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Fanfiction

Die Suche nach dem verlorenen Ich - Das Wiedersehen

von käfer

Vorab: Vielen Dank an meine Stammleser für die lieben Kommis!
@Eo-Lahallia: zu Kommi 1: Weiterlesen! / Zu Kommi 2: Habe leider die Reaktion von Nulleins verpasst. Schätze, er ist lila angelaufen und hat getobt...[/i]
@Amira:
[i]Tut mir echt Leid für Deine technischen Probleme; ich hoffe, dass die Benachrichtigung diesmal durchkommt




Er fuhr in die derben Schuhe und warf den alten Umhang über. Dann steckte er den Kopf durch die weißlackierte Tür in eine helle, gemütliche Küche. Die rothaarige Frau war damit beschäftigt, ein Messer zu schärfen, welches sie ihm zusammen mit einem Korb und einem Proviantpaket überreichte.
Er griff zu und wachte auf. Ihm war kalt. Er sah sich um. Im Schein einer entfernten Straßenlaterne erkannte er das billige, kahle Hotelzimmer wieder, in das er sich eingemietet hatte. Er tastete über seinen Körper, fühlte den schwabbeligen Bauch. Was hatte er denn sonst erwartet? Brummend zog er sich die heruntergerutschte Decke wieder über und lenkte seine Gedanken zu der Rothaarigen in der Küche. Wer war die Frau? Wo befand sich die Küche? Die Möbel kamen ihm bekannt vor, aber die hatten nie in Spinners End gestanden.
Seine Füße wurden wieder warm, über seinen Grübeleien schlief er ein. Der Traum setzte sich fort. Er verließ das Haus. An der Pforte drehte er sich um und winkte der Frau.
Er marschierte über Felder, auf denen sich erstes Grün zeigte. Im Schutze eines Gebüsches disapparierte er und landete inmitten eines tiefen, dunklen Waldes. Der Boden war mit bemoosten Steinen übersät. Er folgte einem kaum sichtbaren Pfad, der sich um die dicksten Felsbrocken herumschlängelte. Es war auffallend still, kein Vogelgezwitscher war zu hören. Er fühlte sich unwohl, glaubte, beobachtet zu werden. Im Weitergehen sah er sich um. War da nicht ein Schatten? Dort, hinter dem Stamm der alten Buche? Nein, da war nichts. Snape schalt sich einen alten Narren. Wer sollte ihm hier heimlich folgen? Die Pilze, die zu ernten er beabsichtigte, waren kein Geheimnis. Etliche Tränkekundler kannten den Platz und ernteten dort.
Dennoch, er wurde das Gefühl nicht los, dass er nicht allein im Wald war. Hatte da links nicht etwas geraschelt? Er starrte an die Stelle. War dort nun ein Schatten oder war dort keiner?
Der Schweiß brach ihm aus. Er war allein und lief völlig offen auf dem Pfad. Wenn es wirklich alte Todesser waren, die ihm auflauerten, dann hätten sie ihn schon längst töten können. Wollten sie ihn verrückt machen? Nein, das würde er nicht zulassen. Langsam, alle Sinne geschärft, schritt er weiter. Da, wieder ein Huschen, hinter ihm ein Knacken. Was ging hier vor? Wenn es Menschen wären, müsste er ja ihre Präsenz spüren, oder nicht? Selbst die Gegenwart von Muggeln fühlte er doch immer zuverlässig…
Er trat auf die Lichtung hinaus, sah nach unten, ob noch Pilze da waren. Da standen sie, hatten ihn eingekreist. Glatzköpfige Gestalten mit riesigen Augen, kugelrunden Nasen und lippenlosen Mündern. Jeder von ihnen hielt etwas in der vorgestreckten rechten Hand. Gelbe Lichter zuckten auf.
Er erwachte und atmete keuchend. War er des Rätsels Lösung auf der Spur? Thomas Schuppski hatte kürzlich von Außerirdischen gesprochen…
Severus Snape war so müde nach den Strapazen der letzten Tage, dass er wieder einschlief.
Er fand sich in einem überheizten Raum wieder, zusammen mit mehreren anderen Männern hockte er auf einem Kissen am Boden. Keiner sprach ein Wort, sie starrten sich gegenseitig an. Es roch nach Angst.
Wieder erwachte Snape, drehte Meiers Körper auf die andere Seite, schlief weiter.
Er lag auf dem Rücken, nackt, unfähig, sich zu bewegen – er war festgeschnallt. Diese großäugigen Glatzköpfe fummelten an ihm herum. Sie piekten ihn, klebten ihm Drähte an, befühlten seine Knie. Ihre Münder bewegten sich, Geräusche entstanden. Sie sprachen in einer fremden Sprache.
Mit trockenem Mund wachte Snape wieder auf und sah auf die Uhr. Er war kurz nach sieben. Entschlossen stand er auf und ging ins Badezimmer.
Im Frühstücksraum traf er wie verabredet mit Thomas Schuppski zusammen. Sie tauschten ein paar Höflichkeitsfloskeln aus, aßen ansonsten schweigend. Dann fragte Schuppski: „Was machen wir jetzt?“
Snape antwortete: „Wir brauchen diese Ausgabe vom Quibbler, von der Sie mir im Zug erzählt haben. Sie wissen schon, die mit den Außerirdischen. Ich habe heute Nacht was ganz Komisches geträumt.“ Er berichtete ziemlich ausführlich davon.
„Upps!“, meinte Schuppski nur. „Ich schätze, ich appariere mal in die Redaktion und rede mit Luna. Sie bewahrt bestimmt ein paar Exemplare auf.“
Nach einer halben Stunde war Schuppski wieder da und wedelte mit einem bunten Heft. „Ich hab´s! Hier.“
Snape las den recht detailgetreuen Bericht über eine merkwürdige Beobachtung. Eine ältere Muggelfrau hatte gesehen, wie auf einer Wiese ein riesiges zylinderförmiges Ding niedergegangen war, in dem sich nach einer Weile ein Loch auftat. Heraus kamen vier menschenähnliche Gestalten ohne Haare, mit riesigen Augen und kugeligen Nasen. Sie waren mit seltsam hüpfenden Gang im Wald verschwunden.
Nach drei Stunden kamen mindestens zwanzig dieser Wesen zurück und hüpften in den Zylinder, der daraufhin in den Himmel stieg, ohne ein Geräusch zu machen. Während der ganzen Zeit hatte die Frau zwar in ihrem Haus herumgehen können, aber es war ihr nicht möglich gewesen, die Tür oder ein Fenster zu öffnen. Telefon und Handy waren gestört und funktionierten erst wieder, als der Zylinder weg war.
„Genau so, wie die Wesen hier beschrieben sind, sahen die in meinem Traum auch aus! Und schauen Sie mal auf das Datum! Genau an dem Tag hat man mich auf der Straße gefunden!“
„Sie meinen, diese Typen da waren wirklich Außerirdische?“, fragte Schuppski ein klein wenig zweifelnd. „Und die haben Sie in Meiers Körper versetzt?“
„Es wäre immerhin möglich, oder?“ Mit einem Mal sackte Meiers Körper auf dem Stuhl zusammen. „Wenn sie alle weg sind, dann geht nichts mehr rückgängig zu machen.“
„Wer sagt denn, dass sie wirklich weg sind?“, versuchte Schuppski, ihn zu trösten. „Ich weiß, wo dieser Zylinder – das Raumschiff – gestanden hat. Dorthin fahren wir jetzt und schauen uns um. Mit Nichtstun erreichen wir gleich gar nichts.“
Sie bezahlten ihre Zimmer und brachen auf.
Den Mietwagen parkten sie am Rand der Wiese, auf der das Raumschiff gestanden hatte. Nichts wies mehr darauf hin. Sie durchstreiften den Wald, ohne auch nur die winzigste Spur zu finden. „Wir müssen systematisch suchen. Sie waren nach drei Stunden wieder da. Also wissen wir, wie weit wir die Suche ungefähr ausdehnen müssen. Jetzt suchen wir uns hier in der Nähe ein Quartier und beschaffen eine Karte.“
Snape nickte. Die Straße ins nächste größere Dorf, wo sie sich einen Gasthof erhofften, führte durch den Wald. Plötzlich bremste Snape. „Dort, unterhalb von diesem Felsgebilde, da ist die Stelle, wo ich immer die Pilze geerntet habe.“
Schuppski sah zur Uhr. „Dann beginnen wir morgen dort mit der Suche.“
Auf der anderen Seite des Waldes fuhren sie durch ein langgestrecktes Dorf, das Snape seltsam bekannt vorkam. Um einen Dorfplatz gruppierten sich eine Kirche, das Rathaus, ein Postsamt, ein Lebensmittelladen und ein Gasthof. Letzterer hieß „Zum Goldenen Apfel“ und war schon seit längerem geschlossen. Überhaupt schienen etliche Geschäfte und Häuser verlassen zu sein.
„Puh“, machte Thomas Schuppski. Snape zuckte mit den Schultern und steuerte den Wagen wieder auf die Hauptstraße.
Nach ein paar Meilen verkündete ein Schild, dass man sich einem Motel näherte. „Besser als nichts“, knurrte Snape und fuhr auf den Parkplatz. Sie hatten Glück, es waren Zimmer frei; es stellte sich heraus, dass sie die einzigen Gäste waren. Die Wirtin erwies sich als ausgesprochen auskunftsfreudig. Sie hatte von den Außerirdischen gehört, aber eben nur gehört. Wenn man ihren Worten glauben konnte, waren in der Gegend seltsame Dinge vorgegangen.
Außerdem erzählte sie, man habe im vergangenen Frühjahr im nahen Wald einen Mann wiedergefunden, der seit zwei Wochen vermisst worden war. Mit dem Mann musste etwas Merkwürdiges passiert sein – er war total verwirrt und stumm.
Snape und Schuppski sahen sich an. Schuppski übernahm es, zu fragen. „Was ist aus dem Mann geworden? Kann er wieder reden und erzählen, was passiert ist?“
„Nein, ich glaube nicht“, antwortete die Wirtin. „Ich bin vor ein paar Wochen dort vorbeigekommen. Er saß da und hat nur vor sich hin gestiert. Dieser Blick – mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter! Die arme Frau! Sie hat gar nichts mehr vom Leben, muss ständig auf ihn aufpassen und ihm alles sagen, was er machen soll, jeden Handgriff. Schrecklich, nicht wahr?“
Snape saß kerzengerade da. Er glaubte zu wissen, von wem die Wirtin sprach. Thomas Schuppski fragte vorsichtig weiter, aber bevor sie herausbekommen konnten, wie die Leute hießen und wo sie wohnten, klingelte das Telefon. Die Wirtin sprach hektisch in die Muschel, dann stürzte sie wie angestochen hin und her. Schließlich sagte sie zu ihren beiden Gästen: „Ich muss weg, hier sind die Schlüssel. Morgen früh bin ich wieder da.“

Snape schlief auch in dieser Nacht schlecht. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere, die Gedanken drehten sich im Kreis.
Außerirdische? Völlig absurd! Oder? Die Muggel hatten es nicht geschafft, den Körper von der Seele, dem Geist, der Persönlichkeit, wie auch immer man das nennen mochte, zu trennen. Wozu sollte es auch gut sein?
Um Horkruxe herzustellen, war gehobenste Schwarze Magie notwendig. Man musste skrupellos genug sein, irgendwen zu töten und man musste damit leben können, nur noch als halber Mensch übrig zu bleiben, ohne Einfluss darauf zu haben, welcher Teil blieb. Das hatte er in den Büchern gelesen, die Dumbledore ihm gegeben hatte, damit er wusste, was Voldemort getan hatte. Die Bücher! Snape fuhr hoch und saß kerzengerade im Bett.
Er hatte gewusst, wo Dumbledore die wertvollen und gefährlichen Bände aufbewahrt hatte, hatte gesehen, wie er sie versteckt hatte. Aber als er nach seiner Ernennung zum Direktor an die Schule zurückkam, waren sie verschwunden – ohne dass Spuren von einem Einbruch zeugten. Vielleicht sollte er ja die Bücher suchen, vielleicht war es seine Bestimmung, diese gefährlichen Dinge wieder in Sicherheit zu bringen? Vielleicht sollte er deshalb am Leben bleiben? Hatte am Ende Sybil Trelawney recht mit ihrer Behauptung, jedem Menschen sei von Geburt an ein bestimmtes Schicksal zugedacht?
…
Er saß in seinem Büro am Schreibtisch und las im Schein von zwei Kerzen im „Tränkejournal“. Es klopfte, die Tür ging auf, ehe er „ja bitte“ sagen konnte und Sybil Trelawney trippelte herein. In der Hand hielt sie eine Flasche Elfenwein, um die eine grün-silberne Schleife gebunden war. „Happy Birthday, Severus“, flötete sie und überreichte ihm den Wein. Ohne dass er sie dazu aufgefordert hatte, setzte sie sich ihm gegenüber auf seinen Besucherstuhl. Notgedrungen bot er ihr ein Glas Nesselwein an, obwohl er sie lieber hinausgeworfen hätte.
Sybil prostete ihm zu. Er hob ebenfalls sein Glas und hoffte, dass sie bald wieder ging und ihn nicht mit ihren Vorhersagen belästigte. Doch da fing sie schon an zu säuseln: „Weißt du, Severus, der dreißigste Geburtstag ist nicht ein Geburtstag wie jeder andere. Es ist ein besonderer Tag im Leben eines Zauberers.“ Sie senkte ihre Stimme zu jenem geheimnisvollen Raunen, das bei ihm den Wunsch zum Augenverdrehen auslöste. „Am dreißigsten Geburtstag kann man weit in die Zukunft eines Menschen schauen. Jedem Einzelnen ist sein Schicksal vorherbestimmt und nur wenige sind in der Lage, es zu erkennen.“
Sie machte eine Kunstpause.
„Dir sind große Dinge beschieden, Severus, wirklich große Dinge. Auf dich kommen wichtige und gefährliche Aufgaben zu, und du wirst Hilfe brauchen.“
Sie machte wieder eine Kunstpause. Severus presste die Lippen zusammen und schwieg. Insgeheim fragte er sich, ob die Trelawney eine Ahnung von seinem Doppelleben hatte. Hoffentlich nicht.
„Ich weiß genau, dass es unser vorherbestimmtes Schicksal war, dass wir beide, du und ich, hier zusammengetroffen sind.“
´Hoffentlich hat das Schicksal bestimmt, dass du gleich wieder gehst´, dachte er. Er wollte eigentlich den Artikel über die neuesten Heiltränke zu Ende lesen.
„Unsere Wege mussten sich kreuzen und wir sollen uns nicht mehr aus den Augen verlieren.“
War das jetzt ein Heiratsantrag? Bloß nicht! Lieber würde er sein Leben lang Impotee trinken, als mit Trelawney…
…
Sybil Trelawney.
Snape starrte in die Dunkelheit. Als Lehrerin war sie völlig unfähig gewesen, als Seherin eigentlich eine Stümperin. Sie hatte ihre Sehergabe nie ausgebildet, hatte geglaubt, es würde reichen, eine berühmte Seherin als Großmutter zu haben und sich komisch anzuziehen. Und doch hatte sie dann und wann Visionen, hatte Dinge prophezeit, die eingetroffen waren, hatte echte Lebensweisheiten von sich gegeben. Später war sie dem Brandy verfallen, ihr Absturz unvermeidlich gewesen. Sie lebte jetzt in der besonderen Abteilung im St. Mungo´s…
Arme Sybil… Ein bisschen tat sie ihm Leid. Niemand hatte sie wirklich für voll genommen…

Die Bücher.
Wie sollte er an die magischen Bände herankommen, wenn er keinen Funken Magie mehr im Leibe hatte? Er bezweifelte, dass sie wirklich die Außerirdischen fanden, zweifelte, ob die wirklich daran Schuld waren, dass er in Meiers Körper leben musste und glaubte nicht, dass das je wieder rückgängig zu machen sei. Selbst wenn sie Kontakt bekamen… Es war absurd.
Snape fühlte sich in dieser Nacht so elend und hoffnungslos wie nie zuvor. Es hatte alles keinen Sinn mehr.
Er fiel in einen Halbschlaf, wurde von verrückten Träumen heimgesucht, die bösen Geister der Vergangenheit tauchten auf und verschwanden. Er fand sich in einem schwarzen Raum wieder, seine Umgebung fühlte sich seltsam dick an, jede Bewegung fiel schwer. So schwebte er regungslos im Irgendwo. Von weit her sah er einen winzigen Lichtpunkt auf sich zukommen. Der Lichtpunkt wurde größer und nahm Gestalt an. Sybil Trelawney schwebte an ihm vorüber. Nein, durch ihn hindurch. Ein grusliges Gefühl. In seinem Kopf hörte er ihre Stimme sagen: „Unsere Wege mussten sich kreuzen und wir sollen uns nicht mehr aus den Augen verlieren.“
Es wurde wieder schwarz und warm um ihn herum. Dann tauchte erneut ein Lichtpunkt auf, kam näher und nahm Gestalt an. Lily Evans streckte die Hände nach ihm aus, als sie an ihm vorbeischwebte. Er versuchte, nach ihr zu greifen, schaffte es aber nicht, seine Arme zu bewegen. Lily flog weiter und verschwand.
Als der dritte Lichtpunkt auftauchte, hatte Snape nur noch den Wunsch zu verschwinden, aber er musste bleiben, wo er war. Dumbledore baute sich vor ihm auf, in voller Lebensgröße und viel körperlicher als die vorhergehenden Erscheinungen. „Du willst aufgeben?“, fragte er drohend. „Du hast nie aufgegeben, warum gerade jetzt?“
Von irgendwoher war ein rhythmisches Pochen zu hören. Weg war der Alte.
Snape wachte auf, sein - besser: Meiers - Körper war von kaltem Schweiß bedeckt. Er atmete schwer.
Das Pochen war noch da. Es kam von der Tür. Draußen rief jemand: „Herr Meier? Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Thomas Schuppski.
Snape sah auf die Uhr. Die zeigte auf kurz vor Neun. Gab es denn so was? Um Neun, und er lag noch im Bett? Er erhob sich rasch. „Schon okay, ich hab´s ein bisschen verschlafen.“ Ihm taten alle Glieder weh, kein Wunder nach der Nacht…
Thomas Schuppski runzelte kritisch die Brauen, als er Snape am Frühstückstisch gegenüber saß. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht krank sind? Sie sehen furchtbar aus.“
„Ich bin nicht krank“, antwortete Snape trotzig.
Das Frühstück schmeckte scheußlich. Der Kaffee war dünn und kalt, der Toast steinhart und verbrannt. Als die Wirtin in der Küche war, sagte Snape: „Wir suchen als erstes was ordentliches zu Essen und trinken einen guten Tee. Vorher mache ich nichts anderes.“

Sie beschlossen, in die nächste größere Ortschaft zu fahren. Sie hofften, neben ordentlicher Verpflegung auch genaue Karten der Umgebung kaufen zu können und Snape brauchte Pflaster, er hatte sich Blasen gelaufen. Warum mussten Meiers Füße auch so aufquellen?
Am Stadtrand befand sich ein Einkaufszentrum, das steuerten sie an. Eine Imbissstube versprach viel Frühstück für wenig Geld, sie probierten es und wurden nicht enttäuscht. Mit einem guten Tee und ordentlich Schinken und Eiern in Meiers Magen fühlte Snape sich gewappnet für das, was kam. Er berichtete in knappen Worten von seinen Zweifeln und Alpträumen. „Ich sollte mir langsam Gedanken machen, was ich tue, wenn wir keinen Erfolg haben. Die Chancen sind ja wirklich ziemlich gering, oder?“
„Na ja, ehrlich gesagt, viel Hoffnung habe ich nicht. Ich habe diese alte Frau nach allen Regeln der Legilimentik-Kunst ausgequetscht. Es kann sein, dass die Außerirdischen wirklich alle weg sind. Aber vielleicht finden wir noch die Station, wo man Sie gefangen gehalten hat.“
„Vielleicht. Aber ich glaube es nicht wirklich. Wahrscheinlich ist da niemand mehr, sonst hätte es bestimmt Berichte über Sichtungen gegeben.“
„Wir haben danach gar nicht geschaut.“
Snape goss sich noch eine Tasse Tee ein, schlürfte genüsslich das belebende Gebräu und schaute aus dem Fenster. Wenn er schon in Hermann Meiers Körper bleiben musste – bei Minna würde er nicht bleiben. Er würde sich scheiden lassen und sich irgendwo hier in der Nähe niederlassen…
Da sah er sie. Das widerspenstige dunkelrote Haar hatte sie wie früher mit einfachen Klemmen über den Ohren gebändigt. Die braune Kutte, die sie nur gekauft hatte, weil sie warm und billig war, flatterte offen um ihren Körper. Darunter trug sie den smaragdgrünen Pullover, den sie aus der Wolle gestrickt hatte, die er ihr in jenem Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, als sie das erste Mal zusammen…
Er löste sich aus seiner Erstarrung und stürzte hinaus, rannte so schnell ihn Meiers Füße trugen, hinter ihr her. „Mary! Mary Louise!“
Die Frau drehte sich um. Sie war es wirklich! Noch drei Schritte, noch zwei, er umarmte sie fest. „Mary Louise! Du bist es wirklich!“
Sie wehrte sich, zappelte, rief: „He, was soll das, was wollen Sie?“
Er lockerte die Umarmung. „Ich bin Severus Snape!“
Sie schrie: „Wollen Sie mich verhöhnen? Severus ist schwer krank!“
Leute drehten sich nach ihnen um. Leise sagte er: „Ich weiß. Es ist nicht leicht zu erklären, aber ich BIN Severus. Die Kutte hast du für zehn Pfund bei dieser Vietnamesin auf dem Wochenmarkt in Edinburgh gekauft. Die Wolle für den Pullover habe ich dir Weihnachten Nulleins geschenkt, fertig gestrickt hattest du im September Nullzwei. Und zum Geburtstag Nulldrei hast du mir einen grauen Rollkragenpullover mit genau demselben Muster geschenkt.“
Während er gesprochen hatte, waren ihre Augen immer größer geworden. „Das sind Sachen, die eigentlich nur Severus Snape wissen kann.“ Sie schüttelte den Kopf, Tränen traten in ihre Augen.
„Was genau passiert ist, weiß ich nicht. Ich erinnere mich aber noch daran, dass du mein Pilzmesser geschärft hast, dann bin ich disappariert. Im Wald standen mir plötzlich so komische Gestalten gegenüber…“ Immer hastiger sprechend berichtete er von seinem Aufenthalt bei den Fremdlingen. „Schließlich bin ich irgendwo in Deutschland bewusstlos auf einer Straße gefunden worden. Als ich wieder zu mir kam, steckte ich in diesem Körper hier.“
Inzwischen war Thomas Schuppski zu ihnen getreten. Severus stellte die beiden einander vor. Mary Louise war bleich geworden, mit flackernden Augen sah sie von einem zum anderen.
„Das heißt, in Severus´ Körper lebt jetzt ein Hermann Meier?“
„Ja, Mrs. Winterbottom, wahrscheinlich. Aber es scheint, dass ein bisschen von Meier noch in Meiers Körper steckt. Das müsste bei Hermann in Snapes Körper fehlen.“
Ohne Vorwarnung sackte die Frau zusammen. Snape fing sie auf, Schuppski holte ein Riechfläschchen aus seiner Jackentasche. Mary Louise kam wieder zu sich.
„Ich müsste eigentlich ganz schnell nach Hause“, sagte sie verlegen. „Severus ist… ich kann ihn nicht lange alleine lassen, verstehen Sie?“
Severus und Schuppski nickten.
„Vielleicht kommen Sie mit zu mir nach Hause, da können wir weiter reden.“
Snape sagte: „Ich kann nicht zaubern, deshalb sind wir mit dem Auto unterwegs. Fahren Sie doch mit uns mit, so weit ist es ja nicht.“ Er hatte einfach nur Angst, dass er Mary Louise nie wiedersehen würde, wenn sie disapparierte.
Sie war einverstanden. Die Fahrt verlief schweigend, Mary Louise fummelte nervös an ihrer Handtasche herum. Auch die kannte Severus, Mary Louise hatte sie damals dabeigehabt, als sie an einem Weihnachtsmorgen vor seiner Tür gelegen hatte. Das war im Jahr Zweitausend gewesen…
Severus fuhr konzentriert, obwohl auch er nervös war. Er kannte den Weg genau, konnte sich jetzt wieder an alles erinnern.
„Winterbottom / Snape“ stand am Briefkasten. Es kribbelte in Meiers Körper, als er das las.
„Wir können aus der baufälligen Hütte hier heraus“, hatte Mary Louise gejubelt, als sie erfahren hatte, dass eine alte Tante ihr ein Haus hinterlassen hatte. „In dem Haus ist sogar Platz genug für ein richtiges Tränkelabor…“ Sie war einfach davon ausgegangen, dass sie zusammenbleiben würden….
Mary Louise führte sie ins Wohnzimmer, bat sie, einen Moment zu warten und verschwand wieder. Snape sah sich um. Alles war noch so, wie er es kannte. Sein Blick fiel auf einen Glaszylinder, der dekorativ mit bunten Steinchen gefüllt war, ein paar Trockenblumen obenauf. Darunter befanden sich die Diamanten, der letzte Besitz, den Mary Louise vor ihrem gierigen Exmann hatte verbergen können…
Ein Teetablett schwebte herein, dann folgte Mary Louise. Sie führte an der Hand einen Mann. Severus Snape stand beklommen auf, als er seinen Körper sah. Er erschrak, als er sich quasi selbst in die Augen sah, denn da war nichts als schwarze Leere, dann trat eine Gier in den Blick, die ihn erschauern ließ. Er stand wie erstarrt, unfähig, etwas zu sagen oder zu tun.





Nochmal zur Erinnerung: Mary Louise Winterbottom schneit in "Bescherung in Spinners End" in Snapes Leben...


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