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Fanfiction

Die Ärgernisse des Severus S. - Studentenleben - X

von käfer

Vorab: @halbblutprinzessin137: Ach ja, der Tritt auf die Nase... Der entstammt meiner Vorstellung, dass Voldemort kein "richtiger Mann (mehr)" ist und Bellas Verehrung nur lästig findet...
Manchmal habe ich allerdings Angst, dass zu viele Details die Sache langweilig machen...

Jetzt steht erst mal das Heiltränke-Praktikum an und damit die nächste Konfrontation mit Lockhart...


Was das Heiltränkepraktikum betraf, zeigte es sich, dass Severus´ Befürchtungen berechtigt gewesen waren.
Gilderoy kam zur zweiten Besprechung zwar pünktlich, aber mit leeren Händen. Carol und Severus hatten jeder ein ansehnliches Päckchen Papier mit theoretischen Ausarbeitungen vor sich liegen. In einer lächelnd und mit vielen bedauernden Gesten vorgetragenen fünfminütigen Rede begründete Lockhart, warum er nichts dabei hatte und versprach, „morgen früh ganz bestimmt“ alles mitzubringen. Severus wollte seine Arbeit wieder einpacken, aber Gilderoy hatte schon danach gegriffen.
„Guck nicht so böse, Severus. Wir sind ein Team, da gibt jeder den anderen seinen Anteil.“
„Hoffentlich tust du das morgen früh auch!“, knurrte Severus und fragte dann nach den Zutaten.
„Mir fehlen nur noch die Ixelperlen, aber die kann ich nachher abholen“, sagte Carol und ging ihre Liste noch einmal durch.
„Ich habe alles griffbereit daheim liegen. Und du, Gilderoy?“
Lockhart zwinkerte verwundert mit den Augen. „Das sind doch alles Zutaten, die im Vorratsschrank stehen. Da können wir uns bedienen.“
„Eben nicht!“, rief Severus. „Das ist es ja gerade, wir sollen die Zutaten BESORGEN. Hast du die Aufgabenstellung gar nicht durchgelesen?“
„Natürlich habe ich alles gelesen, aber sag mir doch mal, warum wir uns die Mühe machen sollen, die Sachen selber zu besorgen? Die Zeit könnte man auch anders verbringen.“
Carol verdrehte die Augen. „Man hat nicht immer einen gefüllten Zutatenschrank zur Verfügung, wir sollen üben, uns selbst zu helfen“, sagte sie ungeduldig. „Sieh zu, wo du das Zeug herkriegst, wir haben dir schon das Einfachste zugeteilt.“
„Da bin ich aber ganz anderer Meinung“, schmollte Gilderoy, „ich habe die schwierigsten Dinge abbekommen.“
„Quatsch nicht rum!“, fauchte Severus, „ich habe heute noch was vor.“
„Ah, triffst du dich wieder mit dem Zopfmädchen?“ In Gilderoys Stimme lag beinahe mehr Spott als Severus vertragen konnte.
„Nein! Im Gegensatz zu dir nehme ich mein Studium ernst, ich habe noch zu arbeiten.“
„Ich auch!“, rief Gilderoy und schwenkte die Unterlagen. „Das hier!“ Er ging davon wie einer, der einen großen Sieg errungen hat.
Carol und Severus sahen sich an. Carol schüttelte den Kopf. „Dieser Angeber! Der schlaucht sich doch nur durch!“
Severus nickte. „Ich habe ein ganz ungutes Gefühl. Ich habe für alle Fälle schon mal meine Hälfte von Lockharts Theorieteil mit gemacht. Und die Zutaten, die er besorgen sollte, habe ich mit beschafft.“
„Ich auch. Besser ist besser.“
„Ich glaube, er will uns eins auswischen“, mutmaßte Severus.
„Dir eins auswischen? Kann schon sein. Lockhart macht dich schlecht, wo er nur kann, weißt du das?“
„Ist mir egal.“
„Du hast vielleicht Nerven“, sagte Carol und verabschiedete sich.

Wie erwartet, erhielten Severus und Carol am anderen Morgen keine Zuarbeit von Gilderoy – er hatte sich krank gemeldet und erschien erst zum Praktikum wieder – ohne eine einzige Zutat dabei zu haben. Das entschuldigte er mit seiner Krankheit, aber die theoretische Ausarbeitung hatte er mit. Severus fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er sah, dass Lockhart das, was er und Carol geschrieben hatten, einfach abgeschrieben hatte, ohne einen einzigen eigenen Satz zu ergänzen. Das bedeutete, dass ein Drittel des Stoffes fehlte. Severus wechselte einen Blick mit Carol, sie holten ihre zusätzlichen Arbeiten aus der Tasche und vervollständigten den Aufsatz. Gilderoy erwies sich als immun gegen die tödlichen Blicke, die Severus ihm zuwarf.
Bevor sie anfangen durften, den Trank herzustellen, prüfte Professor Umbridge das Wissen der Studenten. Die meisten Fragen beantwortete Severus, Carol wusste auch einiges, Gilderoy schwieg und entschuldigte sich nochmals mit seiner Krankheit dafür, dass er nicht lernen konnte.
Severus reichte es. Er suchte Augenkontakt und erfuhr so, dass Gilderoy verreist gewesen war und in einem Hotel in Bristol den großen Mann gespielt hatte.

Bei der Zubereitung des Trankes stellte Gilderoy sich so ungeschickt an, dass Severus und Carol fast die ganze Arbeit alleine machen mussten.
Carol schnitt Topinamburknollen in kleine Würfel. Severus raunte ihr leise zu: „Die Würfel sind noch zu groß. Aus einem von deinen kannst du getrost vier machen.“
Professor Umbridge näherte sich ihrem Arbeitstisch. „Carol, du machst die Würfel viel zu groß! Du musst vier Würfel aus einem machen!“, rief Lockhart laut und sah hoch, ob die Dozentin das auch mitbekommen hatte.
Severus war so zornig, dass er versehentlich in der falschen Richtung rührte. „He, Severus, du rührst falsch rum“, flüsterte Carol.
Lockhart brüllte: „Severus, du rührst doch in der falschen Richtung!“ und lächelte Professor Umbridge an. Die nickte, Gilderoy strahlte.
Severus bekam Lust auf einen Cruziatus-Fluch und musste sich doch beherrschen.

Obwohl Severus das Schlimmste befürchtete , gelang der Heiltrank. Professor Umbridge kam, um das Ergebnis zu begutachten.
Gilderoy wartete, bis sie sich umgedreht hatte, dann sagte er: „Carol, du warst großartig. Jetzt haben wir uns aber wirklich einen gemütlichen Abend verdient. Darf ich dich zu einem Glas Wein einladen? Ich wollte dir schon immer mal meine Schmetterlingssammlung zeigen.“
Severus drehte sich weg und prustete los. Auf das „Sammlung-zeigen-wollen“ fiel doch heutzutage kein Mädchen mehr herein; außerdem wusste er, dass Carol sich weder zu Jungs noch zu Männern hingezogen fühlte. Logischerweise bekam Gilderoy einen Korb.
Severus stach der Hafer. „Carol, kommst du noch auf einen Kaffee mit zu Maxwell´s?“
„Gern“, antwortete Carol zu seiner Überraschung; Lockhart entgleisten die Gesichtszüge.
„Oh Mann, mit dem Lockhart haben wir aber einen tollen Fang gemacht“, stöhnte Carol, als sie sich im Cafe auf den Stuhl sinken ließ.
„Das passiert mir nicht noch einmal, dass ich dem meine Ausarbeitungen gebe, bevor er seinen Anteil gezeigt hat“, sagte Severus grimmig.
Weitere Maßnahmen waren jedoch nicht nötig; Professor Umbridge mischte bei jedem Praktikum die Arbeitsgruppen neu.

Professor Umbridge machte bei der Bewertung keinen Unterschied zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Arbeitsgruppe. So kam es, dass Gilderoy Lockhart genau wie Carol und Severus ein „Ausgezeichnet“ erhielt.
Severus stellte ihn zur Rede. „Ich finde das, was du getan hast, ausgesprochen unfair.“
„Wieso? Was meinst du?“, fragte Gilderoy mit gespielter Naivität. Entsprechend zornig erwiderte Severus: „Das weißt du doch ganz genau. Lässt uns die ganze Arbeit machen, spielst den Kranken und kassierst die gute Note. Weder Carols noch meine Schrift ist so schlecht, dass du alles abschreiben musstest.“
„Oh, nicht doch! Ich habe beim Durchlesen versehentlich Kaffee auf die Blätter gekippt. Das konnte ich doch nicht abgeben, oder?“
Severus schäumte. „Nein, aber du hättest wenigstens deine Ausarbeitung machen können. Und beim Arbeiten musstest du Carol nicht noch mal anfauchen, nachdem ich ihr schon gesagt hatte, dass die Würfel zu groß sind.“
„Hattest du das? Habe ich nicht gehört, Entschuldigung.“ Lockhart lächelte entwaffnend-unschuldig.
Severus biss sich auf die Zunge, bis er Blut schmeckte. Einen letzten Trumpf hatte er noch. „Im übrigen warst du gar nicht krank, sondern hast dich in Bristol in einem Hotel vergnügt.“
Ein Anflug von Röte huschte über Gilderoys Gesicht, verschwand aber gleich wieder. „Spinnst du? Ich habe mit Fieber im Bett gelegen und konnte kaum aufstehen.“
„Lüg mich nicht an. Ich weiß, dass du nicht krank warst.“
„Ach ja? Woher denn? Hast du mir etwa nachspioniert? Du kannst ja meine Wirtin fragen, sie wird dir bestätigen, dass ich im Bett lag.“
Severus erinnerte sich an seine Zeit in der Pension Mary. Wirtinnen konnte man gut täuschen, erst recht, wenn man sich so gut einschmeicheln und verstellen konnte wie Gilderoy Lockhart.
„Ich zweifle nicht daran, dass deine Wirtin dir das erforderliche Alibi geben würde. Aber ich weiß, dass du in Wirklichkeit in Bristol warst.“
„Bilde dir nicht zuviel ein, Severus Snape. Auch du hast deine dunklen Geheimnisse.“ Mit einem Lächeln wandte Lockhart sich ab und ging.
Severus blieb mit einem unguten Gefühl in der Magengegend zurück. An diesen Lockhart kam er einfach nicht ran. Und er schien auch noch über Legilimentik Bescheid zu wissen. Vorsicht, Severus, Vorsicht!

Severus grollte immer noch, als er am Nachmittag Hand in Hand mit Mandy durch den Park spazierte. „Au“, rief sie plötzlich, „du zerquetschst mir ja die Finger!“
Severus entschuldigte sich bei ihr. „Ich war in Gedanken ganz woanders.“
„Das merke ich schon die ganze Zeit. Was ist denn los?“
„Ach, nichts. Lass uns zum Teich gehen und übers Wasser schauen.“
Sie setzten sich auf eine Bank in der Sonne. Mechanisch legte Severus den Arm um sie und starrte aufs Wasser.
„Hast du Ärger? Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Mandy.
„Helfen kann mir keiner. Und an dem Ärger bin ich selbst schuld.“ Etwas widerstrebend erzählte er Mandy von Lockharts Gemeinheit und dem Gespräch am Mittag.
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass Gilderoy so etwas macht“, meinte Mandy, „er hat es doch nicht nötig, zu lügen und zu betrügen. Ich bin sicher, er war wirklich krank. Woher weißt du eigentlich, dass er in Bristol war?“
„Ich weiß es einfach und fertig!“ Severus war sauer, weil auch Mandy Gilderoy in Schutz nahm. Der brachte mit seinem Schöntun und seinen faden Komplimenten noch jedes Frauenzimmer um den Verstand. Carol Whitehouse war wohl die einzige, die es wirklich begriffen hatte.
Severus stand auf und ging nach Hause. Er vergrub sich in seine Arbeit; so sperrte er die Welt um sich her aus. Er hatte eine umfangreiche Abhandlung über Gifte und Gegengifte zu schreiben, ein Gebiet, auf dem er Dank Lord Voldemorts zahlreicher Aufträge gut Bescheid wusste.
„Die wirksamsten Gegengifte sind neben dem Bezoar die Mittel, die in ihrer Wirkung dem Gift entgegenstehen und es an Stärke übertreffen.“
Severus legte die Feder weg. Moment mal! Was hatte er da gerade aus Bradleys „Gifte, Tränke und Lösungen“ abgeschrieben? „…die Mittel, die in ihrer Wirkung dem Gift entgegenstehen…“? Bedeutete das etwa, dass man nicht unbedingt ein Mittel brauchte, dass die SUBSTANZEN neutralisierte, sondern etwas, dass lediglich die WIRKUNG aufhob? Severus vertiefte sich in das Werk, mühte sich mit Victor Bradleys altertümlichem Schreibstil und den verschnörkelten Runen ab.
Nach einer Stunde legte er das Buch beiseite und starrte nachdenklich in die Flamme seiner Kerze. Wenn stimmte, was er da gerade gelesen hatte, konnte man das nicht nur auf Gifte anwenden, sondern auf alle anderen Tränke auch. Und damit auch auf das Veritaserum. Wenn man also einen Trank entwickelte, der dazu führte, dass man log, und dieser Trank stärker war als das Veritaserum, dann… Severus dachte diesen Gedanken gar nicht bis zum Ende, er machte sich sofort ans Werk - und erledigte erst einmal seine Pflichten. Beflügelt von der Aussicht, einerseits Thunderstorms Veritaserum (das nun, da überall Bälle und Vergnügungen lockten, ziemlich häufig zum Einsatz kam), entgehen zu können und andererseits vielleicht beim Dunklen Lord Anerkennung zu finden, schrieb Severus seine Abhandlung, die anderthalb mal so umfangreich wurde wie gefordert. Wie schon gesagt, mit Giften kannte er sich aus wie kein zweiter am College…
Die Vorbereitungen für ein paar Stunden Probeunterricht an der English Wizards Academy hängte er gleich hintenan; es war ein Uhr nachts, als Severus mit verspannten Schultern, aber mit sich selbst zufrieden ins Bett schlüpfte. Wenn er anderntags nicht noch einen „Dicken Brocken“ aufbekam, hatte er den ganzen Nachmittag Zeit, in der Bibliothek zu recherchieren.

Man musste auch mal Glück haben, sowohl Professor Umbridge als auch Professor Sullivan verzichteten auf neue Aufgaben. Severus stärkte sich in der Mensa, dann ging er in die Bibliothek. Die war an diesem Donnerstag so voll, dass sich keiner darum kümmerte, was er las. Nur Mandy runzelte die Brauen, als er zwei Bücher mit dem Schwarzen Punkt auf seinem Platz liegen hatte.
Prompt kam die Frage: „Was machst du da?“
Neugieriges Weibsvolk! Lily hatte nie gefragt, was er las, wenn sie sich zufällig in der Bibliothek trafen.
„Ich suche noch was für meine Abhandlung über Gifte und Gegengifte“, log Severus. „Ach so“, machte Mandy und vergrub sich in ein Werk über die Alchemisten des Mittelalters.
„Hallo allerseits!“ Gilderoy Lockhart konnte die Bibliothek nicht einfach betreten wie jeder andere auch, er musste auf sein Erscheinen aufmerksam machen. Severus beobachtete, wie ein freudiger Schimmer über so ziemlich jedes Mädchengesicht huschte, einschließlich Mandys, und er biss die Zähne zusammen. Gilderoy sprach lächelnd mit der jungen Bibliothekarin, diensteifrig führte sie ihn zu einem Regal und drückte ihm ein Buch in die Hand. Severus sah, dass es das Standardwerk der Tränkekunde war, das er im ersten Semester innerhalb von zwei Wochen durchgearbeitet hatte und von dem Lockhart behauptete, er kenne es auswendig. Suchend sah Lockhart sich um und gesellte sich dann zu Mandy und Severus an den Tisch. Ohne zu fragen, schob er Severus´ Bücherstapel beiseite, zwei der Wälzer fielen zu Boden. „He, pass doch auf!“, rief Gilderoy überlaut.
Die Bibliothekarin kam herbeigelaufen. „Mister Snape, bitte achten Sie auf das Bibliothekseigentum! Die Bücher sind sehr wertvoll.“
Severus hob die Bände auf und prüfte sie auf Schäden. „Es ist nichts kaputt und nicht ich habe sie runtergeworfen, sondern Gilderoy.“
„Also bitte, ja! Du hattest die Bücher so hingelegt, dass sie beim kleinsten Luftzug herunterfallen mussten!“
„Du hast sie mit dem Arm…“ Weiter kam Severus nicht. „Ruhe da drüben, sonst fliegt ihr raus!“, beschwerten sich die älteren Studenten, die in der nächsten Woche Zwischenprüfungen hatten.
Der Lärm rief den Chef der Bibliothek auf den Plan, er verdonnerte Severus zu einer kleinen Geldstrafe und forderte absolute Ruhe.
Severus schoss wütende Blicke zu Gilderoy, nahm seine Unterlagen und den Bücherstapel und verzog sich in eine Ecke an den kleinsten Tisch. Den Platz mochte keiner, er war schlecht beleuchtet.
Der Zufall wollte, dass Severus gerade in dem Augenblick aufschaute, in dem Gilderoy die Bibliothek verließ – gemeinsam mit Mandy. Gilderoy sagte etwas, Mandy lachte und himmelte ihn an.
Glücklicherweise verfehlte der Cruziatus-Fluch sein Ziel, prallte an der Wand ab, zerstreute sich und niemand bemerkte etwas.

Als Severus am späten Freitagabend das Feuer in seinem zweckmäßig-spärlich eingerichteten Wohn-Arbeits-Schlafzimmer löschte, hatte er den genauen Plan für sein Lügentonikum im Kopf. Das Wochenende würde er benötigen, um die erforderlichen Zutaten zusammenzubekommen. Severus wusste, wo die einzelnen Pflanzen wuchsen. Er apparierte kreuz und quer durch Europa, wanderte in der ungarischen Puszta herum, kraxelte auf die Gipfel Schweizer Berge und patschte durch finnische Sümpfe. Die letzten Kräuter pflückte er am Sonntagabend bei Sonnenuntergang direkt vor seiner Haustür.
Als er am Montag im Hörsaal Platz nahm, taten ihm alle Knochen weh, aber er folgte den Ausführungen von Professor Thunderstorm mit größtem Interesse – es ging um schwer nachweisbare Gifte. Nicht ganz so gut drauf waren David Henley, Gilderoy Lockhart und einige andere. Lockhart gähnte ganz offen, während Henley versuchte, sich zusammenzureißen. Severus kannte Professor Thunderstorm gut genug, um zu wissen, dass er sich die Gähnerei nicht anschauen würde. Seine Augen wanderten immer wieder zu den müden Kriegern hin, die Blicke, die er schoss, wurden immer wütender.
„Mister Lockhart, wenn Ihnen meine Vorlesung so langweilig erscheint, dass Sie dauernd gähnen müssen, warum kommen Sie dann überhaupt?“
Lockhart setze sich gerade hin und holte sein bezauberndstes Lächeln auf die Lippen. „Verzeihung, Professor, ich bin noch ein wenig müde, weil ich ein ausgesprochen hartes Wochenende hinter mir habe. Das alte Haus meiner Tante, in dem ich wohne, ist sehr baufällig, wir hatten einen schlimmen Wasserschaden. Die Aufräumarbeiten waren erst weit nach Mitternacht beendet.“
Irgendein mitfühlendes Mädchen in der letzten Reihe flüsterte: „Du Ärmster!“
Severus glaubte zu wissen, dass Lockhart log. Aber er holte trotzdem ein Pergamentfetzchen heraus, schrieb darauf: „Lies mal ´Magisches Bauen leicht gemacht´, dann hast du keine Probleme mehr.“, und hexte das Memo zu Gilderoy auf den Platz.
Professor Thunderstorm stand unschlüssig da, als wüsste er nicht so recht, was er tun sollte. Severus wünschte sich, er würde Lockhart Veritaserum einflößen und ihn ausfragen, aber nichts passierte. Dieser Lockhart war nur zum Glück auf der Welt!
Am Ende der Vorlesung tauchte ein Memo von Thunderstorm auf Severus´ Platz auf. Wieder einmal sollte er sich um halb drei in dessen Büro einfinden. Severus war verärgert. Konnte der alte Professor seine Termine nicht mal eher vergeben? Um halb drei wollte er mit Mandy in den Zirkus gehen.
Aber Professor Thunderstorm ließ sich nicht erweichen. Er sagte nur: „Wollen Sie im Frühjahr abschließen oder nicht?“
Severus wollte, und so musste er Mandy absagen.
Ein bisschen hatte Severus erwartet, dass auch Gilderoy wieder mit von der Partie sein würde, aber diesmal stand er allein vor Thunderstorms Büro. Und es ging auch nicht um irgendwelche Streitigkeiten oder Verfehlungen, sondern um das Thema für Severus´ Abschlussarbeit für das Tränkemeisterdiplom.
„Von einem Tränkemeister erwartet man, dass er in der Lage ist, neue Tränke zu kreieren. Und es sollten nicht irgendwelche Säfte sein, sondern wirklich Neues und vor allem Nützliches. Es gibt schon mindestens zwanzig verschiedene Stärkungstränke, da brauchen wir keinen einundzwanzigsten, verstehen Sie?“
Severus nickte.
„Aber über etwas hat sich anscheinend noch niemand Gedanken gemacht – nämlich darüber, wie man den unseligen Kreaturen helfen kann, die vom Werwolf gebissen wurden.“
Über Severus´ Rücken rann ein Schauer. Er erinnerte sich an die Heulende Hütte und an Remus Lupin. Nicht dass er den Gryffindor, der überdies noch zur Bande von James Potter gehört hatte, besonders gemocht hätte, aber er wusste, welche Gefahr von Lupin ausgegangen war – ein Werwolf in einem Schloss voller ahnungsloser Schüler!
„Und genau das wird Ihr Thema sein, Mister Snape! Ich habe es Ihnen schon jetzt mitgeteilt, ein ganzes Stück vor dem offiziellen Termin, weil ich weiß, dass Sie die Arbeit neben Ihren normalen Studien schreiben müssen, während die anderen zwei Monate Zeit haben.“
Es folgten noch einige Anweisungen und Stichtage für Zwischenberichte und Abgabe. Eine halbe Stunde später stand Severus wie ein begossener Pudel im Gang und sah „seine Felle wegschwimmen“. Über Werwölfe wusste er nicht mehr, als dass es sie gab, wann sie sich verwandelten und dass Remus Lupin einer war. Sein innerer Instinkt sagte ihm, er solle zu Lupin gehen und mit ihm über die Sache reden, aber sein Slytherin-Stolz verbot es ihm.
Also wurde Severus Dauergast in der Bibliothek; er verbrachte jede freie Minute mit der Suche nach Wissen über Werwölfe.

Mandy war ziemlich sauer wegen des verpassten Zirkusbesuchs. „Ich kann wirklich nichts dafür; Thunderstorm ließ nicht mit sich reden, ich musste unbedingt zu ihm.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Hast du ihm nicht gesagt, was du vorhattest?“
Severus schüttelte den Kopf. „Was geht es den Alten an, was ich nachmittags mache? Ich habe ihm nur gesagt, dass ich eine Verabredung habe und um einen anderen Termin gebeten. Aber wie gesagt, er ist nicht drauf eingegangen.“
„Du Trottel!“, maulte Mandy. „Jetzt ist der Zirkus weitergezogen und ich wollte mir so gerne die Schlangenfrau ansehen!“
Am Mittwoch kam Mandy freudestrahlend auf Severus zu. „Du, ich habe herausgefunden, wo der Zirkus hinzieht! Wir können doch am Samstag hinapparieren und gehen dann einfach zur Spätvorstellung.“
„Meinetwegen“, murmelte Severus. Es passte ihm überhaupt nicht, sich für Samstagabend zu verabreden, denn er wollte mit dem Lügentonikum anfangen und da ließ er sich zeitlich nicht gern einengen.
„Hast du schon wieder was anderes vor?“, fragte Mandy misstrauisch.
„Na ja“, erwiderte Severus, „ich wollte arbeiten, du weißt schon, meine Nebenbeschäftigung.“
„Und das musst du unbedingt am Samstagabend machen?“
Severus wand sich. „Nun, nein, nicht unbedingt.“
Sie verabredeten, sich auf dem Zirkusplatz zu treffen.
Ausgesprochen ungern ließ Severus den halbfertigen Trank zurück, er hatte ein ungutes Gefühl, so als ob der Trank nicht gelingen würde, wenn er ihn nicht unter Kontrolle hatte. Er zögerte seinen Weggang immer wieder hinaus, schaute in den Kessel, prüfte Geruch und Konsistenz und war unruhig, obwohl alles so aussah, wie er es erwartet hatte.
Schließlich traf er erst fünf Minuten vor Vorstellungsbeginn vor dem Zirkuszelt ein. Mandy war sichtbar böse, und sie wurde richtig zornig, als er fragte, ob sie schon Karten gekauft hätte. „Ich dachte, du lädst mich ein!“
„He, ich kann dich nicht ewig aushalten. Du weißt doch, dass ich mit dem bisschen Stipendium auskommen muss.“ Trotzdem bezahlte Severus die Karten, es waren ohnehin nur noch die billigsten und damit miesesten Plätze frei.
Schnippisch erwiderte Mandy: „Und wozu hast du dann deine Nebenbeschäftigung? Ich denke, du arbeitest so viel? Dabei muss doch was rumkommen, oder?“
Severus verdrehte die Augen. Er wusste schon nicht mehr, wie oft er Mandy erklärt hatte, dass er mit seiner Nebenarbeit fast nichts verdiente und sowieso mehr für sein Studium arbeitete.
„Und in den nächsten Wochen werde ich noch weniger Zeit haben, denn Thunderstorm hat mir mein Thema für´s Tränkemeisterdiplom gegeben.“
„Sehen wir uns dann überhaupt noch?“, fragte Mandy ungehalten.
„Wahrscheinlich nur noch selten. Ich habe einen ziemlich dicken Brocken zu bearbeiten, soll ein Heilmittel für Werwölfe finden.“
Mandy schüttelte den Kopf. „Da haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen.“
„Eben. Aber ich will´s schaffen.“
Mandys Antwort ging in einem überlauten Tusch unter, mit dem der Zirkusdirektor begrüßt wurde; die Vorstellung begann.
Mandy hatte sichtlich ihren Spaß am Zirkus, aber Severus war nur mit halbem Herzen dabei. Ständig dachte er an seinen Trank im Labor; irgendwann fiel ihm ein, dass es auch Zeit war, bei dem Schmerzverstärkungstrank die letzte Phase in Gang zu setzen. Da würde er morgen ganz schön zu tun haben.
Nach der Vorstellung verabschiedeten sie sich ganz schnell, Mandy schmollte schon wieder oder immer noch, Severus war es egal. Er fand es einengend, eine Beziehung zu unterhalten, zumal Mandy immer noch ausgesprochen abweisend reagierte, wenn er mehr wollte als nur Händchenhalten.

Zu Severus´ unendlicher Erleichterung war im Geheimlabor alles in Ordnung, die Tränke blubberten friedlich vor sich hin. Er kontrollierte alles noch einmal, dann gönnte er sich ein paar Stunden Ruhe, um anschließend konzentriert weiterzuarbeiten. Am späten Sonntagnachmittag war das Lügentonikum fertig. Severus hätte es gern getestet, aber bevor er probieren konnte, trat der Ernstfall ein.
Drei Nächte hintereinander beanspruchte der Dunkle Lord seine Dienste; am Vormittag des vierten Tages fielen Severus trotz aller Anstrengungen während Thunderstorms Vorlesung die Augen zu. Ehe er sich versah, wurde er von einer eiskalten Dusche geweckt und spürte den typischen Apfelkerngeschmack des Veritaserums auf der Zunge. Sofort wieder hellwach, krümmte Severus sich zusammen und hatte blitzschnell das Lügentonikum in der Hand. Er hatte den Verschluss des Fläschchens so präpariert, dass er den Inhalt heraussaugen konnte. Unter dem brüllenden Hohngelächter fiel es nicht auf, dass er die gekrümmte Haltung länger beibehielt.
Genüsslich laut und langsam bat Thunderstorm: „Nun, Mr. Snape, erzählen Sie uns doch bitte mal, was Sie gestern Abend gemacht haben!“
Ohne nachzudenken antwortete Severus: „Ich habe ein spannendes Buch gelesen und darüber die Zeit verpasst. Bin erst um drei Uhr eingeschlafen.“
„So, so. Und was für ein Buch hat Sie da so gefesselt?“
Als wäre ihm die Antwort von außen eingegeben, antwortete Severus: „Robert Merle, ´Malevil´“, und bemerkte den ersten großen Nachteil des Lügentonikums: Man musste IMMER lügen. Zu seinem Glück verzichtete Thunderstorm darauf, ihn nach dem Inhalt zu fragen und begnügte sich mit der Ermahnung: „Ich hoffe in Ihrem eigenen Interesse, dass diese Disziplinlosigkeit eine einmalige Angelegenheit bleibt.“
Der zweite große Nachteil des Lügentonikums machte Severus noch drei Tage lang zu schaffen: Furchtbare Magenschmerzen. Sobald er etwas anderes zu sich nahm als Fencheltee, musste er sich übergeben.
Severus ersann einen Geheimcode, in dem er die Rezeptur für das Lügentonikum niederschrieb. Anwenden würde er es nur noch im äußersten Notfall, und er beschloss, dass eine Veritaserumgabe durch Professor Thunderstorm mit anschließender Befragung vor dem vollen Hörsaal nicht als Notfall gelten würde.


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