von Quendolin
"Und? Bereit?" Ginny schaute zu ihrer Freundin, die gerade einmal tief ein- und ausatmete.
"Ich denke schon."
"Du weißt, meine Eltern wissen nicht, das ihr euch nicht so gut versteht..."
"Nicht so gut? Ist das nicht etwas untertrieben?"
"Das ist nicht der Punkt. Also, ich glaube nicht, das es eine so gute Idee wäre, eure Zwistigkeiten vor meiner Familie auszutragen. Ron hab ich das auch schon klargemacht."
Hermine verdrehte genervt die Augen. "Meinst du, ich wüsste das nicht selbst. Im Gegensatz zu anderen, weiß ich, wie man sich in der Öffentlichkeit zu benehmen hat." Jetzt hatte sie ihre Augen zu kleinen Schlitzen verengt.
Ginny schluckte. "Das kann ja heiter werden." dachte sie sich, verdrängte aber schnell diesen Gedanken, schließlich hatte sie Hermine gebeten in den Fuchsbau zu kommen, also musste sie da jetzt auch durch. Aber es würde sich ja eh bald ändern... Ginny setzte, unbemerkt von ihrer Freundin, ein kleines aber verschmitztes Lächeln auf.
Wenig später saß die gesamte Familie Weasley, zumindestens all die, die gerade zu Hause waren, inklusive Hermine und Harry am gedeckten Tisch. Mrs. Weasley hatte sich wieder selbst übertroffen. Es gab gefüllte Schweinerouladen. Mr. Weasley hatte schon den ersten Bissen im Mund verschwinden lassen, die anderen füllten noch ihre Teller. Hermine und Ron saßen genau an den gegenüberliegenden Enden des Tisches. All die dunklen Vorahnungen, es würde gleich eine Bombe platzen, wenn sie sich begegneten, zerschlugen sich. Ron, der mit Harry bereits am Tisch saß, hatte Hermine keines Blickes gewürdigt, als diese die Küche betrat. So blieben böse Blicke oder genuschelte Verfluchungen von vornherein aus. Ginny hatte ganze Arbeit geleistet. Sie hatte offenbar Ron eingetrichtert, sich zurückzuhalten und er tat es auch. Hermine war das irgendwie nicht recht. Sie hatte vermutet, er würde ihr gleich einen gifitgen Blick zu werfen oder sie herablassend anschauen oder verächtlich schnauben oder...
"Oder? Was überhaupt?" Hermine war ganz in Gedanken versunken, so bemerkte sie gar nicht, das ihre Augen direkt auf ihrem Gegenüber ruhten.
"Ich hatte mich auf alle möglichen Szenarien vorbereitet, aber ignoriert zu werden, das hätte ich nicht gedacht. Klar, Ginny hatte schon gesagt, sie würde dafür sorgen, Ron würde mich nicht blöd anmachen, aber gar keine Reaktion?... Was denk ich da eigentlich? Wieso hab ich so auf eine Reaktion gehofft? Lieber angeblafft als ignoriert zu werden, wie bescheuert ist das denn? Aber genau so hatte es angefangen. Er hatte einfach von heut auf morgen nicht mehr mit mir gesprochen. Es war ein so fürchterliches Gefühl, einfach so links liegen gelassen zu werden. Da waren die späteren blöden Bemerkungen irgendwie besser. Mann, Hermine, wenn das einer hören würde. Aber es ist doch so. So hatte ich wenigstens Kontakt mit ihm, wenn auch auf eine seltsame Art und Weise. Aber gar nicht mehr mit Ron sprechen......."
"Autsch." Hermine bemerkte einen leichten Schmerz in ihrer Rippengegend. Ginny hatte sie mit dem Ellenbogen angestubst, wohl etwas zu heftig.
"Was?" Sie schaute verärgert zu Ginny. Da sie gerade am Kauen war, zeigte sie nur mit ihrem Finger auf ihre Mutter.
"Hermine, Liebes, ich wollte dich nicht aus irgendwelchen Tagträumen reißen, aber wieviel von den Rouladen darf ich dir auftun?" Mrs. Weasley lächelte und schwenkte dabei mit einer Fleischgabel vor Hermines Gesicht.
"Äh, ich..." Hermine, die nun bemerkte, dass sie alle Blicke auf sich gezogen hatte (alle bis auf einen), lief leicht rosa an und senkte den Kopf. "Ich hätte gern eine, Mrs. Weasley." Daraufhin ließ diese eine auf Hermines Teller fallen, stellte die Schale mit den übrigen Rouladen zurück auf den Tisch und nahm selber Platz.
"Was war denn los?" Ginny hatte sich ganz dicht zu ihrer Freundin herübergebeugt, damit sie nicht so laut sprechen musste. "Ich möchte zu gern wissen, woran du eben gedacht hast?" Wieder trat dieses verschmitzte Lächeln in ihr Gesicht.
"An gar nichts." Hermine, der dieses Mal das Lächeln nicht entgangen war, fing hastig an, an der Roulade zu schneiden und sich ein großes Stück in den Mund zu stopfen. So entging sie weiteren Fragen, denn mit vollem Mund war antworten nicht möglich. Sie hoffte inständig, das damit das Thema vom Tisch war. Über das gesamte restliche Essen hielt Hermine ausschließlich Blickkontakt zu ihrem Teller. Wie bescheuert musste es ausgesehen haben. Sie hatte bestimmt mehrere Minuten sinnlos in der Gegend rumgestarrt. Oder hatte sie gar auf Ron...? Nein, nie würde es ihr einfallen, ihn anzuschauen. Er, der ihr vor Wochen aus dem Nichts die Freundschaft gekündigt hatte. Einfach so...
Nach dem Abendessen hatte sich Hermine in Ginnys Zimmer zurückgezogen. Ginny und die anderen wollten noch etwas vor die Tür. Seit Weihnachten hatte es unaufhörlich geschneit. Das hatte dazu geführt, das jetzt nicht nur bereits drei Schneemänner im Vorgarten standen, sondern auch jeder, der es wagte aus der Tür zu treten mit Schneebällen attackiert wurde. Hermine hatte dazu keine Lust, schon weil Ron auch dabei sein würde. Sie verabschiedete sich nach dem Essen von den Weasleys und Harry. Sie behauptete von der Anreise müde zu sein, was auch nicht wirklich gelogen war. So saß sie nun auf ihrem Bett in Ginnys Zimmer und starrte aus dem kleinen Fenster, welches sich direkt über dem Kopfende ihres Bettes befand. Plötzlich wurde es eng in ihrem Hals. Wieder war da dieser Kloß, der von Mal zu Mal größer zu werden schien. Immer wenn es um das Thema Ron ging, war er da. Anschließend kamen sie, die vielen kleinen glitzernden Wassertröpfchen, die sich ihren Weg aus ihren Augen über ihre Wangen suchten - und ihn auch jedes Mal fanden. Hermines Hände ballten sich zu Fäusten.
"Warum? Warum ist alles so... so... anders? Warum können wir nicht reden, lachen, uns überhaupt anschauen? Er ist schuld. Er hat sich so verändert. Wie kommt er dazu mit dieser Tussi rumzumachen, das ist doch nicht Ron... mein Ron..." Hermine fuhr erschrocken zusammen. "Mein Ron?" Sie schüttelte ihren Kopf, als versuchte sie damit so schnell es ging, diesen Gedanken zu verschäuchen. Aber es gelang ihr nicht. Sie stand auf und ging zum völlig beschlagenen Fenster. Sie wischte mit ihrer Hand einen kleinen Kreis frei, damit sie sehen konnte, was sich draußen abspielte. Fred und George waren gerade dabei einen vierten Schneemann, oder vielmehr eine Schneefrau zu bauen. Harry, Ron und Ginny standen dicht zusammen und unterhielten sich.
"Soweit ist es schon gekommen. Er ist an allem Schuld, und ich bin diejenige, die alles ausbaden soll. Niemals! Wenn hier einer mit seinen Freunden Spaß hat, dann ich."
Als sie in den Garten hinaustrat, hatte sich Ginny sofort von den beiden Jungs gelöst und war auf sie zugerannt.
"Hey, schön das du doch noch rausgekommen bist." Sie lächelte ihre Freundin an. "Was wollen wir machen?"
"Ach ich weiß nicht, vielleicht ein wenig spazieren gehen?"
"Wie öde." erwiderte Ginny und ahmte dabei einen herzhaften Gähner nach. "Ich hätte da eine viel bessere Idee." Noch bevor Hermine reagieren konnte, hatte sich Ginny gebückt, einen kleinen Haufen Schnee zu einer festen Kugel geformt und diese Richtung Harry und Ron geworfen.
"Attacke!!!" Laut loslachend war sie hinter die neben ihr stehende Gartenbank, welche eigentlich gar nicht mehr als solche zu erkennen war, gehechtet. Bedeckt durch die vielen Schneemassen bildete sie einen geeigneten Schutz für eine ordentliche Schneeballschlacht.
"Das bedeutet Krieg." Harry wischte sich gerade den übrigen Schnee vom Hinterkopf, wo Ginny ihn getroffen hatte. Er und Ron waren hinter zwei ebenfalls mit Schnee überhäufte Sträucher verschwunden. Hermine wusste gar nicht wie ihr geschah. Auf solch einen Kinderkram hatte sie eigentlich keine Lust, sie wollte mit Ginny spazieren gehen, mit ihr reden. Und jetzt? Befand sie sich mitten auf einem Schneeballschlachtfeld.
Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Ein Ball war nur wenige Zentimeter an ihrem Kopf vorbeigesaust. Der kam aber aus einer ganz anderen Richtung. Unbemerkt hatten sich Fred und George am wilden Treiben beteiligt.
"Na gut, wenn sie es so haben wollen." Mit einem Satz war Hermine ebenfalls hinter der Bank verschwunden. Ginny hatte bereits einen kleinen Vorrat an Schneebällen geformt, die nur darauf warteten geworfen zu werden.
Zunächst hatten die Mädchen die Überhand. Sie feuerten ohne Pause, die bereits geformten Schneebälle. Fred und George hatten sich hinter zwei Schneemännern in Sicherheit gebracht und waren auch eifrig dabei ihre Gegner zu bombadieren. Was ihnen allerdings nur schwerlich gelang, weil sie sich vor lachen kaum halten konnten. Der erste abgefeuerte Ball von Fred hatte Ron so im Gesicht getroffen, das dieser rücklings hinfiel. Das war zu viel. George kringelte sich vor Lachen auf dem Boden, bis ein Schneeball ihn genau am Kopf traf. Danach war auch er in Deckung gegangen. So ging es munter hin und her. Einmal wurde Harry fast die Brille von der Nase geschleudert, ein anderes Mal wurde Hermine im Nacken getroffen, so dass der durch die Körperwärme geschmolzene Schnee ihr eiskalt den Rücken runterlief. Nach einigen Minuten war der Vorrat an Schneebällen bei den Mädchen aufgebraucht. Das war die Chance für Harry und Ron. Sie gaben Fred und George ein Zeichen und so bewaffneten sich alle vier mit je zwei Schneebällen und schlichen auf die Gartenbank zu. Dabei redeten und lachten sie weiter, als würden sie immernoch in einer regen Auseinandersetzung sein. So bekamen die Mädchen zunächst nichts mit und als sie bemerkten das die Stimmen immer näher kamen, prasselte bereits ein wahrer Schneeschauer auf sie hernieder. Beide quiekten lauthals auf. Ginny hatte sich als erste gefangen. Sie wischte sich ein paar nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht und begann sich zu revanchieren. Fred und George waren gleich nach dem Angriff zur Küchentür gehuscht und im Fuchsbau verschwunden. Harry hatte versucht wieder hinter sein Versteck zu gelangen, wurde aber auf dem Weg dorthin bereits dreimal getroffen. So entschied er sich für den direkten Gegenangriff und schleuderte gleich an Ort und Stelle händevoll mit Schnee Richtung Ginny. Hermine schüttelte sich immernoch den Schnee aus den Haaren, da sah sie Ron direkt vor sich stehen, der sie mit einem nicht genau zu deutenden Blick ansah. Wollte er gleich loslachen oder sich entschuldigen? Hermine war nur für ein paar Sekunden in Gedanken, die hatten aber schon gereicht und - KLATSCH - sie hatte den nächsten Schnee im Gesicht. Jetzt konnte sie Ron ganz deutlich lachen hören.
"Dieser Mistkerl." Hermine wischte sich den Schnee aus dem Gesicht und sprang auf. Schon beim Aufstehen hatte sie ihren Zauberstab aus dem Mantel gezogen und hielt ihn nun auf den kleinen Haufen mit den Schneebällen, der noch vor ihr lag. Mit einem kleinen Schwenker ihres Zauberstabes flogen diese nun in die Luft und mit einem weiteren Schlenker zischten sie mit mörderischer Geschwindigkeit auf Ron zu. Dem wurde erst jetzt bewußt, was da auf ihn zukam, doch zum Reagieren war es bereits zu spät.
"Hey, zaubern ist...." weiter kam er nicht. Mit einem Mal schlugen circa sieben Schneebälle auf ihn ein, das es ihn zum zweiten Mal von den Beinen riss. Jetzt war es an Hermine zu lachen. Das hatte gut getan. Durch diesen Angriff konnte sie ein wenig ihren Ärger ablassen, den sie die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte. Wenn auch nur ein bißchen.
Ginny kam zu ihr herüber und klopfte ihr auf die Schulter. "Das war gut." Und zu ihrem Bruder gewandt. "Super Flugeinlage." Harry nutzte die vorübergehende Waffenruhe und lief zu seinem Freund, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Doch das brauchte er gar nicht. Mit einem Satz stand dieser und hielt nun seinen Zauberstab in der Hand.
"Das war unfair. Keiner hat was von zaubern gesagt." Ron hatte bedrohlich laut gesprochen, seine Wangen leuchten feuerrot.
Harry legte beschwichtigend seine Hand auf Rons erhobenen Arm. "Lass gut sein, Ron. Es war doch nur Spaß."
"Von wegen. Das war ihr vollkommen ernst. Ich hatte Spaß gemacht und bin dabei ganz fair geblieben."
"Reg dich ab, Ron." Hermine wirkte zwar im Gegensatz zu ihrem Gegenüber eher lässig, doch ließ auch sie ihren Zauberstab gezückt. "Du kannst es nur nicht vertragen, wenn ich dich schlage." Ein siegessicheres Lächeln umspielte Hermines Lippen.
"Schlagen? Mit einem Zauberspruch. Na, ganz toll. Mit dir macht es echt keinen Spaß." Harry brauchte sich gar nicht weiter zu bemühen, Ron hatte bereits seinen Arm gesenkt und stapfte jetzt völlig durchnässt und tropfend an den Dreien vorbei. Als er an der Tür zur Küche angelangt war, riss er diese auf, um sie gleich darauf hinter sich geräuschvoll zuzuschlagen.
Hermines Lächeln verschwand. "Ok, war vielleicht wirklich nicht fair." Sie senkte ihren Kopf. Irgendwie war dieses leichte, erlösende Gefühl von vorhin wieder verschwunden. Jetzt fühlte sie sich nur noch bedrückter und elender als zuvor.
Nachdem Ginny und Harry einen flüchtigen Blick ausgetauscht hatten, aus dem auch ein wenig Verzweiflung sprach, legte Ginny ihrer Freundin einen Arm um die Schultern.
"Mach, dir nichts draus. Ron kann es nun mal nicht ab, zu verlieren. Das hat überhaupt nichts mit fair oder unfair zu tun. Ich fand deine Aktion richtig klasse. Er wird sich schon wieder einkriegen." Sie lächelte ihr zu. Hermine hob ihren Kopf und nickte stumm.
"Also, wenn ihr mich fragt..." Harry kam auf die Mädchen zugestapft. "... könnte ich jetzt eine heiße Schokolade vertragen, ihr auch?"
"Das ist eine gute Idee, dann kommt man gleich auf ganz andere Gedanken." Ginny zog Hermine mit sich zurück zum Fuchsbau. Harry folgten ihnen, konnte es sich aber nicht verkneifen, den beiden noch zwei letzte kleine Schneebälle hinterher zu werfen.
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