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Fanfiction

Die Suche nach dem verlorenen Ich - Es geht voran

von käfer

Vorab:

Hallo, da bin ich wieder! Der häusliche Tapetenwechsel ist fast beendet, jetzt müssen "nur noch" Teppich und Möbel wieder dorthin, wo sie hingehören. Vorher gönne ich mir aber ein Päuschen und Euch das nächste Chap.


Vielen Dank an Eo-lahallia und Cornelius678 für die lieben Kommis! Ging mir runter wie Sahnetorte!


@Eo-lahallia: Ich hoffe, du hattest einen schönen Urlaub! Hast Du eigentlich mein Eulchen bekommen? Da kam nämlich ´ne Fehlermeldung...


Und jetzt lassen wir "ihn" noch ein bisschen Fahren üben...

Er brauchte noch fünf Übungsstunden auf dem Parkplatz, bis er das Auto einigermaßen beherrschte und die Fahrübungen, die G. ihm aufgab, absolvierte, ohne den Motor abzuwürgen.
Am fünften Tag, seiner siebten Fahrstunde, fuhr er gerade im Zick-Zack-Kurs, als ein roter Kleinwagen einbog und mit Vollgas über den Platz raste. Kurz vor dem Bordstein bremste der Fahrer und drehte sich dabei um die eigene Achse.
G. schüttelte den Kopf. „Der spinnt wohl, der Bube! Halten Sie erst mal an!“
Sie beobachteten, wie der auffallend jugendliche Fahrer den roten Flitze wieder beschleunigte und diesmal mit quietschenden Reifen eine enge Kurve beschrieb. „Der hat wohl ´ne Schraube locker?!“, schimpfte G. „Fahren Sie vor zur Ausfahrt und biegen Sie rechts ab.“
Er nickte, legte den Gang ein und fuhr los. Um zur Ausfahrt zu gelangen, musste er den ganzen Platz überqueren. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er den roten Kleinwagen, der inzwischen Slalom fuhr.
Ein Kribbeln in der Magengegend vermittelte ihm das Gefühl, dass bald etwas Ungutes passieren würde.
Tatsächlich schoss der Kleinwagen plötzlich auf ihn zu.
Er berechnete nicht den Punkt, an dem die Wagen aufeinanderprallen würden. Er überlegte nicht, was er tun konnte. Er schrie nicht. Er handelte instinktiv, arbeitete mit Meiers Händen und Füßen und brachte das Fahrschulauto mit einem rasanten Schlenker aus der Gefahrenzone.
„Wo haben Sie das denn gelernt?“, fragte G., während er ein Handy aus der Tasche zog und eine Nummer eintippte.
„Keine Ahnung“, antwortete er, „ich habe überhaupt nicht überlegt, was ich mache. Hätte auch schief gehen können.“
G. reagierte nicht; er sprach ins Handy, informierte die Polizei.
Wie gebannt starrte er den Fahrer des Kleinwagens an. Ein auffallend blasses Gesicht mit spitzem Kinn und nach hinten gekämmten hellblonden Haaren; der Junge war allenfalls sechzehn, siebzehn Jahre alt. Anscheinend hatte er G.´s Handy bemerkt, denn sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse; mit röhrendem Motor und quietschenden Reifen schoss er davon.
„Soll ich hinterher?“, fragte er.
„Bloß nicht!“ G. hob abwehrend die Hände. „Das ist Sache der Polizei, ich habe denen die Nummer durchgegeben.“ Der Fahrlehrer telefonierte noch einmal. „Wir machen jetzt unsere Fahrübungen weiter, aber erst einmal erzählen Sie mir, wie Sie das Ausweichmanöver hingekriegt haben.“
„Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass es gleich krachen würde, aber was ich genau gemacht habe, weiß ich nicht.“
G. sah ihn mit einem sehr seltsamen Blick an.
„Bis zur Ausfahrt fahren, rechts abbiegen!“
Schreck lass´ nach, jetzt geht´s auf die Straße! Schon brach der Schweiß aus jeder einzelnen von Meiers Poren. Er packte das Lenkrad fester, atmete tief durch und versuchte sich an die Reihenfolge der Handlungen beim Abbiegen zu erinnern.
Ohne Kritik gelangte er an die Einmündung zur Hauptstraße. Er sollte links abbiegen. Von rechts kamen die Autos mit knapp hundert Sachen an; das Ortseingangsschild befand sich unmittelbar vor der Einfahrt. Nach links konnte er nicht allzu weit sehen. Woher sollte er wissen, wann er losfahren konnte?
Es hupte hinter ihnen.
Er beobachtete die Fahrzeuge, die von rechts kamen, zählte die Sekunden, die sie brauchten. Bis zur Rechtskurve musste frei sein, sonst würde er es nicht schaffen.
Aber was kam von links? Wieder Sekunden zählen.
Es hupte hinter ihnen laut und ausdauernd. G. sah sich um, schwieg aber.
Endlich! Er glaubte, dass alles frei war und fuhr genau in dem Moment an, in dem G. „Los jetzt!“ rief.
Gerade war er in seiner Fahrspur angekommen, als ein Kleintransporter herandonnerte. Uffff!
G. schickte ihn auf eine Runde durch W., sie benutzten ausschließlich die Hauptstraßen und bogen nur an ampelgeregelten Kreuzungen ab.
Er wunderte sich, wie viele Ampeln so eine kleine Stadt wie W. hatte und fragte sich, wer dafür sorgte, dass sie immer „Rot“ zeigten, wenn er kam.
Einzig und allein an der Einfahrt zur Siedlung gab es keine Ampel, aber er hatte Glück, die Straße war frei, er konnte abbiegen, ohne anhalten zu müssen.
„Den Berg hoch im zweiten Gang und mit viel Gas“, mahnte der Fahrlehrer. Und noch mal hatte er Glück; auf der schmalen Straße kam niemand entgegen.
„Geht doch“, meinte G., als er aufatmend den Motor abstellte. „Ich denke doch, dass Sie über kurz oder lang den Lappen in der Hand halten.“
Mit einem Seitenblick bedachte er den silbernen Å koda, der auf Meiers Parkplatz stand.

Die aufregende Fahrstunde verfolgte ihn bis in seine Träume. Immer wieder war er auf den Straßen von W. unterwegs. Immer wieder näherte er sich einer grünen Ampel, die im letzten Moment auf „Rot“ umsprang.
Seine Hände umkrampften etwas, was eigentlich das Lenkrad hätte sein müssen, sich aber mehr wie ein Besenstiel anfühlte.
Immer wieder sah er einen Kleintransporter auf sich zurasen. Er wollte ausweichen, lenken, aber das besenstielartige Ding reagierte nicht.
Mit klopfendem Herzen wachte er dann auf, drehte sich auf die andere Seite, träumte weiter.
Der rote Kleinwagen tauchte auf, kam auf ihn zu. Sein Ausweichmanöver wollte nicht gelingen. Unmittelbar vor dem Aufprall schlug er die Augen auf, atmete tief durch, drehte sich auf die andere Seite, schlief ein und träumte das gleiche noch einmal.
Der Fahrer des Kleinwagens grinste ihn an, sein Gesicht kam näher und näher…
Es donnerte und er wachte auf. Draußen hatte inzwischen ein mittelprächtiges Unwetter begonnen, der Sturm heulte, Donner grollte, Blitze zuckten. Er zog sich die Decke über die Ohren.

Ein orangefarbener Blitz zuckte direkt bis in sein Gehirn. Er sah den blonden Jungen wieder, er trug nicht die olivgrün-braun gescheckte Jacke vom Vormittag, sondern die dunkelblaue, uniformähnliche Kleidung der Jugendlichen aus dem Schloss.
Er selber war ein kleines Kind und schaute zu dem Älteren auf. Der schien etwas zu erklären. Er bemerkte, dass noch mehr kleine Jungen im Kreis um den Blonden saßen und mit andächtigen Mienen zu ihm aufsahen. Er beendete seinen Vortrag.
Obwohl er nichts hören konnte – auch dieser Traum lief völlig geräuschlos ab – spürte er die angespannte Stille. Rechts neben ihm stand einer auf, sagte etwas und verschwand aus dem Blickfeld. Der große Blonde sprach kurz; zögernd standen noch zwei Kinder auf und gingen raus.
Außer ihm waren noch zwei andere übrig geblieben. Der Anführer drehte sich um, sagte ein Wort, dass eventuell „Kommt!“ hätte heißen können, denn die drei folgten ihm.
Sie befanden sich tatsächlich in dem alten Schloss und folgten dem Blonden durch schmale gewundene Gänge nach draußen. Es war Nacht. Er wusste, dass sie etwas Verbotenes taten, fühlte, dass es falsch war, dass er besser umkehren sollte, aber er tat es nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte er den anderen in den Wald. Sie betraten einen schmalen Pfad, gingen in vielen Windungen einen Hang hinunter auf eine Lichtung.
Dort wartete eine schwarze Gestalt. Sein Gesicht schimmerte als heller Fleck in der Dunkelheit. Woher er wusste, dass dort keine Frau stand, wusste er nicht.
Der Blonde sank vor der dunklen Gestalt auf die Knie und beugte den Kopf. In dem hellen Fleck glühten rote Punkte dort auf, wo bei einem Menschen die Augen waren.
Er fühlte Furcht in sich aufsteigen und wäre am liebsten weggerannt, zwang sich aber, zu bleiben und der dunklen Gestalt ins Gesicht zu sehen. Inzwischen konnte er erkennen, dass der Dunkle einen Umhang trug, so ähnlich wie er selber.
Der Dunkle legte dem Blonden eine lange, hell schimmernde Hand auf die Schulter, worauf der Blonde aufstand, dem Dunklen zunickte und beiseite trat.
Der Dunkle bewegte sich, die roten Augen kamen näher, waren direkt über ihm. Aus den Falten des Umhanges kam die schmale weiße Hand hervor und näherte sich seinem Gesicht. Ihm fielen die ungewöhnlich langen dünnen Finger auf. Die Furcht ließ ihn erstarren.
Die unheimliche Gestalt war so nahe, dass er Einzelheiten erkennen konnte. Die roten Augen waren eher Schlitze, eine Nase gab es nicht, Lippen konnte er ebenfalls nicht entdecken. Was war das?
Kalte Fingerspitzen berührten sein Kinn. Der lippenlose Mund verzog sich zu einem kalten Lächeln. Dann legte ihm der Dunkle seine Hand auf den Scheitel. Eine Kältewelle zog von seinem Kopf hinunter bis zu den Zehen. Er unterdrückte wieder den Wunsch, wegzurennen.
Der Dunkle schien mit ihm zufrieden, er trat zurück, sagte etwas zu dem Blonden, auf den Lippen hatte er immer noch das kalte Lächeln.
Der Dunkle wiederholte die Prozedur bei dem zweiten kleinen Jungen. Der sank in sich zusammen, als die Finger des Dunklen ihn berührten. Die roten Augen glühten auf, der Dunkle schüttelte den Kopf und machte eine ärgerliche Handbewegung, worauf der Blonde wieder auf die Knie fiel. Möglicherweise bat er um Verzeihung.
Der dritte kleine Junge zitterte und schloss die Augen, als der Dunkle vor ihn hintrat, hielt aber durch.
Danach drehte sich der Dunkle um und löste sich in Nichts auf. Der Blonde packte den Versager beim Ohr und winkte den anderen beiden, ihm zu folgen.
Sie betraten das Schloss durch die gleiche Pforte, durch die sie es verlassen hatten und schlichen durch gewundene Gänge. Plötzlich spürte er, dass sie nicht allein waren; er wusste, dass es der Bärtige Alte war, der auf sie wartete und zupfte den Blonden am Umhang.
Mit ärgerlichem Gesichtausdruck drehte der sich um.
Er gestikulierte, zeigte auf einen anderen Gang und flitzte ihn auch schon entlang, mit einigem Abstand gefolgt von den anderen.
Er verspürte Druck in der Blase und wachte auf.
Nachdenklich saß er im Bett und analysierte, was er da eben im Traum erlebt hatte. Er war sich sicher, dass der Blonde in sein Leben gehört hatte. Nicht der aus dem Auto von heute morgen, nein, der aus dem Traum, der dem aus dem Auto nur ein bisschen ähnlich sah…
Wer war der Dunkle mit den roten Augen gewesen? Er wusste, dass dieser Mann (war er wirklich einer?) eine ungeheure Bedeutung in seinem Leben gehabt hatte, aber welche?
Wer waren all diese Jungen? Wer war der Rotäugige? Wer war er selber?



Eines Tages sah ihn Dr. Schuppski nach einer Hypnosesitzung sehr ernst an. „Herr Meier, ich glaube Ihnen, dass sie ein anderer sind. So nach und nach kann ich eine Persönlichkeitsstruktur erkennen.
Aber wenn ich Ihnen helfen soll, wieder zu sich selbst zu finden, müssen Sie mir schon ALLES mitteilen, was Sie wissen.
Es ist mit durchaus nicht entgangen, dass Sie gelernt haben, zu steuern, was Sie mir unter Hypnose preisgeben und was nicht. Es nützt Ihnen aber gar nichts, wenn Sie etwas vor mir verbergen.“
Er fühlte sich wie ein ertappter Schuljunge, ein Zustand, der ihm sehr vertraut vorkam.
Schuppski strich sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus der Stirn, rieb sich das Kinn, strich sich eine nicht vorhandene Haarsträhne weg. Leise sagte er: „Ich weiß von Dingen, die so fremdartig, so merkwürdig, so… unnormal… sind, dass sie geheimgehalten werden müssen. Und ich vermute, dass auch Sie, ich meine Ihr wahres Ich, von solchen geheimen Dingen weiß.
Versuchen Sie einfach, mir zu vertrauen. Wahrscheinlich kann ich Ihnen wirklich helfen, aber Sie müssen mir vertrauen.“
Schuppski schwieg, strich über seine Stirn, rieb sein Kinn, strich über seine Stirn,… … und wartete.
Ihm wurde heiß in Meiers Körper, seine Gedanken überschlugen sich. Bluffte Schuppski? Er sprach von Vertrauen, aber konnte er ihm wirklich vertrauen? Der einzige Mensch, dem er bisher vertraut hatte, war er selber gewesen. Er selber und – ja, der alte Mann mit dem Bart. Der auf dem Turm, den er getötet hatte. Hatte er?
Er kämpfte noch eine Weile mit sich selber, dann berichtete er von dem Traum, der ihn in der letzten Nacht geängstigt hatte.
Es war eine Verfolgungsjagd gewesen und er hatte zu den Verfolgern gehört. Jäger wie Gejagte waren auf Besen in großer Höhe und mit wahnsinnigem Tempo über nächtliche Landschaften gerast.
Der, der vor ihm geflogen war, hatte seinen Holzstab hervorgezogen und ihn auf den Flüchtling weiter vorn gerichtet.
In dem Moment hatte er zwei Dinge gewusst: Der andere würde den Flüchtling töten und er selber musste das verhindern. Er zog seinen eigenen Stab hervor, wollte den vor ihm Fliegenden unschädlich machen. Aber der musste etwas geahnt haben, bewegte sich im letzten Moment zur Seite, und das, was eigentlich den Verfolger hätte treffen sollen, traf den Fliehenden, den er eigentlich hatte schützen wollen. Ein großer dunkler Fleck breitete sich dort aus, wo gerade noch ein Ohr gewesen war, der Flüchtling stürzte ab.
Er selber war schwer atmend und schweißgebadet erwacht und hatte nicht gewusst, was dieser Traum zu bedeuten hatte.

Schuppski schien besonders an dem Holzstab interessiert zu sein. Er stellte etliche Fragen darüber, die erkennen ließen, dass er Bescheid wusste. Aber er erklärte nicht, was es damit auf sich hatte.
Nach und nach erzählte er dem Psychologen etliches von dem, an das er sich erinnerte: angefangen von dem dreiköpfigen Hund und allen anderen seltsamen Tieren, über die Träume von dem alten Schloss mit dem bärtigen Mann, bis hin zu den düsteren Treffen und Ritualen. Jenen besorgniserregenden Traum von dem Turm sowie intimere Dinge verschwieg er aber.
Schuppski wuchsen steile Sorgenfalten auf der Stirn. So viel er auch strich und rieb, die Falten blieben.
Dann fing Schuppski an, zu fragen, ob ihm merkwürdige Dinge passiert seien, aber er wusste gar nicht, worauf der gute Doktor hinauswollte.
Schuppski gab keine Erklärungen ab und so blieb er zurück mit der Unsicherheit über die Bedeutung seiner Erinnerungen und Träume.
Wer war er? Was hatten die Holzstäbe für eine Bedeutung? Was hatte er getan?
Immer wieder die gleichen Fragen und immer noch keine Antwort darauf.


Auf Eure Reviews freut sich
käfer

Übrigens: Mich würde mal interessieren, ob jemand errät, in welcher Gegend die Geschichte spielt, denn all die abgekürzten Orte gibt´s wirklich!


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