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Fanfiction

Love- the Power of Change - Der Brief

von Schwesterherz

RE-Kommi(s)

@halbblutprinzessin137: Hey, ich danke dir fĂĽr dein tolles und vor allem ausfĂĽhrliches Kommi :). Ich freue mich wirklich, dass alles so rĂĽber gekommen ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Und dass dir der Traum gefiel, nun, da war ich geradezu ERLEICHTERT :D. Ja, the Reason ist einfach toll, nicht? :) Und nein, der Kommi ist nicht zu wirr geworden, keine Sorge ;). Viel SpaĂź nun :P

Ich widme dieses Kapitel AshLee, weil es wegen ihr ein schönes Kapitelende gibt!

Kapitel 35

Der Brief

„Wie hast du das fertig gebracht?“, wollte Susan wissen. Sie sah ihn kurz an, dann schaute sie wieder in den Inhalt ihrer Tasse. Warmer Kakao. „Ich hatte Hilfe.“, Draco lächelte leicht, er konnte immer noch nicht fassen, dass sein Plan wirklich aufgegangen war. „Wahrscheinlich von Emily, oder?“, Susan viel es immer noch unglaublich schwer, den Namen der Französin auszusprechen, aber sie wusste, diese konnte nichts für ihre Gefühle. Und es war nicht ihre Schuld gewesen. Draco hatte sie geküsst, nicht umgekehrt. Ihr Gesicht verzog sich kurz, als sie diesen Stich im Herzen wahrnahm. „Ja… aber nicht nur sie. Professor Richter hatte mir auch geholfen. Und Hermine natürlich.“ „Das war klar. Ohne ihre Schlauheit hättest du auch nie gewusst, wie du deine verrückte Idee umwandeln sollst.“ „Das ist richtig.“ „Und …“ sie zögerte fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, „und der Song, den du im Traum gesungen hattest…“ „Den habe ich wirklich geschrieben.“ Er erhob seinen Zauberstab: „Accio, Songtext!“ Ein langes Pergament schwebte auf ihn zu.
Er reichte es ihr. „Siehst du?“ Sie betrachtete die geschriebenen Wörter, manche waren durchgestrichen, andere schwer zu erkennen, wegen Wasser, welches irgendwann mal das Pergament benetzt hatte. Es gab keinen Zweifel, dass er der Songwriter war. „Ich hatte … lange nicht wahrgenommen, dass du dich wegen mir so verändert hast.“ „Ja, ich weiß. Ich glaube, das liegt daran, dass du mich nicht genau so kanntest, wie ich vorher war. Du hast noch ein Stück mitbekommen, ja, aber… wie ich die ganzen vier Jahre über gewesen war, das wusstest du nicht.“ „Und Emily wusste gar nichts mehr davon. Sie hat dich nur so kennen gelernt… wie du jetzt bist.“ Er strich ihr eine blonde Strähne hinters Ohr. „Ja.“, er nickte, „aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass die eine Frau, die ich in meinem Leben haben will, mich so kennt, wie ich jetzt bin.“ Sie lächelte dann stand sie auf.

„Ich muss jetzt zurück zu Evelyn. Die hatte sich übrigens ganz schön erschrocken, wegen der Eule.“ „Ehrlich?“, er hob überrascht eine Augenbraue. „Ja. Hatte geweint und sich an mir fest geklammert. Und immer „Ralle!“ gerufen. Keine Ahnung, was sie gemeint hat, aber sie wurde erst wieder ruhig, als das Tier in die Nacht geflogen war und nicht mehr zu sehen war.“ „Ralle …“ wiederholte Draco nachdenklich, „sie hatte einen Alptraum gehabt, vor einiger Zeit. Danach hatte sie auch immer nur „Ralle!“ geschrien. Jetzt weiß ich, was das bedeutet.“ „Okay, das erklärt ihre Aufregung.“ Sie sahen sich an.
„Na ja…“ Susan wich seinem Blick aus, „Gute Nacht, Draco.“ „Gute Nacht, Susan.“, antwortete er und sah ihr nach bis sie den Raum der Wünsche hinter sich gelassen hatte.

„Glückwunsch!“, hörte er aus der Ecke sagen und wendete den Blick ab. Emily war aus ihrem Schlafzimmer gekommen und hatte sogar ein mattes Lächeln im Gesicht. „Du hast es geschafft. Dein Plan ist aufgegangen.“ „Ja. Ich danke dir für all deine Hilfe, Emily! Ohne dich hätte ich das nicht hinbekommen!“ „Ohne mich wärst du noch mit ihr verlobt!“, erwiderte Emily und plötzlich klang ihre Stimme ziemlich schwach. „Aber nichts zu danken… schlaf schön, ich werde mich jetzt wieder hinlegen…“ „Du auch…“, flüsterte Draco. An der Tür drehte Em sich noch einmal herum. „Ach und noch was: Es ist doch echt schön, dass wir erfahren haben, was Ev mit „Ralle“ gemeint hat! Ich habe mir schon Sorgen gemacht…“

**__**__**

Die ersten Sonnenstrahlen des fünfzehnten Märzes kitzelten Susan an der Nase. Ein mattes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie schlug die Augen auf und schaute geradewegs aus dem Fenster hinunter zum See, der das Licht der Sonne reflektierte und in dem neu begonnenen Morgen besonders zu glänzen schien.
Ihr Lächeln wurde breiter.

„Guten Morgen, Hermine!“, rief sie fröhlich und wandte den Blick zum Bett ihrer Freundin. Es war verlassen. Verwirrt sah sie sich im Schlafsaal um und bemerkte, dass sie die Einzige war, die noch hier war. Wie spät ist es denn?“, murmelte sie und schielte zu ihrem Wecker hinüber. 7:30 Uhr. Warum sind nur alle Betten so früh verlassen, obwohl Samstag ist? Sie seufzte, dann schlug sie die Bettdecke zurück und verschwand im Bad. Auch hier war keine Menschenseele. Ohne, dass Susan wusste, warum, klopfte ihr Herz zum Zerspringen. Es war doch nichts passiert, oder? So schnell sie konnte wusch sie sich und zog sich an. Dann hetzte sie die Wendeltreppe hinunter in den Gemeinschaftsraum. Suchend sah sie sich um, doch bis auf ein paar Zweitklässler, die auf den Sesseln vor dem Kamin saßen und sich eifrig unterhielten, war auch dieser sonst so belebte Raum verlassen. Susan bekam es mit der Angst zu tun. Sie mochte nicht gerne alleine sein, zudem hatte sie das Gefühl, dass etwas geschehen war. Oder war sie paranoid? „Sie sind bestimmt schon zum Frühstück gegangen…“, redete sie sich selber zu, „Ich sollte in der Großen Halle nachsehen.“

Sie machte sich auf den Weg und war einigermaßen beruhigt, als ihr immer mal wieder Dritt-, Viert-, oder Siebtklässler entgegen kamen. Endlich stieß sie die Tür zur Großen Halle auf und fand Harry und Rons Haarschöpfe sofort, als sie ihren Blick über den Gryffindortisch gleiten ließ. Sie saßen sich gegenüber und redeten angeregt. Su kam von hinten auf Harry zu. „…verstehe nur nicht, warum sie es nie gesagt hat!“, meinte Harry gerade, als Ron den Kopf hob und sich an seinem Toast verschluckte. „Guten Morgen, Susan!“, hustete er und schien es wichtig zu finden, ihren Namen besonders zu betonen. Harry wirbelte herum.

„Hi, Susan, gut geschlafen?“, fragte er und grinste.
„Klar, hab ich. Morgen, Jungs!“, antwortete sie und setzte sich neben den Schwarzhaarigen. „Wer hat euch was nicht gesagt?“, nahm sie Harrys Gesprächsfetzen auf, während sie in den Brötchenkorb griff. „Ähm … Hermine. Dass Viktor Krum ihr Brieffreund ist!“, sagte Ron schnell und bekam eine feuerrote Birne. Susan blinzelte. „Aber das hat sie euch doch gesagt! Ich erinner mich noch genau dran!“ „Oh, ehrlich?“, Harrys Stimme klang eine Spur zu verwundert. Sie schwiegen, Susan wartete ab. Doch die Beiden machten keine Anstalten, ihr zu gratulieren. Wussten sie überhaupt, dass heute der fünfzehnte März war? Plötzlich durchzog Susan ein schmerzhafter Stich. Sie hatte ihnen ja nie erzählt, wann sie Geburtstag hatte. Vor einem Jahr war sie glücklich darüber gewesen. Und jetzt? Nun, es kam ihr auch komisch vor, wenn sie auf einmal sagen würde: „Hey, Leute, ich hab heute Geburtstag! Ich bin jetzt volljährig, ist das nicht toll?!“ Also bestrich sie stillschweigend ihr Brot mit Marmelade und lauschte dem Gespräch der Jungs.

Nach dem Frühstück wollte Susan noch einmal ihren Patenonkel besuchen, der gestern Abend darauf bestanden hatte, Evelyn eine Nacht bei sich zu behalten. Susan schmunzelte. Alle waren sie ganz vernarrt in ihre Tochter. Ihr Sonnenschein. Nur sie selber hatte viel zu spät erkannt, dass Ev ihr doch wunderbar helfen konnte. Und warum? Weil sie in ihre Augen geblickt hatte. Aber Evelyn hatte keine Gemeinsamkeit mit Lucius Malfoy! Keine Gemeinsamkeit mit diesem scheußlichen Alptraum, den der verhasste Feind ihr gewaltsam eingeflößt hatte. Nein! Susan merkte, dass sie zitterte, und versuchte, an etwas anderes zu denken und ihre Erinnerungen an das Gräuel der letzten Monate abzuschirmen. Am Besten noch zu vergessen…

„Susan!“, Professor Richter überschlug sich fast vor Freude, sie zu sehen. Evelyn saß in einem Laufstall und sah sie mit leuchtenden Augen an. „Richard!“, rief Susan ebenfalls so enthusiastisch und breitete die Arme so aus, wie er es tat. Er zerquetschte sie fast zu Mus, als er seine Arme um sie schloss und sie drückte. „Ah, mein großes Patenkind! Alles Gute zum Geburtstag!“ Er strahlte. Susan lachte und löste sich von ihm. „Danke, mein großer Patenonkel!“ Er hielt ihr den Zeigefinger vor die Nase. „Einen Moment!“ Und schon huschte er in die Einbauküche und kam mit einem kleinen Kuchen zurück, auf dem er wirklich 17 Kerzen gesteckt hatte. Susan fragte sich gar nicht erst, wie er das hinbekommen hatte. „Happy Birthday to you! Happy Birthday to you! Happy Birthday, dear Susan, Happy Birthday to you!“ Sie hatte Tränen in den Augen, als sie den Kuchen entgegen nahm. Nicht nur vor Rührung. Sondern auch, weil es das erste Mal war, dass es nicht Johanna und John waren, die dieses Lied sangen. Tapfer schluckte sie die Tränen herunter und blies mit einem Puster alle Kerzen aus, während sie sich mit geschlossenen Augen was wünschte. „Donnerwetter! Da muss doch Zauberei mit im Spiel gewesen sein!“, Richard war baff. „Keine Zauberei, nur jahrelange Übung.“, flüsterte Susan und öffnete die Augen, um ihn anzusehen. „Und? Was wünscht du dir?“, wollte er gespannt wissen. Susan atmete tief durch und antwortete ruhig: „Ich habe nur einen einzigen Wunsch…“

„Bist du sicher, dass ausgerechnet heute der richtige Tag ist?“, fragte Richard beklommen, als Susan den Schlüssel hervorholte und ihn ins Schloss steckte. „Ja…“, sagte sie nur und öffnete die Wohnungstür, „es könnte keinen perfekteren Tag geben!“ Atemlos betrat sie den kleinen Flur und spürte sofort eine verzehrende Trauer und Schmerz. Das ganze Haus roch nach Mathilda und Olaf! Sie biss die Zähne zusammen und trat ins Wohnzimmer. Alles war noch so, wie sie es in Erinnerung behalten hatte. Der Tod ihrer Tante und Onkel war Wochen her. Wieso hier wohl noch niemand gewesen war? Susan schluckte. Ob bei ihr zu Hause auch noch alles an seinem Platz lag? Sie schüttelte alle lähmenden Gedanken ab und drehte sich zu Richard um, der sie unsicher beobachtete. „Okay. Mathilda sagte, der Brief, den sie mir schrieb, wäre in der oberen Etage. Ich werde gleich nach oben gehen und ihn suchen! Kannst du unten nachsehen?“ Richard nickte. „In Ordnung.“ „Alles klar…“, zögernd ging Susan vom Wohnzimmer aus in die Küche. Sie wollte gerade in den zweiten Flur gehen, der größtenteils die breite Treppe beherbergte, als sie unvermittelt inne hielt. Langsam drehte sie sich nach rechts zum Kühlschrank um.

Fünf Personen lachten sie aus einem Foto heraus an. Von links nach rechts hielten sich Mathilda und Olaf und Johanna und John im Arm. Johanna hatte ihre linke Hand zudem auf die Schulter eines kleinen Mädchens mit blonden Haaren gelegt, die artig in die Kamera lächelte. Ein kleiner Zettel verdeckte die untere rechte Ecke des Fotos. Darauf stand:

„Wir hatten einen wunderschönen Urlaub mit euch! Danke dafür!“

Mit zitternden Fingern strich Susan über das beschriebene Blatt. Es war die Handschrift ihrer Mutter. Durch ihre Berührung rutschte der Zettel ein kleinen wenig nach unten. Susan erstarrte, als ein brauner, verstrubbelter Haarschopf darunter auftauchte. Mit einem Ruck riss sie das Blatt herunter. Jeremy grinste sie mit tiefbraunen Strahleaugen an und streckte die Zunge heraus. Er lachte und war der Kamera viel näher als der Rest der Familie. Susan dachte automatisch, dass ihr Bruder dort nicht älter als drei Jahre sein konnte. Sie war ein Stück zurück gewichen vor Schreck. Tränen kullerten über ihre Wangen. Doch dann verharrte sie in der Bewegung, schluckte langsam und nahm das Foto vom Kühlschrank. Hier würde es niemand mehr betrachten können. Ihre Finger zitterten immer noch, als sie es einmal in der Mitte knickte und in ihre Hosentasche gleiten ließ.

Einige Sekunden brauchte sie um sich zu sammeln, dann rannte sie in Windeseile die Treppe hinauf. Warum hatten sie Jeremy verdeckt?! Susan durchsuchte das Badezimmer und ein Schlafzimmer, indem nur ein Bett und ein Schrank standen. War das Yvonnes Zimmer?
Aber nein, Susan erinnerte sich, wie sie selbst hier geschlafen hatte, wenn sie bei Onkel und Tante übernacht geblieben war. In den frühen Morgenstunden war sie immer aufgewacht, aus dem Bett gekrabbelt und zu Mathilda und Olaf ins Schlafzimmer rüber gehuscht. Susan drehte sich um ihre eigene Achse und sah sich der weißen schlichten Tür gegenüber. Sie war geschlossen. Auch das war ein vertrautes Bild, die Schlafzimmertür war immer geschlossen gewesen. Je näher Susan der Tür kam, desto stärker pochte ihr Herz. Sie hatte so eine Ahnung, dass sich der gesuchte Gegenstand genau hinter dieser Tür verbarg. In dem Zimmer würde sie fündig werden.

Im Zeitlupentempo streckte sie den Arm aus und berührte die goldene Klinke. Susan sprang zur Seite, als die Tür plötzlich wie von selbst aufschwang. Wie von Geisterhand… Sie wartete, bis sich ihr Puls wieder beruhigt hatte, dann betrat sie den Raum. Das Laminat wich weißem Teppichfußboden. Ihr gegenüber waren die zwei großen Fenster weit aufgerissen. Die langen weißen Gardinen flatterten im Wind. Wieso sind die Fenster so weit offen? Verwundert ging Susan darauf zu und schloss sie. Auf einmal fiel neben ihr etwas vom Nachtisch herunter. Erschrocken fuhr sie herum. Ein kleiner, dunkelbrauner Rahmen lag mit der Innenseite nach unten vor ihren Füßen. Zögernd ging Susan in die Knie und hob ihn auf. Behutsam drehte sie ihn, um das Foto im Rahmen erkennen zu können. Beinahe hätte sie es wieder fallen lassen.
Susan erinnerte sich noch sehr genau an die Szene. Es war kurz vor Jeremys Tod gewesen. Johanna und John waren mit ihren Kindern auf dem Muggel- Jahrmarkt gewesen. Als Belohnung, weil diese ihre Zimmer so schön aufgeräumt hatten. Susan erinnerte sich noch klar und deutlich, wie sehr sie und Jeremy aus dem Häuschen gewesen waren. Hand in Hand waren sie über den Platz gegangen, waren in alle Karussells gestiegen und hatten bei jedem Dosenwerfen mitgemacht. Bei einem großen Ballonstand hatten sich Beide einen mit Helium gefüllten Ballon aussuchen dürfen. Jeremy hatte sich für einen Hai entschieden, der mal kein schauriges Gebiss, sondern ein freundliches Lächeln aufgemalt bekommen hatte. Sie selber hatte sich ein Pegasuspferd ausgesucht. Sie hatten Zuckerwatte und Bratwürste gegessen und waren sogar in die Geisterbahn gestiegen, wo ihr Bruder teilweise ängstlich ihren Arm gepackt hatte. Susan musste lächeln, als sie daran dachte. Ihr Blick wanderte wieder über das Foto in ihren Händen. Jeremy hatte seinen Kirschlolli im Mund, den er kurz zuvor noch hatte schweben lassen. Es war der erste richtige Zauber gewesen und Susan wusste noch, wie stolz sie auf ihren Bruder gewesen war. Er war ein Zauberer, welch Freude! Ein bitteres Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Jeremy hatte nie die Chance gehabt, wirklich zu lernen, Zauberei unter Kontrolle zu halten und zu trainieren. Er hatte nie die Chance gehabt, seine Ausbildung auf Hogwarts zu beginnen. Er hatte nie die Chance gehabt, Hogwarts zu Gesicht zu bekommen…

Sie konnte den Blick nicht vom Bild abwenden. Jeremy und sie saßen zusammen auf einem weißen strubbligen Pony, welches gemächlich seine Runden drehte. Er saß vor ihr und glühte vor Stolz, weil John noch gemeint hatte, was für ein talentierter Reiter er doch sei. Sie selber klammerte sich an der Mähne des Ponys fest und jeder konnte aus ihrem Gesichtsausdruck ablesen, wie wenig sie davon hielt, auf diesem Tier zu sitzen. Sie hatte es Jeremy zu Liebe getan. Alleine hätte er nicht aufs Pferd gedurft, war zu klein gewesen.

Sie schluckte, erinnerte sich an den krönenden Abschluss des Abends: eine gemeinsame Tour auf dem Riesenrad! Sie hatte den zauberhaften Anblick noch vor Augen. Der Jahrmarkt und die ganze Stadt bei Nacht! Nie würde sie das vergessen! Erst Recht nicht, weil Jeremy dieser Anblick so gefallen hatte, dass er sich zu weit über den Wagon gelehnt hatte. Beinahe wäre er gefallen, hätte John ihn nicht noch rechtzeitig zurückgezogen.

Wäre sie doch auch nur rechtzeitig erschienen, als Jeremy ein zweites Mal in Lebensgefahr gewesen war…

Susan schluckte abermals, um den riesigen Kloß in ihrem Hals loszuwerden und löste sich mit Mühe von dem Foto. Komischerweise hatte das Glas des Rahmens keinen einzigen Riss. Behutsam stellte sie den Rahmen wieder auf. Als sie sich aufrichten wollte, berührte ihre Hand die obere Nachtischschublade. Ihre Finger zuckten, verweilten auf dem Griff. Sie öffnete die Schublade und- da lag er.

Sie zögerte kurz, dann streckte sie ihre zitternde Hand nach dem abgegriffenen Umschlag aus. Lange betrachtete sie ihn. Betrachtete die grüne, geschnörkelte Handschrift Mathildas.

An meine Nichte,

Susan Kathleen Kubitz


Susan schluckte. Da kniete sie nun neben dem Ehebett ihrer Tante und wusste nicht, wie sie die Nervosität abschütteln sollte. Als sie mit dem Daumen über die Schrift strich, überkam sie auf einmal eine ihrer ungekannte, nackten Angst. Wovor fürchtete sie sich denn? Was konnte schon dort drin stehen, was sie in Panik versetzte? War es vielleicht die Tatsache, dass sie das erste Mal wieder etwas in der Hand hatte, was wirklich Erinnerungen auslösen konnte? Fürchtete sie sich davor, noch mal den Moment durchleben zu müssen, als sie zusehen musste, wie Mathilda und Olaf ermordet worden sind? Aber Mathilda erklärte ihr doch nur, weswegen sie ihr verschwiegen hatte, eine Hexe zu sein. „Sei nicht so ein Feigling!“, schallte sie sich selbst, „öffne ihn!“ Doch ihre Finger glitten nur bedacht über den Verschluss, der an einigen Stellen schon ziemlich wellig war, als ob er schon dutzende Male auf und zugemacht worden war … sie wog den Brief in ihren Händen. Schwer war er. Entweder es war ein sehr langer Brief, oder es waren mehrere. Susan atmete tief durch, öffnete den Umschlag und zog einen Batzen Pergamente heraus. Sie sahen unterschiedlich alt aus, aber alle waren sie so abgegriffen, wie der Briefumschlag selbst, als seien sie schon seit Jahren immer und immer wieder gelesen worden. Der Inhalt dieser Pergamente war ebenfalls mit grüner Tinte geschrieben worden … Ihre Hände zitterten immer noch, als sie zu dem Brief mit dem ältesten Datum griff. Sie stutzte. Es war der Geburtstag ihres Bruders … da war sie selbst fünf gewesen … sie schloss die Augen, atmete erneut tief durch und begann langsam Zeile für Zeile zu lesen und in sich aufzunehmen:


19. Dezember. 1985
Liebe Susan,


Ich weiß nicht, ob dieser Brief dir jemals in die Hände fallen wird, wenn es wirklich so sein sollte, bitte ich dich an dieser Stelle um Verzeihung, für alles was ich getan habe.
Ich habe keine Ahnung, wo ich beginnen soll, die Sache ist ein wenig komplizierter. Na ja, eigentlich muss ich dir nur eines sagen: die Wahrheit.

Und die erste LĂĽge, die ich nun lĂĽften werde, ist die, dass ich eine Muggel bin. Nein, das stimmt nicht, Susan, ich bin eine Hexe. Und du hast deine Zauberkraft von mir geerbt.
Die nächste Unwahrheit ist, dass mein Name Mathilda ist. Ich heiße Yvonne Kathleen Devaney … ja du hast richtig gelesen. Nun, du fragst dich bestimmt, wofür und warum diese ganze Heimlichtuerei. Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht … es hatte sich im Laufe der Jahre so zugetragen. Es war der Wunsch deiner Mutter. Bevor du sie verurteilst, Susan, musst du die Hintergründe verstehen!

Du musst wissen, wir hatten einen Bruder. Er hieĂź David Roberto Devaney. Ja, das ist der Beginn fĂĽr meine Geschichte. Seine Geschichte. Wie auch immer, ich muss am Besten ganz von vorne anfangen:

Deine GroĂźeltern, also die Eltern von Johanna und mir, hieĂźen Ingke- und David Thomas Devaney. Beide waren im Jahr 1933 geboren.

Sie hatten natürlich drei Kinder. David Roberto war der Erstgeborene, er hatte bereits am 13.Januar.1950 das Licht der Welt erblickt. Ich war das Mittlere Kind, geboren am 25.September.1954. Und Johanna war unser Nesthäkchen, geboren am 23.Januar.1956. Nun, David und ich waren Zauberer und Hexe. Johanna Muggel, was sie von unserer Mutter geerbt hatte, da diese keine Magie im Blut hatte, also eine ganz normale nichtmagische Frau gewesen war. Johanna hatte nie was gegen Zauberei gehabt, erstens weil sie keine Ahnung davon hatte und zweitens, weil sie mit ihrem Leben so zufrieden gewesen war, wie es war. Ja, sie hatte gar keine Hexe sein wollen. Vielleicht war das ja auch gelogen, aber auf jeden Fall hatten wir drei uns immer gut verstanden.

Am 2.Juli.1970 jedoch, geschah etwas, was alles zerstören sollte. Das Leben meiner Familie. Mein Leben. Und erst Recht das Leben meines Bruders… ich hatte einen Freund gehabt, einen Zauberer. Er hatte mich immer geprügelt und auch mal mit dem Cruciatus- Fluch gefoltert. Er war ein widerliches Schwein gewesen.

Nun, am besagten Tag kam David allerdings dahinter und er wurde fuchsteufelswild. Ehrlich, ich hatte ihn noch nie so wĂĽtend gesehen, wie zu dieser Nacht im Dorf auf diesem Sandweg. Er griff meinen Freund an.

Mit dem Zauberstab natürlich. Ich wollte eingreifen, aber er war ein ganzes Stück älter, breiter und stärker als ich, er hatte mich einfach immer nur zur Seite gedrängt und meinen Zauberstab hatte ich, dumm wie ich gewesen war, zu Hause gelassen. Jedenfalls leisteten sich die Beiden ein Duell. Und … David wurde von diesem Ekel getötet!

Er … war ermordet worden von meinem bisherigem Freund!

Ich hatte in dieser Nacht gar nichts mehr realisiert und natürlich hatte sich der Mörder aus dem Staub gemacht. Die ganze Nacht hatte ich weinend neben meinem Bruder gesessen und als der Morgen gegraut hatte, hatte ich ihn mit nach Hause geschleppt und meinen Eltern und Johanna erzählt, was passiert war. Wenige Stunden später stand dick und fett in der Zeitung, dass ich die Mörderin von David gewesen sein sollte. Im Tagespropheten, Susan, nicht in der Muggelzeitung.

Dieses Aas hatte sich als Augenzeuge ausgegeben und gleich gegen mich ausgesagt. Wir hatten keine Chance. Aber wir entkamen aus diesem Dorf und zogen nach London.

Unsere Namen hatten wir alle geändert. So hießen meine Eltern Violett und William Kubitz. Ich hieß Mathilda Kubitz und Johanna konnte ihren Namen behalten, da sie eh eine Muggel war. Wir waren ab dem Tag alle Muggel. Es hieß, die Devaneys waren verschollen. Keiner wusste, was mit ihnen geschehen war. Keiner wusste, dass mein zu Hause von dem Tag an mit einem Fidelius Zauber geschützt war. Meine Haare trug ich seitdem immer lang, das hatte ich früher nie gehabt. Wir mischten uns unter die Leute, ich lernte Olaf kennen und verliebte mich in ihn. Mein Vater arbeitete in einer Bonbonfabrik mit miesen Arbeitszeiten und miesem Gehalt. Meine Mutter war Schneiderin und nähte täglich so viel, dass ihre Finger immer wund waren und schmerzten. Johanna sah nicht mehr wie das vergnügte Mädchen aus, das war sie seit dem Tod von David nie wieder gewesen. Sie hatte Zauberei seitdem gehasst und gefürchtet, aber sie konnte weiterleben und schaffte ebenfalls den Neuanfang. Du weißt, ich bin zwei Jahre älter als sie. Sie fand John mit sechzehn und wir hatten eine Doppelhochzeit, als sie achtzehn war. So heiratete ich Olaf und sie John. Mit den Jahren geriet der Mord meines Bruders auch immer mehr in Vergessenheit.

Ich gebar meine Tochter, Yvonne Kubitz, am 22.Juni.1976. Johanna bekam dich einige Jahre später und gab dir meinen Zweitnamen, wofür ich ihr sehr dankbar war und immer noch bin.

Es war sehr schnell klar, das du die Zauberkräfte von mir geerbt hattest. Und deine Mutter verbot mir, dir zu sagen, dass ich eine Hexe bin. Meine Eltern waren dagegen, dass auch die eigene Familie belogen wurde, aber wir mussten uns schließlich Johannas Willen beugen, immerhin war das ihre Erziehungsmaßnahme. Ich wollte mich auch nicht mit ihr streiten und andererseits hatte sie auch Recht.
Du würdest irgendwann nach Hogwarts kommen. Und da würde mein Name auftauchen, mein Alter verständlicherweise. Im Nachteil. Du würdest denken, ich hätte meinen eigenen Bruder getötet, weil niemand sich die Mühe machen wollte, alles zu erklären. Und abgesehen davon solltest du, wegen welchem Grund auch immer, nie von David Roberto erfahren. Es ist alles irgendwie ineinander verstrickt und ich fand keinen Ausweg. Als Dad am 6.März.1983 plötzlich an einem Herzinfarkt starb, zogen für uns alle dunkle Zeiten auf. Noch nie war es uns so schwer gefallen, unsere Deckung nicht einfach auffliegen zu lassen, denn das Geld war knapp und die Bezahlung für Mums Job nicht sonderlich üppig. Der Lichtblick, den wir alle gebraucht hatten, ist die Geburt deines Bruders Jeremy… Mag sein, dass er mir die Kraft gegeben hat, Hoffnung zu schöpfen und neuen Lebensmut zu gewinnen…

Den genauen Grund, weswegen Johanna nicht wollte, dass du Yvonne kennen lernst, konnte ich nur erahnen. Vielleicht hatte sie Angst, dass meine Tochter alles ausplaudert, was du nie erfahren wirst oder durftest. Denn im Gegensatz zu Johanna, hielt ich es für besser, meiner Tochter zu erzählen, was geschehen war.

Alles.

Warum ich das alles erst am Geburtstag deines Bruder aufschreibe? Ich weiĂź es nicht. Vielleicht hat es mich zur Vernunft gebracht, als mir klar wurde, dass ich jetzt noch jemanden in der Familie belĂĽgen muss.

Mathilda


Susan war total geschockt. Was sie da gerade gelesen hatte, überschwemmte sie mit so einer Macht, dass sie nicht imstande war, irgendetwas zu fühlen. Sie hatte gerade die Lebensgeschichte ihrer Familie gelesen. Verrat. Mord. Sie hatten sich als Muggel ausgeben müssen. Und ihre Mutter hatte ihr alles verschwiegen. All die Jahre. Bis es zu spät gewesen war. Sie hatte ihr nie wieder irgendetwas erzählen können und gewiss hätte sie es auch nicht gewollt und getan. Heiß rannen Susan Tränen über die Wangen. Sie fühlte sich schrecklich. Die Gewissheit, dass ihre Eltern sie zu Lebzeiten immer belogen hatten, selbst als ihr das gleiche Schicksal widerfahren war, wie ihrer Mutter und Mathilda damals, das war etwas, was das Grundbild Johanna und Johns, welches sie immer von den Beiden gehabt hatte, brach. Vielleicht hatte Mathilda das mit dem Brief nicht erreichen wollen, vielleicht hatte sie gewollt, dass es zu einer Aussprache kam, aber dem war nun nicht so.

Sie würde nicht mit ihren Eltern reden können.
Und das war etwas, was sie nicht verkraften konnte.

Sie wollte nicht, dass Hass aufkam, nun, wo ihre Eltern schon seit einem halben Jahr tot waren. Sie wollte sie so in Erinnerung behalten, wie sie zu ihr gewesen waren, als sie noch gelebt hatten! Während sie so in Gedanken versunken war, grub sich ein weiteres, festes Pergament besonders hart in ihre Hand. Zögernd drehte sie es herum. Noch ein Brief! Ihr stockte der Atem, als sie das Datum las: 27. August.1990. Fünf Tage nach dem Todestag ihres Bruders. Schnell schloss sie die Augen. Konnte sie noch mehr ertragen? Was würde nun gelüftet werden, was für Geheimnisse umgaben sie und ihre Familie denn noch? Oder hatte Mathilda, alias Yvonne Kathleen, nur versucht, ihre Gefühle aufzuschreiben, so wie sie selbst es Wochen nach dem Tod Jeremys getan hatte? Um Beherrschung ringend begann sie auch dieses Pergament zu lesen:

Fünf Jahre … fünf Jahre sind erst vergangen und ich bin erneut an einem Abgrund… ich habe das Gefühl, ich würde jeden Moment in die Tiefe gerissen werden. Es ist einfach zu unrealistisch, zu unglaublich, zu unfair, um es wahrhaftig zu begreifen: das sich das Schicksal erneut gegen uns verschworen hat. Gegen Susan, gegen meine Schwester und auch gegen mich! Musste sich dieses schreckliche Gräuel noch einmal wiederholen? War das unbedingt nötig? Schon wieder ist ein geliebter Mensch von uns gegangen und schon wieder ist es gleichsam der Bruder und der Sohn. Die Geschichte wiederholt sich und ich bekomme es mit der Angst zu tun….

… und die Chance, es Susan zu sagen, ihr zu sagen, dass ich eine Hexe bin, ist mehr den je in die Ferne gerückt. Johanna kommt damit nicht klar… sie hat Depressionen wegen dem Tod ihres Sohnes und hegt Aggressionen gegen die Zauberei, da sie davon überzeugt ist, dass das Jeremy das Leben gekostet hatte. Vielleicht hat sie Recht. Aber mir zu verweigern, meiner Nichte immer noch nicht die Wahrheit zu sagen, ist auch nicht gerade die feine englische Art! Denn mit all den Geheimnissen werde ich nicht fertig! Langsam werde ich verrückt! Ich frage mich immer wieder, wie wird Susan irgendwann darauf reagieren? Denn sie wird es ja erfahren, sicherlich. Es kann sein, dass ihr mein Brief in die Hände fällt, den ich vor fünf einhalb Jahren verfasst hatte, oder es führen andere Umstände dazu, aber es ist einfach nicht fair! Wie soll ich mit dieser Last leben? Schlimmer noch, wie soll Susan später mit dieser Last leben, wenn sie es rausgefunden hat? Ich habe Schuldgefühle … zwar habe ich mir schon so oft geschworen, es ihr zu sagen, aber irgendwie … nur eines ist klar:

Bevor ich sterbe, werde ich ihr auf jeden Fall die Chance geben, die Wahrheit zu erfahren…

Der letzte Satz hämmerte vor ihren Augen auf und ab. Sie hatte ihr Wort gehalten; sie hatte ihr gesagt, wo sie Antworten bekommen würde. In Susans Innern entstand eine undefinierbare Leere. Es war nicht das Selbe Gefühl, das sie in den letzten Wochen verspürt hatte, es war anders. Und dennoch gleich bedeutend in gewisser weise… gleich entsetzlich….

Der Brief fiel ihr aus der Hand, als sie das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Sie sprang auf und riss das Fenster auf. Atmete hektisch die frische Luft ein, während der Wind um sie herum wehte. Am Himmel wurden dunkle Wolken sichtbar, die langsam aber sicher den schönen blauen Himmel verschluckten und alles düster und unheimlich aussehen ließen. Selbst Mathildas Garten, der für Susan immer ihr liebster Spielplatz gewesen war.

„Es tut ihr Leid, Susan…“ Sie zuckte stark zusammen und drehte sich um. Erst dachte sie, Richard hätte zu ihr gesprochen, doch … vor ihr stand nicht Richard. Vor ihr stand jemand Fremdes, den sie nicht kannte. Und er war auch nicht fest, nicht aus Fleisch und Blut. Es war, als würde sie einen jungen Mann im dichten Nebel ausmachen. „Ähm…“ Sie starrte ihn an, bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. Er wurde ein wenig sichtbarer. Jedenfalls konnte sie erkennen, dass er dunkle, halblange Haare besaß, ziemlich groß und breit war und gut aussah. Und die ganze Zeit war er von diesem Nebelschleier umgeben. „Ähm…“, sagte sie noch einmal, „wer bist du?“ Der junge Mann lachte und strich sich den Pony aus dem Gesicht. „Wo bleiben nur meine Manieren! Tut mir Leid, Susan!“ Er hörte auf zu lachen und sah sie an. „Ich bin David Roberto. Aber es wäre mir lieber, du würdest mich nur David nennen…“ „Aber … aber…“, stammelte sie und klaubte mit einer raschen Handbewegung den ersten Brief vom Boden auf. Ihre Augen flogen hastig über das Pergament. „Und … David wurde von diesem Ekel getötet! Er … war ermordet worden von meinem bisherigen Freund…“, murmelte sie, als sie die Zeilen ein zweites Mal las. Dann sah sie wieder auf und Furcht stand in ihren Augen geschrieben. „Aber du bist tot!“

„Ja und nein…“, antwortete er gedehnt, „mein Körper ist garantiert mausetot aber … solange ich in den Erinnerungen derer bin, die mich lieben, bin ich nie ganz verschwunden.“ „Aber … ich kenne dich doch gar nicht. Und all die, die dich kannten sind … gestorben.“ „Aber du hast von meiner Existenz erfahren. Dass ich mal auf dieser Erde verweilte…“ Er deutete mit einem Kopfnicken auf den Brief. Susan hielt sich an der Fensterbank fest, um nicht zu fallen. Ihre Beine bestanden gerade aus Wackelpudding. „Ich versteh das nicht! Wie kann das sein? Welche Zauber sind dafür verantwortlich?“ „Manchmal gibt es sogar Magie, die selbst die größten Zauberer unserer Zeit den Kopf schütteln lässt.“, David lächelte leicht, „aber weswegen ich hier bin, Susan: Ich möchte verhindern, dass in dir ein Hass auf meine Schwestern wächst. Sicherlich kannst du sie am Besten verstehen, am Besten nachempfinden, wie sie sich gefühlt hatten, als ich … das Duell verloren hatte…“, er verzog das Gesicht. „Aber sie haben es mir nie erzählt!“, erwiderte Susan, „sie hielten es nie für nötig, mich einzuweihen! Als gehöre ich nicht zu dieser Familie, nur weil mein Geburtsname Kubitz heißt, und nicht Devaney.“ „Natürlich gehörst du zu dieser Familie, im Grunde genommen wollten sie dich nur… beschützen. Wie dein Freund Ron einst sagte: die haben dich ganz schön von dem Harten Teil der Welt abgeschirmt, was? Immer im Frieden leben … ganz ohne Hass…“ Susan fiel die Kinnlade herunter. „Und du antwortetest auch, dass deine Eltern dich nur beschützen wollten. Vor schlechten Gefühlen. Und zwar erst, seit dem Tod deines Bruders. Susan, du hättest all das, was du gerade gelesen hast, erfahren. Und zwar heute. Johanna hatte vor, dir alles zu erzählen, wenn du volljährig bist.“ „Warum erst so spät?“, brachte sie mühsam hervor.

„Nun, zum einen hatte Yvonne Kathleen schon ganz richtig mitbekommen, dass Johanna nie wieder das fröhliche Mädchen verkörperte, welches sie vor meinem Tod immer gewesen war. In der Hinsicht hat sie mit dir viel gemein…“, er stoppte kurz und fuhr sich mit der Hand durch die halblangen Haare, „…deswegen verbannte sie all die Erinnerungen sehr sorgsam in eine Schublade in ihrem Kopf, die sie eigentlich nie wieder öffnen wollte. Sie wollte selber nicht noch einmal dieses lähmende Gefühl erleben, welches immer von ihr Besitz ergriffen hatte, wenn sie an mich dachte. Als dann ihr Sohn starb war sie nicht nur in Depressionen versunken, weil sie ihn verloren hatte. Sondern auch, weil sie nicht mit ansehen konnte, dass du dasselbe durchmachen musstest, wie sie damals.“
„Also … hat sie alles einfach verdrängt. Und hatte es zu ihrem eigenen Schutz in die Schublade gestopft…“
David nickte. „Sie hatte dir eigentlich schon eher von mir und allem erzählen wollen, doch als du diesen Schmerz durchstehen musstest, entschied sie, damit zu warten, bis du volljährig bist. Susan, du hast dir alles immer so sehr zu Herzen genommen. Johanna wollte nicht, dass du daran zerbrichst, sowie sie damals daran zerbrochen ist.“
Susan atmete tief durch. „Okay … und Mathilda … ich meine, Yvonne Kathleen, wusste nicht, dass Mum vorhatte, es mir zu sagen.“ „Genau. Das Thema wurde in der Familie immer gemieden. Deswegen konnte sie es gar nicht herausfinden…“ Susan ließ alles auf sich wirken, dann nickte sie langsam. „Ich verstehe sie, aber … ich bin dennoch enttäuscht von Mum. Sie hätte mehr von mir erwarten können!“ „Es ist verständlich, dass du enttäuscht bist.“ „Aber ich weiß nicht, wann diese Enttäuschung ab pflaumt… wann ich daran denken kann, ohne diese leisen Stiche zu spüren.“ „Das weiß ich auch nicht. Aber es ist in Ordnung. Es ist normal und du brauchst deine Zeit, um alles zu verdauen. Ich wollte nur nicht, dass du sie … hasst.“ „Das tu ich nicht.“, meinte Susan mit fester Stimme. David lächelte. „Dann ist alles gut.“ Er drehte sich um, doch plötzlich wandte er noch einmal den Kopf: „Ach so, bevor ich es vergesse: herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Susan!“ Er wollte schon gehen, das spürte Susan, doch eine wichtige Frage lag ihr noch auf der Zunge: „David! Wenn … wenn du niemals ganz verschwunden bist, weil du in den Erinnerungen der Familie verweilst … gilt das denn auch für Jeremy?“ Sie hielt den Atem an, als sie auf seine Antwort wartete. „Natürlich.“

Ihr Herz raste und ihr Puls beschleunigte sich. „Kann ich ihn irgendwie sehen?“ David lächelte. „Sagen wir mal so, du wirst keinen Brief brauchen, um ihn vor dir zu haben.“ „Was meinst du damit?“ „Frag ihn doch, ob er da ist…“, sagte David und noch ehe sie sich versah war der junge Mann verschwunden. Der Nebelschleier allerdings war noch da. „Jeremy?“, hauchte sie und merkte, dass sie am ganzen Leib zitterte, „Jeremy, bist du da?“ „Selbstverständlich bin ich da!“, ertönte eine Jungenstimme. Sie wirbelte zum Ehebett herum.
„War ein schöner Abend auf dem Jahrmarkt damals, was?“ Er nickte mit dem Kopf auf das Bild, welches auf dem Nachtisch stand. Sie konnte nicht antworten, Tränen schossen ihr in die Augen. Sie atmete flach.
„Wieso … bist du so fest? Soviel klarer, als David?“
„Weil du mich viel fester in Erinnerungen hast. Du weißt genau, wie ich aussehe. Bei ihm hattest du nur eine ungefähre Ahnung. Außerdem …“, seine braunen Augen wurden von einem traurigen Schleier überzogen und er wechselte seine Liegeposition, „bin ich seit jeher dafür verantwortlich, dass du nicht glücklich bist.“ Es verschlug ihr die Sprache. Sie brachte nur ein „Äh.“ zustande.
„Ist doch so!“, der Braunhaarige sah auf, „du gibst dir doch tatsächlich immer noch die Schuld an meinem Tod! Aber Susan, du trägst keine Schuld!“ Sie ging nicht darauf ein. „Wieso siehst du so alt aus?“ „Weil du genau weißt, wie ich mit elf aussehen würde.“ Er grinste. „Nicht schlecht, was? Ach übrigens, als du eben dachtest, ich hätte nie die Chance gehabt, Hogwarts zu sehen, hattest du dich getäuscht! Ich bin schon genauso lange da, wie du inzwischen.“ „Warum?“ „Weil ich dich nie aus den Augen gelassen habe.“ „Aber … du warst nicht bei mir, als … die Sache mit der Höhle … und dieser Traum …“, Susan schüttelte den Kopf, wollte den Erinnerungen keine Chance geben, an die Oberfläche zu kommen.

Jeremy erhob sich vom Bett und kam auf sie zu. Auch er war vom Nebelschleier umgeben, doch immer noch wesentlich sichtbarer, als David vorhin. Er stand nun direkt vor ihr. „Ich bin immer bei dir, Susan.“ Er legte seine Hand auf ihr Herz und sofort war ihr warm, als würde sie einen heißen Kakao getrunken haben, „hier drin.“
„Aber … der Traum… ihr meintet, ich hätte Schuld und-“ „- Glaube ja kein Wort von diesem scheußlichen Alptraum! Es stimmt nicht! Im Gegenteil! Wir sind so froh, dass du ins Leben zurück gefunden hast! Dass du deine Freunde hast, die dir zur Seite stehen. Und Draco! Und meine bezaubernde Nichte…“ In dem Augenblick wurde die Schlafzimmertür aufgeschlagen und ein aufgeregter Richard platzte herein. In derselben Sekunde verschwand Jeremy und Susan sah nichts vor sich, als Nebel, der aus den Fenstern hereingekrochen kam. „Mein Gott Susan, ich dachte, sonst was wäre geschehen! Was ist passiert? Wurdest du von Dementoren angegriffen? Wieso hast du das Fenster soweit aufgerissen, es ist ja bitterkalt hier drin!“ Susan war immer noch zu verwirrt, um zu antworten.
Sie hob nur noch den zweiten Brief auf und ihr Blick fiel auf das Foto. Plötzlich lächelte sie. „Also, mir ist nicht kalt, Richard.“ Das stimmte. Zwar war Jeremys Gestalt verschwunden, aber die Wärme in ihrem Innern war nicht gewichen. „Verrückt…“, murmelte Richard, während er an ihr vorbei ging und das Fenster schloss. „Nun komm, es ist schon reichlich spät! Dumbledore hatte gemeint, wir sollten nicht trödeln!“ „Weißt du, wer der Geheimniswarer für dieses Haus war?“, wollte Susan wissen.

„Nein, keine Ahnung. Geheimniswarer? Wieso das denn?“ „Ich habe den Brief gefunden…“, sagte sie schlicht und hielt die Pergamente hoch, „dadrin wird unter anderem erklärt, dass das Haus von einem Fidelius Zauber verborgen wird. Aber der Geheimniswarer müsste tot sein, oder nicht?“ „Es sei denn, es ist Yvonne.“ „Unmöglich. Sonst könnt ich das Haus ja nicht sehen. Ich kenne es seit meiner Kindheit. Yvonne kenne ich seit ein paar Monaten.“ „Ist doch auch egal… komm jetzt, wir sind spät dran!“ Susan verdrehte die Augen. Schnell schnappte sie sich noch das eingerahmte Bild und folgte Richard. Als sie hinaus traten, verwehte der Wind ihr die Haare. Susan atmete die frische Luft tief ein und hatte auf einmal das Gefühl, ihren Bruder wieder so dicht, wie eben, bei sich zu haben. „Du hast Recht, Jeremy…“, hauchte sie, „das damals war ein toller Abend auf dem Jahrmarkt gewesen!“ Es war ihr, als würde der Wind ihr zu säuseln: „Sag ich doch! Alles Gute, zum Geburtstag, Schwesterherz!“

**__**__**


„Susan! Wo bist du gewesen?“ Draco rannte auf sie zu, kaum dass sie die Pforte Hogwarts hinter sich gelassen hatte. „Ich … war mit Professor Richter beim Haus meiner Tante gewesen. Wegen dem Brief.“ Draco stoppte. „Dem Brief?“ Er erinnerte sich, wie Yvonne ihn vor ihrer Abreise gebeten hatte, Susan nicht zum Haus Mathildas zu lassen, bevor sie die Geschehnisse nicht halbwegs verarbeitet hatte. „Oh.“ Susan lächelte ihn entspannt an. „Keine Sorge, Draco! Es geht mir gut. Ich würde sogar behaupten, besser, als je zuvor.“ „War es also nicht schlimm?“ Er strich ihr vorsichtig die Haare aus dem Gesicht. Sie machte ein Geräusch, eine Mischung aus Schnauben und Lachen. „Doch. Aber … mir wurden rechtzeitig die Augen geöffnet. Und ich weiß jetzt nicht nur über meine Familiengeschichte Bescheid… nein, ich bin endlich mal frei!“ Und als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, nahm sie Dracos Hand in ihre und ging mit ihm zurück zum Schloss. „Ich bin froh, dass ich dich hab.“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Und ich bin froh, dass du endlich mal frei bist! Wer auch immer das geschafft hatte…“ „Danke meinem Bruder…“, lächelte sie nur und grinste innerlich über Dracos verwunderte Miene. „Wo ist Evelyn?“, fragte Susan, als sie in die Eingangshalle gingen. „Oh!“, Dracos Gesicht hellte sich auf, als wäre ihm gerade wieder etwas unheimlich Tolles eingefallen. „Oh, stimmt ja. Susan, kommst du bitte mal mit?“ Erstaunt ließ sie sich von ihm mitreißen. Bis sie vor dem Raum der Wünsche standen. „Darf ich dir die Augen zuhalten?“ „Ähm…“

Doch er legte ihr schon die Hände auf die Augen und führte sie dann hinein. Als er die Hände weg nahm sah Susan sich ihrem gesamtem Jahrgang gegenüber, die alle gleichzeitig riefen: „Überraschung! Herzlichen Glückwunsch zum siebzehnten Geburtstag!“ „Das ist ja- WOW!“, rief Susan freudig aus, während ihre Mitschüler und Freunde sie umringten. Harry umarmte sie. „Wie habt ihr das denn alles hinbekommen?“, Susan war baff. Der Schwarzhaarige lachte: „Dank Hermine! Sie hatte durch Zufall heute Morgen von Richard erfahren, dass du Geburtstag hast, woraufhin sie zusammen mit Ginny und Neville den ganzen Tag lang beschäftigt war, um eine Überraschungsparty zu schmeißen.“ „Ihr seit der Wahnsinn!“, lachte Susan und umarmte Hermine und Ginny gleichzeitig. „Nicht der Rede wert!“, quetschte Ginny aus ihren Lungen heraus, denn sie wurde beinahe zerquetscht. In dem Moment hörte sie Nevilles energische Stimme: „Aus dem Weg! Na los, Leute, macht mal ein bisschen Platz!“ Die Menge um Susan teilte sich und sie sah sich einer überdimensionalen Torte gegenüber.

Sie war so breit wie ein Doppelbett und mit pinken Zuckerguss war dick und fett drauf geschrieben: „Alles Gute, Susan!“ „Die Torte hat sämtliche Geschmacksrichtungen!“, erklärte Fred, der das fette Ding auf der gegenüberliegenden Seite von Neville hielt. „Unser Geschenk an die junge Mutter, die grad mal volljährig ist!“, erweiterte George den Satz seines Zwillings. Er hielt die Torte von hinten. „Oh Mann, Jungs!“, Susan wusste gar nicht, wohin mit all ihrer Freude. „Das wird sicherlich der beste Geburtstag meines Lebens werden!“ Und dann FEIERTEN sie.

**__**__**

„Wirklich, Draco, es ist besser, wenn ich nach Hause gehe. Ihr seid wieder versöhnt, Susan geht es gut. Für mich gibt es keinen Grund, die Fahrt in die Heimat weiter aufzuschieben.“ „Was ist mit unserer Freundschaft? Ist das nicht Grund genug, länger zu bleiben?“, erwiderte er mit saurer Miene. Sie lächelte seicht. „Nein. Das ist vielleicht sogar der eheste Grund, weswegen ich fahren sollte. Ich will es nicht doch noch zerstören, weder die Freundschaft zu dir, noch zu Susan. Ich brauche … Ablenkung … ich hoffe, du verstehst, dass ich einfach weg kommen muss… aber du wirst mir sehr fehlen.“

Draco schluckte. „Ich hätte nie gedacht, dass es mir so schwer fallen würde, dich gehen zu lassen … mit wem soll ich denn jetzt diese tiefgründigen Gespräche haben, hm?“ „Susan?“, schlug sie vor. „Sie ist meine Verlobte, du bist meine beste Freundin. Das ist ein Unterschied.“ Ihm fiel erst zu spät auf, dass sie das getroffen haben musste, gerade weil sie mehr sein wollte, als ?nur` die beste Freundin… doch äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. Gerade als er den Mund öffnen wollte, um sich zu entschuldigen, fiel sie ihm ins unausgesprochene Wort. „Mach dir keine Sorgen, Draco. Es wird alles gut. Wenn ich erstmal den Abstand finde, den ich brauche.“ „Wir bleiben doch in Kontakt?“, wollte er unsicher wissen. „Ja. Das verspreche ich dir.“ Sie trat auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. Er seufzte: „Mach's gut…Grüß Ruby von mir, ja?“, raunte er ihr ins Ohr. „Mach ich…“ Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Ich werde dich vermissen“, sagte er leise. Dann ließ er sie los. Emily lächelte ihm ein letztes Mal zu, bevor sie das Portal öffnete und dahinter verschwand. Was blieb war eine drückende Stille. Er musste sich echt zusammen reißen. Hatte es noch nie erlebt, wie es war, eine Person, die einem als Freundin so wichtig war, ziehen zu lassen. Er seufzte tief, als sich zwei schlanke Arme um seine Brust legten und er den süßlichen Duft ihrer Haare wahrnahm. „Hey.“, hauchte sie. „Hey…“, flüsterte er.

Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und sah ihn von der Seite her an. „Ihr habt eine sehr tiefe Freundschaft entwickelt, während ich … krank war… richtig?“ „Ja. Sie war einfach immer für mich da, wenn ich eine Schulter zum … anlehnen suchte. Sie gab mir den Halt, den ich brauchte, um die Hoffnung zu wahren, dass du es überleben wirst.“ Susan sagte nichts dazu, aber sie begann liebevoll an seinem Hals zu knabbern. Er sog die Luft ein. „Du wirst sie wieder sehen, Draco.“, meinte sie zwischen zwei Küssen an seiner Halsschlagader. „Ich weiß.“, antwortete er und dann nahm er ihre Hände von seiner Brust und drehte sich zu ihr herum, um sie zärtlich zu küssen.

**__**

Emily versuchte vergebens, sich die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, es flossen immer wieder neue nach. Ihr Blick war ganz verschwommen, sie stolperte über alle möglichen Wurzeln und Steine, die auf ihrem Weg hinunter nach Hogsmeade lagen. Würde nur noch fehlen, dass sie der Länge nach hinschlug, aber zum Glück hatte sie ein recht guten Gleichgewichtssinn. Auf einmal erkannte sie den Bahnhof mit all seinen Schülern davor. Ach du meine Güte, das konnte ja heiter werden! Vorsichtig schob sie sich durch die Menge, und verbarg ihr trängefülltes Augenpaar, indem sie auf den Boden starrte. Niemand achtete auf sie, alle hetzten viel zu sehr durch die Gegend.

Alle wollten sie Ostern zu Hause verbringen. Sie sprang auf eine der weit offen stehenden Zugtüren und rauschte um die Ecke, um sich schnell ein Abteil zu suchen, das leer war. Doch bevor sie auch nur zum Ersten gelangen konnte, prallte sie an etwas ab, was ihr den Blick auf die Abteile direkt versperrte und rumste auf den Boden. Benommen blinzelte sie vor sich hin und schüttelte einmal grob den Kopf, um das Schwindelgefühl abzuschütteln. Währenddessen hatte sich das „Etwas“, an das sie gelaufen war, umgedreht. Es war ein riesiger Kerl. In den sie bestimmt drei Mal hineingepasst hätte. Er war ziemlich muskulös, aber nicht so massig, dass es protzig ausgesehen hätte. Trotzdem wirkte er für Emily im Moment so groß, wie ein geräumiger Kleiderschrank. Vielleicht lag das daran, dass sie auf dem Boden lag. Sein Gesicht war ein bisschen kantig, er trug Stoppelbart und hatte braune lockige Haare, die ihm kess in die Stirn fielen. Und seine blauen Augen leuchteten belustigt und unbefangen und schienen jeden, den er anschaute, in seinen Bann zu ziehen. Emily schluckte. Komischerweise hatte sich das Schwindelgefühl nur noch verstärkt, anstatt zu verschwinden. Vielleicht war sie ja mit dem Kopf aufgeschlagen, ohne es bemerkt zu haben.

„Verzeihung.“, meinte er und reichte ihr die Hand, die doppelt so groß war, wie ihre. „K-Kein Problem…“, murmelte sie verlegen und ließ sich von ihm aufhelfen. Da standen sie nun beide mitten auf dem Gang, hielten ihre Hände nach wie vor und starrten sich an. „Ähm- dürfte ich dir einen kalten Eistee anbieten, als Wiedergutmachung?“, sie sah, wie ein Schmunzeln um seine Lippen huschte und konnte sich selbst ein Grinsen nicht verkneifen. „Gerne- ich hab höllischen Durst!“ Und das hatte sie wirklich!
Also folgte sie ihm in sein Abteil und stand dann dort etwas unschlüssig herum, während er tatsächlich eine Kanne aus seinem Rucksack kramte und eine Tasse mit seinem Zauberstab herbei hexte. Sie hatte sich schon längst an Zauberei gewöhnt und zuckte nicht mal mit der Wimper. Plötzlich fiel ihr ein, dass er wohlmöglich dachte, sie sei eine Hexe. Ob er sie nicht mehr so freundlich behandeln würde, wenn er wüsste, dass sie nur eine Muggel war? Und warum missfiel ihr dieser Gedanke so sehr? Sie kannte den Typen nicht mal fünf Minuten lang! „Du darfst dich ruhig setzten und mir die ganze Fahrt über Gesellschaft leisten.“, unterbrach er ihre Gedanken feixend, „wenn du willst, kannst du auch meinen gesamten Eistee austrinken…“, er lachte kurz und ein angenehmer Schauer lief Emily den Rücken herunter. Sein Lachen klang wirklich angenehm- wenn's auch tief war. „Okay.“, meinte sie leise. „Dann hol ich mein Gepäck.“ „Oh, stimmt ja. Warte, ich mach das schon. Nimm du deinen Tee und trink ihn.“ Er zwinkerte ihr zu, während er die schlichte weiße Tasse an sie überreichte und huschte aus dem Abteil. Atemlos setzte sie sich auf einen der sechs leeren Plätze und stierte ihre Tasse an.

Als der Zug anfuhr, lehnte sich der Kerl zu ihr rüber und fragte mit seidener Stimme: „Möchtest du noch mehr Eistee?“ Oh Gott, sie hatte tatsächlich die ganze Tasse in einem Rutsch ausgetrunken, als er ihr Gepäck vom Gang geholt hatte. Wie peinlich… „Ja, bitte.“, antwortete sie zaghaft und reichte ihm die Tasse. Er grinste und schenkte ihr ein. Währenddessen sagte er: „Ich heiße übrigens Vincent. Vincent Caylus.“ „Ich bin Emily Dupont.“, stellte sie sich vor. „Schöner Name!“, er nickte anerkennend. Emily fasste neues Selbstvertrauen, und während sie das Getränk an sich nahm, fragte sie: „Und wie kommt es, dass ich dich hier noch nie gesehen habe?“ „Also zu allererst mal bin ich neunzehn und habe daher schon lange meine Ausbildung abgeschlossen. Und ich war auch nie in Hogwarts zur Schule gegangen…“ Ein gequältes Lächeln zeichnete sich auf sein Gesicht ab. „Obwohl es echt schön gewesen wäre…“ Er war angespannt und sie betrachtete ihn unruhig. „Wenn meine Frage zu sehr auf deine Privatsphäre stößt, verstehe ich das vollkommen!“, sagte sie gerade heraus. Er schaute auf, direkt in ihre Augen, und sie erstarrte. „Ich vertraue dir.“, ein sanftes Lächeln löste das Gequälte ab. Es war beinahe unheimlich, wie wohl Em sich bei diesem Typen fühlte. Vincent fuhr sich einmal durch die braunen Haare, die ihm danach sofort wieder in die Stirn fielen und überlegte. „Hm. Ich weiß nicht, ob dir der Name Eva Hansen was sagt?“ Emily schüttelte den Kopf.

„Ich habe vor kurzem erfahren, dass sie meine Halbschwester ist. Ich bin sozusagen aus einem Seitensprung väterlicherseits entstanden…“, er sagte das mit einer Lockerheit, die sie überraschte. „Mum hatte mir Jahre lang vorgegaukelt, dass mein Vater gestorben sei. Wir hatten auch nie Bilder von ihm im Haus. Und nur durch einen Patzer eines Bekannten kam dann alles ans Licht. Ich glaube, du kannst dir nicht vorstellen,wie sauer ich auf sie war. Ich musste Jahre lang den Schmerz in mir tragen, den man nun mal spürt, wenn ein Elternteil verstorben ist. Und in Wirklichkeit hatte er die ganze Zeit gelebt und ich hätte ihn besuchen können!“ Emily hatte an seinen Lippen gehangen, während er erzählt hatte. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Natürlich wollte ich ihn nun unbedingt kennen lernen. Ich fand seine Adresse heraus und fuhr direkt dorthin. Was für ein Schock muss es für ihn gewesen sein, als ich mich als seinen Sohn vorstellte. Doch er empfing mich freundlich… wir hatten stundenlang geredet, dabei kam das Gespräch auch auf Eva. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt keine Ahnung gehabt, dass ich noch eine Halbschwester hatte. Ich wusste nur, dass ich froh war, weil ich mir immer ein Geschwisterkind gewünscht hatte. Und so beschloss ich mich kurzerhand, ihr einen kleinen Brief zu schreiben, in dem ich sie sozusagen vorgewarnt hatte. Sie hatte die Wahl, ob sie mich empfangen wollte, oder nicht.“ Wieder verstummte er und sie brauchte eine kurze Weile um wieder im Hier und Jetzt zu landen. „Und wofür hatte sie sich entschieden?“, fragte Emily schließlich zögernd. „Sie wollte“, meinte er nur lächelnd. Eine Zeit lang sagte niemand von ihnen etwas. Beide schauten sie aus dem Zugfenster und sahen die Felder an sich vorbeiziehen.
Es war ein schöner Anblick.

Emily zuckte zusammen, als Vincent auf einmal das Wort ergriff: „So, jetzt bist du dran!“ Sie sah ihn erschrocken an. „Womit?“ Der Schalk glänzte in seinen blauen Augen, aber seine Gesichtszüge waren vollkommen ernst. „Als du eben gegen mich gerannt warst, hattest du … traurig ausgesehen, um es milde auszudrücken.“ Sie seufzte tief. „Du meinst, ich hatte total verheulte Augen.“ „Ja. Nun, es tut mir Leid, wenn ich vorlaut und neugierig rüber komme, aber ich würde gerne wissen, welcher Junge es geschafft hat, ein so hübsches Mädchen wie dich so dermaßen außer Fassung zu bringen…?“ In seiner Tonlage klang die Frage mit und sein Blick war interessiert. „Wer sagt, dass es ein Junge war?“, entgegnete Emily prompt. Er lachte und zwinkerte ihr zu. „Tja, das hab ich einfach mal geraten … vielleicht hab ich ja auch eine Art siebten Sinn für sowas, wer weiß. Außerdem hattest du zu schnell geantwortet… also?“ „Der Verlobte meiner besten Freundin.“, antwortete sie mit sachlicher Stimme, als würde sie ihm irgendeine Physikaufgabe erklären. „Susan war bis vor kurzem in Lebensgefahr gewesen und meine Schwester Ruby und ich sind sozusagen als Unterstützung aus Frankreich hierher gekommen. Es dauerte sehr lange, bis es Su wieder besser ging, und in der Zeit lernte ich ihren Freund sehr gut kennen … leider hatte ich das Pech, mich in ihn zu verlieben und ich wusste von Anfang an, dass es an Unmöglichkeit grenzte, dass er auch nur das winzigste Fitzel meiner Gefühle erwiderte- zu sehr war er mit Susans Gesundheitszustand beschäftigt gewesen- aber es wurde immer schwerer. Irgendwann musste ich es ihm sagen, weil ich beinahe die Kontrolle über mein Handeln verloren hätte. Seitdem hatte ich etwas Abstand gehalten, bis auf die Ausnahme, als wir uns geküsst hatten … frag mich nicht, wie es dazu gekommen ist, plötzlich … klebten wir halt mit den Lippen aneinander. Und ausgerechnet Susan hatte uns erwischt. Nach einigem Hin und Her
und … meiner Hilfe, von der ich wusste, dass sie noch nicht zu spät kam, war sie wieder wohlauf gewesen. Mit ihm vereint. Es war der Moment, in dem ich zu gehen hatte, um nicht doch noch meine Freundschaft zu einen von ihnen zu gefährden. Gerade hatten wir Abschied genommen. Es tat sehr weh, ihn zu verlassen. Er war es, der es geschafft hatte, mich so außer Fassung zu bringen.“, endete sie mit einem tiefen Seufzer. Vincent sah sie nachdenklich an und strich wie aus Zufall beim Wechseln seiner Sitzposition über ihre Fingerspitzen.
„Weißt du, mein Großvater hat mal zu mir gesagt … Eines Tages nimmst du Abschied von einem Menschen,
den du liebst, und nimmst nicht wahr, dass du gerade einen Menschen triffst, den du mal lieben wirst
...*“

**__**__**

Sooo. Ich glaube, das war das bisher längste Kapitel überhaupt o.O tut mir Leid, aber das musste alles mit rein :D. Das Ende spielte jetzt im April, Beginn der Osterferien. Und im nächsten Kapitel gibt es wieder einen kleinen Zeitsprung…

*dieser wunderbare und so herrliche Spruch kommt von meiner lieben AshLee! Danke, dass ich ihn für Em ausleihen durfte, Süße :-* Ohne dich wäre Emily nicht glücklich geworden …

Ich hoffe, es hatte euch gefallen!

Lg Schwesterherz


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