von Seraphin
Nachdem Hermine die ganze Nacht wach gelegen hatte und sich den Kopf darüber erfolglos den Kopf darüber zerbrochen hatte, worin nun genau die Frechheit von Malfoys Verhalten lag, mit der er sie Ärgern wollte, beschloss sie beim Einfallen der ersten Sonnenstrahlen, dass es am Klügsten wäre, ausnahmsweise auf Ron´s Ratschlag zu hören und Malfoy einfach voll und ganz zu ignorieren.
Vollends damit beschäftigt NICHT an Malfoy zu denken, verbot sie sich den Gedanken an ihn während sie als erste, vor allen anderen Mädchen ihres Jahrganges, aus ihrem Bett krabbelte und im noch menschenleeren Gemeinschaftsraum das für heute Nachmittag anstehende Kapitel ihres Aritmantikbuches auswendig lernte. Sie dachte auch erfolgreich nicht an die Farbe seiner Augen, während sie sich wie jeden morgen 15 Minuten lang ihre Zähne putzte. Ignorierte das Lächeln, dass er ihr jedes Mal auf die Lippen zauberte, wenn sie voll Vorfreude seine kleinen Botschaften empfang, sie hatte seine Briefchen schon fast vergessen, als sie die in Hogsmeade gekauften Leckereien schön verpackt per Eule nach Askaban schickte, um den armen Häftlingen dort eine Freude zu bereiten.
Vollkommen aus ihrem Geist ausgeschlossen war der flüchtige Kuss den er ihr auf dem Weg von Hogsmeade zurück gegeben hatte, als sie unter der Dusche feststellte, dass ihre Haut trotz tiefstem Winter immer noch leicht braun, und nicht so elfenbeinfarben war wie die von … ihm eben. Ganz und gar egal war er ihr, als sie an ihrer Rede arbeitete, die sie heute Abend den Vertrauensschülern über verantwortungsvollem Umgang mit Strafen halten wollte. Ganz und gar nicht dachte sie daran, dass sie gleich vier Kurse hintereinander mit Draco Malfoy haben würde.
Gerade mal 9:30 Uhr morgens und Hermine lobte sich schon mit leichtem Erröten selbst, dass sie es bereits zu so früher Stunde nicht nur geschafft hatte ihre sämtlichen Pflichten gewissensvoll zu erfüllen, sondern auch noch kein einziges Mal an … ihn eben, diesen blonden Jungen aus Slytherin, gedacht hatte.
Auch der weitere Morgen gestaltete sich angenehm. Ron erwartete sie mit einem zärtlichen Kuss auf den Lippen und glänzender Laune, als sie ihn, Harry und Ginny beim Frühstück traf.
Ginny verriet ihr, dass Molly und Arthur gestern zum ersten Mal in ihrem Leben einen Zahnarzt aufgesucht hätten, Hermines Eltern, und sich trotzdem immer noch darüber freuen würden, die Grangers während der Weihnachtsferien zu beherbergen. Wenn Hermine sich auch ernsthaft Sorgen machten, dass ihre Eltern nun, 5 auf Muggle-Art gezogene Zähne später, ein wesentlich ungastlicheres Zimmer als vorher erdacht, zugewiesen werden würde.
Harry erklärte ihr sehr, sehr extremst begeistert klingend, wie ungemein er sich doch darauf freuen würde, mit ihr nachher in der Bibliothek gemeinsam für Zaubertränke zu lernen. Noch besser, dass Ginny ihr zum Dank für ihre gestrige Verwandlungsnachhilfe eine große Schachtel zuckerfreie Hausordnungskekse in die Hand drückte, die im Gemeinschaftsraum für Hermine abgegeben wurde.
Kein Geschenk, nein, Hermines neueste Nasch-Idee, die sie in den nächsten Tagen im Schloss für einen guten Zweck (warme Pullover für die kalten Tage in Askaban) verkaufen wollte. Sie hatte diese Kekse selbst entworfen und sie von den Hauselfen (denen sie dafür bunte regenbogenfarbige Socken mit Schneeflocken drauf gestrickt hatte) vervielfältigen lies. Im Grunde vergleichbar mit chinesischen Glückskeksen, nur dass der Keks eben praktisch Zuckerfrei gebacken wurde, und die Nachricht darin keine Glücksbotschaft, sondern einzelne Abschnitte aus der Hausordnung enthielt.
Glänzend gelaunt verteilte Hermine jedem ihrer Freunde einen Keks. Die restlichen Gryffindors sollten ihr diese Kekse aber bitteschön abkaufen, verkündete sie strahlend, woraufhin einige Erst- und Zweitklässler hastig zu Ende aßen und eilig das Weite suchten, da sie sich offensichtlich nicht trauten, Hermines Keksen öffentlich einen Korb zu geben.
Wie sie so Regel-Anpreisend durch die Reihen der Haustische wanderte, und beglückt feststellte, das Malfoy nicht im Raum war, sah sie jedoch etwas, dass ihre gute Laune augenblicklich verschlechterte.
Ein großer, grüner Baum schob sich mächtig durch die Türen der Halle, drängte eine Schar heftig debattierender Ravenclaws beiseite, und gab den Blick auf etwas frei, dass auf den ersten Block wie ein Mammut ohne Stoßzähne aussah.
Hagrid.
Nun freute sich Hermine natürlich durchaus, Hagrid zu sehen (wenn sie es auch für eine feige Ausrede hielt, dass er ihr keine Kekse abkaufen könnte da er eine Kohlenhydratallergie hätte) freute sich auch sehr, als er Ron, Harry, Ginny und sie für den nächsten Tag zum Tee bei sich einlud, dennoch sank ihr das zuvor bis zum Hals hüpfende Herz schlagartig irgendwo dahin, wo sich ihre wabblig gewordenen Knie befanden als er ihr mitteilte, dass er gerade das ganze Schloss mit Mistelzweigen praktisch volltapeziert hätte.
Eigentlich wollte Hermine mit Harrys um Hilfe bitten, ihr doch einige Geheimgänge zu erklären, so dass sie unbehelligt vom Frühstück in Zaubertränke gehen könnte, doch als Hagrid das Wort „Mistelzweig“ aussprach riss es sofort eine ganze Arme von eben noch schwatzenden Mädchen von den Bänken, die sich wild, drängelnd in Richtung Tür schoben, da sie draußen auf den Gängen alle die geschicktesten Plätze zum Angriff auf Jungs einnehmen wollten.
Harry verzog das Gesicht als ob er unsicher wäre, ob er zuerst um Hilfe rufen und dann weinen oder umgekehrt verfahren sollte. Das nächste was Hermine sah, verwirrte sie zusätzlich. Harry kramte verzweifelt in seiner Schultasche herum, packte dann eines von Hagrids überdimensionalen Taschentüchern, das diesem gerade aus dem Umhang gefallen war, und stülpte es sich augenblicklich über den Kopf, zog es sich weit über die Augen und klammerte sich daran fest, als ginge es um sein Leben.
Ginny errötete leicht, als sie das schrille Gelächter wahrnahm, dass sich daraufhin vom Slytherinhaustisch ausgehend im ganzen Saal um sie herum wie Donnergrollen ausbreitete. Harry zitterte, zog die Schultern hoch und zog das Taschentuch noch etwas enger um sein Gesicht. Ginny hüstelte verlegen und tippte leicht auf Harrys Schulter. „Entschuldige bitte, ich will dich ja wirklich nicht stören. Aber … das ist nicht dein Tarnumhang. Das ist Hagrids Taschentuch.“
„Oh“ antwortete Harrys gedämpfte Stimme. „Deswegen …“. Einen Moment schien er zu zögern, doch dann wagte er doch sich den Tarnumhang vom Kopf zu ziehen. Mit einem verlegenen Lächeln faltete er den weißen Lappen so sorgfältig zusammen, als ob es er an einem Origami-Kunstwerk arbeiten würde und überreichte das Tuch mit soviel Würde wie möglich an den mit dröhnender Stimme amüsiert glucksenden Hagrid, der ihm daraufhin einen so beherzten Schlag auf die Schultern verpasste, dass Harry kopfüber und mit rudernden Armen in den Rest Haferbrei kippte, den er vom Frühstück übrig gelassen hatte.
Die Slytherins johlten, klatschten und stampften vor Begeisterung mit den Füßen während Ron und Ginny Harry zu beiden Seiten an den Schultern packten und ihn mit einem kräften Ruck wieder in die Höhe zogen.
Ein wütender Blick zu dem Verlegen auf seine Füße schielenden Hagrid setzte sich Harry die Brille ab, grapschte unsanft nach Hagrids zeltartigem Taschentuch und wischte damit seine breiverschmierten Brillengläser ab. Die Menge wandte sich wieder von ihm ab, abgesehen von ein paar Mädchen die aussahen, als ob sie Hunger auf eine extra Portion Porridge hätten, dass sie sogar aus des Auserwählten strubbeligen Haaren schlecken würden. Nur noch einige Slytherins johlten unbeirrt weiter. Zu ihren Stimmen gesellte sich kurz darauf das träge, doch entsetzlich laute, höhnische Lachen Draco Malfoys der einige Erstklässler rüde beiseite stoßend in die Halle hineindrängte, mit ausgestrecktem Finger aus Harry zeigte und sich mit der anderen Hand auf den dümmlich Grinsenden Goyle abstützen müsste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Eine Sekunde, nicht länger flammte zu Gleichen Teilen Wut wie auch unbändige Enttäuschung in Hermine auf, denn zeigte es ihr nicht, dass Malfoy sich nicht geändert hatte? Aus den Augenwinkeln erkannte sie wie Harry und Ron gleichzeitig ihre Zauberstäbe auf Malfoy richteten und Ginny, in Ermangelung einer besseren Waffen, den Besen zückte den sie zum Quidditch-Training mit nach Unten genommen hatte. Malfoy, der nun Tränen in den Augen hatte und eigentlich schon wie ein Erstickender rot-blau im Gesicht angelaufen war vor Lachen, musste sich schon mit beiden Händen auf dem Tisch neben ihm abstützen bis … er Hermine erkannte die vergeblich versucht hatte sich hinter der Besenschwingenden Ginny zu verstecken.
Draco hob den Kopf, richtete sich wieder auf, begradigte sich und das beinahe tierische Lachen, dass sein spitzes Gesicht verzerrt hatte erlosch augenblicklich. Seine Augen hafteten an ihr, als hätte er nie zuvor ein anderes Mädchen gesehen. War es Erstaunen, Bewunderung oder Verlangen in seinem Blick, dass Hermine die Röte heiß wie Feuer in´s Gesicht trieb. Einen Moment wandte er den Kopf zu den ebenfalls verstummten, jedoch entsetzt wirkenden, Slytherin um und fast schien es, als ob er mit sich selbst ringen würde das zu tun, was ihm bei Hermines Anblick in den Sinn gekommen war.
Harry hob den Zauberstab etwas höher, Ron ballte die Fäuste, Ginny knirschte mit den Zähnen, Hagrid brummte wie ein Bär doch all das berührte Hermine nicht, die nur wie hypnotisiert dastehen und zusehen konnte, wie Draco mit leicht geöffnetem Mund seinen Blick auf ihr Weilen ließ, einen Schritt vor ging und einen vollendeten, eleganten Diener machte.
Hermine wollte wegrennen, eventuell auch um Hilfe schreien oder am Besten, vom Erdboden verschlungen werden, als Malfoy sich in Bewegung setzte und mit tigerhaft wiegendem Gang auf sie zuschlenderte. Lässig, verschmitzt Lächelnd zwinkerte er ihr zu.
Hermines Füße wurden kalt, ihr wurde schwindelig und ganz sicher würde sie sich gleich übergeben müssen. In einem letzten verzweifelten Versuch sich zu Schützen, presste sie ihre Schultasche vor sich als wäre dies ein Kruzifix und Malfoy ein blutrünstiger Vampir.
Harry schrie etwas, Ron vergaß dass er ein Zauberer war, riss Hermines schützendes Schulbuch aus ihren Händen und warf es auf Draco, der unbeirrt auf Hermine zuschritt und sämtliche Beleidigungen und Gegenstände die ihm von den Gryffindors um Hermine herum entgegen geworfen wurden, einfach lässig mit dem Zauberstab beiseite wischte.
Durch einen Hagel von Büchern, Essensresten und Bechern hindurch kam er unbeirrt näher und Hermine hätte ihn schon fast mit Händen berühren können, als Ron sich zwischen sie drängte um den Weg zu versperren, die Arme breit machte, Malfoy am Designerkragen packte und brüllte, als wäre ein hungriger Dinosaurier. „VERPISS DICH, MALFOY! HÖR ENDLICH DAMIT AUF HERMINE ZU BELÄSTIGEN!“
Harry neben ihm wollte wohl das Gleiche tun, wurde jedoch von Ginny und Hagrid zurückgehalten. Ginny streichelte ihrem Freund mit der freien Hand über seine Schulter. „Lass mal Ron machen, dass ist jetzt seine Sache“ beschwichtigte sie flüsternd.
Draco grinste ob dieser Worte nur noch breiter und hob stolz das Kinn, entblößte eine breite Reihe persilweißer Zähne und schenkte Ron einen Blick, der nicht amüsierter hätte sein können. “Du langweilst mich, Weasley.“ Ron wurde rot und röter, schnaufte wie eine Dampflok und Hermine konnte, über seine Schulter hinweg erkennen, dass seine Fingerknöcheln vor Anstrengung ganz weiß wurden, als Malfoy nun mit beiden Händen am Schlafittchen packte als wolle er ihn wie einen Mehlsack beiseite werfen.
Draco fing ihren Blick auf und strahlte in einer Weise, die nichts Gutes bedeuten konnte. Siegessicher. „Verpiss Dich Weasley, das ist meine Frau.“
Den Bruchteil einer Sekunde starr vor Schreck, wurde Ron zu spät gewahr wie Malfoy die Faust hob und ihm mit aller Wucht in´s Gesicht boxte. Er achtete gar nicht auf Ron, der wie ein nasser Sacke zur Seite wegfiel, sondern streckte seinen Arm aus, packte Hermines Hand, zog sie schwungvoll an sich heran, umklammerte sie, bog ihren Rücken nach hinten, den Mund leicht geöffnet, über sie beugte.
Ganz sicher war er doch ein Vampir und wollte ihr nun in die Kehle beißen um sich von ihrem warmen Blut zu nähren. Ganz sicher hatte er sie hypnotisiert, denn sonst hätte sie sich doch gewehrt, geschrieen, gezappelt und um sich geschlagen. Doch alles zudem Hermine fähig war, als die silbergrauen Augen in sie eintauchten war albern zu seufzen und ihren Mund ebenfalls erwartungsvoll leicht zu öffnen, um den warmen Kuss seiner Lippen zu erwidern.
Hermine schlang ihre Arme um seinen Hals, als wäre sie eine Ertrinkende die nur von dem süßen Geschmack seiner Lippen vor dem sicheren Tod bewahrt werden könnte.
Vermutlich war sie doch tot, denn Hermine hörte nichts mehr als das Rauschen des Blutes in ihren Ohren, sah nichts mehr und glaubte, den Boden unter sich nicht mehr spüren zu können, als Dracos Zunge eine Spur von Milliarden von Stromstößen hinter sich herziehend über die Innenseite ihrer Lippe entlang wanderte.
Der kleine Tod … war wunderschön.
Das letzte was Hermine sah, bevor sie ohnmächtig zusammenbrach war Hagrid, der den Weihnachtsbaum in seinen Händen wie eine Keule schwang und damit auf Malfoy, der überrascht von seinem Kuss abgelassen hatte, eindrosch.
XXX
Die Schwärze die Hermine umfangen hatte wurde abwechselnd von gelben, roten, blauen und weißen Blitzen erhellt.
Rufe, Schreie, das Klirren zerbrechenden Glases und zerschmetterten Porzellans riss Hermine aus der Bewusstlosigkeit heraus. Sie öffnete die Augen und glaubte im ersten Moment wohl doch zu träumen, als Stühle, Weihnachtsbäume und etwas, dass Dennis Creevey erstaunlich ähnlich sah über sie hinwegschwebte.
Erst Hagrids Brüllen dessen Wirkung nur knapp hinter den Trompeten von Jericho zurückstand holte sie endgültig auf den kalten Steinboden unter ihr zurück. Hermine zitterte, ihr war kalt, schwindelig und ein klein wenig Übel, als sie sich, die Hände an die Bank über ihr geklammert, auf die Knie hochzog. Vorsichtig zog sie sich noch etwas höher bis ihre Nase die verdreckte Oberfläche des Tisches erreichte und lugte über zerschmetterte Teller hinweg zu der Kriegsszene, die sich ihren Augen darbot hin.
Hagrid stand brüllend in der Mitte und im ersten Moment glaubte Hermine, dass er den Zweitklässler aus Gryffindor den sich zwischen die massigen Arme gequetscht hatte benutzen wollte, um damit auf Goyle der vor ihm stand einzuprügeln doch mit ehrlicher Erleichterung stellte sie fest, dass er den jüngeren, kleineren wohl nur davon abhalten wollte mit dem massigen Malfoy-Freund zu kämpfen.
Der selbst lag mit ramponierter Frisur wenige Schritte von ihr entfernt am Boden und wälzte sich mit Ron am Boden, der ihm gerade erfolgreich ein breitflächiges blaues Auge geschlagen hatte. Dem roten Blut das aus Ron´s Mund quoll zufolge, hatte Draco sich durch die Entfernung eines oder mehrere Zähne gerächt. Ginny warf sich Draco auf den Rücken, zog seinen Kopf an den Haaren nach oben bis der Blonde, der vor Schmerzen die Augen zusammengepresst und die Lippen bis über die Zähne zurück gezogen hatte laut aufschrie.
Harry flog an ihnen vorbei. Oder sprang, warf sich auf Goyle und wurde kurz darauf von einigen Hufflepuffs zur Seite geschleppt, die vergeblich versuchten für Verständnis und Frieden zwischen den Häusern zu werben.
Gabeln, Messer und Toastscheiben flogen an Hermines Ohren vorbei. Etwa zehn Kürbissaftkrüge flogen in einer an Gruppy-Fische erinnernden Formation an ihr vorbei und zerbrachen nur wenige Zentimeter von ihr entfernt auf den Boden und ihr Inhalt durchweichte Hermines Umhang. In diesem Moment - oder war es doch erst als der Slytherins fliegende Riesenschlangen aus dem Nichts beschwor? – beschloss Hermine, dass es das Beste wäre den Gryffindormut für´s erste zu vergessen und sich selbst in Sicherheit zu bringen.
Gerade wollte sie aufstehen um durch die Reihen der Kämpfenden hindurch zur Tür zu rennen, als etwas Weißes über ihr wie ein gurrendes Geschoss auf sie zuschoss. Zuerst glaubte Hermine wirklich, dass das was auf ihrem Kopf gelandet war vielleicht wirklich nur eine zur Schlacht belebte Milchkanne oder ein eines von Hagrids Taschentüchern, dass von einem Schüler zum Leben verflucht wurde, war.
Das Taschentuch zwickte sie in die Stirn. Noch einmal, und noch einmal … und wedelte mit der unter, hoffentlich sauberen Hälfte wild vor ihrer Nase herum. Hermine schlug es ärgerlich weg und erst der dumpfe Aufprall eines kleinen Vogelkörpers ließ sie erkennen, dass das bedauerlicherweise kein Taschentuch sondern eine äußert kriegerisch gestimmte Taube mit einem Zettelchen im Schnabel war.
Voll Entsetzen erkannte Hermine Dracos Brieftaube. Eine Sekunde zögerte sie, überprüfte im Geiste alle Möglichen Handlungsstrategien. Als ihr nichts besseres einfiel, langte sie hinter sich auf den Tisch, ergriff den erstbesten, etwas matschigen Gegenstand den ihre Finger ertasten konnte und schleuderte eine Faust voll zerquetschter Erdbeeren mit der Wucht einer Handgranate auf den armen Vogel, der durch die Kraft des Aufpralls platt gegen die Wand hinter sich geschleudert wurde.
Hermine überlegte nicht lange, nutzte die Gelegenheit, warf sich auf den Boden und robbte unter der dem weißen Überhang hindurch unter den Tisch. Auf Händen und Knien krabbelte sie schnell so sie konnte die Sitzreihen entlang. Dicht gefolgt vom wütenden Gegurre des erbosten Vogels, der sich erschreckend schnell erholt hatte und sie wie ein Pfeil die Reihen entlang verfolgte.
Hermine ahnte schon dass er keine Ruhe geben würde, bis sie ihm den Zettel abgenommen hatte, doch sie wollte nicht. Eine anzüglich-romantische Botschaft von ihrem Verführer war jetzt wirklich das Allerletzte, das ihre Nerven hätten aushalten können.
Der Vogel erreichte sie, krallte sich in ihre Haare und während über dem Tisch der Kampf der Häuser tobte wie einst bei Romeo und Julia, kämpfte Hermine unter dem Schutz der Tischdecke mit der wild gewordenen Taube als wären sie beide einer Szene aus Hitchcocks „die Vögel“ entstiegen.
Hermine schlug sich auf den Kopf, schüttelte sich, warf sich hin und her doch der Vogel krallte sich nur immer fester in ihre Locken, zwitscherte gefährlich und flatterte aufgebracht mit den Flügeln.
Hermine warf sich auf den Boden, packte den Vogel so fest wie möglich, ignorierte die stechenden Schmerzen auf ihren Händen als ihr der Vogel zornentbrannt in die Finger hackte, ignorierte auch, wie viele Haare er ihr wohl gerade ausriss und schleuderte ihn mit letzter Kraft zwei Meter von sich entfernt quer über den Fußboden.
Hermine richtete sich wieder auf, wollte schon weiterkabeln, doch das Teufelstier war immer noch nicht bewusstlos. Stattdessen flatterte es hoch, präsentierte die Botschaft in seinem Schnabel und ließ diese vor seine Füße fallen. Auffordernd schob es das sorgsam aufgerollte, versiegelte Dokument in Hermines Richtung. „Da, nun nimm doch endlich. Du hast keine Chance mir zu entgehen.“ Schien die Taube zu gurren.
Hermine starrte finster zurück. „Oh nein, das kannst du vergessen.“ Sie griff in ihren Umhang, zog den Zauberstab und drohte mit leiser, doch machtvoller Stimme. „Geh beiseite, oder es wird dir Leid tun.“
Der Vogel baute sich breitbeinig vor ihr auf und eigentlich hatte er nun mehr mit Clint Eastwood in einem Westernfilm, als mit einer Brieftaube gemeinsam.
Hermine verengte die Augen. „Du hast es so gewollt.“ Sie hob den Stab, zielte …
… und konnte nur schreckensstarr zusehen, wie die Taube ihren Mund öffnete um eine dreimeterlange, klebrig-grüne, schnurartige Zunge herausschießen zu lassen die ihren Zauberstab umwickelte, Hermine aus den Fingern riss und ihn kraftvoll und elegant weit hinter die Taube, zum Ende der Tischreihe hin schleuderte.
Hermine klappte der Mund auf. Zum ersten Mal in ihrem Leben – und als sie im Laufe des Tages daran dachte, war sie sicher, dass es pure Einbildung gewesen war, sah sie eine weiße Brieftaube fies und siegessicher grinsen.
Die Taube bückte sich, hob das Pergament auf und tapste über ihr siegreiches Feld um der Verliererin, der sprachlosen Hermine, endlich den Grund ihrer Anwesenheit in die zarten Hände zu legen. Hermine schob das Kinn vor, musterte die Taube abschätzend und zog eine Schnute. „Okay, du hast gewonnen. Ich hab wohl keine Wahl.“
Die Taube gurrte, schüttelte andeutungsweise ihren Kopf und … grinste erneut.
Hermine hob den Mittelfinger, zumindest im Geiste, als sie das Siegel löste um Draco Malfoys morgendlichen Gruß an sie zu lesen.
„MEIN ENGEL! D.M.“
Es berührte sie ganz seltsam, diesen Zettel in den Händen zu halten und zu wissen, dass der, der ihn geschrieben hatte, sie kaum 10 Minuten zuvor vor aller Augen geküsst hatte. Die Taube nickte ihr zu, drehte sich um und segelte zwischen den Stühlen hindurch zurück in die Schlacht, die ihretwillen, wegen Hermine entbrannt war. Nichts, das von Bedeutung wäre, nichts das sie berühren würde, nichts, dass sie wahrnahm, während sie das Pergament unter ihre Nase hielt und mit geschlossenen Augen tief den Duft des jungen Mannes einsog, den sie vorhin schon eingeatmet hatte, als sich ihre Körper so nahe waren.
Mehr schlecht als recht krabbelte Hermine reichlich verwirrt, besiegt und nun auch noch tief beschämt ob ihrer eigenen Gefühle, zum Ende des Tisches, spähte, die Decke leicht anhebend, hinaus in die Halle ob sie unbemerkt entwischen könnte, schlüpfte so schnell wie möglich zwischen den Stühlen und kämpfenden Schülern hinaus und rannte, so schnell sie konnte, auf die nächste Toilette um sich zu übergeben.
Stress, Anspannung, schlechtes Gewissen, Demütigung … die Reihe der Gefühle die Hermines Innenleben so aufgewühlt hatten war endlos. Das Ganze musste aufhören und ging ihr eindeutig zu nahe um es als ärgerlichen Streich abzutun. Wütend riss sie das Toilettenpapier von der Halterung ab, während sie sich ihren säuerlich schmeckenden Mund säuberte. Draco Malfoy, sie hatte ihn unterschätzt. Sie hatte nie geahnt wie gut er darin war, Menschen genau das machen zu lassen, was er von ihnen wollte.
Hermine wunderte sich nicht, als sie 10 Minuten später ganz alleine in Professor Slughorns Zaubertrankkurs saß. Slughorn schon eher. Verblüfft blieb er in der Tür stehen, als er durch das Hinterzimmer den Raum betrat. Hob die Hände und fuhr mit dem Finger hinweg über die Sitzreihen entlang, als ob er ernsthaft nachzählen müsste, wirklich nur eine Schülerin vor sich zu haben.
Hermine wollte gerade erklären, als es dumpf gegen die Tür polterte.
Slughorn sah Hermine Hilfe suchend an, quetschte sich vollends in den Raum, drückte ein Buch gegen die Brust das er wohl eben mitgenommen hatte und rief mit dröhnender, tiefer Stimme: „Herein.“
Die Tür öffnete sich, und Hermines schlimmste Ängste wurden Wahrheit. Draco Malfoy, blutüberströmt, mit nunmehr 2 blau geschlagenen Augen, seinem Lächeln nach zu urteilen Ein- bis Zwei fehlenden Zähnen und bekleidet mit einem Umhang, der wie ein modernes Kunstwerk an ihm herabhing humpelte so lässig mit möglich, seine braune Ledertasche vor sich hertragend, die Träger waren abgerissen, allein in den Saal.
Die Tasche fiel mit einem Klirren zu Boden, als ob etwas sehr Empfindliches darin war, gerade zerbrochen wäre. Malfoy grinste nur, ignorierte den dünnen Blutfaden der ihm dabei aus dem Mund tropfte und nuschelte zwischen den Blasen vor seinem Mund hindurch. „Entfuldigung Profeffor, ef gab Ärger während def Früftückf.“
Slughorn starrte ihn an, verengte die Augen, verdrehte die Augen nach oben und murmelte etwas vor sich hin, dass aus der Entfernung wie „Sollte weniger Wein trinken“ klang.
Da Malfoy aber immer noch auf den Boden blutete, als Slughorn in umso schärfer fixierte musste er sich wohl damit abfinden, dass die ramponierte Gestalt vor ihm keine Illusion war.
„Nun ja Mr. Malfoy, offensichtlich. Kommen die anderen, die diesen Kurs besuchen sollten, auch noch?“ fragte er so sachlich wie möglich, ging jedoch einen Schritt zurück und versteckte sich rasch hinter seinem Pult, als würde er Malfoy für ein tollwütiges Tier halten.
Draco griff in seinen Umhang, zog lässig seinen Zauberstab heraus – Hermine schrie spitz auf und Slughorn sank hinter seinem Kessel in die Knie- und entfernte per „Ratzeputz“ den gröbsten Dreck von seinem Gesicht und aus seiner Kleidung. Was nicht viel nutzte, den er blutete ja immer noch an allen sichtbaren wie unsichtbaren Körperstellen.
„Nein, ich denke nicht“ antwortete er leichthin. „Die find alle zu Mammam Mompfrey gegangen.“ Draco drückte mit entschuldigendem Lächeln ein blütenreines Taschentuch vor den Mund, um den Zahn aufzufangen der ihm gerade aus der Vorderreihe herausgerutscht war.
Slughorn richtete sich wieder auf, setzte seinen verrutschten Zauberhut zurecht und wagte es, sich Malfoy zu nähern, wobei er sich langsam am vor ihm stehenden Pult entlang tastete. „Ja, äh ... ach so. Doch verzeihen sie mir, Mr. Malfoy, sollten sie das nicht auch tun? Sie sehen gewissermaßen reparaturbedürftig aus.“ Slughorn versuchte ein amüsiertes Lächeln ob seines Witzes, dass seinen breiten Walrossbart zu beiden Seiten nach oben zog, jedoch nicht seine Augen errichte.
Hermine überlegte, ob sie nicht praktischerweise unter dem Tisch verschwinden sollte entschied aber, dass das bei der geringen Schülerzahl im Saal wohl doch auffallen würde. Besser schien die Möglichkeit, sich vollkommen hinter ihrem „Zaubertränke für Fortgeschrittene“ zu verstecken und so zu tun, als ob sie ganz aufgeregt darin lesen würde.
Ihre Nase war so tief in das Buch gesteckt, dass es sogar die Seiten berührte, ihre Ohren waren leider immer noch frei, so hörte sie auch Malfoys träge, immer nur nach tauben Lippen klingender Stimme. „Nein danke Profeffor. If möfte ihren Unterricht nift verfäumen. Aufferdem würde mir daf ja die Freude von Miff Grangerf Gefelfafft rauben.“
„MERLIN!“ Hermine klang, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde. Das Buch rutschte zwischen ihren Fingern hindurch und viel polternd auf den Tisch vor ihr. Malfoy grinste sie blutig an, wohingegen Slughorn nur fahrig die Anwesenheitsliste vor sich herschwenkte als ob er erst einmal nachrechnen müsste, ob er unter diesen Umständen noch Platz im Raum hatte. „Tja also … äh“ Slughorn kratzte sich nervös den massigen Bauch und rückte seinen Zwicker zurecht. „Tja also wenn das so ist, dann … dann setzen sie sich doch zu Miss Granger. Ich denke, äh … sie kann ihnen ja vielleicht auch helfen.“
„NEIN!“
Slughorn spähte verwirrt über Draco hinweg zu Hermine, die ihren Kopf gerade vor Verzweiflung auf den Tisch geschlagen hatte. Draco winkte mit einer entschuldigenden Geste an, weshalb Slughorn umso verwirrter weitersprach. „Äh gut, weil …“ sein Blick fiel auf Dracos blutende Hand. „Ja, also menschliches Blut verunreinigt den Trank. Setzen sie sich doch, wir werden heute den Trank des Friedens brauen. Äh …“ Slughorn wuselte hinüber zu seinem Vorratsschrank und belud sich mit einigen in neonfarben gewachsenen, mistelzweigartigen Gewächsen. „Weil ja Weihnachten ist, das Fest der Liebe und des Friedens.“ Zweifelnd, ob er sich das wirklich erlauben könnte, betrachtete er den blutigen, verfetzt aussehenden Blonden der mit einem triumphierenden Grinsen seine Tasche am Boden packte und neben Hermine humpelte, die daraufhin sofort an´s äußerste Ende der Bank auf der sie saß wegrutschte und ihr Buch schützend als Grenze zwischen ihnen Beiden aufbaute.
Draco ließ sich mit süffisantem Grinsen neben Hermine nieder, packte in allen Seelenruhe seine Tasche aus und verfolgte Slughorns Unterricht, als hätte er nie etwas spannenderes gehört. Brav und kerzengerade saß er neben der vor Anspannung kreidebleichen Hermine, hatte die Hände vor sich gefaltet und lauschte voll freudiger Energie Slughorns Erklärungen.
Hermine saß auf ihrem Platz wie auf glühenden Kohlen. Einerseits emsig darum bemüht so gekonnt wie immer jedes von Slughorns Worten in sich aufzusaugen, andererseits Wachsam wie ein Polizeihund auf jede von Dracos Lebensäußerungen achtend. Und sei es nur Augenzwinkern oder gelegentliches Blut abwischen.
Als Draco seinen Arm weit über den Bereich ausstreckte, den Hermine durch mehrere aneinander gelegte Schreibfedern von ihrem abgegrenzt hatte, warf sich Hermine vor Schreck mit einem Hechtsprung von der Bank.
Draco, der nur nach einer der Zutaten gegriffen hatte die er für den Trank abwiegen wollte, lächelte sie gelassen von oben herab an, streckte ihr seine manikürte Hand entgegen, entblößte sein blutiges Lächeln und zwinkerte spitzbübisch. „Na, so eilig hast du es, von mir los zu kommen?“
„Hast Du eine Ahnung.“ Hermine ging auf die Knie, schlug Dracos hilfreich ausgestreckte Hand wütend weg und krabbelte recht unelegant wieder auf ihren Platz.
„Bleib bloß weg von mir.“ Warnte sie ihn drohend, als er erneut zu ihr herüberrutschte um sich ihren Mörser zu nehmen.
Malfoy drehte langsam den Kopf zu ihr, musterte sie eine Weile lang stumm und auf eine Weise, die Hermine mit jeder verstreichenden Sekunde wütender machte weil er in jeder Bewegung, in der kühlen Distanz seiner Bewegungen, dem überheblichen Ausdruck seines Gesichtes und sie überhaupt mit seinem ganzen gebaren, langsam aber sicher in den Wahnsinn trieb.
Dann wandte er sich um seelenruhig zu Slughorn um und hob die Hand. Böses ahnend, rutschte Hermine in Richtung ihrer Schultasche da eine baldige Flucht nötig werden könnte.
„Profeffor“ sing-sangte Malfoy, nach wie vor mit geschwollenen, blutverkrusteten Lippen.
„Ja, mein Lieber?“ Slughorn Kopf tauchte zwischen den wabbernden, rosaroten Nebeln seines eigenen Trankes auf. Der Nebel, der ihn umgab war so dicht, dass das schweißüberströmte Gesicht des Lehrers frei in der Luft zu schweben schien und der Körper hingegen gänzlich in rosaroter Watte ertrank.
Hermine erinnerte sich dunkel, sowohl von der dichten Konsistenz des Nebels, als auch der charakteristischen Barbie-Rosa Farbe, wie auch des durchdringenden Geruch des Gebräus nach angeschmortem Plastik und Gummibärchen gelesen zu haben. Sollte sie sich nicht sehr irren, köchelte da zufrieden vor sich hinblubbernd, eine große Portion „Viagria“ vor sich hin. Ein Trank der Standhaftigkeit liebestoller Männer auf geradezu legendäre Weise verfestigte. Ein seltsames Kribbeln breitete sich in Hermines Schoss aus, während sie das verführerische Aroma, das eigentümlich stimulierend wirkte, in ihre Nase drang.
Sollte sich Hermine nicht sehr irren, quetschte Slughorn seine Beine hinter dem Nebel angestrengt zusammen und dem feuchten Schimmer unterhalb seiner Lippen zufolge, sabberte er.
Unwillkürlich huschten ihre Augen zu Malfoy hinüber, der im sanften blassrosa Schimmer der libidösen Dämpfe geradezu verboten gut aussah. Hermine öffnete ihren Mund leicht und langsam glitt ihre Hand von der Tasche weg, ihren Oberschenkel entlang auf ihren gerade brennenden Unterleib zu, der bei bloßen Erinnerung des Kusses, den sie heute Morgen so ungefragt bekommen hatte, mindestens ebenso heftig kochte wie die beiden Kessel im Raum.
„Profeffor. Fie follten Miff Granger etwaf Friedenfdrangk mitgeben. If denke, wir follten anfiftf der Vorfälle von heute morgen fiel mehr dafür tun, daß fif unfere Häufer näher kommen.“
Dracos näselnder Vorschlag, brachte Hermine augenblicklich in die Wirklichkeit zurück. Gerade wollte sie wütend nachwerfen, dass speziell sie so gar keine Lust hatte sich mit speziell diesem Slytherin neben ihr auf irgendeine Art und Weise zu vereinigen, als auch schon der hochrote Slughorns zwischen den Dämpfen durchgewabert kam und freudestrahlend eine Phiole vor ihnen auf den Tisch knallte. „Eine ausgezeichnete Idee.“ Begeistert wie selten, zwirbelte er seinen Schnurrbart und schlug Draco anerkennend auf die Schulter. „Vielleicht habe ich sie unterschätzt Mr. Malfofy. Eine solch gute Idee an einem solchen Tag wie diesem.“ Slughorn strahlte.
Hermine rollte genervt die Augen. „Montag?“
Slughorn lachte dunkel und melodisch, wie ein Opernsänger. „Aber nein … es ist doch bald Weihnachten, meine Liebe. Frieden und Liebe … darum geht es doch. Nicht wahr?“ Er breitet seine massigen Arme aus und tätschelte Hermine und Draco gleichzeitig die Köpfe, als wären sie artige Kleinkinder. „Und sehen sie nur. Da arbeiten sie einträchtig zusammen. Gryffindor und Slytherin. So soll es sein. Wenn das keine Freude ist.“
Hermine verzog das Gesicht, als ob sie gleich weinen müsse doch Draco lächelte so liebevoll zu ihr hin, als seien sie seit Jahrzehnten die allerbesten Freunde. „Nift wahr?“
„Pass auf deine Zähne auf, wenn du noch breiter grinste fallen dir welche raus.“ raunte Hermine in Dracos Richtung, als Slughorn wieder zu seinem eigenen Trank zurückging, der ihm wohl den Abend versüßen sollte.
Draco lachte. Nicht gehässig wie sonst, sonder offen und geradezu sympathisch. „Locker bleiben, Hermine. Du hörst es doch. Wir sollen uns vereinigen.“
Zufrieden mit sich und der Aussicht, die Welt ein klein wenig harmonischer gemacht zu haben bemerkte Slughorn nicht, die Hermine zu dem neben ihr liegenden Mäppchen griff und es Draco kräftig auf den Kopf schlug.
„Nur weiter so“ lobte er stattdessen. „Ein bisschen mehr Frieden in der Welt, speziell zwischen den Häusern an der Schule, tut schon lange Not. Ein Schlückchen in Ehren vor jedem Quidditch-Spiel. Aber nie ohne Erlaubnis deren, die ihn nehmen sollen empfehle ich.“
Heiter winkte eine fleischige Hand zwischen dem rosa Dampf um Slughorn herum zu ihnen hinüber, während Hermine Draco, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf rieb, den Mörser entriss und in ihrer Petrischale Hanfkraut zu zerstampfen begann, als ginge es um ihr Leben.
Wäre Slughorn nur wenige Schritte näher gewesen, so wäre er das nächste Opfer von Hermines Schulausstattung geworden.
Xxx
Drei weitere einsam-zweisame Doppelstunden, vier durchschwitzte Umhänge, 16-maligem Mäppchen-auf-Kopf schlagen, mindestens 20 vermeintlichen Herzinfarkten, Hermines sowie unzähligen Stoßgebeten, vom Stuhl fallen und angestrengt in die andere Richtung Starrens später, hatte Hermine endlich die letzte Unterrichtsstunde hinter sich gebracht, all ihre Schulsachen zerknittert und fleckig wie noch nie in ihre Tasche gestopft und war geradezu panisch aus dem letzten Unterricht dieses Schuljahres bei Professor Vektra geflüchtet.
Den Rest des Tages verbrachte Hermine damit, sich im Gryffindorturm den Beschuldigungen, Schreien und Vorwürfen ihrer Freude zu erwehren. Sie beteuerte immer, und immer wieder, dass das ganze von Malfoy ausgegangen war, sie so starr vor Schreck gewesen wäre, dass ihre Gegenwehr unmöglich war und dieser Streit, den sie nun miteinander führten, doch genau das gewesen wäre, was Malfoy mit dem Kuss bezweckt hatte.
Er wollte ihre Freundschaft zerstören, um sich dafür zu rächen, dass seine Seite von der ihrigen besiegt worden war.
Das Abendessen in der großen Halle war unter Garantie das gruseligste, was Hermine je erlebt hatte, den nachdem alles aufgeräumt war, hatte Hagrid es sich nicht nehmen lassen, auch hier sämtliche Wände voll Mistelzweige vollzutapezieren.
Ganz zu schweigen davon, dass Ron mit erhobenem Zauberstab im Stehen aß, damit er Draco, falls er es wagen sollte noch einmal in seine Nähe zu kommen, eigenhändig zerfetzen könnte. Egal wie oft ihm Harry auch sagte, dass der gesuchte im Slytheringemeinschaftsraum sei.
„Er ist unten, seit er vorhin bei Professor Vektra weg ist. Da sitzt er dort rum und das kann nichts Gutes bedeuten.“
Hermine zog zweifelnd die Augenbrauen hoch, doch Harry stach beharrlich mit seinem Finger auf die Karte des Rumtreibers, als könne er Malfoy, der dort in Form eines kleinen Punkten abgelichtet war, damit aufspießen. „Er liegt ganz alleine im Bett herum. Das kann nur eines bedeuten …
“.
„ER ONARNIERT!“ trumpfte Ginny auf, die Harry die Karte aus den Händen gerissen hatte und sichtlich stolz darauf war, das vermeintliche Rätsel entschlüsselt zu haben.
„DIESES SCHWEIN!“ brüllte Ron wütend und so laut zu Ginny zurück, dass etwa fünf Sekunden lang vollkommene Stille im Saal herrschte da alle doch bitte gerne genauer hören wollten, welches Schwein Weasley beim onanieren erwischt hatte.
Hermine knallte ärgerlich ihr Besteckt auf den Tisch, schob den Teller weit von sich weg und stand, zwei Hände vor sich auf den Tisch stützend, auf. Mit finsterer Miene zog sie ihren Umhang zurecht. „Ihr seid einfach nur peinlich. Wisst ihr?“
„WIR SIND PEINLICH? WER HAT DENN?“ wollte Ron gerade zornig seine Vorwürfe vom Nachmittag weiter ausführen, doch Hermine schnitt ihm mit kalter Stimme das Wort ab. „ER hat mich geküsst. Nicht ich ihn … und ihr macht euch doch nur lächerlich.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, hob die Arme und gestikulierte damit wild, als sie vorwurfsvoll weitersprach. „Er macht das alles doch nur um Zwietracht zu sähen. Er will uns doch nur auseinander bringen und ihr seid so dumm und macht genau das, was er will.“
Ron sprang von seinem Platz auf und erhob sich drohend über Hermine. „Hey, hast du eben gesagt ich bin dumm?“
Hermine rollte die Augen, schüttelte genervt den Kopf, machte auf dem Absatz kehrt und stampfte allein in Richtung Tür, leise „Auf mich hört ja keiner“ vor sich hermurmelnd. Auf diese Art konnte sie es wenigstens schaffen, die anzüglichen Bemerkungen der Slytherins zu ignorieren die ihr von deren Seite nachgerufen worden, oder die sich ständig wiederholenden „Hat sich Ron wirklich mit Malfoy wegen Dir geprügelt?“ Fragen, die ihr von der anderen Seite aus Richtung von Hufflepuff und Ravenclaw zugeraunt worden.
Ganz genau wusste sie zwar, was sie vorhatte, jedoch noch nicht, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzen sollte. Der Zufall kam ihr zur Hilfe als ihr, gerade als sie sich in Richtung machte, wo sie die Slytherinkerker vermutete, ein Erstklässler dieses Hauses entgegen kam.
Hermine stampfte auf den sichtlich erschrocken wirkenden Jungen zu, packte ihn am Kragen und schleifte ihn mit sich in die Richtung zurück, aus der er gerade gekommen. „Ich bin Schulsprecherin. Ich habe wichtige Dinge mit dem anderen Schulsprecher zu klären. Geh jetzt runter und hol´ mir Draco Malfoy heraus.“ befahl sie barsch.
Der Kleine polterte hinter ihr die Treppe herunter. Unsicher, ob er Hermines Griff lockern sollte mit dem sie ihm die Luft abschnürte oder sich doch lieber am Geländer festklammern sollte, um nicht nach unten zu kullern. Auf der letzten Stufe ließ sie endlich von ihm ab, holte jedoch ihren Zauberstab ihrem Umhang hervor und richtete ihn auf die Stirn des Kleineren.
„Du gehst jetzt vor und holst Malfoy, ich kenne den Weg nicht.“ Hermine verengte die Augen, trat drohend einen Schritt näher und sah den Jungen finster an. „Und wehe, du tust es nicht. Klar?“
„Vollkommen klar“ piepste der Junge, der ängstlich zwischen Hermines Zauberstab und ihrem Gesicht hin und her schielte. Mit einem Ruck löste er sich von ihr und stolperte den Korridor entlang, von ihr weg. Zuerst glaubte sie, er wolle wegrennen. Doch blieb er neben einem Gemälde stehen, winkte ihr zu und verschwand so plötzlich, als ob er vom Erdboden verschluckt worden wäre.
Zuerst erschrak Hermine, doch dann realisierte sie, dass dies wohl der Eingang sein musste. Wurde nicht auf der Gryffindorturm von einem Bildnis bewacht? Zögernd kam sie näher, die Augen auf das Bild gerichtet neben, hinter oder unter dem der Junge gerade verschwunden war.
Das gut 2,50m hohe Bildnis einer Hexe die mit einer um sie herum windenden Boa im Arm tanzte. Die Schlangenfrau war nur in durchsichtige, seidig schimmernde Tücher gehüllt, die den Blick auf Vorzüge zuließen, deren Ausmaß Hermine nie vergönnt waren. Während sie so tanzte und sich zu einer unhörbaren Melodie hin und her wiegte, verblassten ihre Konturen Zusehens und verschmolzen mit dem schwarzen Hintergrund des Bildes.
Statt dessen zeichnete sich ein neuer heller Lichtfleck auf dem schwarzen Leinen ab, dass größer und größer wurde bis Hermine einen silberblonden Haarschopf erkennen konnte, der sich durch das Bild hindurch die Wand hinaus schob, und dem dann auch der Rest von Draco Malfoy folgte.
Malfoy, gekleidet in einen smaragdgrünen Satinschlafanzug, dessen Oberteil nicht zugeknöpft war und den Blick auf seine unbehaarte, klar definierte Brust freigab, strahlte heller als sämtliche Fackeln im Korridor zusammen als er Hermine erkannte. „Hermine.“
Er kletterte vollkommen aus dem Porträt heraus, das wohl den Eingang zu dem Slytheringemeinsschaftsraum darstellte, und ging einige Schritte auf Hermine zu. „Du hast mich wohl vermisst.“
Blau Angeschwollen, voller Fleischwunden, blutverkrustet wie er war, brachte er doch ein überraschend überlegenes Lächeln zustande, so wie er sich lässig vor ihr an die Wand hinter ihm lehnte und entspannt die Arme zu verschränken und einfach, nun, froh?, wirkte, Hermine zu sehen.
Hermine holte tief Luft, bemühte sich um Sachlichkeit in ihrer Stimme, und begann. „Also hör mal, Malfoy. Ich bin nur hier weil es mir peinlich ist, wenn du mit Veilchen im Gesicht rumläufst und mich jeder darauf anspricht. Also …“ Hermine hob ihren Zauberstab, schwenkte ihn einige Male vor dem breit, doch lückenhaft Grinsenden Malfoy hin und her und vollbrachte einen perfekten, ungesagten „Ekipsey“ Zauber.
Die blauen Augen schwollen schnell ab, die Farbe verblasste zuerst in´s grünliche, dann gelbliche bis sie wieder mit der normal, hellen Farbe seines ebenmäßigen Gesichts verschmolz. Hermine hob den Zauberstab erneut, tippte Draco, der nun doch misstrauisch den Kopf nach hinten überstreckte, gegen den Mund und bohrte die Spitze ihres Zauberstabes ziemlich unsanft in eine frisch, geschlagene Zahnlücke hinein. Malfoy wollte den Stab gerade ärgerlich wegschlagen, als auch schon ein neuer, makelloser, weißer Zahn genau an der richtigen Stelle nachwuchs.
Ungläubig betastete der Blonde sein Gesicht, ließ seine Finger über sein nun wieder hübsches Gesicht und die vollständigen Schneidezähne gleiten.
„Dafür will ich aber was.“ Stellte Hermine kalt und beherrscht klar. Draco richtete sich auf und sah sie überrascht an. „Miss Granger. So hätte ich sie nicht eingeschätzt.“ Ein grinste Anzüglich. „Um mit mir in den Schlafsaal zu gehen, musst du keine Erstklässler bedrohen.“
„Ach halt die Klappe, Malfoy.“ Schnarrte sie genervt zurück, hob ihren Zauberstab erneut auf Draco, doch sah nun unvergleichlich drohender aus als das letzte Mal. „Ich will, dass du mich in Ruhe lässt. Du hattest deinen Spaß. Meine Freunde werfen mir die schlimmsten Dinge vor, meine Hauskameraden meiden mich, die anderen Häuser lachen mich aus und Slughorn.“ Ihre Miene verzerrte sich, als ob sie sich gleich übergeben würde „Glaubt, dass du ein neuer Gandhi bist. Du hattest deinen Spaß. Hör endlich auf damit, und lass mich in Ruhe.“
Der Slytherin wirkte mit einem Mal vollkommen ernst, stieß sich von der Wand ab und kam näher, unangenehm nahe, auf Hermine zu. „Ich kann es nicht und es ist kein Spaß.“
Eine kurze Pause. Seine Augen suchten die Ihren. Nachträglich schüttelte er den Kopf, als er mit ernsthafter, bestimmter Stimme weitersprach. „Wenn du wegen mir Ärger hast, tut es mir leid. Aber ich möchte dich nicht aufgeben den es ist mir ernst. Ernster, als du ahnst.“
Hermine wurde kreidebleich, schnappte nach Luft und wich ein wenig zurück. Nicht weit, gerade mal einen Schritt. Nahe genug, um ihn mit ausgestreckter Hand berühren zu können.
Nicht, dass sie das vorgehabt hätte.
„Aber das ist doch verrückt.“ Hermine klang nun eher verzweifelt als ärgerlich. „Du musst damit aufhören, du zerstörst alles was mir wichtig ist und ich WEISS, dass du nur ein Spiel treibst.“
Ihre Augen wurden feucht, sie zitterte, wankte, denn schon wieder wurde ihr schwindelig als die Spitzen seiner Finger zart wie ein Windhauch über ihre Wangen und ihre Lippen glitten.
„Ich kann es nicht Hermine. Ich will dich, dass weißt du.“
„Nein.“ Sie schüttelte matt, kraftlos den Kopf und wagte kaum den Mund aufzumachen, als sie ihn anflehte, denn immer noch ruhten seine weichen Finger sanft auf ihren Lippen. „Bitte, hör auf damit.“
Draco benetzte seine Lippen, ließ seine Hand sachte an ihr Gesicht hinab, ihren Hals entlang, über ihren Arm hinweg gleiten und ließ schließlich ganz von ihr ab.
„Ich mache dir einen Vorschlag, Hermine“ sagte er, nun wieder gewohnt kühl und berechnend klingend. „Ich will nur einmal in Ruhe mit dir reden. Nicht hier … vielleicht morgen, nach dem Unterricht? Wenn Du mir dann immer noch so gar keine Chance geben willst, dann versuche ich aufzuhören. Aber vorher.“ Er schüttelte entschlossen den Kopf. „Auf keinen Fall.“
Hermine schluckte, atmete flach und eine Sekunde lang, nicht länger, war sie ernsthaft versucht seinem Vorschlag nachzugeben. Waren seine Augen schon immer so hell und klar, dass sie sogar ihre Locken in deren Spiegelung erkennen konnte? War sein Mund schon immer so voll und zart geschwungen, als wäre er von einem Maler in dieses sonst so kalt wirkende Gesicht gezeichnet worden?
Aber dann …
„Vergiss es.“ Wütend, eher über sich selbst als über ihn, wich sie zuerst ein paar Schritte zurück, dann noch weiter, bis sie sich endlich von einem Anblick lösen konnte, sich umdrehte und zur Treppe nach oben von ihm weg eilte.
„DANN BEKOMMST DU MORGEN WIEDER EINEN BRIEF! UND ÜBERMORGEN! UND ÜBERÜBERMORGEN! BIST DU BEREIT BIST, ZEIT MIT MIR ZU VERBRINGEN!“ rief Draco ihr nach. „HÖRST DU? DAS IST ES, WAS ICH VON DIR WILL! ZEIT!“
Etwa auf der Mitte der Treppe blieb Hermine stehen, drehte sich noch einmal um und betrachtete den, der ihr nachgerufen hatte, voller Argwohn. „So, Zeit? Sonst nichts?“
Draco schüttelte den Kopf, und lächelte. „Das ist alles. Zeit. Bekomme ich sie?“
„NEIN!“ Hermine schüttelte energisch den Kopf, wollte schon wieder weiterstampfen doch hielt sie eine Frage zurück, die ihr seit dem Morgen schon auf den Lippen brannte. „Die Taube mit der Froschzunge. Gehört sie dir, deine Idee?“
Der Slytherin lachte. Hell und klar, melodisch wie ein Glockenspiel. „Ja, er heißt Clint. Magst Du ihn?“ Das spitzbübische funkeln in seinen Augen, der so freundlich lächelnde, leicht geöffnete Mund den ein sanftes Lächeln umspielte, der Anblick war so perfekt, dass Hermine sich des Zaubers der darauf lag, nicht erwehren konnte.
Malfoy legte den Kopf schief, verschränkte die Arme lässig hinter seinen Nacken und lächelte sie auf seine besondere Art an, die ihn wie ein unartiges Kindergartenkind wirken ließ. Frech, verschmitzt und dennoch strahlte er dabei eine Unschuld aus, die Hermine unbewusst ein sanftes Lächeln auf das Gesicht zauberte.
„Du lügst.“ Malfoy grinste nach wie vor. „Du bist ganz wild darauf, mit mir zusammen zu sein. Du willst es nur nicht zugeben.“
Hermines Lächeln fror ein, wurde so kalt wie ihre Stimme als sie wütend, doch beherrscht zurück schnarrte. „Niemals.“
Begleitet von Dracos Gelächter, stampfte sie nach oben. Weg von den Kerkern, weg von den Slytherins, weg von Malfoy der sich einbildete, sie könne in ihm jemals etwas anderes sehen als einen Feind.
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