von timlarsson
Es war bereits mitten in der Nacht, als Hermine plötzlich aus ihrem Schlaf hochschrak. Es war stockfinster im Mädchenschlafsaal des Hauses Gryffindor und zuerst wusste sie nicht, warum sie überhaupt wach geworden war, dann aber erinnerte sie sich dunkel, Wolfsgeheul gehört zu haben. Aber hatte sie das nur geträumt, oder war wirklich etwas über die Ländereien von Schloss Hogwarts zu hören? Hermine wusste es nicht und deshalb lauschte sie beängstigt in die Nacht hinein in der Hoffnung es wäre nur ein neuerlicher Traum gewesen.
Fünf Minuten lag sie so in ihrem Bett, die Decke bis zum Kinn hinaufgezogen, lauschend, doch sie hörte keinen Wolf heulen. Trotzdem trug das nicht sonderlich zu ihrer Beruhigung bei, denn nur dass kein Werwolf aufheulte bedeutete noch nicht, dass auch keiner da war. Es war Vollmond und natürlich wären heute Nacht Werwölfe unterwegs doch kamen sie Hogwarts für gewöhnlich nicht allzu nahe. Auch für solche Zwecke hatte Hogwarts ja seine Wildhüter und Hermine hätte, weder bei Nordan Hoddle noch früher bei Hagrid, angezweifelt, dass sie mit ein paar Werwölfen irgendwie fertig werden würden aber wenn es dieses Rudel tatsächlich gab, von dem sie geträumt hatte, hätten auch diese beiden nicht den Hauch einer Chance gehabt, davon war Hermine überzeugt.
Hermine beschloss, in den Gemeinschaftsraum hinabzugehen und zumindest einen Blick aus dem Fenster zu werfen, von dem aus man Hoddles Hütte gut sehen konnte. Sie hatte nur ein Nachthemd an und warf sich deshalb schnell ihren alten Schulumhang über, der ihr zwar etwas zu klein geworden war aber für diese Zwecke würde er reichen. Sicherheitshalber steckte sie den Zauberstab ein, der auf ihrem Nachttisch in der Schatulle lag und schlich dann vorsichtig barfuss die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinab.
Im Gryffindor-Gemeinschaftsraum war alles dunkel und ruhig. Hermine hätte ein Licht entzündet doch sie hatte Angst, jemand könnte sie von draußen sehen, wenn sie durch das Fenster blickte, deshalb tastete sie sich vorsichtig durch die Dunkelheit voran. Durch das Fenster fiel das fahle Licht des Mondes und erhellte zumindest den Boden unmittelbar davor. Als Hermine das Fenster erreicht hatte, blickte sie vorsichtig nach draußen. Hogwarts Ländereien, Hoddles Hütte und auch der Saum des verbotenen Waldes waren im Vollmondlicht gut zu erkennen und zu Hermines Erleichterung war sonst nichts zu sehen. Nur aus den Fenstern von Hoddles Hütte sah man leicht ein Licht flackern. Sicherlich musste Nordan in einer Vollmondnacht wach bleiben, dachte Hermine und nachdem sie eine ganze Weile mit ihren Augen über die schattige Landschaft gefahren war, war sie beruhigt und wandte sich vom Fenster ab um wieder in den Mädchenschlafsaal zurückzukehren.
In diesem Moment meinte sie, aus dem Augenwinkel etwas wahrgenommen zu haben. Sie wirbelte wieder herum zum Fenster und starrte auf den Saum des Waldes. Irgendetwas hatte sich dort bewegt, just in dem Moment in dem Hermine sich vom Fenster wegdrehte. Sie suchte den Waldrand mit ihren Augen ab und obwohl es auch ein völlig harmloses Tier gewesen sein könnte, schlug ihr Herz ihr bis zum Hals hinauf.
Dann hörte sie plötzlich etwas knacken oder fallen. Es hörte sich an, als kam es aus dem Schloss. Hermine erschrak, zückte wie automatisch ihren Zauberstab und wirbelte herum, den Blick auf die fette Dame gerichtet. Sie lauschte, doch sie hörte niemanden die Treppe hinaufkommen, und auch das Portrait bewegte sich nicht. Hermine wandte ihren Blick kurz von der fetten Dame ab und blickte zur Kontrolle nach draußen, da zuckte sie erneut zusammen. Die Tür von Hoddles Hütte stand plötzlich offen und schlug im Wind hin und her. Ausgerechnet in dem Moment, in dem Hermine kurz weggeschaut hatte, abgelenkt durch die Geräusche im Schloss, war draußen etwas vor sich gegangen, das sie nun nicht mitbekommen hatte. Hoddle musste seine Hütte Hals über Kopf verlassen haben oder aber jemand war ebenso hastig bei ihm eingedrungen denn andernfalls wäre die Tür wieder zugemacht worden. Noch während Hermine überlegte, was sie tun sollte wiederholte sich das Geräusch aus dem Inneren des Schlosses. Doch jetzt, da Hermine es erneut hörte, kam es ihr vor als wäre es weiter weg, nicht auf der Treppe oder einem der naheliegenden Gänge, sondern als käme es tief aus dem Inneren von Hogwarts. Hermine band sich ihren Umhang zu und ging Richtung Portraitloch. Zwar hatte sie eine fürchterliche Angst doch hatte sie zumindest keine Werwölfe gesehen. Und außerdem war sie neugierig, woher die Geräusche kamen und was bei Hoddles Hütte passiert war. Doch sie könnte nicht jetzt, mitten in einer Vollmondnacht zur Hütte hinabgehen. Das war ihr, bei aller Neugier, dann doch zu gefährlich aber zumindest musste sie ergründen, woher die Geräusche im Schloss kamen.
„Lumos!“, sagte Hermine, als sie auf der Treppe war, die vom Gryffindorturm hinabführte und das Licht, das daraufhin an der Spitze ihres Zauberstabs erleuchtete, erhellte ihren Weg nach unten. Hermine ging vorsichtig und lauschte stets, ob sie weitere Geräusche hörte, doch bis jetzt blieb alles still.
Langsam schlich sie weiter durch die Gänge von Hogwarts, das ihr stets ein bisschen unheimlich vorgekommen war, wenn sie des Nachts darin unterwegs war und keine Menschenseele außer ihr die Gänge durchstreifte.
Sie kam jetzt an Oliver Woods Büro vorbei. Sie verharrte kurz und lauschte an der Tür doch es war alles ruhig darin. Insgeheim hatte sie gedacht, dass die Geräusche vielleicht von ihm gekommen waren und es hätte sie beruhigt, hätte sie irgendwelche Anzeichen dafür gefunden.
So aber schlich sie weiter durch die Gänge und ohne es wirklich bewusst zu tun, schlug sie den Weg zum abgesperrten Ostflügel ein. Das letzte Mal als sie da gewesen war, war sie mit Peeves zusammengetroffen. Auch wenn er ihr schon lange keine Angst mehr machte, so musste sich dieses Treffen für ihren Geschmack nicht unbedingt wiederholen.
Schließlich gelangte Hermine an die Stelle, wo sich aus ihrer Erinnerung heraus die unsichtbare Barriere befinden musste. Hermine schlich vorsichtig weiter, den Zauberstab in der rechten Hand, die linke weit nach vorne ausgestreckt, um das Hindernis rechtzeitig zu bemerken. Schließlich ertastete ihre Hand die unsichtbare Wand vor ihr. Hermine leuchtete alles mit ihrem Zauberstab ab doch es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Alles sah genauso aus, wie das letzte Mal als sie hier gewesen war.
Hermine dachte angestrengt nach. Was wäre, wenn ihre Theorie stimmte, und es könnte zwar niemand in den abgesperrten Bereich hinein – was offensichtlich so war - aber durchaus hinaus. Wenn Nordan Hoddle und irgendein Todesser in der Lage waren, durch den Aperto Cancelio Tunnel zu gehen, so wären sie dann wohl auch in der Lage aus dem abgesperrten Bereich nach Hogwarts zu gelangen. Und zwar genau hier an der Stelle, an der Hermine jetzt stand! Hermines Herz blieb ihr ob dieser Erkenntnis vor Schreck fast stehen. „Ich muss hier sofort weg“, flüsterte sie sich selber zu, wandte sich von der unsichtbaren Wand ab und eilte den Gang zurück.
„Miss Granger!“, hörte sie plötzlich eine vermeintlich strenge Stimme hinter sich rufen. Hermine zuckte zusammen, ihr Körper versteifte sich, sie überlegte kurz und drehte sich dann auf einem Absatz um und richtete ihren Zauberstab in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
„Stupor!“ rief sie und ein roter Lichtstrahl schoss aus ihrem Zauberstab auf ihr unbekanntes Ziel zu, ging durch es hindurch und verendete schließlich an der unsichtbaren Barriere.
„Huch, was ist denn mit Ihnen los? Sie sollten doch wissen, dass Schockzauber bei mir nicht wirken. Zumindest nicht mehr!“
Hermine blickte ihren Gegenüber an und stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Nick“, sagte sie. „Der fast kopflose Nick. Entschuldigung, ich hatte sie für jemand anders gehalten.“
„Das war nicht zu übersehen“, gab der Hausgeist der Gryffindors zurück. „Vielleicht hätten sie ja auch lieber einen ganz kopflosen Nick?“
„Nein, nein“, sagte Hermine, „ich dachte nur, es wäre vielleicht ein Todesser.“
„Hier im Schloss?“, fragte Nick. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Wär ja nicht das erste Mal“, bemerkte Hermine.
„Auch wieder wahr“, meinte Nick. „Was machen Sie eigentlich mitten in der Nacht hier alleine?“
„Ich lag wach und habe Geräusche gehört. Da hab ich gedacht, ich schau mal nach dem rechten“, sagte Hermine wahrheitsgemäß.
„Das ist aber nicht Aufgabe der Schüler, wenn ich mich recht erinnere“, gab Nick zurück. „Auch nicht der Ältesten hier an der Schule.“
„Ich weiß, ich weiß“, sagte Hermine, „aber ich kann ja schlecht Professor McGonagall deswegen wecken. Haben Sie denn nicht diese komischen Geräusche gehört?“
„Komische Geräusche?“
„Ja, ein Knacken oder Reißen. So etwas in der Art“, erklärte Hermine.
„Doch, doch. Das hab ich auch gehört“, sagte Nick. „Aber wissen Sie, hier hört man so viele Geräusche des Nachts. Vielleicht war es Mrs. Norris oder die Elfen in der Küche haben einen Topf fallen lassen oder die Weasley-Zwillinge treiben wieder irgendwelchen Unfug.“
Hermine dachte einen Moment über Nicks Worte nach, dann kam ihr eine Idee.
„Sagen Sie mal, Nick. Können Sie nicht in den abgesperrten Bereich hinein?“
„Abgesperrten Bereich?“, fragte Nick. „Was für einen abgesperrten Bereich?“
„Na, der Ostflügel, den niemand betreten kann“, sagte Hermine.
Nick blickte sie fragend an. Offensichtlich hatte er wirklich überhaupt keine Ahnung, wovon sie redete.
„Sie schweben doch direkt davor rum, man“, sagte Hermine.
„Wovor?“, fragte Nick und drehte seinen Kopf einmal um 180 Grad um die eigene Achse.
„Vor der Absperrung“, sagte Hermine. „Sie ist doch höchstens einen halben Meter hinter ihnen.“
Nick blickte sich erneut um. „Nein, nein Kindchen. Da ist nichts.“
„Doch“, sagte Hermine. „Schweben sie doch hindurch.“
Der fast kopflose Nick blickte sie fragend an. „Na gut, wenn Sie es wünschen“, sagte er und schwebte ein Stück zurück. Plötzlich war er verschwunden. Hermine blickte genau auf die Stelle und Sekunden später tauchte er wieder auf.
„Sehen Sie, nichts!”, sagte er.
Hermine blickte ihn mit großen Augen an. „Aber sie waren verschwunden!“, sagte sie.
„Nein, ich war dort vorne“, entgegnete Nick und zeigte auf eine Stelle etwa zwei Meter weiter.
„Aber ich konnte Sie nicht mehr sehen“, sagte Hermine.
„Aber ich Sie“, meinte Nick.
„Hmm, komisch“, sagte Hermine und überlegte einen Moment. „Dann trifft unsere Vermutung wahrscheinlich zu“, sagte sie dann.
„Bitte?“, fragte Nick. „Welche Vermutung?“
„Ach, nicht so wichtig“, winkte Hermine ab. „Nick, können Sie mir bitte einen Gefallen tun?“
„Nun ja, das kommt natürlich darauf an, was…“
„Können Sie den Ostflügel des Schlosses absuchen, ob sich irgendjemand dort aufhält?“, unterbrach Hermine ihn.
„Ich denke das lässt sich einrichten“, sagte Nick. „Jetzt gleich?“
Hermine nickte.
„Gut, dann auf bald“
„Halt, warten Sie noch!“, hielt Hermine ihn auf.
„Ja?“
„Falls Sie jemanden sehen, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid. Ich warte hier auf Sie.“
„Wie Sie wünschen“, sagte Nick und schwebte durch die unsichtbare Barriere.
Einige Minuten wartete Hermine und mit zunehmender Dauer wurde sie auch zunehmend nervöser bis der fast kopflose Nick schließlich wieder auftauchte.
„Es sind in der Tat zwei Menschen dort“, berichtete er. „Sie duellieren sich oder so etwas.“
„Sie duellieren sich?“, rief Hermine. „Haben Sie gesehen, wer es ist. Kennen Sie sie?“
„Ja, den einen schon“, sagte Nick. „Es ist unser neuer Wildhüter. Aber den anderen konnte ich nicht erkennen. Eine recht sonderbare Erscheinung.“
„Sonderbar? Wieso sonderbar?“ Hermine war mit dieser Frage noch nicht ganz fertig, da durchfuhr ein neuer Schreck ihre Glieder. Ganz deutlich konnte man plötzlich von Weitem das Geheul mehrerer Wölfe vernehmen.
„Was ist denn das?“, fragte Nick überrascht doch Hermine war bereits verschwunden und rannte den dunklen Gang entlang.
Während sie lief, wurde das Geheul der Wölfe bedrohlich schnell lauter, als wären sie nicht mehr außerhalb sondern bereits im Inneren des Schlosses. Hermine rannte um ihr Leben. Was immer hier vor sich ging, es hatte nichts Gutes zu bedeuten. Sie hatte nur eine Chance: Sie musste Oliver Woods Büro erreichen, bevor die Werwölfe ihr den Weg abschnitten. Keine Frage, sie waren hinter ihr her. Hermine war sich sicher, dass die Werwölfe nur hier waren, um sie umzubringen. Und die Gestalt im Ostflügel, die Nick nicht kannte, war sicher auch nur dort gewesen, um Nordan Hoddle abzulenken und den Werwölfen den Weg auf Hogwarts freizugeben.
Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Hermine Todesangst doch was jetzt hinzukam war die Angst um alle anderen Schüler Hogwarts. Sie musste so schnell wie möglich weg von hier. Wenn es ihr gelänge, Olivers Büro zu erreichen, könnte sie über den an das Flohnetzwerk angeschlossenen Kamin fliehen. Während das Geheul der Wölfe um sie herum immer lauter wurde, stürzte sie um die letzte Ecke, die zu dem Gang führte auf dem sich das ministeriale Kontaktbüro für Hogwartsschüler befand. Sie stürzte die letzten Meter der Tür entgegen, die verriegelt zu sein schien. Sie warf sich dagegen und drückte die Klinke nach unten doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Hermine hörte fast nur noch Wolfsgeheul um sich herum doch machte es den Eindruck, als hätten die Werwölfe ihre Spur noch nicht aufgenommen. Dem Geheul nach waren sie eher auf einem anderen Weg - auf dem Weg zum Gryffindorturm!
„Natürlich“, dachte Hermine, „die vermuten mich in meinem Bett.“ Der kurzfristigen Erleichterung um diesen Gedanken folgte der Schock:
„Ginny!“ rief sie und wollte gerade in Richtung Gryffindorturm davon stürzen, da hörte sie hinter sich ein grauenvolles Knurren.
Hermine erstarrte. In Sekundenbruchteilen schossen Ihr tausende von Gedanken durch den Kopf. Alles, was sie über Werwölfe wusste war dabei und schon im nächsten Moment wunderte Hermine sich, dass das Exemplar, welches jetzt hinter ihr stand und knurrte, nicht längst über sie hergefallen war. Hermine wusste zwar, dass gewöhnliche Zaubersprüche bei Werwölfen weitaus uneffektiver waren als bei Menschen aber trotz allem war die wirksamste Waffe der Werwölfe stets ihre Kraft und Schnelligkeit.
Langsam drehte Hermine sich um, den Zauberstab nach wie vor in der rechten Hand bis sie schließlich ihrem Gegenüber von Gesicht zu Gesicht gegenüberstand.
Die einzigen Werwölfe die Hermine bisher gesehen hatte waren Remus Lupin und Fenrir Greyback gewesen und dieser hier hatte durchaus die gleiche furchteinflößende Erscheinung wie Greyback sie hatte. Er was sogar noch etwas größer und seine Züge waren kantiger, wodurch er noch gewalttätiger wirkte.
So eigenartig es schon war, dass gleich mehrere Werwölfe hier in Hogwarts eindringen konnten, war es doch noch verwunderlicher, dass dieser Werwolf Hermine nicht einfach anfiel und zu Boden riss sondern sie weiterhin mit seinen furchterregenden Wolfsaugen anstarrte wie ein Massenmörder, der seinem Opfer vor dem Mord noch einmal in die Augen blicken wollte. Hermine war sich deshalb ziemlich sicher, dass sie diesem Werwolf auch in Menschengestalt noch nie über den Weg gelaufen war, sondern dass er sie zum ersten Mal sah aber sicherlich einiges über sie wusste. Inwieweit ein Werwolf allerdings während seiner Verwandlung überhaupt klar denken konnte, wusste sie nicht, auch wenn es stets den Eindruck gemacht hatte, dass ohnehin böse Menschen mit diesem Zustand besser klarkamen als Gute.
Hermine taxierte ihren Gegenüber genau. Auch wenn es ziemlich wahrscheinlich war, dass ihr in den nächsten Sekunden etwas zustoßen würde - in solchen Situationen neigte sie einfach nicht zur Panik. Während sie jede Regung des Werwolfes wahrnahm, kramte sie in ihrem Kopf nach Zaubersprüchen, die ihr vielleicht helfen könnten, den Werwolf zu besiegen oder zumindest zu verscheuchen. Aber gewöhnliche Schockzauber wären bei diesem Monstrum dazu sicherlich untauglich und würden an ihm abprallen wie ein Flummi an der Schlossmauer.
In den Gängen um sich herum konnte Hermine hören, dass Hogwarts mittlerweile in Aufruhr war. Nicht nur Werwölfe sondern auch menschliche Schreie und Schritte waren zu hören. Zweifellos hatten die Lehrer mittlerweile mitbekommen was vor sich ging und stürmten ebenfalls zum Gryffindorturm.
Plötzlich setzte der Werwolf zum Sprung an. Hermine stieß einen hellen Schrei aus, als sie nur noch das massige Gebiss und die hässlichen Schlitzaugen auf sich zuschnellen sah. Sie warf sich zur Seite und knallte mit Gesicht und Körper gegen die Wand. Der Biss des Werwolfes ging ins Leere doch blitzschnell hatte er sich gedreht, um zu einem neuen Sprung anzusetzen, während Hermine sich mühsam wieder hoch rappelte. Ein Tropfen Blut rann von ihrer Wange auf den Zauberstab hinab.
Erneut schoss der Werwolf auf sie zu.
„Stupor!“, rief Hermine. Der rote Lichtstrahl aus ihrem Zauberstab traf den Werwolf an der Schulter. Er wurde zur Seite geschleudert, allerdings nicht mehr als wenn ihn ein Quaffel getroffen hätte. Doch es reichte, damit er Hermine erneut verfehlte, die sich erneut an der Wand entlang an ihm vorbeidrückte, wobei sie sich nun auch an der anderen Wange eine tiefe Schürfwunde holte.
Noch bevor der Werwolf zu einem weiteren Sprung ansetzte rief Hermine: „Incarcerus!“ Schlangenartige Seile schossen aus ihrem Zauberstab und legten sich um Körper und Arme des Werwolfs. Für einen Moment schien er irritiert doch dann atmete er tief ein und spannte die Muskeln seines massigen Oberkörpers an. Die Seile rissen und die Bruchstücke flogen in alle Richtungen davon.
Hermine war mittlerweile klar, dass sie diesem Ungetüm nicht entkommen konnte. Das Einzige, was ihr vielleicht gelang, war, noch etwas Zeit zu gewinnen. „Warum hab ich nicht versucht, in der Bibliothek mehr darüber herauszufinden, wie man mit einem Werwolf fertig wird?“, dachte sie, da setzte ihr Gegenüber zum nächsten Sprung an.
Noch einmal tauchte Hermine ab. Zwar verfehlte das Maul des Werwolfes sie erneut um Zentimeter, doch schlug sein Knie gegen ihren Kopf, der ein weiteres Mal hart gegen die Wand prallte. Für einen kurzen Moment verlor Hermine das Bewusstsein. Als sie zwei Sekunden später wieder zu sich kam, stand der Werwolf bedrohlich über ihr. Hermine versuchte den Zauberstab hochzureißen doch sie konnte ihren Arm nicht mehr bewegen. Er war gebrochen. Und auch um sich sonst irgendwie zu wehren war Hermine zu schwach.
Der Werwolf riss sein Maul auf und beugte seinen Kopf nach unten. Genau in diesem Moment hörte Hermine wie eine Tür aufgestoßen wurde und eine Stimme rief: „Incendio!“
Urplötzlich war es taghell in dem Gang. Irgendetwas brannte hinter Hermine. Der Werwolf brach seine Attacke ab, hielt sich vor Schmerzen die Augen zu und taumelte ein paar Schritte rückwärts.
Hermine versuchte die Chance zu nutzen und kroch über den Boden in die andere Richtung. Sie versuchte aufzustehen doch ihre Knie gaben nach und sie knallte wieder auf die Steine. Das schmerzvolle Geheul des Werwolfs nahm ihr jede Orientierung.
Plötzlich ergriff sie jemand unter den Armen und zog sie seitwärts in Olivers Büro hinein. Als sie drin war wurde die Tür zugeknallt und die Helligkeit lies nach. Ihr Retter verbarrikadierte die Tür mit allem was umherstand, während Hermine jetzt wieder alles erkennen konnte. Sie blickte ihren Retter an.
„Fred!“, sagte sie voller Dankbarkeit, „wie kommst Du hierher?“
„Dafür ist jetzt keine Zeit, Hermine“, keuchte Fred. Er richtete seinen Zauberstab auf die Tür: „Colloportus! - Das wird ihn eine Weile aufhalten!“
Hermine nickte stumm und horchte kurz. Das Geheul des Werwolfes von draußen war verstummt. Vermutlich hatte er sich davon gemacht.
„Der wird nur seine Artgenossen holen“, sagte Fred. „Ich befürchte, dass mein Versiegelungszauber dafür nicht reicht.“
„Was sollen wir dann tun?“ fragte Hermine
„Wir müssen durch den Kamin fliehen“, sagte Fred. „Dadurch können sie Dir nicht folgen.“
„Aber wir können Ginny und George doch nicht alleine lassen“, stammelte Hermine, „und all die anderen…“
„Die kommen schon irgendwie klar“, sagte Fred und holte den Krug mit dem Flohpulver. „Glaub mir!“
Obwohl es ihr widerstrebte: Wahrscheinlich hatte Fred recht.
„Hier“, sagte Fred und hielt Hermine den Krug hin. „Du zuerst!“
„Wohin denn?“, fragte Hermine.
„Grimmauldplatz!“, sagte Fred so bestimmt, dass es Hermine verwunderte.
Sie trat in den Kamin und während sie das Flohpulver aus der Hand fallen ließ, sagte sie „Grimmauldplatz!“, doch nichts geschah. Hermine stand nach wie vor im Kamin des ministerialen Kontaktbüros für Hogwartsschüler. „Was ist los?“, fragte sie.
Fred zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, sagte er. „Versuchs noch mal.“
Hermine nahm eine weitere Handvoll Flohpulver und versuchte es ein weiteres Mal - doch wiederum passierte nichts.
„Das gibt’s doch nicht!“, schrie Fred wütend.
„Was ist denn los?“, fragte Hermine besorgt.
„Ich hab keine Ahnung“, sagte Fred aufgebracht. „Ebene gerade ging er noch. Ich bin schließlich gerade erst hier angekommen.“
„Wo warst Du denn?“, fragte Hermine.
„Im Fuchsbau natürlich“, antwortete Fred, „um zu gucken, ob dort Werwölfe sind. Und was ist? Sie sind in Hogwarts!“
Während Fred dies wild gestikulierend erzählte, suchte er ein paar Sachen zusammen. „Die müssen den Kamin vom Flohnetzwerk genommen haben“, schimpfte er.
„Wer?“, fragte Hermine.
„Na, das Ministerium!“, sagte Fred.
„Aber warum?“
„Frag mich was Leichteres!“
Fred zog Hermine an dem nicht gebrochenen Arm aus dem Kamin und schob sie vor sich her zur Tür.
„Wir müssen hier weg, bevor die wiederkommen“, sagte er hastig und richtete seinen Zauberstab auf die Tür. „Alohomora!“
Die Tür öffnete sich und sofort war das wütende Geheul der Werwölfe zu hören, ebenso wie kreischende Schüler und gebrüllte Zauberformeln.
Fred steckte seinen Kopf aus der Türöffnung auf den Gang und blickte zu beiden Seiten. Hier war nichts zu sehen. „Komm, schnell!“, sagte er zu Hermine und hatte sie schon mit sich gezogen doch Hermine hatte mittlerweile wieder etwas Kraft geschöpft und konnte alleine laufen. Lediglich ihren gebrochenen Arm hielt sie sich krampfhaft vor den Bauch und er schmerzte bei der kleinsten Bewegung fürchterlich.
„Wohin laufen wir?“, stöhnte Hermine, die tatsächlich keine Ahnung hatte wohin Fred wollte.
„Moment noch“, sagte Fred und bog in den Gang ein, in dem sich auch das Klassenzimmer für Zauberkunst befand. Er eilte mit Hermine den Gang entlang, während Hermine das Geheul der Werwölfe von hinten immer deutlicher hörte. Es hingen nur wenige Fackeln an der Wand, deshalb war es recht dunkel.
Plötzlich blieb Fred stehen. „Lumos!“, sagte er leise und mit dem Licht an seinem Zauberstab suchte er die Wand ab. Währenddessen wurde das Wolfsgeheul bedrohlich lauter. Mehrere Werwölfe mussten bereits in demselben Gang sein wie sie und vermutlich waren sie nur deshalb noch nicht zu sehen, weil der Gang in der Mitte einen leichten Rechtsknick machte.
„Was immer Du machst, beeil Dich!“ stammelte Hermine.
Fred reagierte nicht auf sie sondern suchte weiter mit voller Konzentration die Wand des Ganges ab. Hermine konnte nur hoffen, dass er wusste was er tat.
„Bingo! Hier ist es!“, rief er plötzlich. Er richtete seinen Zauberstab auf eine gänzlich unauffällige Stelle in der Wand. „Dissendium!“ Die Steine in der Wand wichen zurück und gaben einen schmalen und staubigen Geheimgang frei
„Los, rein da!“, sagte Fred zu Hermine und schob sie vor sich her in den Gang hinein. Schnell verriegelte er den Geheimgang von Innen wieder. „Im Notfall ist es immer gut, auf Hogwarts einen Weasley dabei zu haben“, sagte er mit dem jetzt zum ersten Mal wieder aufflackernden, typischen Weasley-Grinsen und Hermine hatte sich in der Tat noch nie so gefreut, mit den Zwillingen befreundet zu sein.
In dem Moment, in dem der letzte Stein des Einganges zum Geheimgang wieder an seinen Platz gerutscht war, schossen mehrere Werwölfe um den Knick im Gang, an dem Geheimgang vorbei und verschwanden schließlich wieder in der Dunkelheit.
„Und jetzt?“, fragte Hermine mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht und immer noch mühsam ihren gebrochenen rechten Arm mit dem linken festhaltend.
„Gute Frage“, antwortete Fred. „Vielleicht bleiben wir am besten hier. Die Werwölfe finden Dich hier zumindest nicht.“
„Aber wir können die andern nicht einfach im Stich lassen“, sagte Hermine.
„Nein, aber die sind doch hinter Dir her, Hermine. Wenn sie Dich nicht finden, verziehen sie sich vielleicht wieder.“
„Und was ist, wenn sie sich für ihren Misserfolg bei Ginny und den anderen rächen“, fürchtete Hermine. „Wie an meinen Eltern“, fügte sie leise hinzu.
Fred hatte keine Antwort dafür parat und so blickte er nur nach vorne in den leeren Gang.
„Fred, wo endet dieser Geheimgang eigentlich?“
„Tja, da bin ich mir auch nicht mehr so ganz sicher“, antwortete Fred. „Wenn ich mich recht erinnere, führt er in die Bibliothek. Ist ein paar Jahre her, dass ich ihn mit George zusammen das letzte Mal benutzt habe.“
„Dann lass uns nachschauen gehen, ob Du Recht hast.“
„Aber Hermine, Du kannst doch Deinen Arm kaum noch halten und“, er blickte ihr ins Gesicht, „du siehst auch sonst ziemlich mitgenommen aus. Ich weiß nicht, ob Du wirklich noch einmal kämpfen solltest.“
„Ich muss“, sagte Hermine standhaft. „Los komm!“
Dann ging sie voraus durch den dunklen Gang und Fred folgte ihr, was den Vorteil hatte, dass er nicht sehen konnte, dass Hermine bei jedem Schritt vor Schmerzen ihr Gesicht verzog.
Sie waren erst ein paar Meter gegangen, da hielt Fred Hermine plötzlich von hinten an ihrem Umhang fest. „Halt mal!“, flüsterte er und beide blieben stehen und lauschten.
Hinter sich hörten sie leise ein Geräusch von sich gegenseitig anstoßenden Mauersteinen.
„Was ist das?“, fragte Hermine beängstigt.
„Das ist die Tür zum Geheimgang die zurückweicht“, flüsterte Fred. „Irgendjemand folgt uns!“
Hermine sah Fred entsetzt an.
„Los lauf!“, krächzte Fred und er und Hermine rannten mit den schwach leuchtenden Zauberstäben so schnell sie konnten den Gang entlang.
Schließlich kamen sie an die Stelle, an der der Gang endete. Hermine und Fred legten kurz beide ihre Ohren an die Wand und lauschten doch es war weiterhin nur entferntes Kampfgetümmel zu hören und Schritte, die sich jetzt langsam von hinten näherten aber immer noch ein gutes Stück entfernt waren. In welchem Raum der Gang also auch immer endete, hier schien zumindest der Kampf noch nicht angekommen zu sein.
„Dissendium!“ rief Fred und richtete seinen Zauberstab auf die Wand. Die Steine wichen zurück und gaben den Ausgang des Ganges frei. Schnell krabbelten Hermine und Fred aus dem Gang heraus, dann verschloss Fred den Ausgang wieder. Sie befanden sich tatsächlich in der Bibliothek
„Wohin jetzt?“, fragte Hermine.
„Raus hier auf jeden Fall“, sagte Fred.
„Nein“, sagte Hermine energisch. „Ich will erst wissen, wer uns folgt.“
„Warum?“ fragte Fred
„Woher soll jemand wissen, dass wir in dem Geheimgang waren?“, fragte Hermine. „Ich will das wissen!“ Sie zeigte auf das große Bücherregal, das direkt am Eingang zur Bibliothek stand. „Da hinter verstecken wir uns!“
Fred seufzte schwer, folgte ihr dann aber. Sie hatten das Regal gerade erreicht, da hörten sie schon, wie die Steine der Mauer erneut zurückwichen und wenig später ihr Verfolger aus dem Gang herauskam. Es war dunkel, deswegen konnten sie überhaupt nichts erkennen doch das sollte sich jeden Moment ändern.
Mit einem unausgesprochenen Lumos-Zauber fing die Spitze des Zauberstabes ihres Verfolgers an zu leuchten und warf ein schwaches Licht auf sein Gesicht. Hermine und Fred fuhr der Schrecken in die Glieder.
„Scheiße, Snape!“, zischte Fred während Hermine nur mit offenem Mund da stand.
„Was macht er denn da?“, fragte sie dann, weil Professor Snape hektisch dabei war, ein Stück Papier oder ähnliches zu entfalten.
„Verdammt!“, zischte Fred nach einem kurzen Moment. Dann erhob er seinen Zauberstab und rief, so leise es irgend ging: „Avis!“
Aus seinem Zauberstab kamen urplötzlich Vögel geflogen, die sich schell in der Bibliothek verteilten.
Die Vögel lenkten Snape für einen Moment von seinem Tun ab. Kurz erschrak er, dann richtete er seinen Zauberstab in die Richtung der Vögel und rief: „Evanesco!“.
Die Vögel verschwanden wieder, doch Hermine und Fred waren in der Zwischenzeit aus der Tür der Bibliothek hinaus auf den Gang geschlüpft.
„Schnell, umarm mich!“, keuchte Fred.
„Was?“, fragte Hermine immer noch geschockt vom Auftauchen Snapes.
„Umarm mich!“, wiederholte Fred. „Mach schon!”
Hermine fiel ihm um den Hals wenn sie auch nicht wusste wozu.
Fred hielt seinen Zauberstab über sie und richtete die Spitze nach unten direkt über ihre Köpfe. „Invisio!“, rief er. „Und jetzt weg hier!“. Er löste sich von Hermine.
„Was heißt das?“, fragte Hermine völlig irritiert, die wie in Trance neben Fred herlief und ihre Schmerzen vor noch größerer Angst kaum wahrnahm.
Fred blieb abrupt stehen. „Hermine, weißt Du denn nicht, was Snape da gerade versucht hat auseinanderzufalten?“, keuchte er.
Hermine schüttelte den Kopf.
„Das war die Karte des Rumtreibers!“, sagte Fred.
„Was?“, rief Hermine. „Aber woher soll er…“
„Egal jetzt!“, unterbrach sie Fred und zog an ihrem Umhang. „Los komm, weiter!“
„Aber was sollte dieser Zauber – Invisio?“, fragte Hermine während sie liefen. „Ich hab noch nie davon gehört.“
„Ist auch kein Zauber im eigentlichen Sinn“, sagte Fred. „Aber Snape kann uns jetzt für ein paar Minuten auf der Karte nicht mehr sehen.“
„Und wo rennen wir jetzt hin?“, fragte Hermine weiter.
„Wir haben ja keine Wahl mehr“, antwortete Fred. „Zu den anderen zurück. Du wolltest es ja so. Es sei denn, Du lässt Dich lieber von Snape einholen.“
Hermine schüttelte den Kopf. „Lass und die anderen retten gehen“, sagte sie und mit einem Blick über ihre Schulter fügte sie hinzu, „wenn es schon die Lehrer nicht tun!“
So rannten sie wieder in Richtung des Gryffindor-Turms und je näher sie kamen, desto näher kam auch das Geheul der Wölfe und die Schreie von Lehrern und Schülern.
Hermine und Fred rannten dem größten Lärm nach und ihr Weg führte sie wie befürchtet direkt die Treppe des Gryffindor-Turms hinauf. Das Portrait der fetten Dame stand offen als sie dort ankamen und die fette Dame selbst war nicht mehr in ihrem Bilderrahmen. Vermutlich hatte sie sich in einem der anderen Bilder verkrochen, wie sie es bereits früher getan hatte. Fred und Hermine sprangen durch das Portraitloch und fanden sich unmittelbar im dichten Kampfgetümmel wieder. Professor McGonagall, Professor Slughorn und Professor Flitwick verteidigten die Treppe hinauf zu den Schlafräumen, in denen sich die meisten Schüler anscheinend verschanzt hatten. Einige, darunter auch Ginny, George, Henrik und Neville kämpften im Gemeinschaftsraum gegen mindestens 30 Werwölfe, die wild umherliefen und aufgrund ihrer Anzahl kaum zu bändigen waren.
Professor McGonagall sah, während sie Schockzauber auf zwei Werwölfe abfeuerte, die dadurch nur für einen ganz kurzen Moment beeindruckt schienen, kurz nervös zu Hermine herüber.
Die Situation schien ausweglos. Selbst die Zaubersprüche der Lehrer schienen den Werwölfen kaum etwas anhaben zu können und da das Flohnetzwerk nicht funktionierte, war auch nicht zu erwarten, dass plötzlich Auroren auftauchen würden, um sie zu unterstützen. Die Schüler wurden von den Werwölfen immer mehr in eine Ecke des Gemeinschaftsraumes gedrängt und es war bereits jetzt ein Wunder, dass anscheinend noch niemand gebissen worden war.
Fortwährend flogen rote Lichtblitze durch den Raum, trafen die Werwölfe, die davon kurz zur Seite geschleudert wurden aber schon im nächsten Moment wieder standen und nur umso besessener kämpften.
Die Werwölfe hatten Hermine und Fred noch nicht bemerkt. Fred wollte sich gerade ins Getümmel stürzen, da hielt Hermine ihn auf.
„Warte, Fred. Ich brauche meinen Besen!“, rief sie.
„Deinen Besen?“, fragte Fred. „Was willst Du denn damit? Der Gemeinschaftsraum ist doch viel zu eng zum fliegen.“
„Frag nicht - besorg ihn mir einfach!“
„Aber wie soll ich da ran kommen. Ich kann nicht in den Mädchenschlafsaal.“
„Sag halt Ginny Bescheid“, meinte Hermine. „Ich würd’s ja selber machen aber die dürfen mich nicht bemerken“, entschuldigte sie sich.
„Na gut“, meinte Fred. „Du wirst schon wissen, was Du tust.“ Dann stürmte er in den Gemeinschaftsraum hinein. Zwei Werwölfe stellten sich ihm sofort entgegen. Den ersten warf er mit einem Schockzauber kurzfristig aus der Bahn, der zweite sprang auf ihn zu doch Fred konnte sich noch rechtzeitig wegducken. Während er auf Ginny und George zustürmte, die in der Nähe des Kamins gegen mehrere Werwölfe kämpften, folgte ihm der Werwolf mit großen Sätzen. Von hinten setzte er, von Fred unbemerkt, erneut zum Sprung an und kurz bevor seine Vorderpranken Fred im Lauf niederreißen konnten, traf ihn ein Schockzauber aus Professor Slughorns Zauberstab und er wurde zur Seite geschleudert.
„Schnell, Du musst hoch in den Schlafsaal, Hermines Besen holen!“, brüllte Fred seiner Schwester ins Ohr, wobei er gar nicht mitbekommen hatte, dass er eben gerade noch so gerettet worden war.
„Was?“, rief Ginny. „Wo warst Du überhaupt? Und wo ist Hermine?”
„Egal jetzt!“, rief Fred, der vermeiden wollte, dass mit Ginnys Aufmerksamkeit auch die der Werwölfe eventuell auf Hermine gelenkt werden könnte. „Kannst Du bitte ihren Besen holen?“, fragte er fast flehentlich.
Ginny nickte. „Gut, ich versuchs”, sagte sie und blickte sich kurz zum Treppenaufgang um. „Gib mir Deckung!“ sagte sie und rannte los.
Vier Werwölfe sprangen und schnappten nach ihr, doch zwei wurden von Fred mit Schockzaubern zurückgehalten und je einer von Professor McGonagall und Professor Sprout. Schließlich erreichte Ginny die Treppe zum Mädchenschlafsaal, quetschte sich zwischen den Professoren McGonagall und Flitwick hindurch und verschwand dann hinter ihnen.
„Schön, dass Du auch noch kommst!“, rief George seinem Bruder entgegen, während er weiterkämpfte.
„Ich habe mich währenddessen auch nicht gerade vergnügt!“, rief Fred. „Das Flohnetzwerk funktioniert nicht mehr!“
„Was?“, schrie George entsetzt.
„Das Flohnetzwerk geht nicht mehr“, wiederholte Fred. „Ich wollte, dass Hermine damit flieht aber es ging nicht!“ Er feuerte einen Schockzauber ab, der einen Werwolf an der Schulter streifte und den dahinterstehenden direkt zwischen die Augen traf. Der Werwolf heulte laut auf und wurde zurückgeworfen.
„Dann ist es kein Wunder, dass keine Auroren auftauchen“, rief George.
„Außerdem hat Snape die Karte!“, rief Fred.
„Die Karte?“, fragte George entsetzt. „Meinst du….“
„DIE Karte“, unterbrach ihn Fred. „Genau die meine ich.“
„Woher weißt Du das?“ fragte George.
„Er ist uns gefolgt. Wir haben beide gesehen, wie er sie entfaltet hat.“
„Und?“, fragte George interessiert, „Invisio?”
„Genau!”, nickte Fred.
„Dann wird er Euch gleich wieder sehen können!“
„Das macht jetzt auch nichts mehr!“. Erneut feuerten Fred und George Schockzauber ab und warfen so einen Werwolf zur Seite, der gerade im Ansprung auf Henrik gewesen war.
Auf der anderen Seite des Raumes drängte die weitaus größere Anzahl Werwölfe die Lehrer immer weiter die Treppe zum Mädchenschlafsaal hinauf. Es machte nicht den Eindruck, als gäbe es irgendeine Rettung. Das Einzige, was die Lehrer gewinnen konnten, war etwas Zeit.
„Zeit!“, dachte Hermine. „Genau das ist es!“. Sie blickte kurz durch den Raum aus dem Fenster, dann hörte sie aus dem Getümmel Ginnys Stimme rufen. Hermines Blick wirbelte herum zum Treppenaufgang. Hinter den Lehrern, die bereits eine weitere Stufe nach oben zurück gewichen waren, stand Ginny mit ihrem Besen. Genau in diesem Moment schnappte auf der anderen Seite des Raumes ein Werwolf nach dem Arm von Neville. Neville konnte den Arm zwar noch zurückziehen doch der massige Kiefer des Werwolfs schlug auf seinen Zauberstab nieder, die in zwei Teile zerfiel. Sofort sprang Henrik Leighton vor Neville und wehrte den Werwolf mit mehreren Schockzaubern ab.
Hermine erkannte, dass keine Zeit mehr blieb. Sie musste handeln! Sie trat jetzt hinter dem leeren Portrait hervor in den Türrahmen und zückte mit der gesunden linken Hand ihren Zauberstab. Mit einem Handzeichen gab sie Ginny zu verstehen, den Besen zu ihr zu werfen. Als Ginny sie bemerkt hatte, signalisierte zwar wild gestikulierend, dass sie nicht so weit werfen könne aber Hermine wiederholte ihre Geste. Schließlich warf Ginny den Besen verzweifelt in ihre Richtung. Zwei Werwölfe sprangen, dadurch abgelenkt, darauf zu und schnappten nach dem Besen. Kurz bevor ihre Kiefer in zermalmten rief Hermine: „Accio Besen!“ und der Besen schoss auf sie zu. Hermine fing ihn mit der linken Hand auf.
Alle Werwölfe in dem Raum wendeten sich plötzlich ihr zu und beachteten ihre Gegner nicht mehr. Einen Moment blieb Hermine stehen, um sicherzugehen, dass alle ihre Feinde sie gesehen hatten, dann wandte sie sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Portraitloch heraus und die Treppen des Gryffindor-Turms hinunter.
Die Werwölfe folgten ihr in blinder Wut. Teilweise verletzten sie sich gegenseitig, weil jeder als erster durch das Portraitloch hinter Hermine herstürmen wollte. Hermine rannte so schnell sie konnte die Treppen hinab doch die Werwölfe waren schneller und wendiger und kamen schnell näher.
Die letzten drei Stufen der Treppe sprang Hermine hinunter und schwang sich dabei auf ihren Besen. Genau als ihr erster Verfolgen nach ihrem Bein schnappte, kam sie auf dem Besen zum sitzen und sauste durch den engen Gang davon, so dass der Biss ins Leere ging. Die Werwölfe verfolgten Hermine weiter, die in dem engen Schloss nicht schnell genug fliegen konnte, um sie abzuhängen aber abhängen wollte sie sie auch gar nicht sondern lediglich fortlocken von ihren Freunden und dem Gryffindorturm.
Hermine schoss auf ihrem Besen scharf um die nächste Ecke. Der Stil traf Professor Snape hart am Kopf, der gerade aus der anderen Richtung angelaufen kam. Er ging benommen zu Boden. Während Hermine weiterflog, drehte sie sich auf ihrem Besen um und blickte zurück. Die Werwölfe nahmen von Snape keine Notiz, rannten an seinem an der Wand zusammen gesunkenen Körper vorbei und verfolgten Hermine weiter.
Schließlich wurden die Gänge etwas breiter und Hermine flog in die Eingangshalle von Hogwarts. Sie verlangsamte ihren Flug etwas, damit die Werwölfe ihr noch folgen konnten während aus den Gängen jetzt weitere Werwölfe in die große Eingangshalle strömten. Hermine landete vor dem großen Eingangstor, öffnete es, wartete noch einen kleinen Moment, bis die Werwölfe sie fast erreicht hatten, dann flog sie hinaus in den winterlichen Nachthimmel.
Jetzt, da die Werwölfe das Schloss alle verließen um ihr zu folgen, würde Professor McGonagall sicher genug Gelegenheit haben, die anderen Schüler in Sicherheit zu bringen.
Hermine blickte zum Horizont. Ein schwacher Lichtstreif war dort bereits zu erkennen, der das Ende der Nacht ankündigte, da…
Ein roter Lichtstrahl schoss aus der Dunkelheit auf sie zu. „Aaah!“, schrie Hermine. und wurde von ihrem Besen geschleudert. Obwohl sie nicht hoch geflogen war und in den anscheinend über Nacht gefallenen frischen Schnee fiel, schmerzte der Sturz sehr, da sie erneut auf ihrem gebrochenen Arm landete.
Sie griff nach ihrem Zauberstab doch in Sekundenschnelle war sie von über 50 Werwölfen umringt, die den Kreis um sie langsam immer enger zogen und auf sie zukamen.
„Lasst sie!“, schrie plötzlich eine Stimme von hinten. „Sie gehört mir!“
Die Werwölfe blieben stehen und eine Person drängte sich durch sie hindurch, kam mit ausgestrecktem Zauberstab auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen.
Hermine hielt ihren Zauberstab unsicher in der linken Hand währen der rechte Arm bewegungslos, und nun ein weiteres Mal gebrochen, im kalten Schnee lag. Hermine zitterte. Die Situation kam ihr nur allzu bekannt vor.
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