus?"
Severus wusste, wonach Minerva fragte. Als Schulleiter waren Albus und seine Magie direkt an die Schutzzauber des Schlosses gebunden, die Hogwarts beschützten und überwachten. Er kannte auch all die Zauber, die die vorherigen Schulleiter in dem Schloss installiert hatten, was nur den Eindruck allwissend zu sein untermauerte. Ein Ruf, wie Severus sehr wohl wusste, die eigenwilligen Ausschweifungen der Schülerschaft in Zaum hielt. Minerva wollte wissen, ob Albus irgendwas über seine anderen Quellen erfahren hatte.
Überraschenderweise schien die berühmte Allwissenheit des Schulleiters ihn in dieser Angelegenheit in Stich zu lassen. „Unglücklicherweise, Minerva, kann ich nichts zu diesen Umständen beitragen. Ich habe in Bezug auf Miss Granger weder etwas gehört, noch gesehen. Ich bin mir sicher, Miss Granger verfolgt lediglich andere Interessen." Dann lächelte Albus, seine blauen Augen begannen zu funkeln. „Ich sehe vielleicht nicht danach aus, aber auch ich bin mal jung gewesen. Kann es vielleicht sein, dass ein junger Mann die Aufmerksamkeit von Miss Granger gefangen hat? Vielleicht der junge Ronald Weasley?"
Severus musste bei diesem Bild belustigt und verächtlich schnauben, laut genug, damit sich ein paar Köpfe zu ihm umdrehten. „Was auch immer mit Miss Granger los ist, ich bezweifle stark, Weasley ist daran beteiligt." Sein Ton ließ nur wenig Zweifel daran, was er von dem jungen Mann hielt.
Jetzt waren alle Augenpaare auf ihn gerichtet; einige Lehrer hatten sogar ihre Position auf ihren Stühlen verändert, um ihn besser sehen zu können. Minervas Lippen waren zu einer Linie verzogen. „Sie wissen etwas." Es war weniger eine Frage als eine Feststellung.
Als er lediglich den Blick erwiderte, verzogen sich ihre Lippen noch weiter. Er genoss es wirklich Minervas Wut anzustacheln und fragte sich oft, ob sie überhaupt bemerkte, dass er es absichtlich tat.
Als sie letztendlich sprach, konnte er bereits den Akzent in ihren Worten heraushören. „Severus Snape, wir spielen hier nicht Slytherins-Zwanzig-Fragen. Was wissen Sie über Miss Granger?"
Er fuhr mit einem Finger über seine Oberlippe, mehr um sein leichtes Lächeln zu verstecken als alles andere. „Ich weiß von nichts, Minerva. Nur, dass das Mädchen, ganz genau wie Professor Flitwick bemerkt hatte, sich merkwürdig verhält. Genau wie bei seinen Hausarbeiten, schreibt sie auch in Zaubertränke nur noch die angeforderte Länge." Er hielt inne, unsicher, ob er noch etwas hinzufügen sollte. Bei einem Blick von Albus fügte er hinzu: „Sie meldet sich auch nicht mehr im Unterricht, es sei denn, es ist offensichtlich, dass niemand in der Klasse die Antwort kennt."
„Und?", fragte Hooch. „Was ist daran so merkwürdig?"
„Das an für sich sollte schon ein Zeichen sein, dass etwas nicht stimmt. Feuerregen und Heuschreckenschwärme sind weniger offensichtliche Anzeichen für bevorstehenden Ärger, als wenn Miss Granger NICHT ihre Hand heben würde. Es gibt noch eine Sache. Sie hilft Longbottom nicht mehr im Unterricht, obwohl ich vermute, dass sie ihm außerhalb des Unterrichts Nachhilfe gibt, da sich seine Arbeit – Hausarbeiten, Antworten im Unterricht und seine Brauerei – stetig verbessert hat."
Bei dieser Aussage zog Minerva eine Augenbraue hoch.
Severus Blick verengte sich. Er würde Minerva nicht erzählen, dass das Granger-Mädchen ihn bei jeder Gelegenheit grüßte. Es klang bereits in seinem Kopf idiotisch, die Worte laut auszusprechen würde die anderen nur in Gelächter ausbrechen lassen. Sie würden es nicht verstehen, da sie von den Schülern in den Korridoren mit einer angenehmen Vertrautheit begrüßt wurden.
Albus' leises Lachen unterbrach Minervars Starren. „Es hört sich ganz danach an, als ob Miss Granger einfach nur erwachsen wird. Ich bin mir sicher, es gibt bestimmt keinen Grund zur Sorge." Mit einem Händeklatschen stand er auf und beendete somit das Treffen. „Kommen Sie. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin am Verhungern. Das Abendessen wartet bereits."
Während die anderen den Raum verließen, spürte Severus, wie er beobachtet wurde. Geschwind drehte er sich um und fand Vector noch immer auf ihren Platz sitzend vor, wie sie ihn gedankenverloren betrachtete.
Mit einem spöttischen Lächeln in ihre Richtung fühlte er sich schon besser, als sie ertappt rot anlief.
+++
Hinterher, so besagt das berühmte Sprichwort, war man immer schlauer. Zurückblickend konnte sie durchaus verstehen, warum dies eine äußerst schlechte Idee gewesen war. Schade nur, dass sie nicht früher daran gedacht hatte. Sie hatte die Karte der Herumtreibter; sie hätte wirklich in der Sicherheit ihres Zimmers bleiben sollen. Aber nein, sie musste es sich ja selbst ansehen, musste ja hautnah und persönlich dabei sein.
Hermine presste sich noch einen Zentimeter weiter in die Nische und vergewisserte sich, dass Harrys Mantel ihre Füße bedeckte. Hautnah und persönlich, in der Tat. Man sollte mal ihren Kopf genauer untersuchen. Wann war sie zur Regelbrecherin geworden? War sie schon immer so gewesen oder begann jetzt ein langsames, unaufhaltbares Abrutschen in die Gesetzlosigkeit? Sie hatte ihr Gewissen immer damit beruhigt, hatte sich eingeredet, dass es alles Harrys und Rons Tun gewesen war. Sie war von ihnen einfach mit in ihre Abenteuer gezogen worden – viel mehr aus den Gründen sie vor noch schlimmeren Schwierigkeiten zu bewahren, als wirklich in sie verwickelt sein zu wollen.
Aber waren Harry und Ron jetzt hier bei ihr? Sie lagen wohlbehütet und gemütlich in ihren Betten, wo sich all die guten, kleinen gesetzestreuen Gryffindors befanden. Die bösen, regelbrechenden Gryffindors jedoch befanden sich auf der dritten Etage in eine winzige Nische gequetscht und beteten verzweifelt zu irgendwem, der zuhören mochte, dass der Mann, der im Moment die Nische mit ihr teilte, sie nicht entdeckte.
Das war definitiv nicht eine ihrer besten Ideen gewesen.
Die Versuchung hatte sie verführt; oder vielmehr ihre Neugierde. In ihrem geschlossenen und sicheren Bett hatte sie Professor Snape auf der Karte beobachtet, wie er endlose Runden durch das Schloss gelaufen war. Sie hatte den Drang verspürt, ihren Professor auch wirklich zu sehen. Es war nicht genug gewesen, seine Fußspuren auf der Karte zu beobachten. Sie hatte ihn sehen müssen. Sie wollte sich mit ihm verbinden, den Drang verstehen, den ihn die ganze Nacht durch das Schloss laufen ließ.
Jegliche Vorsicht in den Wind geschlagen, trotz des Teils in ihr, der sich verdächtig nach Professor Snape angehört und ihr gesagt hatte, wie typisch Gryffindor ihr Verhalten doch war, hatte sich Hermine mit Karte und Mantel in der Hand aus dem Turm geschlichen.
Ihn mit der Hilfe der Karte zu finden, war recht einfach gewesen. Sich nicht von ihm entdecken zu lassen, hatte sich als etwas schwieriger erwiesen. Selbst mit dem Schweigezauber und den Tarnumhang hatte es nicht lange gedauert, bis er sich umgesehen hatte. Als Hermine verstand, dass er, genau wie in der Großen Halle, ihre Gegenwart spüren musste, ließ sie sich etwas zurückfallen. Nicht einmal zog sie in Erwägung, wieder in die Sicherheit ihres Zimmers zurückzukehren.
Dann hatte sie Stimmen hinter sich gehört. Junge Stimmen, um genau zu sein. Sie wusste, dass es sich dabei um Schüler handelte, die die Ausgangssperre missachteten und kurz davor standen erwischt zu werden, also hatte sie sich in die Nische gezwängt, sodass sie an ihr vorbeigehen konnten. Sie hatte nie gedacht, dass Professor Snape sich ebenfalls zurückziehen und sich zur ihr in dieselbe Nische zwängen würde und dabei zusah, wie die beiden Ravenclaw Schüler an ihm vorbeigingen. Warum beobachtete er überhaupt die Raveclaws? War es nicht seine Aufgabe Schüler in ihrem Fehlverhalten zu erwischen und sich auf sie zu stürzen? Hermines Herz pochte jetzt so laut, dass sie erstaunt war, dass es der Professor nicht hören konnte. Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Wenn er auch nur noch einen Schritt zurücksetzte, dann würde er in sie stoßen und Tarnumhang oder nicht, dann hatte er sie endgültig erwischt.
Er war ihr jetzt so nahe, dass sein Absatz sogar tatsächlich auf dem Saum des Umhangs stand. Hermine hatte das Atmen vergessen.
Seine Roben streiften sie nur flüchtig und er war verschwunden. Langsam wich die Angst, während sich ihr Herzschlag wieder von dem Adrenalinhoch erholte. Das war knapp. So unglaublich knapp. Allzu knapp.
+++
Weiter den beiden Ravenclaws im Schatten folgend, bemerkte Severus, wie sein Verfolger verschwunden war. Nur langsam wurde er sich einer weiteren Gegenwart bewusst, das Jucken zwischen seinen Schulterblättern hatte sich mit jedem weiteren Moment verstärkt. Jeder andere Zauberer hätte dieses Gefühl ignoriert, wenn ein oberflächlicher Blick keine versteckte Person oder neugierige Gemälde gezeigt hätte. Severus jedoch war kein gewöhnlicher Zauberer und seine Paranoia und sein Bewusstseinssinn hatte ihn bereits mehr als einmal sein Leben gerettet. Schon vor einer langen Zeit hatte er gelernt, auf sie zu hören.
Er entschied sich für einen kleinen Test und wanderte geruhsam und ohne Eile durch das Schloss. Die Gegenwart war ihm durch die Dunkelheit der Korridore gefolgt.
Es war nicht das erste Mal, dass ihn ein neugieriger Geist bei seinem nächtlichen Rundgang gefolgt war. Die, die reden wollten, hatte er schnell fortgejagt; Androhung des Exorzismus wirkte genauso gut bei Geistern, wie die Androhung von Rauswurf bei den Schülern. Es war ein schweigender Begleiter. Da er keine heimtückischen Absichten, sondern nur Neugierde spürte, hatte er nicht verlangt, dass er sich zeigte oder ihn fortgejagt. Höchstwahrscheinlich war es nur ein neuer Geist. Sie neigten dazu schüchterner zu sein sich den Lebenden gegenüber zu zeigen, eine Vermutung, die sich anscheinend nach dem Auftauchen der Ravenclaw-Schüler bestätigt hatte. Seit er die beiden verfolgte, hatte er die Gegenwart des anderen Individuums nicht mehr gespürt.
Als er sah, wie seine Verfolgten an Tempo zulegten, passte er sich ihnen an. Sich seiner ausgewählten Beute nähernd, tat er jegliche Gedanken an schüchterne Geister als belanglos ab. Stattdessen konzentrierte er sich auf die beiden jungen Männer vor sich. In all den Jahren fand er es viel unterhaltsamer, wenn sie ihrem Ziel so nahe kamen, dass sie glaubten, gesiegt zu haben, bevor er sich ihnen zeigte.
Noch ein paar Schritte, lass sie bis zum Ravenclaw-Durchgang gehen. Warte. Warte. Jetzt.
„Mr. Hedge. Mr. Wunderlich. Wie überaus enttäuschend." Als er sah, wie sich ihre Schultern zuerst anspannten und dann zusammensackten, trat Severus mit einem einseitigen Lippenkräuseln aus dem Schatten.
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Hermine schritt vor der Wand auf und ab, ihre Schritte wurden durch einen dicken grünblauen Läufer gedämpft. Ron hatte mit dem Gedanken an einen sicheren und gemütlichen Ort, an dem man eine ernsthafte Unterhaltung führen konnte, den Raum der Wünsche herbeigezaubert. Hermine hatte ihre eigenen Anforderungen hinzugefügt, wodurch er vor jeglichen inneren oder äußerlichen Abhörgeräten, genauso wie sie es immer für ihren Zaubertränkeunterricht getan hatte, geschützt war. Sie würde es dem Schulleiter nicht einfacher machen sie aufzuspüren. Sie war dankbar, dass der Raum eher auf gedankliche als auf verbale Wünsche reagierte. Sie wollte wirklich nicht erklären, warum sie einen Abhörschutz verlangte. Sie hatte immer noch Zweifel, ob es richtig von ihr war den Jungen nichts von den Abhörgeräten zu erzählen.
Der Raum war eine Kombination aus ihren beiden Wünschen; es war ein kleines, gemütliches Arbeitszimmer. Ein loderndes Feuer, überfüllte Stühle und weiche Farben schenkten dem Raum eine gemütliche und zufriedene Atmosphäre.
Dieses Gefühl von Geborgenheit jedoch hatte allerdings keinerlei Auswirkungen auf ihre Ruhelosigkeit. Sie weigerte sich, das Flattern in ihrem Bauch, als überstrapazierte Nerven zu betiteln. Nach ihrem Herzchaos letzten Abend mit Professor Snape, hatte sie gedacht, sie hätte inzwischen Nerven aus purem Stahl entwickelt. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er sie nicht erwischt hatte.
Mit einem Kopfschütteln verdrängte sie endgültig alle Gedanken an ihren Professor. Jetzt war es an der Zeit, sich auf ihre Freunde zu konzentrieren. Harry, ob er es nun akzeptieren wollte oder nicht, brauchte sie. Sie hoffte nur die Wutwand, die Harry um sich herum aufgebaut hatte, durchbrechen zu können.
Als sie hörte, wie sich die Tür hinter ihr öffnete, drehte sich Hermine um.
Nachdem sich die Tür mit einem schweren Schlag hinter ihm schloss, erkannte Harry, dass er in eine Falle gelaufen war. Ein schneller Blick durch den Raum offenbarte ihm, es gab keine weiteren Ausgänge und für eine wahnsinnige Sekunde, dachte er daran seinen Zauberstab zu ziehen und es darauf ankommen zu lassen. Jedoch zeigte ein flüchtiger Blick, wie ein fester Körper mit einem entschieden sturen Blick die Tür versperrte.
Rons Blick fangend, wo er wachend vor der Tür stand, sagte Harry: „Et tu, Ron?" Während Rons verwirrter Blick etwas von der gesamten Ironie nahm, gab ihm das sanfte Seufzen seines anderen Geiselnehmers eine gewisse Genugtuung, dass sie zumindest den Hinweis bemerkt und verstanden hatte.
Hermine seufzte. Sie wusste, es würde nicht einfach werden, aber sie hatte zumindest gehofft den Abend freundlich beginnen zu können. „Bitte, Harry, sei nicht so." Sie deutete auf Ron. „Wir sind deine Freunde, weißt du. Wir machen uns Sorgen um dich. Da du nicht mit uns reden willst, haben wir entschieden, dass wir mit dir reden werden."
Die Freundlichkeit verabschiedete sich aus dem sprichwörtlichen Fenster, als sie von der anderen Seite des Raumes spürte, wie Harrys Magie bei seiner steigenden Wut gegen sie schlug. Selbst ohne diese unsichtbaren Wellen der Macht hätte sie seine Stimmung auch anhand seiner tiefroten Wangen und seinen zusammengeballten Fäusten ausmachen können.
Entschlossen dieser Wut gegenüberzutreten, trat sie einen Schritt nach vorne. „Harry, etwas stimmt nicht mit dir. Lass uns rein. Lass uns dir helfen."
„Es ist alles in Ordnung", spukte Harry.
„Schwachsinn!", sagte Ron. „Wir glauben dir nicht, Harry."
Bei Rons Worten wirbelte Harry zu ihm herum. In der Hoffnung ein Duell zu verhindern, schoss Hermine vor und glitt zwischen Harry und Ron. „Was Ron damit sagen will", sagte Hermine mit einem flüchtigen Blick über ihre Schulter, „ist, dass dich noch etwas beschäftigt, Harry. Und wir können es sehen. Wir wissen, dass du nach Sirius' Tod am Boden zerstört gewesen warst. Und vielleicht scheint jeder zu denken, dass Sirius der Grund für deine Stimmungsschwankungen ist, aber wir wissen, das ist nicht der Fall. Die falschen Dinge lassen dich ausrasten. Noch vor ein paar Tagen hast du mit Ron auf dem Rasen Fangen gespielt. Und sieh dich jetzt an, du kannst deine Wut kaum kontrollieren. Du bist dazu bereit deinen besten Freund zu verhexen."
Harry jedoch wollte die Wahrheit nicht erkennen. „Ihr könnt mich nicht ärgern", sagte er und verdrehte Hermines Worte, als er ihren Tonfall nachahmte.
„Wirklich nicht?", fragte Ron, während sein Blick über seinen angespannten Körper fuhr, wo er bewusst auf Harrys geballten Fäusten hängen blieb. „Hättest uns täuschen können."
Harrys grüne Augen verzogen sich zu Schlitzen. „Ich habe keine Zeit für solche Albernheiten. Es geht euch auch gar nichts an. Ihr braucht es nicht zu wissen."
„Wir brauchen es nicht zu wissen?", wiederholte Ron mit steigendem Unglauben in seiner Stimme. „Nun, wo habe ich das schon einmal gehört?" Er hob eine Hand zu Hermines Schulter und schob sie sanft zur Seite, sodass er näher vor Harry stand. „Oh warte, ja, ich weiß es wieder. Ich glaube Dumbledore hat das zu dir gesagt. Und ich glaube, und bitte korrigiere mich, falls ich mich irren sollte, Mann, aber du hast verdammt viel Staub aufgewirbelt, als man dich wie ein Kind behandelt und dir nicht die Dinge erzählt hat, die dich betreffen." Am Ende stand Ron Brust an Brust mit Harry, als er ihn anschrie, sein Gesicht wurde von hässlichen roten Flecken bedeckt.
Wenn auch nicht so kräftig gebaut und etwas kleiner, wich Harry nicht zurück, sondern schrie gleich zurück. „Es geht euch nichts an. Das hat nichts mit euch beiden zu tun." Harry stieß an Ron vorbei in Richtung Tür. „Es geht um den Kampf mit Voldemort und ihr seid nicht davon betroffen."
Sie war nicht betroffen? Wie konnte er nur denken, dass es nichts mit ihr und Ron zutun hatte? Damit verlor Hermine ihre eigene Geduld. „Warte mal kurz, diese Unterhaltung ist noch nicht vorbei." Hermine schritt vor Harry, bis sie fast Nase an Nase mit ihm stand. „Es betrifft mich nicht? Ich habe nichts damit zu tun?" Hermine trat einen Schritt vor, zwang Harry einen Schritt zurück. „Von all den egozentrischen, absolut BESCHEUERTEN Dingen, die du von dir gegeben hast …" Ein Finger stieß in Harrys Brust und zwang ihn noch einen Schritt zurück. „Es ist mein Kampf, weil ich eine Muggelgeborene bin. Es ist mein Kampf, weil Voldemort mich zu einem Ziel gemacht hat."
Ein Knistern von Energie fuhr ihre Locken hinunter, elektrisierte die Spitzen und ließ sie wie eine Regenwolke von ihrem Kopf abstehen. Ein Funke sprang von ihren Locken gegen Harrys Hand, welcher sie erschrocken zurückzog und noch einen Schritt zurückwich.
Unglücklicherweise stieß er mit dem letzten Schritt gegen die Wand. Hermine, die nichts außer ihrer Wut wahrnahm, ging Schritt für Schritt weiter auf ihn zu. „Es ist mein Kampf, nicht weil ich eine Freundin von Harry Potter bin, sondern weil ich seit Jahren akademisch die beste Schülerin und besser als all diese idiotischen, unbedeutenden, aufgeblasenen Reinblüter bin. Es hat alles mit mir zu tun, weil ich mich dafür entschieden habe, mich gegen einen Wahnsinnigen zu stellen, der versucht mit Terror und Einschüchterung sich das zu nehmen, was ihm nicht gehört."
Schließlich hielt Hermine schwer atmend an und schien geradewegs durch den Jungen, der vor ihr stand, zu starren.
„Uh, Hermine …"
Hermine blinzelte, als sie sich wieder besann. Die Wut verschwand schnell, nur um von noch schwerer Demütigung ersetzt zu werden, als sie erkannte, was sie gerade getan hatte.
Harry, der noch immer seine Augen aufgerissen hatte, starrte sie geschockt an, auch wenn Hermine nicht wusste, ob es ihre Worte oder die kleinen, elektrischen, blauen Pfeile, die ihre Locken hinabgeschossen waren oder die Tatsache, dass sie ihn mit einem Finger, der noch immer demonstrativ auf seiner Brust ruhte, in die Ecke gedrängt hatte.
„Entschuldige." Hastig zog sie ihre Hand zurück, als ihr die Röte ins Gesicht stieg. Mit einem Schritt zurück, schielte sie hinüber zu Ron, nur um ihren Kopf in ihren Händen zu vergraben und bei dem fassungslosen Ausdruck auf seinem Gesicht laut aufzustöhnen.
Harry blieb in seiner Ecke, starrte sie wild blinzelnd an. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, aber er brachte keinen Ton heraus. Also schloss er ihn wieder, räusperte sich und versuchte es erneut. Diesmal schaffte er es. „Ich bin SO froh, dass du auf unserer Seite bist, Hermine."
Ron wechselte mit Harry über Hermines gesenkten Kopf einen Blick aus. „Ich habe es schon einmal gesagt, und ich werde es wieder sagen: Brillant, aber unheimlich. Äußerst, äußerst unheimlich."
Hermine hob ihren Kopf, um Ron böse anzustarren, aber dem Blick fehlte es an Wut. Den Blick, den sie jedoch Harry zuwarf, war reuevoll und ernst. „Entschuldige meinen kleinen Wutausbruch. Das war nicht gerade das, was wir vorgehabt hatten." Zumindest hatte ihr Wutanfall Harry so weit erschreckt, dass er nicht mehr daran dachte zu flüchten. Seine etwas ruhigere Haltung gab ihr den Mut fortzufahren. „Wir sind deine Freunde, du Dummkopf. Wir sind immer auf deiner Seite. Lass uns dir helfen."
Erschöpft lehnte Harry seinen Kopf gegen die Wand. „Niemand kann mir helfen."
„Das weißt du nicht, bis du es uns nicht erzählst, hast, Mann."
Harry sah zurück zu seinen einzigen beiden besten Freunden auf der gesamten Welt. „Da gab es eine Prophezeiung. Sie handelt von Voldemorts Niedergang."
Hermine, die schon immer schnell die Verbindungen herstellte, sprang auf die Logik an. „Das war es, was du hinter der Tür in der Mysterien-Abteilung in deinen Träumen gesehen hast."
Harry nickte. „Sie bewahren alle wahren Prophezeiungen in diesem Raum auf." Sein Blick wurde fern, als er sich erinnerte. „Es gibt Tausende von ihnen, all diese kleinen, mit staubbedeckten Kugeln, die nur darauf warten von der richtigen Person ergriffen zu werden." Harry konzentrierte sich wieder auf seine Freunde. „Dumbledore sagt, nur die Personen, die Teil der Prophezeiungen sind, können sie auch entschlüsseln. Voldemort konnte den Raum nicht betreten, also hat er mich durch meine Träume dahin gelockt, damit ich die Prophezeiung für ihn dort heraushole."
„Halt", sagte Ron, und Hermine und Harry drehten sich zu ihm um. „Wenn wir jetzt über Prophezeiungen und Voldemort reden, dann setzen wir uns lieber hin." Er deutete auf die bequemen Stühle, die der Raum der Wünsche zur Verfügung gestellt hatte. „Setzt euch."
Nachdem sie sich gesetzt hatten, zeigte Ron Harry an fortzufahren. „Also, was sagt diese Prophezeiung?"
Resigniert und erschöpft schloss Harry seine Augen, um die Worte zu wiederholen, die ihn jagten. „Der Eine mit der Macht, den Dunklen Lord zu besiegen, naht heran ... jenen geboren, die ihm drei Mal die Stirn geboten haben, geboren, wenn der siebte Monat stirbt ... und der Dunkle Lord wird Ihn als sich Ebenbürtigen kennzeichnen, aber Er wird eine Macht besitzen, die der Dunkle Lord nicht kennt ... und der Eine muss von der Hand des Anderen sterben, denn keiner kann leben, während der Andere überlebt ... der Eine mit der Macht, den Dunklen Lord zu besiegen, wird geboren werden, wenn der siebte Monat stirbt ..."
„Kein Wunder, dass er die ganze Zeit hinter dir her war. Verdammt, Harry, du musst Voldemort bekämpfen und töten."
Harry öffnete seine Augen und grinste Ron an, auch wenn keinerlei Belustigung in seinem Ausdruck lag. „Oder er tötet mich."
Alle drei schwiegen, das neue Wissen lag schwer auf ihnen, genauso, wie es all die Monate auf Harry geruht hatte. Es war Hermine, die das Schweigen brach. „Du bist nicht alleine, weißt du."
„Bin ich nicht?", fragte Harry.
Ron antwortete entschieden und endgültig. „Nein, bist du nicht."
Harry zog ein Knie auf den Stuhl und legte seinen Ellbogen darauf. „Keiner von ihnen wird sich Voldemort gegenüberstellen müssen."
Die Wut hatte ihren Weg zurück in Harrys Stimme gefunden, schlummerte stark direkt unter der Oberfläche. Zumindest wussten Ron und Hermine jetzt, wodurch seine Stimmungswandlungen und unerklärlichen Wutausbrüche, die ihren Freund seit Monaten geplagt hatten, verursacht wurden.
Hermine blickte zu Ron, ihr Ausdruck von Elend gezeichnet. Sie war gut in Logik und darin, den Tatsachen auf den Grund zu gehen. Aber Harry brauchte jetzt keine kalte Logik. Er brauchte etwas anderes und sie wusste nicht, was sie sagen sollte, damit es ihm besser ging. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob es überhaupt Worte der Besserung gab. Im Moment brauchte Harry Vertrauen, denn es war offensichtlich, dass er jegliches Vertrauen verloren hatte.
Es war Ron, der die Worte fand. „Nur weil du sie nicht siehst, heißt es nicht, dass sie sich ihm nicht gegenüberstellen. Er mag vielleicht ein Mistkerl sein, aber Snape stellt sich ihm jedes Mal, wenn er spioniert. Dumbledore hatte sich ihm letztes Jahr im Ministerium gegenübergestellt. Meine ganze Familie, außer Percy, dieser Affe, wird sich ihm als Mitglieder des Ordens stellen. Selbst Ginny stand ihm durch dieses bescheuerte Buch von Malfoy gegenüber. Okay, ich gebe zu, du wirst derjenige sein, der ihn laut der Prophezeiung besiegen musst, aber es gibt verdammt viele Menschen, Harry Potter, die ihr Leben riskieren, um sicherzustellen, dass du lange genug leben wirst, um Voldemort zu vernichten.
„Wie viele Menschen haben sich geopfert, um dich sicher zu wissen? Wie viele Menschen haben dafür gearbeitet, dass du so etwas wie ein Leben hast? Glaubst du wirklich, all diese Menschen – der Orden, die Auroren, Hermine, Dumbledore, ich – werden dich einfach mit einem Klaps auf die Schulter und einem herzlichen Viel Glück aus der Tür stoßen, damit du den bösen Zauberer besiegst? Jeder versucht nur, das Beste zu tun."
Harry schüttelte mit dem Kopf, schmetterte Rons Worte ab, da er noch viel zu wütend war, um darauf zu hören, was sein Freund ihm zu sagen hatte. „Dumbledore hat Dinge vor mir geheim gehalten", sagte er, als ob dies alles erklären würde.
Ron verdrehte seine Augen. „Oh, und du bist letztes Jahr ja auch so unglaublich vorbildlich mit dem Wissen umgegangen, welches er dir gegeben hat. Ernsthaft, Harry, denkst du wirklich, dass der Schulleiter dir bei deiner Ankunft hier in Hogwarts hätte erzählen sollen, es sei dein Schicksal, den bösesten Zauberer aller Zeiten umzubringen? Das wäre wirklich ein tolles Geschenk zum elften Geburtstag gewesen. Wenn du schon Groll hegen musst, dann zumindest für Dinge, die auch stimmen. Und wenn du dann damit fertig bist, krieg es endlich in deinen dicken Schädel, dass du nicht alleine bist." Ron deutete zwischen Hermine und sich hin und her. „Wir werden nirgends hingehen."
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Ich habe diese Bücher für mich selbst geschrieben. Was passiert ist, ist ein Schock für mich. Ich dachte mir, dass die Bücher vielleicht drei Menschen gefallen werden, neben mir meiner Schwester und, vielleicht, meiner Tochter.