von timlarsson
Voll Entsetzen blickte Hermine ihren Peiniger an. In seinem jetzigen Zustand hatte er übertrieben muskulöse Beine, überall auf seinem Körper wuchsen Haare, die Augen waren nur noch messerscharfe Schlitze und aus dem ohnehin furchterregenden Gebiss ragten noch größere Eckzähne hervor. Und trotz seiner veränderten Erscheinung, die erahnen ließ, dass sich die Verwandlung zum Werwolf nur etwa zur Hälfte vollzogen hatte - wenn überhaupt - erkannte Hermine sofort, dass es Lucius Malfoy war, der jetzt vor ihr stand und der bereits im letzten Sommer versucht hatte, sie zu töten.
Hermine war sich sicher, dass dies auch diesmal seine Absicht war. Vielleicht war es sogar sein Plan gewesen, sie aus dem Schloss zu locken und sie war so dumm gewesen, darauf hereinzufallen. Auf jeden Fall schwand Hermine langsam die Hoffnung. Auch wenn Ginny, Fred, George oder die Lehrer sie hier finden würden, würden die gut 50 Werwölfe, die sie umringten Malfoy genügend Deckung geben, sein Werk zu vollenden.
Selbst unter seiner werwolfartigen Maske gelang es Malfoy noch, seinen üblichen hochnäsigen Gesichtsausdruck zum Vorschein zu bringen.
"Schön, dass wir uns so schnell wiedersehen, Miss Granger", sagte er und der knurrende Klang seiner Stimme passte zu der äußeren Erscheinung.
"Malfoy!" keuchte Hermine und sie versuchte sich hochzurappeln doch aufgrund des gebrochenen Armes gelang es ihr nicht und sie sackte zurück in den Schnee. Sie hatte nach wie vor nur ihren Pyjama mit dem darüber geworfenen Umhang an und die Kälte des Schnees schmerzte zusätzlich an ihren Beinen.
"Ich muss zugeben, dass ich nicht erwartet hatte, dass es so leicht sein würde, Sie wieder zu treffen“ sagte Malfoy kalt lächelnd, „aber es hat irgendwie den Anschein, dass in Hogwarts mittlerweile eher die Lehrer von den Schülern beschützt werden müssen, als das es anders herum der Fall wäre."
„Sie Schwein! Sie haben meine Eltern umgebracht“, rief Hermine aufgebracht ohne darauf einzugehen.
„Ja, natürlich“, gab Malfoy fast säuselnd zurück. „Was dachten denn Sie? Erstaunlich genug, dass zwei Muggel ein solches – zugegebenermaßen nicht untalentiertes - Schlammblut zeugen. Aber es war ganz leicht, sie umzubringen...und es hat Spaß gemacht, das muss ich schon sagen.“ Er grinste Hermine an.
„Das gilt aber nicht für mich!“, fuhr Hermine ihn an.
„Das werden wir sehen“, antwortete Malfoy vergnügt und mit einer Leichtigkeit, dass Hermine ganz anders wurde.
"Warte, Lucius", erklang plötzlich eine Frauenstimme und zwängte sich durch die umherstehenden Werwölfe. Hermine hatte diese Stimme schon gehört und würde sie ihr Leben lang nie wieder vergessen. "Lass mich sie umbringen, bitte. Lass mir dieses eine Vergnügen." Bellatrix Lestrange blickte hasserfüllt auf Hermine herab, jetzt da sie neben Malfoy stand.
"Warum sollte ich das tun?", fragte Malfoy.
"Weil ich Dir die letzten Monate stets treu zu Diensten war", bettelte Lestrange. "Lass mich es tun, bitte!“
Malfoy überlegte einen Moment, dann fragte er: "Hast Du ihn dabei?"
Lestrange blickte ihn fragen an. "Nein, bitte nicht!", stammelte sie fast. „Narzissa würde nicht wollen, dass…“
"Hast Du ihn dabei?", wiederholte Malfoy herrisch seine Frage.
Bellatrix nickte stumm.
"Dann soll er es tun!", rief Malfoy.
Er drehte seinen Kopf und rief über die umherstehenden Werwölfe hinweg: "Draco, komm her!"
Durch die Werwölfe hinweg bahnte sich Draco Malfoy seinen Weg zu seinem Vater. Im Gegensatz zu ihm, hatte er sich äußerlich kaum verändert, seit Hermine ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er schien nicht einmal gewachsen zu sein.
"Los, töte sie!", befahl Lucius Malfoy seinem Sohn mit erstaunlicher Kaltblütigkeit.
Draco sah auf Hermine herab, die ihm tief in die Augen sah, als könne sie ihm mit Blicken zu verstehen geben, dass er im Begriff war einen furchtbaren Fehler zu begehen. Vielleicht war es aber auch nur Angst, die aus ihrem Blick sprach.
"Mit Vergnügen!", antwortete Draco dann und richtete seinen Zauberstab auf Hermine, wobei er ihr langsam zwei weitere Schritte näher kam. Seine kalten Augen blickten in Hermines, die ihn flehentlich anblickte, es nicht zu tun und die sich gleichzeitig darauf vorbereitete, zu sterben, denn sie hatte nicht wirklich Zweifel daran, dass Draco mittlerweile den Todesfluch beherrschte.
Dracos Lippen öffneten sich langsam: "Avada.....was ist das?" Malfoy wandte seinen Blick von Hermine ab und blickte über sie und die Werwölfe hinweg in Richtung verbotener Wald. Die Blicke der anderen folgten ihm. Hermine wandte ihren Kopf ebenfalls mit letzter Kraft herum. In ein paar Metern Entfernung sah sie eine Erscheinung. Sie wirkte sehr real, nur schien etwas wie ein sehr schwacher blauer Lichtschein, kaum wahrnehmbar, wie eine Corona um sie herum zu leuchten. Hermine blickte die Erscheinung an. Es war eine Person, ein junger Mann. Sie versuchte ihre vor Schmerz und Kälte schon trüben Augen schärfer zu stellen, in dem sie die Lider verengte. Die Person drehte jetzt den Kopf zu ihr und blickte sie direkt an. Hermine hatte kaum noch die Kraft, ihren Kopf hochzuhalten, doch jetzt erkannte sie, wer dort vorne stand, nur ein paar Meter von ihr entfernt. Sie streckte die Hand verzweifelt danach aus. "Harry?", rief sie mit belegter Stimme weil ihre letzten Kräfte sie verließen.
Der geisterhafte Harry Potter sah sie nur an, doch er bewegte seine Lippen nicht und trotzdem hörte Hermine seine Stimme ganz deutlich.
"Halt Dir meinen Zauberstab vor die Brust", flüsterte sie und obwohl es nur ein schwaches Wispern war, klangen die Worte in Hermines Kopf laut und deutlich wieder.
"Harry!", winselte Hermine doch ihr Kopf wurde jetzt zu schwer und sank wieder hinab in den Schnee.
Im selben Moment stieg der erste Strahl der Sonne über den Horizont, hinter der geisterhaften Erscheinung. Er durchleuchtete sie und schon im nächsten Moment war sie verschwunden.
Die Werwölfe heulten laut auf, als der Sonnenstrahl auf den Schnee traf und sich in tausenden Kristallen widerspiegelte. Panisch nahmen sie Reißaus und flüchteten in den verbotenen Wald hinein und in nur wenigen Sekunden waren sie alle verschwunden, als wäre die ganze Nacht nur ein böser Traum gewesen.
Währenddessen starrte Draco weiterhin entgeistert auf die Stelle, an der Harry Potter, oder um was immer es sich auch gehandelt hatte, erschienen und wieder verschwunden war.
"Los", feuerte sein Vater ihn an, "Du hast noch genug Zeit. Töte sie!"
Plötzlich konnte man vom Schloss her Schreie hören. Lucius Malfoy wirbelte herum. "Verdammt!", rief er. "Bellatrix, bring Draco in Sicherheit!"
"Wieso?", rief Bellatrix Lestange. "Wer ist das?"
"Na, was glaubst Du wohl?", rief Malfoy. "Nordan Hoddle und die anderen Jäger! Macht, dass ihr wegkommt. Das mit Granger erledige ich selbst!"
Bellatrix Lestrange zog den immer noch recht apathisch wirkenden Draco mit sich und sie rannten Richtung Waldrand, während Lucius Malfoy noch einen kurzen Blick zu den heranstürmenden Personen warf, vermutlich um abzuschätzen, wie viel Zeit ihm noch blieb. Dann richtete er seinen Zauberstab auf Hermine, die nach wie vor hilflos im Schnee lag und sich Harrys Zauberstab vor die Brust hielt.
"Avada Kedavra!", rief Malfoy und ein grüner Lichtstrahl schoss aus seinem Zauberstab auf Hermines Brust zu. Der Lichtstrahl traf auf Harrys Zauberstab, den Hermine mit zitternder Hand festhielt und der nun in hohem Bogen davon flog und ein paar Meter weiter im Schnee stecken blieb. Hermine war unversehrt. Erneut hatte sie den Todesfluch überlebt doch jetzt war sie vollkommen schutzlos. Malfoy richtete erneut den Zauberstab auf sie. "Avada..."
"Expelliarmus!", hörte Hermine aus der Gruppe der heraneilenden Personen jemanden rufen.
Ein roter Lichtstrahl schoss über die schneebedeckte Wiese und traf Malfoys Zauberstab, der ihm ebenfalls aus der Hand geschleudert wurde. Er warf einen hasserfüllten Blick auf Hermine, dann auf die herannahenden Jäger. Laut fluchend eilte er zu seinem Zauberstab, zog ihn aus dem Schnee und ergriff dann die Flucht. Hermine hatte es geschafft, sie hatte überlebt!
„Gut gemacht, Severus“, hörte sie noch jemanden sagen und im selben Moment wurde sie bewusstlos.
„Miss Granger, Miss Granger.“ Madame Pomfrey schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich hatte eigentlich gehofft, Sie nicht so schnell wiederzusehen.“ Sie griff prüfend an Hermines rechten Arm und tastete ihn flüchtig ab.
Hermine war gerade erst erwacht aber die Erinnerung an das Erlebte war sofort wieder da.
„Wie spät ist es?“, fragte Hermine als erstes. „Ist schon Weihnachten?“
„Weihnachten?“, wiederholte Madame Pomfrey mit hoher Stimme. „Nein, nein, Kindchen, so schlimm hat es sie dann auch nicht erwischt. Ein Wunder, wenn man bedenkt, was Ihnen widerfahren ist. Man hat sie erst heute Morgen zu mir gebracht. Jetzt ist es…“, sie blickte auf die Uhr, „….gleich halb sechs. In Anbetracht der Tatsache, dass Sie die ganze Nacht nicht geschlafen haben ist der Nachholbedarf jedenfalls nicht ungewöhnlich.“ Sie tätschelte auf Hermines Arm. „Er war zwar mehrfach gebrochen aber jetzt ist er wieder in Schuss!“
Hermine hob ihren rechten Arm und betrachtete ihn von allen Seiten. „Danke, Madame Pomfrey“, sagte sie, froh darüber, dass ihr Arm wieder funktionierte und vor allem, dass Gilderoy Lockhardt nicht der erstbehandelnde Zauberer daran war. Sie setzte sich auf und blickte zur Tür. „Darf ich gehen?“, fragte sie.
„Sicher, Kindchen, sicher“, gab Madame Pomfrey zurück. „Aber sehen Sie zu, dass Sie sich nie wieder in einer Vollmondnacht alleine draußen rumtreiben.“
„Ich hab das nicht gerade aus Vergnügen getan“, verteidigte sich Hermine, „ehrlich nicht.“
Madame Pomfrey nickte nur, dann verließ Hermine den Krankenflügel und lief hinunter in Richtung große Halle.
Auf halbem Wege wurde sie von Professor McGonagall aufgehalten.
„Miss Granger!”, rief sie, als sie Hermine von Weitem sah. Sie ging schnellen Schrittes auf sie zu, legte eine Hand auf ihre Schulter und sah sie besorgt an.
„Professor!“, antwortete Hermine nur.
„Kommen Sie“, sagte McGonagall, „wir müssen so einiges besprechen.“
Hermine folgte ihr. Als sie vor dem Wasserspeier standen, sagte McGonagall „Runkelrübe!“ und der Eingang zu ihrem Direktorenzimmer öffnete sich. Gemeinsam fuhren sie auf der Treppe nach oben.
„Bitte, nehmen Sie Platz“, sagte McGonagall und deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch, dann legte sie ihren großen Hut auf eine Ablage und setzte sich Hermine gegenüber. Sie blickte Hermine eine ganze Weile in die Augen, dann holte sie schließlich tief Luft und sagte: „Es tut mir so Leid. Ich hätte die Schule besser schützen müssen.“
„Sie konnten das doch nicht ahnen“, sagte Hermine. „Diese ganzen Werwölfe…ich wusste gar nicht, dass es so viele davon gibt.“
„Tut es auch nicht“, gab McGonagall augenblicklich zurück.
„Wie bitte?“, fragte Hermine verwundert.
„Wie sie wissen, sind alle Werwölfe registriert“, erklärte McGonagall. „Selbst wenn es ein paar gibt, die das umgehen konnten – diese Werwölfe waren nicht alle von hier.“
„Von hier? Was meinen Sie damit?“
„Es waren keine englischen Werwölfe, Miss Granger. Sie müssen von irgendwo anders her gekommen sein.“
„Aber woher denn?“, fragte Hermine besorgt.
Professor McGonagall zuckte mit den Schultern. „Einem Posten im Süden sind vor ein paar Tagen ein paar Deutsche aufgefallen, die sich recht sonderbar benahmen. Vielleicht waren sie das, aber mit Sicherheit kann man das nicht sagen.“
„Aber wie kamen sie ins Schloss, einfach so?“
„Sie haben schlichtweg ausgenutzt, dass wir nicht mit ihnen rechneten“, erklärte McGonagall. „Normalerweise ist es Aufgabe des Wildhüters, Tiere – und dazu gehören in Vollmondnächten nun mal auch Werwölfe – von Hogwarts fernzuhalten, aber Mr. Hoddle war mit anderen Dingen befasst. Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass so viele Werwölfe die Schule bedrohen könnten sonst hätte ich doch rechzeitig geeignete Maßnahmen dagegen ergriffen.“
„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Professor“, sagte Hermine, der das ohnehin irgendwie unangenehm war, „und auch Mr. Hoddle nehme ich das nicht übel. Wissen Sie denn, mit wem er im abgesperrten Bereich gekämpft hat?“
„Sie wissen davon?“, fragte McGonagall entsetzt.
„Ja, Sir Nicholas hat es mit erzählt“, sagte Hermine und beschloss in genau diesem Moment, offen mit ihrer Schulleiterin zu sprechen. „aber er wusste nicht, wer sein Gegenüber war.“
„Nun, vermutlich hat er ihn nur nicht erkannt“, folgerte McGonagall, „halb verwandelt wie er war.“
„Sie meinen..?“
„Lucius Malfoy“, bestätigte McConagall nickend.
Eine Weile schwiegen die beiden Frauen, dann fuhr McGonagall fort: „Es war zweifellos ein feiger Überfall und wären Sie nicht so geistesgegenwärtig gewesen und hätten die Werwölfe aus dem Schloss gelockt, wäre sicher jemand zu Tode gekommen. Was mir aber wirklich Sorgen macht, ist diese Werwolfsgeschichte. Malfoy verwandelt sich nur halb – hat durchaus gewisse Eigenschaften eines Werwolfes – ist aber noch Herr seiner Sinne und kann zudem auch in diesem Stadium noch zaubern und lässt sich noch nicht einmal von Sonnenlicht beeindrucken. Das ist nicht nur höchst ungewöhnlich sondern auch in höchstem Maße besorgniserregend.“
„Gewisse Eigenschaften?“, fragte Hermine. „Was meinen Sie damit?“
„Kraft, Schnelligkeit, Grausamkeit“, sagte McGonagall. „Und er kann das alles beherrschen - mehr, als Fenrir Greyback es zu Lebzeiten konnte. Trotzdem verwandelt er sich nicht ganz. Es ist mir ein Rätsel.“
„Professor, der Kampf mit Nordan…ich meine mit Mr. Hoddle… wie ist er denn ausgegangen?“
„Malfoy hat ihn gewonnen – zumindest nach seinen Maßstäben“, antwortete McGonagall.
„Was heißt denn das?“, fragte Hermine ängstlich. „Malfoy hat doch irgendetwas zu Lestrange gerufen, dass Hoddle kommt als ich am Boden lag, also muss er…“
„Jaja, er ist noch am Leben“, beruhigte McGonagall sie, „und er erfreut sich auch bester Gesundheit.“ Sie überlegte einen Moment. „Streichen sie das bester“, sagte sie dann.
„Aber wenn Malfoy doch den Kampf gegen ihn gewonnen hat, warum hat er ihn dann nicht getötet?“
„Malfoy hat sich etwas Schlimmeres als den Tod für ihn ausgedacht“, sagte McGonagall. „Er hat ihn gebissen!“
Hermine erschrak.
„Aber dabei hat er die Rechnung nicht ohne den Wildhüter gemacht“, sprach McGonagall schnell weiter. „Mr. Hoddle ist gegen so was immun – eine Tatsache, die er seiner weitläufigen Zentaurenabstammung verdankt. Nur der Biss an sich schmerzt noch etwas. Auf jeden Fall hatte Malfoy sicherlich gedacht, er hätte ihn länger außer Gefecht gesetzt.“
„Professor, darf ich Ihnen eine Frage stellen und auf eine ehrliche Antwort von Ihnen bestehen?“, fragte Hermine.
Professor McGonagall sah sie abschätzend an. „Jederzeit!“, sagte sie dann ohne Umschweife zu der verblüfften Hermine.
„Wie sind Mr. Hoddle und Malfoy in den abgesperrten Bereich gekommen?“, fragte Hermine die mit dieser Frage weniger Bestätigung ihrer Theorie suchte als das sie vielmehr McGonagalls Ehrlichkeit und Offenheit ihr gegenüber testen wollte, die sie über die Ränder ihrer Brille hinweg jetzt ansah und der ein Lächeln über das Gesicht huschte.
„Miss Granger, Miss Granger“, sagte sie leicht beschwingt, „ich nehme an, sie würden mich das nicht fragen, wenn sie es nicht schon längst wüssten, hab ich Recht?“
Hermine blickte sie verdutzt an.
„Professor Snape meinte bereits vor einigen Wochen, dass zwei Bücher aus der verbotenen Abteilung auf wundersame Weise verschwunden sind und dass die vermutlich Sie hätten.“
Hermine lief bis über beide Ohren rot an.
„Mittelalterliche Zaubersprüche und Ausgemusterte Zauber aller Art waren die Titel“, fuhr McGonagall fort und tat so, als hätte sie Hermines Reaktion nicht bemerkt. „Sie fehlen übrigens immer noch. Es wäre ganz hilfreich, wenn man sie gelegentlich wieder an Ort und Stelle bringen würde.“
„Professor, der Aperto Cancelio Zauber…“, sagte Hermine, als sich ihre Gesichtsfarbe wieder halbwegs normalisiert hatte.
„Ich weiß, was Sie fragen wollen“, ging McGonagall dazwischen. „Ich nehme an – und das Ministerium auch – dass Malfoy den Gang geschlagen hat, letztes Jahr im Sommer während der Kämpfe. Auch wird er es gewesen sein, der den Ostflügel des Schlosses irgendwie abgesperrt hat.“
„Das ist Malfoy gewesen?“, fragte Hermine aufgebracht.
„Ja, vermutlich“, sagte McGonagall. „Ob er es alleine getan hatte oder Hilfe dabei hatte ist letztlich ja auch nicht so wichtig. Aber so kann er jederzeit unbemerkt nach Hogwarts gelangen denn das Problem mit dieser Absperrung ist, dass man nicht hinein kann, wohl aber hinaus.“
Hermine dachte angestrengt nach, dann ging ihr ein Licht auf. „Natürlich!“, rief sie. „Deshalb konnte Mr. Hoddle uns damals auf der Schlosstreppe entgegen kommen!“
Professor McGonagall blickte sie fragend an. „Ich halte es nicht für sehr ungewöhnlich, wenn Ihnen auf der Schlosstreppe der Wildhüter entgegenkommt. Oder wie habe ich das zu verstehen?“
„Wie? Ach so, ja“, sagte Hermine nur, die nicht unbedingt preisgeben wollte, dass sie mit Ginny, Henrik, Fred und George im verbotenen Wald gewesen war.
„Ich habe Ihnen im übrigen noch etwas zurück zu geben“, sagte McGonagall und zog eine Schublade ihres Schreibtisches auf. „Jedes Mal wenn sie in den Krankenflügel müssen, landet Mr. Potters Zauberstab bei mir.“ Sie hielt Hermine lächelnd den Zauberstab hin, die einen kurzen Moment zögerte, ihn zu nehmen.
„Nun nehmen Sie ihn schon“, forderte McGonagall sie auf. „Wenn ich jemals in meinem Leben eine richtige Entscheidung getroffen habe, dann war es die, Ihnen Mr. Potters Zauberstab zu überlassen.“
Hermine nahm Harrys Zauberstab in die Hand und betrachtete ihn nachdenklich. „Er ist unversehrt“, stellte sie verblüfft fest.
„Erstaunlicherweise“, bestätigte McGonagall. „Ich hatte gehofft, Sie können mir vielleicht sagen warum.“
Hermine blickt ihre Schulleiterin an und Wasser sammelte sich ganz langsam in ihren Augen. „Ich wusste diesmal, wie ich ihn benutzen musste“, sagte sie.
McGonagall blickte sie fragend an.
„Harry hat es mir gesagt!“, sagte Hermine.
Was folgte, war eine lange Stille. Hermine rang mit ihren Tränen, Professor McGonagall mit der Unglaublichkeit, die in Hermines Aussage steckte. Doch die Schulleiterin wusste, dass Hermine die letzte Schülerin wäre, die voreilig Dinge in die Welt setzten würde, von denen sie nicht hundertprozentig überzeugt war.
Nachdem die beiden Frauen sich minutenlang, ihren eigenen Gedanken nachgehend, angeschwiegen hatten, war es McGonagall, die als erste die Stille unterbrach.
„Wie?“, fragte sie.
Hermine blickte zu ihr auf.
„Wie hat er es Ihnen gesagt?“ Die Art, wie Professor McGonagall diese Frage stellte, verriet Hermine, dass sie ihr glaubte. Mehr vielleicht sogar, als Hermine selber glaubte, was sie am Morgen desselben Tages erlebt hatte.
„Er war plötzlich da“, begann Hermine zu erzählen. „Malfoy hatte Draco befohlen, mich zu töten doch mitten im Todesfluch brach er ab und starrte in Richtung Wald. Ich wandte mich um und sah Harry dort stehen. Aber er war nicht wirklich da, glaube ich. Es war wie ein schwacher blauer Lichtschein um ihn herum und er bewegte sich kaum, nur seinen Kopf. In dem Moment, in dem ich erkannte, dass er es war, drehte er ihn zu mir und blickte mich an.“
„Und dann?“, fragte McGonagall mit gespanntem Interesse.
„Ich weiß auch nicht“, sagte Hermine. „Er hat seine Lippen nicht bewegt und trotzdem habe ich seine Stimme ganz deutlich gehört, als würde er aus mir heraus sprechen.“
„Was hat er gesagt?“
„Dass ich mir seinen Zauberstab vor die Brust halten soll“, erklärte Hermine, „mehr nicht.“
„Und dann?“
„Ging plötzlich die Sonne auf und Harry verschwand in ihrem Licht. Die Werwölfe liefen wie wild durcheinander und flüchteten. Malfoy befahl Draco erneut mich zu töten doch dann rief er plötzlich, dass jemand vom Schloss herabkäme, eben Mr. Hoddle und noch ein paar Leute, und Draco und Bellatrix Lestrange flüchteten.“
„Und Malfoy selbst blieb“, stellte McGonagall fest.
„Ja“, sagte Hermine mit einem Nicken.
„Um Sie zu töten“, fuhr McGonagall fort.
„Ja“, bestätigte Hermine erneut.
„Und wieder hat er es nicht geschafft“, sagte McGonagall nachdenklich. „Harry hat Ihnen das Leben gerettet. Vermutlich zum zweiten Mal bereits.“
„Aber er war nicht wirklich da“, sagte Hermine.
„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte McGonagall und sah sie scharf an, so dass Hermine zurück schrak.
„Ich….ich….vielleicht war es einfach eine Eingebung oder so“, meinte Hermine. „Harry hat mir erzählt, dass er auch mit seinen Eltern sprechen konnte, als er sich damals mit Voldemort auf dem Friedhof duellierte.“
„Ja“, sagte McGonagall, „hervorgerufen durch den Priori Incantatem. Ein Umstand, der in Ihrem Falle ja definitiv nicht eingetreten ist.“
„Weil ich nicht mit dem Zauberstab gekämpft, sondern ihn nur als Schutz genutzt habe“, fügte Hermine hinzu.
„Exakt“, bestätigte McGonagall. „Wobei wir ja nicht wissen, welchen Zauberstab Malfoy benutzte. Seinen eigenen oder Voldemorts. Warum hatten sie überhaupt Harrys dabei und nicht Ihren eigenen?“
Hermine musste selbst einen Moment überlegen, da sie diese Tatsache selbst überraschte.
„Ich weiß nicht“, sagte sie dann, „als ich aufstand um zu sehen, woher die Geräusche kamen hab ich ihn wie automatisch eingesteckt. Irgendwie hab ich nicht darüber nachgedacht.“
McGonagall nickte stumm.
„Professor, was meinen Sie damit, woher ich das wissen will, dass Harry nicht wirklich da war?“, fragte Hermine nach einer weiteren kurzen Pause.
„Nun, was würden Sie denn sagen, was es war, dass sie da gesehen haben?“, fragte McGonagall und sah sie prüfend an.
„Ich habe wirklich keine Ahnung“, antwortete Hermine.
„Eben!“, rief McGonagall. „Sie haben keine Ahnung!“ Sie blickte Hermine scharf an. „Und ich auch nicht!“
Sie stand auf, schritt nachdenklich durch den Raum und sprach dabei weiter: „Das Erscheinen von Harrys Eltern damals muss mit der Fluchumkehr in Zusammenhang gestanden haben. Zumindest war das auch Professor Dumbledores Meinung. Das scheidet bei Ihnen also aus. Ein Geist war es sicher auch nicht, denn Mr. Potter würde sicher nicht als solcher weiter existieren. Im Übrigen: War er irgendwie durchsichtig oder so?“
Hermine überlegte einen Moment. „Naja…nein, eigentlich nicht. Also nicht wirklich aber es wirkte irgendwie so.“
„Ich versteh’ schon, was sie meinen“, sagte McGonagall. „Aber ein Geist wäre durchsichtig gewesen.“
„Professor, vor einigen Wochen standen schon mal zwei Berichte im Tagespropheten“, fiel Hermine plötzlich wieder ein. „Angeblich wurde dort auch irgendwo Harry Potter gesehen. Kann das vielleicht irgendwie…“
„Vor ziemlich genau vier Wochen“, unterbrach McGonagall sie. „Und das andere mal vor acht“, fügte sie hinzu.
„Das heißt…?“
„Immer wenn Vollmond war“, sagte McGonagall.
„Aber was bedeutet das?“, fragte Hermine hoffend und ängstlich zugleich.
„Das bedeutet zumindest, dass diese Berichte aus dem Tagespropheten doch nicht ganz so großer Unsinn waren, wie wir zunächst dachten“, überlegte McGonagall. „Ich werde versuchen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.“ Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch.
„Haben Sie schon einmal mit Mr. Potters Zauberstab gezaubert?“, fragte sie Hermine dann.
„Nein!“, kam die etwas überraschte Antwort.
„Sie sollten es einmal versuchen“, sagte McGonagall. „Vielleicht gereicht es Ihnen einmal zum Vorteil, wenn sie darauf vorbereitet sind, wie er reagiert.“
„Ja gut“, erwiderte Hermine. „Ich kann es ja bei Gelegenheit mal…“
„Nein jetzt!“, sagte McGonagall.
„Was?”
„Hier und jetzt!“, wiederholte McConagall.
„Jetzt?“, fragte Hermine verwirrt. „Aber was soll ich denn mit ihm zaubern?“
„Vielleicht fangen wir lieber mit etwas Leichtem an“, meinte McGonagall und dachte angestrengt nach. Dann stand sie auf und ging durch das Direktorenzimmer. „Versuchen Sie, diesen Schrank zu öffnen“, rief sie zu Hermine herüber und zeigte auf die mit einem Vorhängeschloss verschlossene Tür eines Wandregals.
Hermine zuckte mit den Schultern, stand auf und ging zu ihr hinüber.
„Versuchen Sie es einfach so, als wäre es ihr eigener“, sagte McGonagall.
Hermine erhob Harrys Zauberstab. Ihr war schon etwas komisch dabei. Sie hatte förmlich ein schlechtes Gewissen, als würde sie etwas frevlerisches tun, doch sie versuchte diese Gedanken möglichst zu verdrängen und sich auf den Zauber zu konzentrieren, der ihr normalerweise natürlich nicht die geringsten Probleme machen würde.
Sie richtete die Spitze des Zauberstabes Richtung Vorhängeschloss, machte eine kurze Bewegung aus dem Handgelenk und sagte ruhig und bestimmt: „Alohomora!“
Nichts geschah!
Hermine blickte ihre Direktorin an.
„Noch einmal, noch einmal“, forderte McGonagall sie auf.
„Alohomora“, sagte Hermine erneut und wiederholte die Prozedur doch wieder geschah nichts.
Die beiden Frauen sahen sich erstaunt an obwohl Hermine nicht das Gefühl hatte, dass Professor McGonagall übermäßig überrascht war.
„Vielleicht“, meinte McGonagall, „versuchen sie es einmal mit ihrem eigenen Zauberstab, nur um sicher zu gehen, dass nicht…“
„Schon klar“, unterbrach Hermine sie.
Sie steckte Harrys Zauberstab in ihre Gesäßtasche und zückte dafür ihren eigenen. Mit einem kurzen Schwung sagte sie „Alohomora!“ und im nächsten Augenblick sprang das Schloss auf.
McGonagall nickte zufrieden. „Versuchen wir etwas anderes“, sagte sie. „Vielleicht einen Vierpunktezauber.“
Hermine nickte nur, steckte ihren Zauberstab wieder weg und zog Harrys hervor. Sie legte ihn auf die Flache Hand und sagte ruhig „Weise mir die Richtung“. Der Zauberstab rührte sich nicht.
Professor McGonagall grübelte vor sich hin. „Lumos“, sagte sie dann mit einer Handbewegung zu Hermine.
Hermine versuchte, die Spitze von Harrys Zauberstab erglühen zu lassen, doch es gelang ihr nicht.
In dem Moment ging Hermine ein Licht auf.
„Professor“, sagte sie erregt, „ich habe da bisher gar nicht drüber nachgedacht aber als ich gestern Nacht im Schloss umherlief, habe ich auch Harrys Zauberstab benutzt – nicht absichtlich, ich hatte ihn ja nur komischerweise mitgenommen – und da konnte ich doch mit ihm zaubern. Sehr gut sogar.“
McGonagall nickte stumm. „Ja, das dachte ich mir“, sagte sie nur, was Hermine noch mehr verwirrte.
„Was hat denn das zu bedeuten?“, fragte sie unruhig.
„Das werden wir gleich wissen, Miss Granger“, sagte McGonagall. „Zumindest hoffe ich das!“
In diesem Moment hörte Hermine, dass jemand über die Treppe am Wasserspeier zu ihnen hoch gefahren kam und im nächsten Moment klopfte es an der Tür.
„Herein!“, rief McGonagall.
Die Tür öffnete sich und herein trat Professor Snape.
Hermine stockte der Atem. Bisher war sie noch gar nicht dazu gekommen, ihre Schulleiterin darüber zu unterrichten, dass Professor Snape sie in der Nacht zuvor verfolgt hatte, als sie mit Fred auf der Flucht vor den Werwölfen war. Hektisch blickte Hermine von Professor Snape zu Professor McGonagall doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Snape schon das Wort ergriffen wobei er geflissentlich so tat, als wäre Hermine gar nicht anwesend.
„Du brauchst mich, Minerva?“ fragte er während er näher kam.
„Ja, Severus“, entgegnete Professor McGonagall. „Es geht um Miss Grangers…das heißt um Mr. Potters Zauberstab.“
Snape sah sie erwartungsvoll an.
„Ich weiß, dass es etwas ungewöhnlich klingt aber wenn Du die Güte hättest, etwas gegen Miss Granger zu zaubern“, sagte McGonagall. „Ein Schockzauber vielleicht?“, fügte sie hinzu.
Hermine sah sie vollkommen entsetzt an. „Professor, wie können Sie...“
„Vertrauen Sie mir, Miss Granger“, unterbrach McGonagall sie aber Hermine blickte ihr so flehend in die Augen, dass sie in Richtung Snape hinzufügte: „Vielleicht sollten wir doch erst etwas harmloseres nehmen. Wie wäre es mit einem Kitzelfluch?“
„Kitzelfluch?“, wiederholte Snape ungläubig. „Minerva, ich glaube nicht, dass…“
„Wir können trotzdem erstmal klein beginnen“, unterbrach Professor McGonagall ihren Kollegen.
Snape verzog resigniert die Mundwinkel. „Also gut“, sagte er und verdrehte leicht die Augen. „Der Kitzelfluch.“
Er hob seinen Zauberstab und richtete ihn auf Hermine. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte Snape schon „Rictusempra!“ gerufen.
Im nächsten Moment fing es überall und nirgends an Hermines Körper fürchterlich an zu kitzeln, als hätten 10 unsichtbare Hände sie im Griff. Immer wenn Hermine sich irgendwo hin fasste, um das Kitzeln abzuwehren, kitzelte es an einer anderen Stelle. Sie, Ron und Harry hatten zwar diesen Zauber früher auch zum Spaß eingesetzt aber dieser hier von Snape war von einer anderen Qualität. Noch nie im Leben war Hermine derart gekitzelt worden und trotzdem ihr eigentlich gar nicht nach Lachen zu Mute war, erschallte ihr lautes Gelächter quer durch den ganzen Raum, dass selbst Professor McGonagall kurz ihre Mundwinkel nach oben zog. Dann signalisierte sie Snape mit einer Handbewegung, von Hermine abzulassen.
Einen Moment dauerte es, bis Hermine wieder genug Luft zum Sprechen fand, dann sagte sie zu McGonagall: „Muss das sein?“
„Ja, es muss!“, sagte McGonagall zu Hermines Überraschung sehr direkt und blickte jetzt wieder zu Snape. „Vielleicht jetzt die Ganzkörperklammer?“
Snape nickte nur und während Hermine gerade heftigst Einspruch erheben wollte, hatte er schon „Petrificus Totalus“ gerufen und Hermine fiel vollkommen bewegungslos zu Boden und war nicht mehr fähig, sich zu bewegen oder zu sprechen.
„Vielleicht sollten wir ihr die Gelegenheit geben, sich zu wehren“, meinte Snape zu McGonagall während er auf die starr am Boden liegende Hermine herab blickte.
„Die hatte sie aber gegen Malfoy auch nicht“, wandte McGonagall ein. „Ich hatte wirklich gehofft eine Ganzkörperklammer würde reichen aber vielleicht ist der Zauber doch noch zu harmlos.“
„Nun, ich wäre bereit, Minerva!“, sagte Snape und warf ein kaltes Lächeln auf Hermine herab.
Minerva McGonagall blickte etwas mitleidig auf Hermine herab. „Gut, es nutzt ja wohl nichts. Tun sie es Severus“, sagte sie dann.
„Mit Vergnügen!“; antwortete Snape und richtete seinen Zauberstab auf Hermine.
Hermine, die vollkommen unbeweglich dalag, wäre auch vor Entsetzen stumm gewesen, wenn sie denn hätte sprechen können. Sie konnte nicht glauben, dass ihre Schulleiterin ihr so etwas antat, und sie ausgerechnet Professor Snape auslieferte. Was sie vorhatten, wusste Hermine nicht, doch sie hatte überhaupt kein gutes Gefühl dabei und als schienen sich ihre größten Ängste zu bestätigen, hörte sie Snape plötzlich laut rufen: „Crucio!“
Der Lichtstrahl schoss aus Snapes Zauberstab auf Hermine zu, die sich darauf vorbereitete im nächsten Moment unerträgliche Schmerzen zu erleiden. Doch kurz bevor der Lichtstrahl ihren Körper erreichte, veränderte er leicht seine Richtung und schlug dann mit einem leisen Krachen in Harrys Zauberstab ein, den Hermine immer noch bewegungslos in der rechten Hand hielt.
Professor McGonagall atmete erleichtert auf doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Snape seinen Zauberspruch wiederholt: „Crucio!“
Das Schauspiel wiederholte sich. Wieder wurde der Folterfluch von Hermine abgelenkt und traf Harrys Zauberstab, der Hermine unter der neuerlichen Belastung aus der Hand geschlagen wurde.
Snape erhob erneut seinen Zauberstab.
„Nein, lass von ihr ab, Severus!“, rief Professor McGonagall panisch und eilte Snape entgegen um ihn am Ausspruch des Zaubers zu hindern doch sie war zu langsam.
„Crucio!“, rief Snape erneut ohne auf McGonagall überhaupt zu achten und sein Gesicht verzog sich hasserfüllt, während er seinen Zauberstab auf die schutzlose Hermine senkte.
Hermine wusste, dass sie nicht sterben würde. McGonagall war noch da und Snape würde den Folterfluch nicht länger als ein oder zwei Sekunden aufrecht erhalten können. Trotzdem hatte sie furchtbare Angst, denn Harrys Zauberstab war ihr aus der Hand geschleudert worden und sie fühlte sich schutzlos.
Zu ihrer und McGonagalls Verblüffung wurde der Zauber jedoch erneut abgelenkt und traf wieder nur Harrys Zauberstab, der neben Hermine gelegen hatte und nun einige Meter durch den Raum geschleudert wurde.
Jetzt endlich ließ Snape seinen Zauberstab sinken, während McGonagall Hermine aus der Ganzkörperklammer befreite.
„Wie konnten Sie das zulassen?“, schrie Hermine ihre Direktorin an und sie blickte Snape hasserfüllt an, der im Gegensatz zu McGonagall keine Regung im Gesicht zeigte.
„Ich musste es, Miss Granger“, versuchte McGonagall sich zu rechtfertigen. „Wir mussten wissen, was mit diesem Zauberstab ist, was er tut, wie er sich verhält.“
„Und?“, rief Hermine erregt. „Wenn er sich anders verhalten hätte? Was wäre dann gewesen?“
„Dann wäre ich untröstlich gewesen“, sagte McGonagall. „Aber Professor Snape hätte natürlich sofort von Ihnen abgelassen.“
Hermine blickte ihre beiden Lehrer misstrauisch an. „Was also hat das jetzt alles zu bedeuten?“, fragte sie schließlich, nachdem sie den ersten Schock überwunden und sich ein wenig beruhigt hatte.
„Nun, was das zu bedeuten hat“, sagte McGonagall und sie überlegte sich die Worte die sie sagte gut, „vermag ich nicht zu sagen. Was wir jedoch gesehen haben ist, dass Mr. Potters Zauberstab Sie auf irgendeine Weise schützt, und das erstaunlicherweise selbst dann, wenn sie ihn nicht einmal mehr in der Hand halten.“ Sie schwenkte ihren Blick zu Professor Snape. „Auch wenn ich Dir für diese Erkenntnis danke, Severus, das nächste Mal hältst Du Dich an unsere Absprache!“
„Absprache? Was für eine Absprache?“, ereiferte sich Hermine.
„Das Professor Snape Sie mit einem verbotenen Fluch belegt, Miss Granger“, erklärte McGonagall. „Ich hatte natürlich gehofft, das würde nicht nötig sein aber da Sie mit dem Zauberstab an sich nicht zaubern konnten, mussten wir probieren ob er Ihnen nicht wenigstens zur Verteidigung diente.“
„Und? Hätten Sie das nicht selbst erledigen können?“, fragte Hermine.
McGonagall blickte Hermine vorwurfsvoll an. „Natürlich nicht!“, sagte sie, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt.
„Wieso nicht?“, fragte Hermine.
„Kindchen, ein unverzeihlicher Fluch. Bei Ihnen. Undenkbar!“ McGonagall schüttelte den Kopf.
„Aber ihn lassen sie es tun, ja?“, rief Hermine und zeigte auf Snape.
„Verstehen Sie doch, Miss Granger. Es ging nicht anders! Ich kann vermutlich den Folterfluch noch aber doch nicht bei Ihnen!“
„Aber er kann es?“, rief Hermine und zeigte erneut auf Snape.
„Severus…Professor Snape…hat seine Gefühle besser unter Kontrolle“, versuchte McGonagall zu erklären.
„Sie meinen, er kann sie abschalten“, fiel Hermine ihr ins Wor, „falls er überhaupt welche hat“, fügte sie hastig hinzu.
„Zügeln Sie Ihre Zunge, Miss Granger“, sagte Snape plötzlich drohend mit kalter Stimme.
Hermine, die bislang immer noch auf dem Boden gesessen hatte, weil ihre Muskeln von der Ganzkörperklammer noch etwas schmerzten, sprang jetzt plötzlich hoch und baute sich vor Snape auf.
„Denken Sie einmal genau nach, Professor Snape“, sagte sie mit leiser, drohender Stimme die zu ihrer sonstigen Erscheinung so gar nicht passte, „hätten Sie das auch gekonnt, wenn es nicht ich gewesen wäre, die dort lag, sondern Draco Malfoy?“
Snapes Gesicht veränderte sich nicht um das kleinste bisschen doch er erhob erneut seinen Zauberstab und mit der Spitze strich er Hermine zwei Locken aus dem Gesicht, die auf der leicht verschwitzten Haut hängen geblieben waren. „Selbstverständlich!“, sagte er dann und wandte sich von Hermine ab.
„Ich würde es für sinnvoller halten, wir würden jetzt wieder über die eigentlich wichtigen Dinge sprechen“, fuhr McGonagall dazwischen, „aber bevor wir das tun, möchte ich noch ein paar weitere Leute dazu sprechen. Ich erwarte Sie beide am morgigen Abend gegen acht. Vielleicht sehe ich bis dahin klarer.“
„Minerva, bitte nicht“, sagte Snape leicht genervt.
„Du hast mich verstanden, Severus“, entgegnete McGonagall, „wir sehen uns morgen.“
Ohne ein Wort drehte Snape sich um und verschwand durch die Tür nach draußen.
„Das gilt auch für Sie, Miss Granger“, sagte McGonagall knapp.
„Aber Professor?“, flehte Hermine.
„Morgen, Miss Granger, morgen“, sagte McGonagall ohne sie anzublicken und schließlich sah Hermine ein, das es keinen Zweck hatte heute noch auf Erklärungen zu hoffen und auch sie verließ das Schulleiterbüro.
„Sie hat was gemacht?“, fragte Ginny ungläubig, als Hermine ihr, Fred, George und Henrik von dem erzählte, was sie kurz zuvor im Schulleiterbüro erlebt hatte.
„Sehr ungewöhnlich, dass McGonagall so etwas veranlasst“, meinte George. „Sie muss wirklich einen guten Grund dafür haben.“
„Und den will sie Dir erst morgen sagen?“, fragte Henrik.
„Zumindest will sie mir morgen etwas sagen“, bestätigte Hermine. „Sie müsse vorher noch ein paar Erkundigungen einholen, sagte sie. Aber ich weiß auch nicht…sie wird Dumbledore immer ähnlicher. Spricht zunehmend in Rätseln und man hat das Gefühl, sie erzählt einem nicht alles.“
„Vielleicht gehört das einfach dazu, wenn man Schulleiter ist“, meinte Fred. „Färbt ab!“
„Aber das mit Harrys Zauberstab ist doch schon erstaunlich, findet ihr nicht?“, fragte Henrik begeistert.
„Trotzdem verstehe ich nicht ganz, warum sie ausgerechnet Snape auf Hermine loslassen musste“, meinte Ginny.
„Das ist doch klar, Schwesterchen“, sagte George. „Weil Snape der einzige Lehrer ist, der Hermine genug hasst, um den Cruciatus-Fluch überhaupt wirksam ausüben zu können.“
„Genauso, wie er Dumbledore genug hasste, um ihn töten zu können“, sagte Hermine leise.
„Das spricht nicht gerade für ihn, oder?“, fragte Henrik und blickte die Zwillinge an, die gleichzeitig den Kopf schüttelten.
„Wenn man’s genau nimmt“, sagte Fred, „gab es noch nie viel, was für ihn gesprochen hätte.“
„Ausgenommen Dumbledore“, meinte George.
„Ausgenommen Dumbledore!“, bestätigte Fred.
„Und das reicht?“, fragte Henrik.
Fred und George blickten sich kurz an. „Ja, das reicht!“, sagten sie dann einmütig.
„Aber Snape hat Dumbledore getötet“, gab Henrik zu bedenken.
„Weil der es so wollte“, sagte Fred.
„Aber das ist nur Snapes Version. Woher wisst ihr, dass es wirklich so war?“
„Wem soll man sonst noch glauben schenken, wenn nicht Dumbledore“, meinte George. „Er hat Snape so viele Jahre vertraut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so lange falsch gelegen hat.“
Einen kurzen Moment dachten alle nach, dann sagte Hermine:
„Aber wieso kann er dann für Leute, die eigentlich seine Freunde sein sollten, noch so einen Hass entwickeln?“
„Wenn Du mich fragst, könnte er sich auch selber foltern. Dieser Mann liebt einfach nichts. Nicht mal sich selber“, sagte George.
„Versteh’ ich nicht“, sagte Henrik.
George wandte sich ihm zu. „Warst Du schon mal richtig verknallt?“, fragte er ihn. „So bis über beide Ohren, meine ich?“
Henrik blickte zu Hermine und sein Gesicht lief dunkelrot an. Er nickte stumm.
„Gut“, meinte George, „dann wirst Du wissen, dass dieses Gefühl alles andere überdeckt. Das nichts anderes daneben bestehen kann. Weder positives noch negatives.“
Erneut nickte Henrik stumm und er fing dabei einen kurzen Blick von Hermine auf, die sofort wieder wegschaute.
„So ähnlich wird das auch bei Snape sein, nur eben genau in sie andere Richtung“, meinte George. „Der Hass, den er auf Harry und Dumbledore empfunden hat und den er noch auf Hermine empfindet überdeckt alles andere. Egal, ob es sinnvoll ist oder nicht.“
„Ja, ich glaube ich weiß was Du meinst“, sagte Henrik. „Aber wenn es so ist, wieso glauben dann alle, er gehöre nicht der dunklen Seite an. Das verstehe ich nicht.“
„Tja, genau da hört mein Verständnis der Dinge auch auf. Ich habe immer gedacht, Snape steht irgendwie in Dumbledores Schuld aber seitdem Dumbledore tot ist...“, George kratzte sich am Kopf.
„Konntest Du Snape denn nicht fragen, warum er uns durch den Geheimgang verfolgt hat?“, fragte Fred Hermine. „Das würde mich mal interessieren.“
„Tut mir Leid, ich bin nicht dazu gekommen“, sagte Hermine, „aber ich glaube auch nicht, dass ich eine ehrliche Antwort bekommen hätte.“
„Also weiß McGonagall auch nichts von der Karte des Rumtreibers?“, fragte Fred.
„Sicher nicht“, sagte Hermine nickend.
„Karte des Rumtreibers?“, fragte Henrik neugierig.
„Ein kleines Hilfsmittel, das wir Harry mal geschenkt haben“, erklärte George.
„Hilfsmittel?“
„Ja! Vielleicht erklären wir Dir später mal Näheres.“
„Aber weiß Snape denn, dass ihr wisst, dass er die Karte hat.“, fragte Ginny.“
„Nein kaum“, meinte Fred. „Es sei denn, er hat durchschaut, dass ich den Invisio-Zauber angewendet habe aber bei dem Gewimmel, das gestern Nacht im Schloss herrschte und damit auch auf der Karte, wird er wohl einfach gedacht haben, dass er den richtigen Punkt nicht mehr findet.“
„Ich versteh nur Bahnhof“, sagte Henrik.
„Woher weiß er eigentlich, wie man die Karte benutzt?“, fragte Ginny ohne ihn zu beachten.
„Vielleicht weiß er es gar nicht“, meinte Hermine.
„Wie bitte?“
„Vielleicht weiß er es gar nicht“, wiederholte Hermine. „Es gibt doch eigentlich nur einen Zeitpunkt, an dem Snape in den Besitz der Karte gekommen sein kann. Als Harry in Godrics Hollow verschwunden ist. Denn bis dahin hatte Harry die Karte ja noch.“
„Stimmt“, überlegte Ginny, „es ist ja alles irgendwie zurückgeblieben. Der Tarnumhang, sogar Harrys Zauberstab. Warum sollte die Karte also mit ihm fort sein?“
„Was immer das auch für eine Karte ist: Ihr meint also, Harry hat sie zurücklassen müssen, und Snape hat sie gefunden und an sich genommen“, folgerte Henrik.
„Mit ziemlicher Sicherheit“, bestätigte Fred.
„Und Harry hatte die Karte geöffnet, als wir auf Wurmschwanz trafen“, meinte Hermine. „Wahrscheinlich hatte er nicht die Zeit, sie zu schließen bevor er dann auf Voldemort traf.“
„Das würde bedeuten, dass sie Karte seitdem geöffnet ist!“, folgerte Fred. „Na klar!“ Er schlug sich vor die Stirn. „Snape kann die Karte nicht öffnen und nicht schließen. Aber da er sich schon geöffnet gefunden hat, kann er sie benutzen.“
„Ich finde es gar nicht gut, wenn die Karte des Rumtreibers in Snapes Händen ist“, sagte Ginny etwas ängstlich.
„Wir auch nicht!“, sagten Fred und George wie aus einem Mund.
„Außerdem“, fuhr George alleine fort, „gehört sie ihm nicht. Wir haben sie Harry damals geschenkt. Ich denke, wir sollten sie uns wiederholen.“
„Wiederholen? Wie wollt ihr das denn machen?“, fragte Ginny.
„Na, da werden wir wohl Snapes Büro mal einen kleinen Besuch abstatten müssen, wenn er nicht da ist“, sagte George und blickte seinen Bruder an.
„Ich hoffe nur, er nimmt die Karte nicht immer mit, wenn er sein Büro verlässt“, grübelte Fred.
„Könnte sein“, stimmte George ihm zu. „Dann müssen wir ihn halt überraschend aus seinem Büro locken, so dass er keine Gelegenheit mehr hat, sie einzustecken.
„Wie wollt ihr denn das anstellen?“, fragte Henrik.
„Och, das ist eine unserer leichtesten Übungen, was George?“; unkte Fred und sein Bruder nickte eifrig.
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