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Fanfiction

Die Suche nach dem verlorenen Ich - Krankheiten, Anrufe und sonstige Katastrophen

von käfer

Vorab:
Danke fĂĽr die lieben Kommis!!!
@Eo-Lahallia: Wie ich auf das "Fachchinesisch komme? - Es macht mir einfach Spaß, sowas unverständliches zu schreiben. Ganz wollte ich die Station 0815 und ihren Bewohner nicht aus den Augen verlieren, also "gucke ich immer mal, was er macht"...
Und wie ich überhaupt auf diese FF gekommen bin - ich glaub, da kriegst du später mal eine Eule von mir...
@ Kalliope: Sachen gibt´s ... Ich habe Minna Meier nur deshalb Minna Meier genannt, weil ich niemanden kenne, der so heißt, und was ihren Charakter angeht - das muss so sein. Mal sehen ob "er" so nett bleibt...(Ich weiß es ja!)

Jetzt erst mal viel Vergnügen mit den Höhen und Tiefen des Meierschen Lebens!



Er hatte sich einen Schnupfen eingefangen, das ganze Wochenende lang geniest und fĂĽhlte sich noch immer matt und schlapp. Dr. Schuppski verzichtete auf eine neue Hypnosesitzung und wertete die letzten aus.
„Es ist wirklich erstaunlich, was für Erinnerungen Sie in Ihrem Kopf haben, Herr Meier. Dreiköpfige Hunde, Kreuzungen aus Pferd und Riesenadler, Zentauren…“
„Zentauren?“
„So nennt man Pferde mit Menschenoberkörper. Fabelwesen, aber Sie erinnern sich daran. Nicht so, wie man sich an einen Film erinnert, an etwas Gelesenes oder Ausgedachtes, sondern richtig, wie man sich erinnert, wenn man etwas selbst erlebt hat. Ich habe es getestet, es sind Ihre echten Erinnerungen. Völlig irre, möchte man meinen.
Andererseits scheinen Sie ansonsten ein ganz normaler Mensch mit einer durchschnittlichen Allgemeinbildung und einer sehr guten Auffassungsgabe zu sein. Das Ganze ist fast zu verrückt, als dass man es glauben sollte.“
„Das ist es wirklich. Ich fühle mich in diesem Körper und mit diesem Leben absolut nicht wohl. Wenn ich nur wüsste, wer und was ich bin, dann würde ich lieber heute als morgen einen Job annehmen. Aber ich habe keine Ahnung, was ich mal gemacht habe. Hermann Meier ist Dreher. Ich selber habe keine Ahnung, wie eine Drehmaschine aussieht, geschweige denn wie man sie bedient. Also kann ich nicht als Hermann Meier einfach wieder auf Arbeit gehen.“
Dr. Schuppski nickte, strich sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus der Stirn, rieb sich das Kinn. „Das ist wirklich ein Problem. Darüber muss ich noch mal genau nachdenken. Das Problem ist – die Krankenkasse wird langsam ungeduldig. Die haben schon zweimal angefragt, wie es mit Ihrer Arbeitsfähigkeit aussieht.“
„Puh! Wie gesagt, ich würde ja gerne. Aber da gibt es gleich das nächste Problem: Meier arbeitet in M., und dahin kommt man nur mit dem Auto. Ich musste aber seinen Führerschein abgeben.“
„Sie hätten vielleicht nicht so laut sagen sollen, dass Sie nicht fahren können.“
„Aber wenn das doch die Wahrheit ist! Ich habe noch nie hinterm Lenkrad gesessen! Wenn ich etwas genau weiß, dann das.“
Schuppski sagte bedächtig: „Sie könnten Recht haben. Wenn ich das nicht völlig falsch gedeutet habe, drehen Sie sich auf der Stelle und sind im nächsten Augenblick dort, wo Sie hinwollen.“
Er fühlte, wie Meiers Augen aus den Höhlen quollen. Das war es also! Deshalb hatte er sich so oft auf der Stelle gedreht, wenn er irgendwohin wollte! Und sich dann geärgert, dass es nicht geklappt hatte. Verfügte sein wahres Ich über Fähigkeiten, die andere nicht hatten? Es war unwahrscheinlich, oder?
Wer oder was war er? Wie kam er in Meiers Körper hinein? Und wie wieder heraus?
So lange sie auch rätselten, Dr. Schuppski wusste keine Antwort.

Das Gespräch hatte länger gedauert, als beabsichtigt. Sein Bus war weg.
Trotz der Erkältung meldete sich Meiers Magen und verlangte sein Recht. Er ging um die Ecke zu einem Dönerstand; dann fuhr er heim nach W.
Am Nachmittag hatte er Magenschmerzen und keinen Appetit auf Kuchen. Minna kommentierte das so: „Das hast du davon, wenn du Döner isst. Abnehmen wollen und Döneressen vertragen sich eben nicht“, und ohne mit der Wimper zu zucken, verschlang sie sein Kuchenstück noch mit.
Etwas später musste er sich furchtbar übergeben. „Selbst Schuld“, war alles, was Minna dazu sagte.
Er verbrachte den Rest des Tages und die darauffolgende Nacht im wesentlichen auf der Toilette. Den Kamillentee musste er sich selber kochen; Minna ging zu ihrem Handarbeitskränzchen.
Als er am Mittwoch immer noch nichts bei sich behalten konnte und Schwindelanfälle bekam, schleppte er sich zur Ärztin. Dr. Z. schlug die Hände über dem Kopf zusammen, telefonierte nach einem Krankenwagen und wies ihn in die Klinik ein. Dort bekam er etliche Spritzen, wurde an Schläuche gehängt und an Geräte angeschlossen. Er ließ alles geschehen und kommentarlos an sich vorübergehen. Er zog sich in sich selbst zurück und wanderte in Gedanken durch „sein“ Schloss.

Die Mediziner kamen und gingen, er hörte Worte wie „Lebensmittelvergiftung“, „Gammelfleisch“…, aber ihn interessierte das alles nicht.
Nach einer Woche bekam er die erste Suppe, drei Tage später durfte er es wieder mit etwas festerer Nahrung versuchen.
Volle drei Wochen dauerte es, bis sein Kreislauf wieder mitspielte und er aufstehen konnte. Während dieser ganzen Zeit kam Minna nur ein einziges Mal für eine Viertelstunde auf Besuch, packte ihm die Bücher auf den Nachttisch, die aus der Bibliothek geliehen hatte und jammerte, wie furchtbar es wäre, wenn er nicht da war.
Dafür kam Dr. Schuppski mehrmals in seiner Freizeit, um mit ihm zu reden. Zuletzt meinte er, dass nichts dagegen spräche, wenn „Meier“ noch einmal die Führerscheinprüfung ablegte. Dann könnte er ja auch wieder arbeiten gehen.

Nach mehr als vier Wochen durfte er endlich wieder nach Hause. Bald war er wieder drin im Alltagstrott zwischen Putzen, Gartenarbeit, Einkaufen und Besuchen bei Dr. Schuppski.
Eines verregneten Vormittags saß er vor dem Fernseher und zappte wahllos durch die Kanäle. Plötzlich hörte er englische Worte und horchte auf – er verstand alles! Wie war das nur möglich?
Erfreut erzählte er Dr. Schuppski davon; der konnte sich das Phänomen auch nicht erklären. Er holte die Bänder von den Hypnosesitzungen heraus und spielte sie ab – auch hier verstand er alles. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt behaupten, Sie sind ein Simulant, Herr Meier.“
„Ich bin nicht Hermann Meier!“
„Schon gut, schon gut.“
Minna zuckte ob der erfreulichen Nachricht nur mit den Schultern.

Beim nächsten Besuch hatte Dr. Schuppski zwei Nachrichten für ihn. Er sagte: „Sie dürfen den Führerschein noch einmal machen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Wenn Sie den Idiotentest bestehen.“
„Den Idiotentest?“, fragte er verwundert.
„Entschuldigung, korrekt heißt es ´Medizinisch-Psychologische Untersuchung´.“
Er musste grinsen bei dem Gedanken, wie der echte Hermann Meier darauf reagieren würde, wenn er mitbekäme, dass er beim ´Idiotentest´ gewesen war… Wenn er es jemals erfuhr!
Damit war er wieder bei den Fragen, auf die es immer noch keine Antwort gab.
„Ich bin mit meinem Latein am Ende“, gestand Dr. Schuppski. „Die Hypnosesitzungen fördern kaum noch neue Erinnerungen zu Tage, manches wiederholt sich schon. Und doch wissen wir beide, dass noch wesentliche Lücken klaffen. All die Namen, das, was Sie während der letzten fünf, sechs Jahre erlebt haben – den Schlüssel dazu brauchen wir noch.
Und ich weiß längst noch nicht, was passieren soll, wenn Sie sich erinnern, wer Sie sind. Vorerst bleibt mir nur, Sie für das Leben als Hermann Meier fit zu machen.“

Den Idiotentest bestand er mit Leichtigkeit. Er war eben kein Idiot, auch kein Säufer oder Kiffer, er war nur einfach in einem falschen Körper aufgewacht.
Dr. Schuppski half ihm bei der Erledigung der für den Führerschein notwendigen Formalitäten und beriet ihn bei der Auswahl der Fahrschule.
Als erstes war jedoch ein Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren.
Er war mit Abstand der älteste Teilnehmer, saß abseits von den jungen Mädchen und hörte aufmerksam zu. Ein Teil des Stoffes kam ihm bekannt vor. Oder war das einfach nur Allgemeinbildung?
Beim Thema `Stabile Seitenlage` musste Meiers massiger Körper als Versuchsobjekt für das zarteste Mädchen herhalten. Ein Schauer fuhr durch sein Inneres, als sie ihn anfasste. Der Mini-Lümmel zuckte und streckte sich. Damit es nicht so auffiel, machte er es der Kleinen leicht, ihn zur Seite zu drehen.
Kaum lag er stabil, sprang das Mädchen zurück und ging auf Abstand. Er konnte das sehr gut verstehen.
Schließlich und endlich hielt er seine Bescheinigung in den Händen, dem Fahrschulanfang stand nun nichts mehr im Wege.
Zur ersten Theoriestunde kam er in letzter Minute und völlig abgehetzt. Er hatte mal wieder vergessen, dass er Meiers Körper nicht so schnell bewegen konnte wie seinen eigenen. Schwitzend und schnaufend nahm er in der vorderen Reihe Platz, damit er die hübschen Mäuse nicht sah.
Die bedachten ihn mit scheelen Blicken, der zweitälteste im Kurs war gerade neunzehn geworden.
Also hielt er sich abseits und hatte das Gefühl, genau dies, nämlich für sich und abseits zu bleiben, habe er schon sein Leben lang geübt.


Er war draußen gerade damit beschäftigt, verwelkte Blumen abzuschneiden, als drinnen das Telefon klingelte. „Ja, ähm Meier“, meldete er sich und erwartete, wie schon öfter in den letzten Tagen von einem Tonband zugetextet zu werden. Diesmal war aber jemand Lebendiges am anderen Ende.
„Und hier ist Englert. Hallo, Herr Meier!“
„Hallo, Herr Englert“, antwortete er zaghaft und wusste nicht, wo er Herrn Englert einordnen sollte. Den Namen hatte er schon mal gehört, aber wo???
„Ich wollte mich nur mal erkundigen und fragen, wie es Ihnen geht. Wie ist es denn um Ihre Arbeitsfähigkeit bestellt, Herr Meier?“
Klick und Klingklong! Herr Englert war der Geschäftsführer der Firma F., also Hermanns, ähm, sein Chef.
„Ich bin…“, zum Glück konnte er sich noch bremsen und sagte nicht: „…nicht Hermann Meier“. „Ähm, ich, …, nun ja…“
Verflixtes Gestottere! In seinem Alter sollte man doch um keine Antwort verlegen sein! In seinem Alter? Wie alt war er wirklich?
„Alles in Ordnung, Herr Meier?“, drang es besorgt aus dem Hörer.
„Ähm, ja. Nur, Herr Englert, ich weiß nicht, ob man Sie informiert hat oder nicht. Ich habe mein Gedächtnis komplett verloren und mühe mich jetzt mit Alltäglichkeiten ab, die früher selbstverständlich waren. Es fällt mir alles sehr schwer, sogar den Führerschein muss ich neu machen, verstehen Sie? An die Firma und meine Arbeit bei Ihnen kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern.“
„Oh.“
Hatte er das jetzt richtig rĂĽbergebracht? Die Wahrheit gut genug umschrieben? ER war nie in der Firma F. gewesen und wo M. lag, wusste er nur von der StraĂźenkarte her.
„Das tut mir aber Leid für Sie, Herr Meier. Aber vielleicht findet sich bei uns ja eine Arbeit, die Sie machen können. Und dann lernen Sie eben das eine oder andere noch mal neu.“
„Danke für das Angebot, Herr Englert. Ich denke, das sollte ich annehmen.“
„Schön, Herr Meier. Vielleicht lassen Sie sich mal bei uns blicken, dann reden wir weiter.“
„Sobald ich eine Möglichkeit gefunden habe, ohne Auto nach M. zu kommen, melde ich mich bei Ihnen.“
Herr Englert bedankte sich und legte auf.
Er atmete tief durch. Mit dem Chef durfte er es sich nicht verscherzen. Für den Fall, dass alles wieder rückgängig zu machen war und Hermann Meier wieder in seinen Körper zurückkam – und er in seinen -, wäre es sicher schlecht, wenn er dafür gesorgt hätte, dass Meier seinen Job los war. Bei den Arbeitslosenzahlen in der Region…
Und falls er in Meiers Körper bleiben musste, wäre es gut, wenn er finanziell auf eigenen Beinen stehen würde, für den Fall, dass er es mit Minna nicht mehr aushalten konnte.
Als er Minna von dem Anruf erzählte, war ihre ganze Reaktion nur: „Du solltest wirklich wieder arbeiten gehen. Ewig kannst du dich nicht auf Kosten der Krankenkasse ausruhen. Wir brauchen das Geld, deine Fahrschule wird teuer genug. Und ich brauche mal wieder was zum Anziehen.“
„Ich auch“, sagte er und zeigte den zu weit gewordenen Hosenbund. „Das kann man abnähen“, sagte sie. „Aber ich kann nicht jeden Tag mit den gleichen Klamotten im Büro erscheinen.“
Er verbiss sich eine boshafte Bemerkung und sagte satt dessen: „Gut, dann gehen wir am Samstag zusammen nach Z. einkaufen.“
„Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag von dir.“
Den Vorschlag bereute er bitter. Minna stürzte von einem Geschäft ins andere, probierte unendlich viele Röcke, Kleider, Blusen und Pullover an und kaufte, als hätte sie gar nichts im Schrank. Sie lud ihm die vielen bunten Plastikbeutel auf, in denen die Sachen steckten.
In der Herrenabteilung des größten Kaufhauses bat er Minna, doch mal ihre Sachen zu halten, er wollte sich eine Hose und einen Pullover aussuchen.
„Aber beeil dich, die Tüten sind schwer.“
Er fand eine dunkelgraue Hose und hielt sie hoch. „Da passt du nie rein! So viel abnehmen kannst du gar nicht!“, meckerte Minna. Er sah auf das Größenschild. Ja klar, seinem eigenen Körper würde diese Hose schon passen, Meier kam hier nicht rein, logisch. Er hatte unbewusst dorthin gegriffen, wohin er immer gegriffen hatte. Verflixt, welche Größe zog Meier eigentlich an? Er hätte vor dem Einkaufen nachsehen sollen. Nach dreimaligem Probieren hatte er endlich etwas Passendes gefunden. Minna war schon ganz ungeduldig. „Brauchst du immer so lange? Ich brauche noch Schuhe und Hunger kriege ich auch langsam.“
Bei den Pullovern ging es etwas schneller, er wusste ja nun, zu welcher Größe er greifen musste. „Zeig mal, wie viel kostet das?“, forderte Minna.
„Also, das ist zu teuer, das geht nicht.“
Er holte tief Luft. „Hose und Pullover kosten zusammen weniger als das Kleid, das du dir gerade eben als siebtes Stück am heutigen Tage gekauft hast. Ich nehme das jetzt und basta.“
Damit drehte er sich um, ging zur Kasse und bezahlte mit Meiers EC-Karte. Minna brabbelte vor sich hin.
„Wenn das Geld alle ist, können wir jetzt nicht noch in den Schuhladen gehen. In zwanzig Minuten fährt ein Bus.“
„Ich BRAUCHE aber noch Schuhe zu dem Kleid.“
„Dazu kannst du doch die Pöns oder wie das heißt anziehen, die du dir vorletzte Woche gekauft hast.“
Die Leute um sie herum tuschelten und kicherten.
Minna wurde rot. „Also gut, gehen wir nach Hause.“
Am Nachmittag marschierte er zur Sparkasse, holte Kontoauszüge und sah nach, wieviel Geld sie hatten. Das hätte er schon viel früher tun sollen; Minna hatte mehr Geld ausgegeben als eingezahlt wurde.
Als er sie zur Rede stellte, antwortete sie schnippisch: „Das geht dich nichts an, das ist Sache von Hermann und mir.“
„Abgesehen davon, dass ich im Moment Hermann spiele, wird er sich nicht freuen, wenn du das ganze Geld durchbringst.“
„Ach du…“, brüllte Minna, rannte ins Schlafzimmer und knallte die Tür zu, dass alles wackelte.
Er sah die älteren Kontoauszüge durch und stellte fest, dass Minna und Hermann früher nicht so viel Geld verbraucht hatten.
Hermann Meier hatte es bestimmt nicht leicht mit dieser Minna. Und wenn er selber nicht vollkommen von ihr untergebuttert werden wollte, musste sich etwas ändern. Musste ER etwas ändern.


Wieder einmal bat er Dr. Schuppski im Rat. Die Hilfe, die der ihm gewährte, ging weit über das hinaus, was ein Mediziner normalerweise für seinen Patienten tat. Er erklärte sich bereit, mit seinem Auto nach M. zu fahren und beim Gespräch mit Herrn Englert dabeizusein.
Mit zitternden Fingern rief er noch von Schuppskis Praxis aus in der Firma an und vereinbarte einen Termin. Das Telefonieren gelang ihm von Mal zu Mal besser. Er hatte verschwommene Vorstellungen davon, dass er seinen Kopf in den Kamin steckte, wenn er mit jemandem sprechen musste, ohne gleich hinzugehen. VerrĂĽckte Vorstellung! Hier gab es nirgendwo Kamine.

Mit mulmigem Gefühl betrat er an Dr. Schuppskis Seite „seine“ Firma. Sie fragten sich zu Herrn Englert durch. Der empfing sie in seinem Büro und bot am Konferenztisch Kaffee an. Das Chefbüro war hell und zweckdienlich eingerichtet: ein großer Schreibtisch mit Computer, dahinter Aktenschränke. Für einen Moment legte sich ein anderes Bild darüber: Ein altes Büro mit Porträts an den Wänden und fremdartigen Gegenständen in Regalen, darunter ein rubinbesetztes Schwert. Er sah das Büro von der Position des Chefsessels aus und war sicher, dass es sich in dem Schloss befand…
Herr Englert riss ihn aus seinen Gedanken. „Da ist ja eine echt dumme Geschichte, wirklich, Meier! Sie haben Ihr Gedächtnis tatsächlich komplett verloren?“
„Es war vollständig weg. Ich habe am Anfang nicht mal die eigene Ehefrau erkannt.“ Er zwang Meiers Gesicht zu einer Art Grinsen. „Jetzt kommt mit Dr. Schuppskis Hilfe das eine oder andere wieder. Aber, wie gesagt“, er hob in einer bedauernden Geste die Hände, „den Führerschein muss ich neu machen. Und was die Firma betrifft – ich war…“ Stop! Keinen Fehler machen! „Es ist, als ob ich nie hier gewesen wäre, verstehen Sie?“
„Aber das ist ja furchtbar, Mann. Vielleicht erinnern Sie sich wieder daran, wenn wir mal durch die Hallen gehen?“ Dr. Schuppski nickte bekräftigend.
Er wusste, dass es nichts nutzen würde, weil er tatsächlich noch nie hier gewesen war. Lag seine berufliche Vergangenheit etwa in diesem alten Schloss? Keine Ahnung. Ersteinmal folgte er Herrn Englert aus dem Bürogebäude durch einen Verbindungsgang in die Produktionshalle. Dort war es schmutzig und laut. Große Maschinen standen aufgereiht, hinter Glasscheiben bewegten sich Teile darin, Metallspäne flogen. Hier und da standen Blaumänner herum, beobachteten die Maschinen, drückten Knöpfe. Der eine oder andere rief: „Hallo, Meier!“
Höflich nickte er; die Leute hatte er noch nie gesehen.
Ganz am Ende der Reihe stand eine Maschine, die anders aussah als die anderen. „Hier, die Berta wartet auf Sie!“
Er glubschte das Monstrum an. Die Maschine war eindeutig älter als die anderen. Knöpfe drücken konnte man sicher lernen, aber das hier? Hier gab es keine Knöpfe, nur Hebel und Handräder. Verzweifelt schüttelte er den Kopf.
„Hat´s klick gemacht?“, fragte Herr Englert. Stumm schüttelte er noch mal den Kopf.
„Wie groß sind die Chancen, dass er sich wieder an alles erinnern kann?“, wandte sich der Chef an Dr. Schuppski.
„Das kann man im Moment noch nicht absehen“, erwiderte der Psychologe. „Vielleicht kommt alles irgendwann einmal zurück, vielleicht bleibt es so, wie es ist.“
„Hm“, machte Englert. „Wir brauchen in spätestens vier Wochen einen neuen Hausmeister, der sich auch um die Grünanlagen kümmert. Vielleicht können Sie das übernehmen, Herr Meier. Später sehen wir dann weiter.“
„In Sachen Grünanlagenpflege habe ich einige Übung. Ich denke, das kann ich durchaus machen. Bleibt nur das Problem: Wie komme ich hierher? Ich bezweifle, dass ich den Führerschein so bald schaffe, und ohne Auto habe ich keine Chance.“
Man besprach noch einige Einzelheiten, dann verabschiedeten sie sich.

Am letzten Sonntag im Oktober nutzte er die letzten Sonnenstrahlen, um das Grundstück winterfest zu machen. Gerade unterhielt er sich mit Frau Müller über die Aufbewahrung von Begonienknollen, als es drinnen polterte und ein Schrei ertönte. Er rannte durch das Wohnzimmer zur Treppe. Dort rappelte Minna sich gerade auf. Er half ihr hoch. „Bin aus dem Pantoffel gekippt“, sagte sie stöhnend und hielt sich den Hinterkopf. Er führte sie zum Sessel, sie hinkte stark. Wenig später wurde ihr übel und er rief den Notarzt an. „Verdacht auf Gehirnerschütterung“, sagte der und ließ Minna in die Klinik bringen.
Es stellte sich heraus, dass Minna einen Schädelbruch, innere Blutungen und einen komplizierten Bruch im linken Knöchel hatte und längere Zeit in der Klinik bleiben musste. Am späten Nachmittag verließ er das Krankenhaus von W. und weil der Bus gerade weg war, machte er sich zu Fuß auf den Weg nach S. Er brauchte anderthalb Stunden dafür und war hinterher fix und fertig.
Nachdem er sich geduscht und umgezogen hatte, machte er sich daran, Minnas Verwandte anzurufen und ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen. Er war erstaunt über die viele Heuchelei am jeweils anderen Ende der Telefonleitung. „Die arme Minna! Das hat sie wirklich nicht verdient“, sagte zum Beispiel ihre Cousine, es klang aber wie „Geschieht ihr recht.“
Am Montagmorgen versuchte er, im Rathaus anzurufen und Minnas Chef an die Strippe zu kriegen. Die Probleme begannen schon damit, dass er gar nicht richtig wusste, in welcher Abteilung Minna eigentlich arbeitete. Hatte sie nicht mal was von Schülerzahlen erzählt, die sie heraussuchen musste? Er griff sich das „Örtliche“ und sah bei „Stadtverwaltung“ nach. „Amt für Schulverwaltung, Sport und Kultur“, vielleicht war er dort richtig? Er wählte die Nummer, hörte das Besetztzeichen. Ein paar Minuten später das Gleiche. Nach vielen Versuchen gab er auf und wählte die Nummer der zentralen Vermittlung. Er landete in einer Warteschleife. Nachdem er drei Minuten lang einer nervtötenden Melodie gelauscht hatte, legte er auf. Nächster Versuch: Stadtinformation. „Tut mir Leid, da sind Sie falsch verbunden.“ Hm, also noch mal von vorn. Tut-tut-tut; Warteschleife, … nach einer Stunde machte er sich zu Fuß auf den Weg ins Rathaus. Er fragte die Empfangsdame nach dem Chef von Minna Meier. Die Dame drückte ein paar Knöpfe auf ihrer Anlage, sprach kurz in den Hörer und wandte sich ihm wieder zu. „Tut mir Leid, der Herr Richter ist in einer Besprechung, außerdem ist heute keine Öffnungszeit.“
Er stöhnte. „Ich wollte nur melden, dass meine Frau einen Unfall hatte und längere Zeit nicht zur Arbeit kommen kann.“
Nach einigem Hin und Her wurde er schließlich zur Sekretärin des Bürgermeisters geschickt. Die gepflegte, schlanke, kühle Blondine hörte ihn an, machte eine Notiz und entließ ihn mit einem Nicken.
Wieder daheim rief er Gusta und Klaus an. Klaus sagte nur: „Da hast du ja jetzt ein paar Tage Ruhe“. Gusta war ziemlich ungehalten. „Ich glaube nicht, dass ich Zeit finden werde, meine liebe Schwägerin im Krankenhaus zu besuchen. Meinen Geburtstag habt ihr ja völlig ignoriert, warum sollte ich dann zu Minna gehen?“
Geburtstag? Der SchweiĂź brach ihm aus. Hatte er da etwas vergessen?
Er erinnerte sich. „Du, da konnte ich nicht kommen. Hatte ´n Gammelfleisch-Döner gegessen und lag in der Klinik.“
„Waaas?“ Gusta schrie so, dass er den Hörer vom Ohr weg halten musste. „Und mir sagt keiner Bescheid. Ich hätte dich besucht, ehrlich. Aber wenn ich das nicht mal erfahre…
Weißt du was, morgen Nachmittag komme ich zu dir. Ich glaube, wir müssen dringend miteinander reden.“
Er nickte.
„Hermann, bist du noch da?“
„Ja, ja. Ich habe genickt und nicht daran gedacht, dass du mich nicht siehst. Klar kannst du kommen.“
Er freute sich auf das Treffen mit Gusta. Sie war vernünftig und betrachtete die Dinge realistisch. Nur mit Minna kam sie nicht klar, besser gesagt, Minna konnte Gusta nicht leiden. Er vermutete, dass das an den spitzen Bemerkungen lag, die Gusta immer mal machte. Noch nie hatte er mit Hermanns, äh, seiner Schwester reden können, ohne dass Minna dabei war. Überhaupt, die Kontakte zu Minnas Verwandten und Freunden waren viel stärker als die zu Hermanns Leuten. Minna hatte ihm erzählt, dass seine Familie kein Interesse an Besuchen hätte, aber stimmte das auch? Morgen würde er hoffentlich mehr erfahren.

In der Nacht fĂĽhlte er sich ziemlich einsam.

Am Nachmittag packte er ein paar Sachen zusammen und fuhr in die Klinik. Minna ging es nicht gut, sie hatte Beruhigungsmittel bekommen und schlief dauernd ein. So begnĂĽgte er sich damit, ihre Hand zu halten.
Für Gusta besorgte er Kuchen und zelebrierte seine „Englische Teezeremonie“. Gusta sah ihm mit großen Augen zu. „So was hast du doch früher nicht gemacht, du warst von klein auf ein Kaffeetrinker. Und abgenommen hast du auch – alle Achtung!“
Er antwortete nicht, trank seinen Tee und betrachtete Gusta. Rein äußerlich hatten sie – zu Gustas Glück, wie er meinte – nicht viel gemeinsam. Gusta sah ganz anders aus als Hermann. Sie war etwas mollig, aber noch lange nicht so fett wie Minna. Und sie kleidete sich dezenter als sie…
Gusta kam von alleine auf seinen Krankenhausaufenthalt zu sprechen. Er berichtete und sie schüttelte wieder und wieder den Kopf. „Ich fasse es nicht. Dir geht´s dreckig und dieses selbstsüchtige Frauenzimmer geht zu ihrem Handarbeitszirkel! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn du zusammengeklappt wärst! Hat sie dich wenigstens in der Klinik besucht?“
„Einmal.“
„Ich sag´s immer wieder und noch einmal, Hermann: Diese Minna nutzt dich von hinten nach vorne aus.“
„Wem gehört eigentlich das Haus?“ Der Gedanke war ihm plötzlich gekommen und er hatte die Frage sofort gestellt.
Gusta sah ihn verwundert an. „Dir, und zwar dir alleine. Die Erbschaft, weißt du? Du hast alles in die Hütte hier gesteckt. Und Minna hat sich ins gemachte Nest gesetzt und spielt seitdem die große Dame.“
Jetzt war es an ihm, verwundert zu gucken. „Kannst du das bitte etwas genauer erklären? Ich weiß wirklich nichts mehr.“
Gusta erzählte und was sie sagte, stand zum großen Teil in Widerspruch zu dem, was er von Minna gehört hatte. Nach Gustas Worten war Minna diejenige gewesen, die mit Gusta und Klaus Streit angefangen hatte. Und das Auto war auch von Hermanns Erspartem gekauft worden; Minna hatte bis zur Hochzeit quasi von der Hand in den Mund gelebt.
Gusta bestätigte auch, dass Minna nie hatte fahren wollen, obwohl sie den Führerschein hatte.
Hermann hatte immer zu kämpfen gehabt, nicht zu sehr unter Minnas Pantoffel zu geraten. „Und ich Schaf habe ihr alles geglaubt, was sie mir erzählt hat.“
„Sag mal, hast du wirklich totalen Black-out gehabt?“
Er biss sich auf die Lippe. Sollte er…?
„Ja, es war wirklich alles weg, alles, alles, alles. Ich kann mich nicht einmal an meinen Namen erinnern, obwohl das eine oder andere wieder da ist.“
„Aber du bist doch Hermann?!“, fragte Gusta unsicher.
„Nein. Pass auf: Körper und Seele sind zwei Dinge, die sich bisweilen trennen können. Frag´ mich bloß nicht, wie das geht. Ich weiß, dass ich es mal wusste, aber es ist weg. Und irgendetwas ist passiert, dass ich aus meinem eigenen Körper heraus- und in den von Hermann Meier hineingefahren bin. Das Dumme ist nur: Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin.
Irgendetwas in meinem Inneren sagt mir, dass Hermann Meier zum Teil oder ganz in meinem Körper steckt.“
Gusta klappte die Kinnlade herunter. Er fuhr fort: „Konnte Hermann Englisch?“
„Kein Wort.“
„Seit ich wegen der Vergiftung in der Klinik lag, kann ich es perfekt. Und – unter Hypnose habe ich von Anfang an Englisch gesprochen. Und die Erinnerungen, die wieder auftauchen, sind so ganz anders als die Erinnerungen eines durchschnittlichen Deutschen.“
„Bist du – wie nennt man das gleich - schizophren oder so?“
„Das hat Dr. Schuppski auch geglaubt, beziehungsweise wollte er mich als Simulant hinstellen. Aber inzwischen glaubt er mir und hilft mir.“
Gusta nickte. „Und Minna?“
„Tut zumindest so, als würde sie mir glauben.“
„Du benimmst dich wirklich nicht wie Hermann. Du sprichst auch ganz anders als er.“
Sie schweig eine Weile. „Das ist verrückt, völlig verrückt.“
Dann sah Gusta auf die Uhr. „Tut mir Leid, Hermann, aber ich muss los. Wenn du mit Minna nicht klarkommst – ich habe ein Zimmer frei.“

In den folgenden Tagen wühlte er sich durch die Familienpapiere und studierte Bankauszüge früherer Jahre. Er fand den Erbschein und die Testamentsabschrift. Gusta hatte die Wahrheit gesagt, das Haus und auch die Möbel und das Auto waren von der Erbschaft und Hermanns Ersparnissen bezahlt worden. Minna hatte nur Schulden mit in die Ehe gebracht; auch die waren von seinem Geld bezahlt worden. Zorn stieg in ihm hoch. Trotzdem besuchte er Minna jeden Tag im Krankenhaus.

Die Ruhe, von der Klaus gesprochen hatte, konnte er nicht so richtig genießen. Es war zu still im Haus. Er vermisste die kleinen Reibereien mit Minna. Und nachts fühlte er sich erst recht einsam. Auch wenn Minna sich öfters demonstrativ umdrehte, wenn er die Hand ausstreckte, war doch jemand neben ihm. Minna gab ihm Halt in dieser fremden Welt. Jetzt fehlte dieser Halt, also besuchte er sie jeden Tag im Krankenhaus. Mit schöner Regelmäßigkeit machte er den weiten Heimweg zu Fuß, weil er den Bus verpasst hatte.
Er brachte ihr die letzte Rose von dem Beet, das er den ganzen Sommer über sorgfältig gepflegt und von Blattläusen freigehalten hatte. Er versorgte sie mit Obst und schmuggelte auch die eine oder andere Praline in die Klinik. Und er hörte sich Minnas täglichen Bericht an, wie ruppig und unhöflich doch die Schwestern waren und wie eingebildet die Ärztin. Selber kam er in der ersten Zeit wenig zu Wort; als es Minna jedoch besser ging und sie mal nicht über Kopfschmerzen klagte, erzählt er ihr, dass er daheim die Kontoauszüge durchgesehen und festgestellt hatte, dass sie binnen eines Jahres gezwungen sein würden, ihr Haus zu verkaufen, wenn sie das Geld weiterhin so zum Fenster hinauswarf. Er machte ihr keine Vorwürfe, sagte nur: „Überleg´s dir.“
Minna wurde bleich und schluckte; das Thema wurde vorerst nicht mehr angeschnitten.


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