von timlarsson
Am nächsten Morgen wachte Hermine in Ginnys Armen auf deren Bett liegend auf. Beide lagen angezogen auf dem Deckbett und Hermine hatte keine genaue Erinnerung mehr, wie sie überhaupt in den Mädchenschlafsaal gekommen waren. Das einzige an das sie sich vom Vorabend noch erinnerte war Schmerz und diese entsetzliche Leere, die sie in sich spürte und die jetzt ein bisschen nachgelassen hatte. Sie blickte zur Seite. Ginny schlief noch. Anscheinend hatte sie ihre beste Freundin in der Nacht nicht alleine lassen wollen. „Danke!“, sagte Hermine leise zu der schlafenden Ginny, dann löste sie sich vorsichtig aus ihrer Umarmung allerdings nicht um aufzustehen, sondern um ihrerseits jetzt den Arm um Ginny zu legen, die sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck an Hermine anschmiegte.
Zwei Stunden später wachten beide auf, nachdem auch Hermine noch einmal eingeschlafen war. Ginny blickte als erstes besorgt zu Hermine, die sie zu ihrer Überraschung anlächelte.
„Tut mir Leid wegen gestern!“, sagte Hermine.
„Was?“, fragte Ginny verwundert.
„Dass ich Dich so angeschrieen habe weil Du mir nichts erzählt hast. Ich hatte nicht das Recht dazu“, erklärte Hermine.
„Du weißt aber schon noch, was McGonagall Dir gestern erzählt hat?“, fragte Ginny mit einem besorgten Blick.
„Dass meine Eltern tot sind, ja“, bestätigte Hermine, „aber ich habe wenigstens noch Dich und den Rest der Weasleys und Hogwarts.“
Ginny sah Hermine bewundernd an und eine Träne kullerte ihr aus dem Auge.
„Wein nicht, Ginny“, sagte Hermine, „ich kann nun wohl wenigstens endlich sicher sein, dass ich von allen Toten weiß. Irgendwie habe ich geahnt, dass so etwas passieren würde.“
„Meine Eltern würden Dich bei uns mit aufnehmen, Hermine“, sagte Ginny schnell, „es ist schon alles besprochen.“
„Ich weiß, dass sie das tun würden“, nickte Hermine, „aber ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt noch einmal in den Fuchsbau will. Alles würde mich dort an Ron erinnern.“
„Das hat ja noch Zeit“, sagte Ginny, „du musst das ja nicht heute entscheiden!“
„Genau!“, gab Hermine zurück und sie blickte aus dem Fenster des Mädchenschlafsaals. „Kommst Du nach dem Frühstück mit raus. Ich will die letzen warmen Sonnenstrahlen noch genießen.“
„Natürlich!“, sagte Ginny und dann standen sie auf, wuschen sich und gingen hinab in die große Halle und aufs Schlossgelände.
Hermines Herz war schwer. So schwer, wie es nie zuvor gewesen war. Bei allem fürchterlichen das sie bislang erlebt hatte war sie sich immer bei einer Sache sicher gewesen: Dass ihre Eltern nichts damit zu tun haben würden, weil sie keine Zauberer waren – weil sie ganz und gar nichts mit der Zaubererwelt anfangen konnten. Hermine erinnerte sich daran, wie unwohl ihren Eltern war, wenn sie in den ersten Jahren mit ihr in die Winkelgasse mussten, um die Schulbücher zu besorgen. Sie hatten sich nie beklagt aber man merkte ihnen an, dass sie sich komisch vorkamen unter all den Zauberern und Hexen, dass sie einfach spürten, dass sie nicht dazu gehörten. Und trotzdem haben sie nie darüber gesprochen, haben Hermine immer unterstützt in allem, was ihr wichtig war. Sie ließen sie frühzeitig ziehen, wenn Hermine schon in jungen Jahren einen Teil ihrer Ferien im Fuchsbau verbrachte und sie waren immer für Hermine da gewesen auch wenn es natürlich in Hermines Welt viele Probleme gab, die sie mit ihren Eltern nicht wirklich besprechen konnte. Doch trotzdem hörten sie ihr immer zu, trösteten sie oder sprachen ihr Mut zu. Hermine hätte keine anderen Eltern haben wollen und wenn sie hundertmal Zauberer gewesen wären doch nun hatte sie gar keine mehr, weil sie ermordet worden waren. Ermordet wegen ihr – weil sie überlebt hatte – genau wie Harry damals als Baby. Eigentlich war alles anders als bei ihm und doch gab es beängstigende Parallelen.
„Hermine?“, riss Ginny sie vorsichtig aus ihren Gedanken als sie gemeinsam am Stamm der Buche lehnten unter der auch Harry früher gerne zu sitzen pflegte.
„Ja?“
„Ich soll Dich von Professor McGonagall noch etwas fragen“, sagte Ginny. „Also sie hat mir das mal gesagt, wenn sie Dir diese Nachricht überbracht hätte, dass ich dann besser...“
„Was ist es denn?“, unterbrach sie Hermine, die keine Lust auf lange Entschuldigungen hatte..
„Ob Du eine eigene Beerdigung für Deine Eltern möchtest!“, sagte Ginny.
Hermine drehte ihren Kopf, der bisher stur in die Ferne geblickt hatte, zu Ginny. „Sie sind noch nicht beerdigt?“
„Nein, das heißt ja – also ne Muggelbeerdigung haben sie schon bekommen aber McGonagall meinte, die Zauberei hätte da so gewisse Möglichkeiten...“
„Moment“, unterbrach sie Hermine erneut, „soll dass heißen meine Eltern würden ein Zaubererbegräbnis bekommen, obwohl sie Muggel sind?“
Ginny nickte. „So hab ich das verstanden!“
„So was hat es doch noch nie gegeben“, wunderte sich Hermine.
„Das weiß ich ehrlich gesagt nicht“, gab Ginny zurück.
„Aber ich“, bekräftigte Hermine, „dass steht eindeutig in der Geschichte der Zauberei. Da sind sie eigentlich ganz eigen! Wer hat das denn genehmigt?“
„Wenn ich es richtig mitbekommen habe, war es Scrimgeour persönlich – allerdings auf Anraten von Henrik Leightons Vater.“
„Was?“, fragte Hermine.
Ginny schaute sie schulterzuckend an.
„Der kennt mich doch gar nicht“, sagte Hermine.
„Jeder kennt Dich!“, gab Ginny zurück.
Eine ganze Weile herrschte Stille und Hermine sah wieder regungslos in die Ferne. Dann fragte Ginny:
„Und? Willst Du eine Beerdigung?“
„Ja!“, sagte Hermine nach einem weitern kurzen Moment mit fester Stimme, „ja, das will ich!“
„Gut!“, sagte Ginny, „dann werde ich Professor McGonagall die Nachricht beim Abendessen überbringen!“
Hermine nickte und ein bisschen, ein ganz kleines bisschen – wenn man davon überhaupt reden konnte – fühlte sie sich schon wieder besser.
Die Nachricht vom Tod von Hermines Eltern verbreitete sich - jetzt da sie nicht mehr geheim gehalten werden musste - wie ein Lauffeuer an der ganzen Schule. Niemand sprach Hermine an, als sie zum Abendessen in die große Halle ging. Einige warfen ihr betretene, mitleidige Blicke zu – andere benahmen sich bewusst unauffällig, als wäre nichts geschehen. Lediglich Fred und George warfen ihr ein kurzes „Tut uns wirklich Leid, Hermine!“, entgegen, als sie sich an ihren Platz setzte.
Am Abend im Gemeinschaftsraum war es das Gleiche. Nur Ginny war bei ihr aber sie sprachen nicht viel. Fred und George hielten sich bewusst mit allem zurück und waren dann früher als sonst im Jungenschlafsaal verschwunden. Schließlich war es fast Mitternacht und nur Hermine und Ginny, die gerade kräftig gähnen musste, saßen noch im Raum.
„Du kannst ruhig ins Bett gehen, Ginny“, sagte Hermine, die seit Stunden fast unablässig ins Kaminfeuer starrte und ihren Gedanken nachhing, „ich komme nach, sobald ich das Gefühl habe, schlafen zu können.“
„Wirklich?“, fragte Ginny zweifelnd.
„Ja, geh nur“, gab Hermine zurück.
„Gut. Dann bis gleich“, sagte Ginny und verschwand ebenfalls auf der Treppe zu den Schlafsälen.
Nun war Hermine alleine und sie starrte unentwegt, Stunde um Stunde, in das Kaminfeuer. Den ganzen Abend hatte sie an ihre Eltern gedacht. Ihr Tod hatte sogar Ron und Harry für einen Moment aus ihrem Kopf verdrängt und Hermine fragte sich, wie viel Schmerz sie wohl noch würde ertragen können – oder vielleicht sogar müssen. Im Grunde genommen war für sie alles besser gelaufen, solange Voldemort noch da gewesen war. Zumindest waren immer ihre Eltern und ihre Freunde da gewesen. Jetzt aber war sie alleine. Alle waren tot. Nur die Familie ihres Freundes war ihr noch geblieben. Aber was heißt nur? Hermine dachte an Harry, wie er erzählt hatte, unter welchen Bedingungen er die ersten 11 Jahre seines Lebens aufgewachsen war. Im Vergleich dazu hatte Hermine es ja noch geradezu gut und Harry hatte sich nie beklagt. Im Gegenteil: Er war einfach schon froh, in Hogwarts sein zu dürfen, trotz dem Schicksal, dem er seit seiner Geburt ausgeliefert war. Er hatte seine Eltern nicht einmal kennengelernt. Von Ginny hatte er sich schweren Herzens getrennt – aus reinem Verantwortungsbewusstsein, und nicht etwa, weil er es wirklich selber wollte. Und als er mit Sirius gerade so etwas wie eine Familie gefunden hatte, wurde ihm auch diese Hoffnung wieder zunichte gemacht. Hermine war wenigstens 18 Jahre glücklich aufgewachsen auch wenn sie in den letzten Jahren kaum noch bei ihren Eltern gewesen war, was sie jetzt ein wenig bereute. Aber trotzdem ging es ihr doch gut, im Vergleich zu dem, was Harry hatte durchmachen müssen?!
Hermine blickte angestrengt in die Flammen als hoffe sie, dass irgendein vertrautes Gesicht darin erscheinen würde, wie das von Sirius damals, aber alle Gesichter die sie in den Flammen sah, entstanden nur vor ihrem geistigen Auge und waren Erinnerungen – schöne Erinnerungen.
„Chrrm, chrrm!“, räusperte sich plötzlich jemand hinter ihr. Hermine wirbelte herum. Es war Henrik Leighton und er stand im Pyjama vor ihr.
„Entschuldige, ich wusste nicht, dass noch jemand hier ist um diese Zeit“, sagte er.
„Wieso? Wie spät ist es denn?“, fragte Hermine.
„Gleich halb drei!“, gab Henrik zurück.
„Und was machst Du um diese Zeit hier?“, fragte Hermine.
„Ich konnte nicht schlafen“, sagte er. „Du sicher auch nicht!?“
Hermine schĂĽttelte den Kopf.
„Tut mir Leid, das mit Deinen Eltern. Ich…“
„Ist schon gut, Henrik“, unterbrach Hermine ihn, „ich werde das schon irgendwie auf die Reihe bekommen.“
„Ja, da bin ich mir sicher“, sagte Henrik, „aber wenn ich Dir mal irgendwie helfen kann, dann sag’s mir einfach, okay?“
„Okay!“, sagte Hermine und lächelte zu ihm herüber.
„Na gut, dann lass ich Dich jetzt wohl mal besser wieder alleine“, sagte Henrik und wandte sich zum gehen doch Hermine hielt ihn auf.
„Warte mal!“, rief sie.
Henrik blickte sich verwundert um.
„Setzt Dich doch ruhig einen Moment zu mir“, sagte Hermine, „natürlich nur wenn Du willst!“
Henrik Leighton nickte nur kurz, dann kam er zum Kamin und setzte sich in den Sessel neben Hermine.
„Beruhigend so ein Feuer, vor allem wenn man große Sorgen hat, nicht?“, sagte Henrik, während sie nun beide in die Flammen starrten.
„Hattest Du schon mal welche?“, fragte Hermine.
„Oh, naja“, gab Henrik zurück, „natürlich nicht im Entferntesten solche wie Du. Nur das Übliche: Probleme mit Mitschülern und so und als meine Oma damals gestorben ist, das ist mir ziemlich Nahe gegangen.“
„Du warst doch in Durmstrang bisher, oder?“, fragte Hermine.
Henrik nickte.
„Wie war es denn da?“, fragte Hermine neugierig.
„Nicht gut“, sagte Henrik, „die meisten Mitschüler mochten mich nicht. Ich glaube sie hatten Vorbehalte gegen uns Engländer. Manchmal dachte ich, die Mehrzahl der Schüler wären Anhänger von Du-weißt-schon-wem!“
„Kennst Du Viktor Krum?“, fragte Hermine.
„Den Quidditch-Spieler?“, fragte Henrik, „Klar!“
„Und? Wie war er so?“ fragte Hermine
„Naja, es ging“, antwortete Henrik, „er wirkte ein wenig arrogant, fand ich immer. War auch ziemlich wortkarg und nicht übermäßig intelligent wenn man mich fragt. Quidditch-Spieler eben!“
Hermine musste leicht grinsen, was Henrik jedoch nicht sehen konnte.
„Sag mal, Harry Potter und Ron Weasley waren doch gute Freunde von Dir?“, fragte Henrik vorsichtig.
„Die Besten!“, gab Hermine zurück.
„War einer von den beiden…also, warst du mit einem davon….naja, du weißt schon“, druckste Henrik rum.
„Ja, war ich“, sagte Hermine. „Mit Ron!“
„Oh!“, sagte Henrik überrascht, „dann war das für Dich ja sicher alles noch schlimmer als sowieso schon?“
Hermine nickte stumm.
„Wusstest Du das denn nicht?“, fragte Hermine nach einer Weile.
„Was?“, fragte Henrik.
„Dass Ron mein Freund war!“
„Nein! Woher denn?“
„Naja, war ja kein Geheimnis“, sagte Hermine, „ich dachte vielleicht hätte es Dir irgendjemand erzählt.“
„Nein“, sagte Henrik, „ich habe eigentlich noch mit niemanden über Dich gesprochen.“
„Nicht?“, fragte Hermine verwundert.
„Nein!“
„Mit Deinem Vater auch nicht?“
„Mit meinem Vater? Wie kommst Du denn darauf?“
„Naja, ich dachte. Sein Name wurde mir gegenüber schon ein paar Mal erwähnt.“
„Ja, er ist ein ziemlich hohes Tier im Ministerium halt, seit wir wieder hier sind. Aber wir haben nie über Dich gesprochen außer das ich ihm mal erzählt hab, dass wir ein paar Kurse zusammen haben, mehr nicht!“
„Weißt Du denn etwas über diese Sondereinheit, die er leitet?“, fragte Hermine.
„Nein!“, antwortete Henrik. „Ich weiß gerade soviel, dass er eine Sondereinheit leitet und dass es irgendwie um die Todesser geht. Aber worum sollte es auch sonst gehen? In Durmstrang liefen ja auch genug von denen rum. Ich bin echt froh, dass ich da weg bin und hier in Hogwarts sein darf.“
„Das hab ich schon mal von Jemandem gehört“, flüsterte Hermine.
„Was?“, fragte Henrik.
„Ach, nichts!“, antwortete Hermine
„Ich glaube, ich sollte langsam wieder ins Bett gehen sonst bricht bei mir morgen die große Müdigkeit aus“, sagte Henrik nach einer kurzen Pause.
„Na, was soll’s“, gab Hermine zurück, „morgen haben wir doch erstmal zwei Freistunden.“
„Ja, aber in denen wollte ich eigentlich noch meine Aufgaben erledigen und deswegen kann ich mir länger schlafen eigentlich nicht leisten. War etwas faul gestern“, sagte Henrik, dann fügte er hinzu: „Sag mal, ist vielleicht ein blöder Moment das zu fragen aber hast Du morgen Nachmittag vielleicht irgendwann Zeit für mich?“
Hermine überlegte einen Moment. „Ja, das wird schon gehen“, sagte sie dann, „in welchem Fach soll ich Dir denn helfen?“
„Helfen? Fach?“, fragte Henrik verwirrt. „Ach so, nein, da hast Du mich falsch verstanden. Ich wollte keine Hilfe bei den Hausaufgaben von Dir, ich wollte einfach so mal fragen, ob Du Zeit hast!“
Hermine wurde rot im Gesicht denn es war ihr auĂźerordentlich peinlich, dass sie nicht bemerkt hatte, dass Henrik Leighton versucht hatte, sich mit ihr zu verabreden.
„Wenn Du keine Lust hast, ist das kein Problem“, sagte Henrik schnell, „ich kann das schon verstehen.“
Hermine überlegte einen Moment. Damit hatte sie nicht gerechnet – überhaupt nicht. Sie fühlte sich tatsächlich ein wenig geschmeichelt aber sie war sich unsicher, was sie tun sollte.
„Ich weiß nicht, Henrik, ich…“
„Es ist wegen Ron, oder?“, fragte er vorsichtig.
Hermine nickte. „Es ist noch alles so frisch“, sagte sie, „ich glaube, ich wäre keine gute Unterhalterin.“
„Das würde mich nicht stören!“ sagte Henrik.
„Trotzdem!“, entgegnete Hermine.
„Schade“, meinte Henrik und stand auf, „aber wie ich schon sagte: Ich kann Dich gut verstehen.“
Dann ging er auf die Treppe zu den Schlafsälen zu.
Hermine blickte ihm nach. „Warte mal!“, rief sie, kurz bevor er die Treppe erreicht hatte.
Henrik wirbelte herum und schaute sie abwartend an.
„Frag’ mich einfach in ein paar Wochen noch mal, okay?“, sagte Hermine.
„Das werd’ ich machen“, entgegnete Henrik und ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht, dann drehte er sich wieder um und verschwand im Treppenaufgang.
„Miss Granger, gut dass ich Sie hier treffe“, sagte Professor McGonagall zu Hermine, die auf einem der Plätze des ansonsten vollkommen leeren Quidditch-Stadions saß. Sie war dorthin gegangen, weil sie sich noch einmal an Ron und Harry erinnern wollte. Hier waren sie beide immer glücklich gewesen. Harry, wenn er dem goldenen Schnatz hinterher jagte und Ron, wenn er wieder einmal den Quaffel abwehren konnte auch wenn es bei ihm etwas länger gedauert hatte, bis er zu einem wirklich guten Quidditchspieler geworden war. Hermine hatte Quidditch nie übermäßig gemocht und trotzdem war sie bei jedem Spiel ihrer Freunde dabei gewesen und hatte sie angefeuert, so laut und so stark sie konnte. Nun saß sie hier und vor ihrem Auge war das Stadion voll und sie hörte die Stimme des Sprechers und sah die Quidditchspieler auf ihren Besen durch die Luft schwirren und sie meinte fast zu spüren, welches Glück Harry und Ron dabei empfanden. Erst die Stimme von Professor McGonagall holte sie aus ihren Tagträumen zurück.
„Oh, Professor McGonagall. Ich habe sie gar nicht kommen hören.“
„Nun, ich bin froh, Sie überhaupt so aufgeräumt hier vorzufinden“, sagte Professor McGonagall und blickte sie besorgt an. „Das waren noch Zeiten, als meine größte Sorge die Aufstellung des Gryffindor-Quidditchteams war.“ Sie nahm auf dem Sitz neben Hermine Platz und blickte in das weite Rund.
„Professor McGonagall“, sagte Hermine, „ich wollte mich noch bei Ihnen bedanken. Wegen der Beerdigung.“
„Bedanken?“, rief Professor McGonagall, „bei mir? Ach Kindchen! Da bedanken sie sich mal lieber beim Zaubereiministerium. Ich hätte mir nicht mal angemaßt eine derartige Anfrage zu stellen. Es war Scrimgeour persönlich, der mir eine Zaubererbestattung für Ihre Eltern anbot.“
„Aber warum tut er das?“, wunderte sich Hermine.
„Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen“, sagte McGonagall. „Vielleicht will er Ihnen auf diese Weise einfach danken, für das, was sie alles getan haben aber eigentlich ist das nicht so seine Art, denke ich.“
Einen Moment lang sagten beide nichts, dann fuhr McGonagall fort: „Aber wegen der Beerdigung bin ich hier. Ginny Weasley hat mir mitgeteilt, dass sie eine Beerdigung wünschen?“
Hermine nickte.
„Gut, Miss Granger. Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, wird sie am kommenden Sonntag stattfinden. Sie brauchen sich um nichts weiter zu kümmern. Ich werde Sie persönlich im Gryffindor Gemeinschaftsraum abholen.“
„Aber wo findet die Beerdigung denn statt?“, fragte Hermine.
„Auf dem Highgate-Friedhof in London natürlich. Da wo auch ihre Großeltern begraben liegen“, sagte McGonagall
„Aber da geht es nicht gerade ruhig zu. Fallen wir da nicht auf, wenn wir eigenmächtig eine Trauerfeier vollziehen?“
„Oh, um die Muggel kümmern wir uns schon. Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Miss Granger!“
Die nächste Woche verging erschreckend langsam. Hermine konnte sich kaum auf den Unterricht konzentrieren, je näher der Sonntag rückte und das obwohl die Lehrer bereits jetzt das Tempo ein wenig mehr anzogen, als Vorgeschmack auf die UTZ-Prüfungen im nächsten Frühjahr. Hermine fragte sich gar manchmal, ob es richtig war, dass sie hier war und ihre UTZe machte anstatt nach Harry oder Ron zu suchen aber Ginny und vor allem Fred und George versicherten ihr, dass es die richtige Entscheidung war denn andernfalls hätten sie ja erst Recht nach ihnen suchen müssen. Nach Ron, weil er ihr Bruder war und nach Harry, weil er mit seinem Geld den Scherzartikelladen erst möglich gemacht hatte.
Als es dann schließlich Sonntag war, saß Hermine mit angespanntem Magen im Gemeinschaftsraum und wartete auf Professor McGonagall. Sie hatte zum Frühstück kaum einen Bissen runter bekommen und ihr war hundeelend zumute. Fred, George und Ginny waren nach dem Frühstück in die Bibliothek gegangen, um ihre Aufgaben in Pflege magischer Geschöpfe zu erledigen und die anderen Schüler waren an diesem Tag ausnahmslos auf dem Schlossgelände unterwegs, denn es war vermutlich der letzte warme Tag des Jahres.
Als Professor McGonagall dann schließlich in den Gemeinschaftsraum kam, saß Hermine ganz in schwarz gekleidet in einem der Sessel und so sehr sie sich versuchte Mut zuzureden, so zitterten ihr doch die Hände.
„So, Miss Granger, wir können aufbrechen“, sagte McGonagall und hielt das Portrait der fetten Dame auf. Hermine stand auf und gemeinsam schritten sie die Treppen hinunter in Richtung Eingangshalle.
„Wie werden wir dorthin reisen?“, fragte Hermine.
„Zunächst mit Flohpulver zum Grimmauldplatz 12 und von da können wir dann apparieren“, sagte McGonagall.
Unten bogen sie in den Flur ein, der zu Professor McGonagalls altem Büro führte, in dem sie arbeitete, bevor sie Direktorin wurde und das seitdem leer stand. Dort angekommen öffnete sie die Tür und bat Hermine herein. Soviel hatte sich an dem Büro nicht verändert, nur dass es ziemlich aufgeräumt war.
„Haben Sie eigentlich noch keinen Nachfolger als Lehrer für Verwandlung finden können?“, fragte Hermine während sie sich umsah.
„So kann man das sagen“, gab McGonagall zurück, „aber um ganz ehrlich zu sein: Ich kann mich auch etwas schwer davon trennen, sie alle weiterhin zu unterrichten. Ich denke, ich werde erst zum Beginn des nächsten Schuljahres eine geeignete Lehrkraft finden.“
Sie traten vor den Kamin in ihrem BĂĽro.
„Sie zuerst!“, sagte McGonagall und hielt Hermine einen steinernen Krug mit Flohpulver hin.
Hermine nahm eine handvoll, trat in den Kamin, sagte „Grimmauldplatz!“ und warf das Flohpulver aus der Hand. Mit einer grünen Stichflamme war sie verschwunden. Sekunden später tauchte sie im Kamin in der Küche des Grimmauldplatzes wieder auf. Sie trat aus dem Kamin und blickte sich um. Es hatte sich nicht allzu viel geändert, nur hatte sie dieses Haus nie leer erlebt und es beschlich sie ein ungutes Gefühl, alleine hier zu sein. Doch schon im nächsten Moment tauchte Professor McGonagall im Kamin auf und trat aus ihm heraus in die Küche.
„Wo ist Kreacher?“, fragte Hermine.
„Nicht hier!“, antwortete McGonagall nur. „Halten sie meinen Arm fest, wir apparieren gemeinsam!“
Hermine war etwas unwohl zumute. Es war zwar nicht das erste Mal, das sie mit jemandem Seit-an-Seit apparierte aber es war immer ein ungutes Gefühl gewesen, vor allem wenn es jemand anderes war, der den Zielort bestimmte. Aber Hermine hatte gar keine Wahl und so ergriff sie Professor McGonagalls Arm und schon wenig später wurde sie gezogen und geschoben zugleich. Ihr wurde etwas schwindelig und ihr ohnehin schon nervöser Bauch zog sich zusammen, doch dann stand sie schon gemeinsam mit McGonagall vor einem großen eisernen Gittertor, an dessen beiden Seiten große Eichen standen und dass nach oben hin zu einem Rundbogen geformt war auf dem in gebogenem Eisen „Highgate-Friedhof“ stand.
Gemeinsam gingen sie durch das Tor. Zu ihrer Rechten stand eine kleine Kirche, die Friedhofskapelle, zu ihrer Linken waren Wasserspeier, unzählige Gießkannen, Schubkarren und weiteres Gartengerät und geradeaus ging es zu den Gräbern.
Professor McGonagall ging geradeaus weiter und Hermine folgte ihr. Sie beschritten einen Gang, der an den vorderen Gräbern vorbeiführte, bogen dann nach rechts ab, ein paar Meter weiter nach links und dann wieder nach rechts. Sie kamen an einem älteren Muggelehepaar vorbei, das gerade auf einem Grab Unkraut zupfte und sie nun freundlich grüßte. Während Hermine ihnen ein „Guten Tag!“ entgegen warf, nickte McGonagall ihnen nur mit dem Kopf zu und beschleunigte ihren Gang ein wenig. Noch einmal bog sie rechts ab und blieb dann an einer weiteren Einbiegung zu einem Gang stehen.
„So, hier ist es!“, sagte McGonagall.
„Das stimmt nicht, Professor“, entgegnete Hermine, „das Grab muss etwas weiter dort hinten sein. Ich war als kleines Mädchen schon mal hier!“
„Das stimmt“, erklärte McGonagall, „aber ab hier hat das Ministerium den Friedhof magisch abgeriegelt.“
„Sind wir denn ganz alleine hier?“, fragte Hermine, die sich umblickt und im ganzen Umkreis nur das Muggelehepaar sah, an dem sie vorbei gekommen waren.
„Das Passwort ist Zaubererbegräbnis!“, sagte McGonagall ohne auf Hermines Frage einzugehen.
„Passwort wofür?“, fragte Hermine.
„Für die magische Absperrung“, erklärte McGonagall, „Sie stehen direkt davor! Gehen Sie nur!“
Hermine blickte McGonagall verwundert an, die nur auffordern nickte.
„Zaubererbegräbnis!“, sagte sie, dann trat sie einen Schritt nach vorne doch nichts veränderte sich. Sie blickte sich erneut zu McGonagall um, die wieder nur auffordernd nickte. Hermine machte einen weiteren Schritt und während sie das tat, begann das Bild vor ihr sich plötzlich zu verändern. Von einem Moment auf den anderen standen mehrere Personen dort, ein Grab etwas weiter hinten war geöffnet – zwei hölzerne Särge standen daneben und ein Priester stand mit einem Buch in der Hand daneben.
„Sagen sie Bescheid, wenn sie bereit sind“, flüsterte McGonagall ihr ins Ohr, die ihr durch die Absperrung gefolgt war und jetzt zu den Weasleys hinüber ging. Hermine blickte sich um. Es waren wirklich alle Leute gekommen, die ihr noch geblieben waren: Mr. und Mrs. Weasley - Fred, George und Ginny, die also gar nicht in die Bibliothek gegangen waren – Bill und Fleur – Professor Flitwick war ebenfalls dort, genauso wie Professor Sprout und Professor Slughorn. Mad Eye Moody war gekommen, er stand zwischen Remus Lupin und Kingsley Shacklebolt. Neville Longbottom stand bei den Weasleys neben einem jungen Mann, der aussah wie Gryffindors ehemaliger Quidditch-Kapitän Oliver Wood und etwas Abseits vom Geschehen stand Rufus Scrimgeour und neben ihm ein Mann, den Hermine nicht kannte, der ihr aber doch irgendwie bekannt vorkam. Alle trugen sie schwarze Kleidung, sprachen kaum und wenn, dann flüsterten sie miteinander.
Hermine trat langsam ein paar Schritte nach vorne bis sie schließlich vor den noch geöffneten Särgen ihrer Eltern stand. Schließlich trat sie auch die letzten Schritte nach vorne und nun blickte sie ihren toten Eltern in die Gesichter. Ganz friedlich lagen sie da, in ihren Särgen, und ein leichtes Lächeln lag auf ihren Gesichtern als würden sie gerade etwas Angenehmes träumen. Hermine stand da und betrachtete sie eine ganze Weile. Sie wünschte sich, ihre Eltern würden gleich erwachen und sie fragen, was sie hier täte aber sie wusste, dass sie niemals mehr ihre Stimme hören oder ihre Augen sehen würde, die jetzt geschlossen waren.
Dann rollte eine Träne aus Hermines Auge, schließlich eine weitere und schließlich begann sie, immer noch regungslos vor dem Grab stehend, hemmungslos zu weinen. Niemand der umstehenden Personen sagte etwas. Einige weinten ebenfalls leise und rieben sich mit Tüchern die Tränen aus den Augen. Hermine schluchzte immer wieder, zuerst leise, doch dann immer lauter, aber sie bewegte sich nicht. Sie stand fest und es machte nicht den Eindruck als würden ihr die Knie weich werden. Schließlich, nach endlosen Minuten, ließ das Schluchzen nach und Hermine holte ein Tuch aus ihrem schwarzen Umhang und wischte sich damit die Augen. Dann trat sie an die Särge ihrer Eltern heran und gab beiden einen langen Kuss auf die Stirn. „Danke für Alles!“, flüsterte sie, dann trat sie wieder einen Schritt zurück und signalisierte dem Priester mit einem Nicken, dass er mit der Trauerfeier beginnen konnte.
Der Priester hob die rechte Hand und der Himmel über Hermine verdunkelte sich langsam aber er wirkte keineswegs bedrohlich. Im Gegenteil: Das eher nebelig wirkende Weiß des Winterhimmels verwandelte sich in ein dunkles, majestätisch anmutendes Blau und der Himmel war plötzlich übersäht mit Lichtern, als wären alle Sterne des Universums ganz nah an die Erde herangerückt und ihr Licht erhellte den Friedhof unter Ihnen mit einem warmen, goldenen Schein. Über dem offenen Grab stieg ein Licht empor, gleich einer Sonne, deren Strahlen in vielen Millionen Lichtspiegelungen glitzerten als hätte jemand unzählige Schnipsel aus Alufolie hineingeworfen und sie schienen genau in die beiden Särge, die das Licht der Strahlen wie ein Spiegel reflektierten und sich so deutlich von ihrer Umgegend abhoben. Dann verdunkelte sich das Licht und es erschien ein Bild über dem Grab, ähnlich einem Hologramm und die Sonne war dahinter nur noch schwach zu erkennen. Das Bild zeigte Hermines Eltern mit einem Baby. Hermines Mutter lag in einem Bett eines Muggelkrankenhauses und hielt das Kind, während Hermines Vater auf der Bettkante saß und glücklich in die Kamera lächelte. Wie immer das gemacht worden war: Es war ein Zaubererfoto und Hermines Eltern bewegten sich darauf genauso wie Hermine selbst, denn offensichtlich war sie das Baby in den Armen ihrer Eltern. Dann veränderte sich das Bild. Hermine war etwa 6 Jahre alt und mit einer Schultüte stand sie dort, direkt vor ihren Eltern, die glücklich lächelten während ihr Vater ihr sanft über die Haare strich. Das Bild veränderte sich wieder: Hermines Eltern saßen am Küchentisch und ein Brief mit dem Hogwartssiegel lag darauf. Hermines Eltern wirkten verwirrt. Wieder änderte sich das Bild: Hermines Eltern standen im Geschäft von Olivander. Im Hintergrund sah man den Ladenbesitzer mit Hermine reden, die einen Zauberstab in der Hand hielt. Schon kam das nächste Bild: Hermine stand mit ihren Eltern genau vor der Absperrung zu Gleis Neundreiviertel und ihre Mutter schloss sie fest in die Arme. Das nächste Bild: Hermines Vater behandelte einen Patienten in seiner Zahnarztpraxis. Auf dem Tisch ihm gegenüber stand ein Foto von Hermine, die ihre Gryffindor-Schuluniform trug. Ihr Vater blickte auf das Foto und ein Lächeln flog über sein Gesicht. Das nächste Bild: Wieder in der Zahnarztpraxis. Wieder war jemand im Behandlungsraum ihres Vaters aber dieser Jemand trug wie er einen weißen Kittel. Es war Hermines Mutter. Sie hielten sich gegenseitig im Arm und betrachteten das Foto ihrer Tochter. Sie wirkten sehr glücklich. Noch einmal änderte sich das Bild: Hermines Eltern sprachen mit einer Frau, die man nur von hinten sehen konnte. Sie hatte eine altmodische Frisur und ihre Kleidung wirkte so als wenn sich eine Hexe mühsam versucht hatte als Muggel zu verkleiden. Was immer die Frau ihren Eltern sagte, sie wirkten sehr erleichtert. Hermine fragte sich, wer die Frau sein konnte, da drehte sie ihr Gesicht zu ihr. Es war Professor McGonagall! Das Bild änderte sich noch einmal: Hermines Eltern standen einfach da, Hermine vor ihnen. Es war ein ganz normales Muggelfoto, denn es bewegte sich nicht. Hermine erinnerte sich, dass es in den Sommerferien vor ihrem 7. Jahr in Hogwarts gemacht worden war. Das letzte Mal, dass sie ihre Eltern lebend gesehen hatte. Dann wurde die Sonne hinter dem Bild wieder heller und langsam verschwanden die Umrisse des Bildes in den Lichtstrahlen, die jetzt wieder so hell waren wie zuvor und die Särge leuchten ließen, deren Deckel sich jetzt langsam schlossen, während die Särge selber sich vom Boden erhoben und in der Luft schwebten. Als beide Sargdeckel geschlossen waren, begannen die Strahlen der Sonne sich zu bewegen als würden sie die Särge durch die Luft tragen, die mit den Strahlen sich jetzt über das geöffnete Grab bewegten und langsam nach unten glitten. Nach und nach verschwanden die Särge im Grab und schließlich konnte man sie nicht mehr sehen und die ausgehobene Erde, die neben den Gräbern lagerte, rieselte langsam von selber wieder zurück, bis es schließlich ganz gefüllt war und innerhalb von Sekunden Blumen in den prächtigsten Farben aus der Erde sprossen und ein Grabstein am Ende des Grabes erschien. Die Sonne bewegte sich direkt über das gerade zugeschüttete Grab, auf dem ein großes in Leder eingebundenes Buch lag, dass sich jetzt, wo die Strahlen es berührte, umblätterte, Seite für Seite, und als es an der letzten Seite angekommen war erhob es sich ebenfalls in die Lüfte und die Strahlen der Sonne schienen es zu dem Priester zu tragen, der es mit offenen Armen aufnahm, es zuschlug und auf Hermine zuging. Er verbeugte sich vor ihr und instinktiv tat Hermine es ihm gleich, dann gab er ihr das Buch und trat wieder zurück an seinen Platz. Die Sonne sank nun langsam herab und wurde kleiner. Sie stand direkt vor dem Grabstein und ihr Licht wurde immer schwächer. Die Strahlen zogen sich zurück, als würden sie von dem Grabstein aufgesogen und schließlich blieb nur noch eine klitzekleine, leuchtende Sonne über, die aus dem Grabstein, direkt über dem Namen von Hermines Eltern, leuchtete und schließlich verschwand auch dieses Leuchten und nunmehr war nur noch eine weiße, wie hinein gemeißelte Sonne zu sehen. Die Sterne über Hermine verschwanden langsam wieder und der Himmel erhellte sich und bald war alles wieder wie zuvor.
Der Priester trat noch einmal an Hermine heran.
„In Gedanken sind Ihre Eltern bei Ihnen, Miss Granger. Vergessen Sie das nie!“, sagte er.
„Danke für die wundervolle Beerdigung“, gab Hermine zurück und eine einzelne Träne kullerte aus ihrem linken Auge.
„Kann eine Beerdigung wundervoll sein?“, fragte der Priester, dann deutete er mit seinem Blick auf all die anderen Personen und Hermine wandte sich um und als erstes kam Ginny auf sie zugestürzt.
„Hermine, es tut mir alles so Leid für Dich. Wenn Du in Zukunft irgendetwas brauchst, ich bin immer da für Dich“, sagte sie.
„Danke Ginny!“, sagte Hermine und die beiden Mädchen nahmen sich fest in den Arm, „ich bin wirklich froh, dass es Dich gibt!“
Schließlich trat Ginny zur Seite und Mr. und Mrs. Weasley traten an Hermine heran. „Hermine!“, rief Mrs. Weasley nur und sie drückte Hermine an sich und hielt sie fest, so lange wie sie meinte, dass man dann ihre Tränen nicht mehr sah. „Ginny hat Dir ja sicher schon gesagt, dass Du jederzeit bei uns willkommen bist“, sagte Mrs. Weasley als sie sich wieder von Hermine gelöst hatte, „ich hoffe wir können in den Weihnachtsferien mit Dir rechnen?“
„Ähh, gerne!“, gab Hermine etwas zögernd zurück. Sie hatte nach wie vor Angst, dass die Erinnerung an Ron ihr zu viele Schmerzen bereiten würde, wenn sie in den Fuchsbau zurück ginge aber andererseits wusste sie auch nicht, wo sie sonst hin sollte und in Hogwarts bleiben wollte sie auch nicht unbedingt.
„Schön!“, sagte Mrs. Weasley zufrieden und tätschelte ihr die Schulter während sie beiseite trat.
„Mein allerherzlichstes Beileid, Hermine!“, sagte jetzt Mr. Weasley, der an Hermine herangetreten war und ihr beide Hände väterlich auf die Schultern legte.
„Danke, Mr. Weasley“, sagte Hermine, „aber das gleiche wünsche ich Ihnen auch.“
„Wie?“, fragte Mr. Weasley irritiert. „Ach so, wegen Ron. Ja danke, aber bei aller Bescheidenheit: Ich glaube es hat Dich noch ein bisschen schlimmer getroffen als die Weasleys.“
Hermine versuchte zu lächeln doch so richtig gelang es ihr nicht.
„Hermine, wir haben Dich und Harry stets angesehen, wie unsere eigenen Kinder“, erklärte Mr. Weasley, „und daran wird sich auch nichts ändern. Du brauchst also keine Angst haben, dass wir Dich als eine Art Ersatz für Ron sehen, wenn wir Dich einladen aber es würde und sehr freuen, wenn Du unser Angebot annehmen und in den Ferien zu uns kommen würdest – und natürlich auch sonst, wann immer Du Lust dazu hast.“
„Danke Mr. Weasley!“, sagte Hermine.
“Ich danke Dir, Hermine!”, entgegnete Mr. Weasley, dann trat er zur Seite.
„Tja Hermine, mein herzlichstes Beileid“, sagte Fred ungewohnt unsicher, der jetzt vorgetreten war.
„Ja, von mir auch“, gab George dazu.
„Danke, ihr Zwei“, sagte Hermine und sie umarmte beide herzlich. „Ich bin sehr froh, dass ihr wieder nach Hogwarts gekommen seid auch wenn ihr es nicht wegen mir getan habt.“
„Ääh ja“, stotterte Fred, „keine Ursache.“
„Irgendwer muss den Laden da ja aufheitern“, fügte George hinzu und dann traten beide zur Seite.
„Allo Ährminä! Mein ährzlichstes Beileid!“, sagte jetzt Fleur, die mit ihrem Mann Bill herangetreten war.
„Von mir auch, Hermine“, sagte Bill, „und was immer Mutter Dir gesagt hat, nimm ihr Angebot an! Uns wäre allen nicht wohl dabei, wenn Du über Weihnachten alleine in Hogwarts bleiben würdest.“
„Danke!“, sagte Hermine.
Als nächster kam Moody an die Reihe.
„Nun, Hermine, ich bin nicht so gut darin, wenn es darum geht, die richtigen Worte zu finden“, sagte er.
„Ich finde es schon gut genug, dass Du da bist“, unterbrach ihn Hermine.
„Ehrensache!“, sagte Moody. „Wenn zwei Menschen eine so großartige Tochter großziehen wie sie es sind, haben sie in jedem Falle meinen Respekt verdient – auch wenn es nur Muggel sind.“
Hermine lächelte ihn an.
Als nächstes stand Lupin vor ihr und nahm sie in den Arm. Sein Gesicht sah müde und verletzt aus und Hermine fiel ein, das die letzte Vollmondnacht erst zwei Nächte her war.
„Mein Beileid, Hermine“, sagte er. „Von allen Verluste die wir erlitten haben ist dieses wohl der sinnloseste und es schmerzt mich mehr als alles andere, dass gerade Du ihn erleiden musstest – nach allem was Du schon durchgemacht hast.“
„Danke, Remus“, sagte Hermine und blickte ihn besorgt an. „Geht es Dir gut?“, fragte sie.
„Es geht schon wieder bergauf“, gab Lupin mit einem gequälten Lächeln zurück, „aber wie es mir geht ist heute nicht wichtig!“ Damit trat er zur Seite und Professor Flitwick, Professor Slughorn und Professor Sprout traten an sie heran und taten ihr Beileid kund ebenso wie wenig später Kingsley Shacklebolt und Neville, der überhaupt kein Wort heraus brachte aber eine ganze Weile Arm in Arm mit Hermine dort stand, was Hermine mindestens genauso gut gefiel.
SchlieĂźlich trat der junge Mann an sie heran, den sie am Anfang nur flĂĽchtig wahrgenommen hatte.
„Mein herzlichstes Beileid, Hermine“, sagte er und schüttelte ihr die Hand.
„Wood?“, fragte Hermine.
„Ich bin eigentlich mit dem Minister hier“, entschuldigte sich Oliver Wood, der in Hermines ersten Jahren in Hogwarts der Kapitän der Quidditch-Mannschaft gewesen war, „aber ich wollte Dir zumindest persönlich mein Beileid mitteilen. Ich hab Euch immer gemocht, Harry, Ron und Dich!“
„Danke Oliver“, sagte Hermine und sie lächelte ihn freundlich an, denn diese Geste fand sie wirklich nett auch wenn sie nicht so Recht wusste, was er mit dem Ministerium zu tun hatte.
Als letzte trat Professor McGonagall an sie heran.
„Miss Granger!“, sagte sie und ihre Augen waren feucht. „Ich hoffe sehr, dass wie unsere Gespräche in der Zukunft zu angenehmeren Anlässen führen können.“
„Das hoffe ich auch, Professor. Sehr sogar!“, erwiderte Hermine.
„Eine Sache noch, Miss Granger“, sagte McGonagall, „würden Sie bitte das Buch aufschlagen. Ich bin ihnen dazu noch eine Erklärung schuldig.“
Hermine blickte nach unten und hob das Buch auf, dass der Priester ihr gegeben und das sie vorübergehend im Gras abgelegt hatte. Sie betrachtete den Ledereinband, auf dem mit verschnörkelten goldenen Buchstaben die Namen ihrer Eltern mit deren Geburts-, Heirats- und Todesdaten standen. Hermine schlug das Buch auf und darin befanden sich die gleichen Fotos, dieselben Bilder, die sie eben noch über ihrem Grab gesehen hatte. Hermine blätterte das Buch langsam durch und mit jeder Seite, die sie blätterte, kamen ihr die Tränen wieder etwas näher bis sie schließlich beim vorletzten Bild des Buches angekommen war, auf dem Professor McGonagall mit ihren Eltern sprach. Sie blickte Professor McGonagall fragend an.
„Sie werden sicher wissen wollen, was ich dort mit Ihren Eltern besprochen habe“, sagte McGonagall.
Hermine nickte.
„Auf diesem Bild teile ich Ihren Eltern gerade mit, dass sie außer Lebensgefahr sind und vermutlich in den nächsten Tagen aufwachen werden“, sagte McGonagall traurig und blickte Hermine an. „Noch am Abend desselben Tages wurden sie von Lucius Malfoy ermordet!“
Eine Träne rollte über Hermines Wange und tropfte auf das Bild.
„Danke, Professor!“, sagte Hermine, „ein schöneres Geschenk hätten sie mir nicht machen können.“
„Oh doch, das hätte ich“, entgegnete McGonagall, „wenn ich ihre Eltern damals mit ins St. Mungo genommen hätte, wie ich es ursprünglich vorhatte.“
„Das wollten Sie tun?“, fragte Hermine ungläubig.
McGonagall nickte.
„Und warum haben Sie es nicht getan?“
„Das Ministerium hat es mir nicht erlaubt. Sie meinten, es wäre zu gefährlich für Sie und für ihre Eltern“, erklärte McGonagall. „Im Nachhinein war wohl eher das Gegenteil der Fall!“
„Hätte das denn wirklich etwas verändert?“, fragte Hermine ruhig. „Oder nur hinausgezögert?“
„Vermutlich das Letztere – aber vielleicht hätten Ihre Eltern Sie dann wenigstens noch einmal gesehen“, antwortete McGonagall.
Hermine nickte und blickte dann noch eine ganze Weile auf das Foto in dem Buch, bis sie es schlieĂźlich wieder zu schlug.
„Miss Granger, wenn sie sich in der Lage fühlen“, sagte McGonagall dann, „der Zaubereiminister würde gerne noch ein paar Worte mit Ihnen wechseln aber er wollte sich nicht aufdrängen, deswegen wartet er dort hinten.“ Sie zeigte auf Scrimgeour und den Hermine bekannt vorkommenden Mann, die weiterhin etwas Abseits mit Oliver Wood standen.
„Ja, das geht schon“, sagte Hermine und gemeinsam mit McGonagall ging sie vom Grab ihrer Eltern weg, hin zu den drei Männern.
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