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Fanfiction

Ancient Legion I - Umbra Inkognito - Antidot

von Kiosk

16. Severus Snape/ Clarence Rosier: Antidot


Bellatrix Lestrange: Sechsundzwanzigjähige Todesserin. Verheiratet mit Rodolphus

Clarence Rosier: Bellas Onkel (mütterlicherseits). Todesser der ersten Stunde

Crescentia Rosier: Ehefrau von Clarence. Pingelig und tratschfreudig

Evan Rosier: Clarences einundzwanzigjähiger Sohn und somit Bellas Cousin (mütterlicherseits)

Iliad Farleigh: Vor über zehn Jahren entweder ein Mittäter im Fall zweier ermordeten Professoren. Untergetaucht

Imperia Malfoy-D`oily: Die Besitzerin des „Madame Impérial“. Ältere Schwester von Lucius

Umbra Inkognito: Eigentlich ein Gespenst aus einer alten Erzählung. Doch jemand sorgt in ihrem Namen für Unruhe…

Severus Snape: Hat gerade erst die Schule beendet. Noch kein Todesser

Wassily „Silly“ Wilkes: Todesser. Enkel von Gellert Grindelwald. Bester Freund von Evan

Zsa-Zsa Zabini: Tänzerin, die berühmt für ihre Schönheit ist. Geliebte von Clarence und die rechtmäßige Besitzerin der Armbrust

Die Armbrust: Voldemort ist fasziniert von antiken und geschichtsträchtigen Objekten. So ist es nicht verwunderlich, dass er auch eine sagenumwogende Armbrust in seinen Besitz bringen will, die einst dem schottischen Lord Willigis Wulfgard gehörte, welcher vor ca. 1000 Jahren den vier Hogwarts-Gründern sein gesamtes Land vermachte. Lange Zeit war die kostbare Antiquität im Besitz der Hexe Zsa-Zsa Zabini, einer direkten Nachfahrin Wulfgards, doch nun gelang es der Umbra Inkognito, die Waffe zu stehlen.

Bisherige Handlung: Nachdem Evan von Imperia und Zsa-Zsa auf hinterhältige Art und Weise vergiftet worden ist, übernahm Severus die Aufgabe, ein Antidot zu finden. Das erweist sich als keine leichte Aufgabe, doch zumindest gelingt es Severus, einen Mann namens Iliad Farleigh aufzuspüren, der Gift und Antidot vor über zehn Jahren bereits einmal angerührt hatte - und außerdem Mittäter in mehreren Mordfällen war. Dennoch gelingt es Severus, mit Iliad zu feilschen, so dass Iliad ihm am Ende das Rezept für das Gegengift und eine seltene Zutat überlässt. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, Evans Leben zu retten, denn die Herstellung des Antidots entpuppt sich als ungeheuer schwierig…

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

21. Juli 1978

Der nächste Morgen brachte einige Unannehmlichkeiten für Severus Snape, angefangen mit einem wenig gemütlichen Frühstück, das er gezwungenermaßen zusammen mit seinem Vater einnehmen musste. Dunkle Ringe lagen unter Tobias Snapes Augen und immer wieder brummte er vor sich hin, dass Pokerspielen eine idiotische Zeitverschwendung sei, einzig gedacht für Versager.
Severus sagte nichts dazu und fragte auch nicht genauer nach, doch er vermutete, dass Tobias gestern einen großen Geldbetrag beim Pokern mit seinen Arbeitskollegen verloren hatte und deshalb nun wortgewaltig über das Spiel herzog, damit man ihn den Geldverlust bloß nicht persönlich anrechnen konnte.
„…vollkommen sinnlos“, knurrte Tobias sein Butterbrot an. „Pokern ist was für Idioten, da ist ein Verstand nur hinderlich! Alle großen Zocker sind im wahren Leben dämliche Versager ohne eigenem Haus…“

Severus schluckte seinen Bissen mühevoll hinunter und tat so, als hätte er in seinem Schwarztee etwas unheimlich Interessantes entdeckt. Es war schwer den spöttischen Kommentar zu verkneifen, der ihm schon auf der Zunge lag, bereit Tobias anzufallen. In Wirklichkeit hielt Severus seinen Vater ebenfalls für einen gewaltigen Versager, aber Tobias war der Meinung, dass Versager keine eigenen Häuser besitzen, sondern in schmuddeligen Wohnungen oder ganzjährig auf Campingplätzen lebten. Allerdings verschwieg sein Vater gerne mal die Tatsache, dass das schmucklose Haus in Spinner`s End vor allem der Bank und nicht den Snapes gehörte und wenn Tobias seine Spielsucht nicht bald kurierte, würde sich das in den nächsten Jahren auch nicht ändern.
Wie auch immer, Severus` Tag begann schlecht, was man eigentlich über jeden Tag sagen konnte. Der Traum von letzter Nacht verfolgte ihn noch immer und spukte hämisch vor seinem inneren Auge herum, der Grund dafür, dass Severus sich heute besonders miesepetrig fühlte und ernsthaft mit dem Gedanken zu spielte, Evan Rosier einfach sich selbst zu überlassen.

Tobias Snape beschmierte sich gerade eine zweite Scheibe hartes Brot mit etwas Butter, gab sich dabei größte Mühe seinen Sohn nicht anzusehen und richtete seinen Blick stattdessen auf einen alten, verwaisten Aschenbecher, der auf dem Küchentisch stand. Tobias war ein schlechter Vater, mit einem gewaltigen Defizit an Liebe und Verständnis, aber zumindest gefiel ihm ein geordneter Haushalt, weswegen Severus sich stets an ein gemeinsames Frühstück halten musste. Es brachte keinem von beidem etwas, Tobias sprach ohnehin kaum ein Wort und Severus nutzte das Schweigen um ebenfalls gefahrlos zu Schweigen. Hin und wieder fielen ein paar pampige Bemerkungen, die voller Sorgfalt ausgetauscht wurden: Familienkommunikation.
Nun, heute schien Tobias jedoch gesprächiger als sonst. Nachdem er seinen Frust über das Pokerspiel ausgelassen hatte, fand er ein weiteres Thema über das er sich aufregen konnte. „Hast du eigentlich mal vor irgendwas Handfestes zu lernen?“, knurrte er zwischen zwei Bissen.
Severus bedachte ihn mit einem sehr kühlen und hochgradig genervten Blick. „Wenn du mit `handfest´ eine Ausbildung zum Schlosser oder Schweißer meinst: Nein.“
Sein Vater zog die Lippen kraus wie ein zähnefletschender Hund, aber seine darauf folgende Bemerkung war nicht mehr als ein leises Zischen. „Gottverfluchter Hokuspokus.“
Severus musste sich große Mühe geben nicht mit den Augen zu rollen, denn dieses nonverbale Kommentar wäre ihm sicher teuer zu stehen gekommen.

Natürlich schätzte Tobias Snape „Hokuspokus“ nicht besonders. Er war ein kühler und vollkommen frustrierter Denker, weswegen ihm „Hokuspokus“ als eine Art von Schummelei erschien, besonders nachdem er erfahren hatte, dass Magier nicht einfach Unsummen von englischen Pfund heraufbeschwören durften. In Tobias` Augen war der „Hokuspokus“ demnach vollkommen ohne praktischen Nutzen, genau wie ein Kirchenbesuch keinen praktischen Wert besaß, denn weder Magie noch Gott konnten für ein gefülltes Konto sorgen. Severus kannte und erwartete nichts anderes von seinem Vater Tobias Snape, dem Muggel, der die reine Blutlinie der Prinz-Familie mit einem Schlag - oder eher mit einer Nacht - verwüstet hatte.
„Es wäre schön, wenn du dich mal nach einem richtigen Beruf umsehen würdest“, fuhr Tobias etwas gemildert fort. „Die Stofffabrik drüben auf der Westseite sucht wieder Leute.“
„Für ein paar Pfund mehr im Monat würdest du mich sogar an einer Halskette dorthin schleifen richtig?“, schnarrte Severus mit eisiger Stimme. „Schön, dass es Leute wie dich gibt, die immer an der Talentförderung ihrer Kinder interessiert sind … oder ihrer Ehefrauen.“

Schwer scheppernd ließ Tobias sein Buttermesser auf den Teller fallen und ohne hinzusehen spürte Severus den arktischkalten Blick auf seiner Stirn, als hoffte sein Vater ihn damit zu durchbohren. „Ich glaube du bildest dir ein wenig zu viel ein, mein Lieber“, flüsterte Tobias zischend und betonte jede Silbe mit wutverschleierter Genauigkeit. „Es gibt doch rein gar nichts, auf das du stolz sein könntest!“ Tobias Worte besaßen von jeher eine schauerliche Überzeugungskraft, egal ob er log, die Wahrheit sagte oder etwas dazwischen. Die Art wie sein Vater Dinge aussprach, ließen Severus immer innehalten und sich plötzlich kleiner und dümmer fühlen als er war, selbst wenn er ganz genau wusste, im Recht zu stehen.
Und auch wenn er heute glaubte über genug Selbstbewusstsein zu verfügen um seine eigenen Interessen und Meinungen zu äußern, es brauchte nur diese klare Stimme seines Vaters und er war wieder ein Niemand … oder in diesem Fall ein Niemand der sich zu viel auf sich einbildete und in jedem Punkt falsch lag: Ein selbstverliebter Versager.
Severus wusste nicht warum, doch in diesem Moment musste er an Evan Rosier denken, und den verschreckten Ausdruck in seinem Gesicht, wann immer er von seinen Eltern zum Bahnhof King`s Cross gebracht worden war. Clarence Rosier schien ein ähnlich mieser und strenger Vater zu sein wie Tobias, doch im Gegensatz zu Evan wollte Severus sich davon weder beeindrucken noch unterkriegen lassen. Und Severus war auch kein selbstverliebter Versager, was zählte schon die Meinung seines jämmerlichen Vaters?

Er und Tobias starrten sich bösartig an, wie nur ein echter Snape starren konnte - inklusive Severus` Groß- und Urgroßvater.
„Auf was könntest du denn stolz sein, Tobias?“, zischte er. „Deine Spielschulden sind höher als dieses verdammte Haus!“
Tobias` pechschwarze Augen verengten sich kaum merklich. „Bevor du anfängst große Töne zu spucken, solltest du dich erst einmal beweisen, Freundchen.“
„Ich glaube, das habe ich schon.“
„Ach? Und was haben dir deine guten Noten bisher eingebracht?“, sagte Tobias abfällig und düster. „Ich hab`s immer gesagt, ich hätte dich besser auf eine normale Schule geschickt statt auf dieses gottverfluchte Zauberinternat - aber deine Mutter wusste ja mal wieder alles besser, nicht?“
„Ich-“
„Ach sei still, Severus! Aus dir hätte etwas werden können! Man hat uns ein Stipendium angeboten, aber du warst der Meinung Hokuspokus sei ja so viel interessanter als ehrliche, normale Arbeit! Herr Gott noch mal, ich war so kurz davor zu glauben, dass aus meinem nichtsnutzigen Sohn ein reicher Arzt oder Wissenschaftler werden könnte!“
Severus schnaubte humorlos. „Verstehe. Damit dein nichtsnutziger Sohn dich am Ende von all deinen Spielschulden befreit, nicht wahr? Natürlich, einen reichen Arzt in der Familie zu haben, das wäre doch das ideale Ticket in eine bessere Welt gewesen, oder? Glaub mir, du hättest nicht einen Penny gesehen!“
Severus hatte den Eindruck, dass Tobias ihn einen Schlag ins Gesicht verpassen wollte, doch in diesem Moment schlug die Küchenuhr leise halbacht. Das Geräusch war wie eine rettende Insel.
„Dein Bus kommt jeden Moment“, erinnerte Severus seinen Vater grimmig. „Du wirst noch zu spät zur Arbeit kommen.“

Nur noch kurz blieb der brennende Blick von Tobias auf ihn gerichtet, dann wandte sich der Mann ab und verschwand aus der Küche. Nach ein paar Minuten hörte Severus die Haustür ins Schloss fallen. Augenblicklich fühlte er sich besser, obwohl das Echo der väterlichen Worte noch immer in ihm wütete und stach. Ich bilde mir nicht zu viel ein! wand sich ein kläglicher Gedanke durch seinen inneren Konflikt hindurch, ich weiß das ich intelligent und talentiert bin, ist es verboten davon überzeugt zu sein?
Doch der pessimistischste Teil seiner selbst antwortete fast schon spöttisch: Oh ja, wirklich sehr intelligent und auch so talentiert. Schön, in der Schule hattest du ein paar Vorteile, das hat dir aber im Endeffekt fast gar nichts genützt - man hat sich täglich auf deine Kosten lustig gemacht!
Ich bin kein Versager!
Aber du bist auch kein Gewinner, was bleibt da also noch?
Severus erhob sich mit einem frustrierten Seufzer von seinem Stuhl, bevor er Gefahr laufen würde, sich wieder ewig in seinen düsteren Gedanken zu verfangen. Durch die Erschütterung im Boden spürte er, dass der Bus gerade an der nahen Haltestation stoppte, an der sein Vater jetzt warten musste. Er hörte das Geräusch schlecht geölter Bremsen.
„Mistkerl“, zischte Severus schlechtgelaunt. An diesem Morgen war er so miesepetrig aufgestanden, dass er nie und nimmer gedacht hätte, dass sich seine Laune noch weiter verfinstern könnte. Doch die Erinnerung von Evan Rosiers Hühnermord und der letztendlich zerbrochenen Freundschaft mit Lily und die Wut, die er jetzt empfand, all das schmerzte fürchterlich.

Severus polterte die Treppe zu seinem Zimmer hoch. Der bauchige Kessel stand noch immer auf seinem Schreibtisch und auch die anderen Utensilien lagen an Ort und Stelle. Sein Zimmer verfügte über einen kleinen Kamin und daher beschloss er, den Trank für Evan Rosier hier oben zu brauen.
Evan Rosier! Severus mahlte mit den Kiefern bis seine Zähne knirschten. Evan Rosier hat keinen einzigen Tropfen Heilmittel verdient!
Am liebsten hätte Severus sämtliche Zutaten aus dem Fenster geworfen und seine Kessel gleich hinterher. Er fragte sich, warum er ausgerechnet dem Idioten helfen musste, der ihm einst so viele Schwierigkeiten eingebrockt hatte! Der Hühnermord hatte Severus nicht nur bei den Professoren und den meisten Schülern unbeliebt gemacht, nein, Lily Evans hatte es schwer getroffen und ganz besonders Potter, Black, Lupin und Pettigrew hatten es sich nach dieser Geschichte offenbar zum Ziel gesetzt, Schniefelus den Schlächter auf noch hinterhältige Art und Weise das Leben zur Hölle zu machen. Die Sache mit dem Werwolf hatte Severus natürlich auch nicht vergessen und ebenfalls nicht den furchtbaren Tag der ZAG-Prüfung, als man ihn vor der halben Schule blamierte, hatte sich geradezu in sein Gedächtnis verbissen.
Zugegeben, der Hühnermord war nicht der Anfang all dieser Dinge gewesen, doch es war ein wichtiges Teilstück im großen Puzzle der Erniedrigungen und Ärgernisse. Und es war vor allem Evan Rosiers Schuld, dass die Freundschaft mit Lily einen weiteren Knacks erhalten hatte, genau wie es die Schuld des ach-so-tollen James Potters war, dass Lily irgendwann auf die bescheuerte Idee gekommen war, sich ausgerechnet mit diesem dämlichen Großkotz zu verloben.

Severus seufzte griesgrämig und legte den Kopf in den Nacken, sodass er die löchrige, alte Tapete seiner Zimmerdecke vor Augen hatte. „Na schön, ich kann Rosier nicht für alles die Schuld geben“, murmelte er in Richtung Lampenschirm. Auch wenn er wütend war, er verspürte kein direktes Verlangen sich an Evan zu rächen. Zumindest nicht auf dem Weg, dass er seinen ehemaligen Schulkollegen einfach sich selbst und dem Tod überließ. Was immer Lily Evans vor Jahren gesagt hatte, Severus verstand etwas von Moral und er maßte sich nicht an, aus einer reinen Laune heraus über Leben und Tod zu entscheiden. Im Gegensatz zu Sirius Black, der Severus tatsächlich fast auf den Gewissen gehabt hätte, wäre Potter nicht gewesen…
Severus ballte die Fäuste und ließ den Kopf wieder sinken. „Schluss damit!“, sagte er sich streng, zog seinen Zauberstab und ließ ein Feuer im Kamin entfachen. Wenn er Evan Rosier retten wollte, sollte er sich besser beeilen. Von wegen ich kenne keine Moral, dachte er sich wütend, während er die Zutaten vorbereitete. Moral ist, wenn man selbst ungeliebten Volltrotteln versucht, das Leben zu retten, Lily!

XXXXXXX

Wie nicht anders zu erwarten, handelte es sich um ein ungeheuer schweres Stück Arbeit, das Gegenmittel zu brauen. Severus wusste nicht mehr, wie viele Stunden er dagesessen und darüber nachgedacht hatte, wie er auf all die Probleme eine Lösung finden sollte, die sich vor ihm auftaten. Am Abend kam Tobias Snape so plötzlich in sein Zimmer gepoltert, dass Severus vor Schreck beinahe zwei Tropfen der gelösten Zauberkohle zu viel in den Kessel schüttete, ein Versehen, dass Evan Rosier zweifelsohne das Leben gekostet hätte.
Die kritische Phase begann in der Nacht, sodass Severus vor dem Kamin sitzen bleiben musste, obwohl ihm bereits die Augen zufielen. Der Trank neigte dazu so plötzlich überzukochen wie heiße Milch, demnach fand er kaum einmal Zeit zum Entspannen. Am Morgen dann fühlte er sich wie ein hungriger und durstiger Untoter, doch er wich nicht vom Fleck - was sicherlich auch damit zu tun hatte, dass seine Beine inzwischen eingeschlafen waren und er womöglich direkt in den Kamin gestürzt wäre, hätte er es gewagt aufzustehen.
Am Mittag hatte er den größten Teil von Iliad Farleighs Anweisungen erfüllt, als letzte Amtshandlung ließ er einen mittelgroßen Bezoar in den Kessel gleiten, holte den Kessel vom Feuer und kühlte ihn mit einem Kältezauber so plötzlich ab, dass sich eine hauchdünne Schicht Eis auf dem Gebräu bildete. Laut Anweisung durfte sich nicht dicker als einen Millimeter sein und musste nach nur wenigen Sekunden wieder von alleine abschmelzen. Severus hielt den Atem an und in seinem Kopf tickte ein Zeiger - eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden…

Das Eis schmolz nicht.

…vier Sekunden, fünf Sekunden - Krack!

Die Eisschicht zersplitterte und die einzelnen Bruchstücke tauten innerhalb eines Herzschlages ab. Severus warf einen letzten Blick auf das schmale Pergament mit den kleingeschriebenen Anweisungen: Nach der Schmelze nimmt der Trank eine popelgelbe Farbe an und ist damit so gut wie einsatzbereit! In eine Glaskaraffe füllen und bei der nächstbesten Gelegenheit eine drei viertel Stunde im Licht der Mittagssonne baden lassen. Der Trank wird eine orangegoldene Farbe annehmen und wird trinkbar.
Severus spähte über seine Nase hinweg in den Kessel und stellte zufrieden fest, dass der Inhalt tatsächlich eindeutig popelgelb und ganz nebenbei auch ziemlich unappetitlich war. Doch das gönnte er Evan Rosier allemal.

Zum Glück brannte die Mittagssonne an diesem Tag besonders stark auf die kleine Stadt hinunter. Severus füllte den Trank wie angewiesen ab und ließ ihn im Licht baden, so dass er beobachten konnte, wie sich das Gesöff allmählich in eine dünne Flüssigkeit verwandelte, die große Ähnlichkeit mit Orangensaft besaß. Severus hätte die popelgelbe, widerliche Alternative besser gefallen, denn nachdem der Trank eine drei viertel Stunde Sonne getankt hatte, sah er zweifelsohne sehr lecker aus und duftete nach süßem Tee. Selbst Wespen fühlten sich ganz betört davon und summten herbei.
Doch für Severus war vor allem die Frage wichtig, ob das Gegengift auch seine Wirkung erzielen würde. Zwar sah es äußerlich so aus, als hätte er Erfolg mit dem Antidot gehabt, doch der Schein konnte trügen. Im Anbetracht der Tatsache, dass Severus` Hauptzutat denkbar alt und denkbar gering vorhanden gewesen war, zweifelte er wirklich an der korrekten Wirkung des Trankes. Daher sah Severus es auch davon ab, Evans Verwandten per Eilpost falsche Hoffnung zu machen; er füllte den Trank in eine Phiole, und machte sich vollkommen ohne Hochgefühl auf den Weg.

XXXXXXX

Der müde und zittrigwirkende Hauself der Rosiers führte Severus ein weiteres Mal durch den üppigen Garten und hinauf auf die steinerne Terrasse des Hauses. Obwohl es mitten im Sommer war, ließ ein kalter Wind die Blätter rascheln und unter dem Schatten der großen Bäume fröstelte Severus. Vielleicht lag es aber auch an seinem Schlafentzug, dachte er sich, denn ganz allgemein fühlte er sich eher wie ein klappriger und knochiger Hund.
Severus war milde überrascht, als er zwei Frauen auf der Terrasse sitzen sah, wobei es sich bei der jüngeren um Narzissa Malfoy handelte. Narzissa hatte die Ältere gerade in die Arme geschlossen und klopfte ihr tröstlich auf den Rücken. Auch die zweite Frau war groß und blond, doch ihr Haar wirkte zerrupft und fiel in unordentlichen Locken über ihre bebenden Schultern. Mit ihrer spitzen, geraden Nase und den blauen Augen hatte sie große Ähnlichkeit mit Evan und Severus glaubte, dass es sich bei der Frau wohl um seine Mutter handeln musste. Dass sie wie ein Häufchen Elend in Narzissas Armen hing und kläglich schluchzte, schien seine Annahme zu bestätigen.

„Severus!“, Narzissa hatte ihn entdeckt und ihr Gesicht hellte sich hoffnungsvoll auf. Die andere Frau wand sich aus der Umarmung, strich ihre Kleidung und ihre Haare glatt und versuchte offenbar eine hoheitsvolle Miene aufzusetzen, obwohl ihr ganzes Gesicht verschmiert war.
Sie reichte Severus die Hand und stellte sich als Mrs. Rosier vor, ganz wie Severus vermutet hatte. Bevor Mrs. Rosier ein weiteres Wort von sich geben konnte, hatte Narzissa Severus schon an den Schultern gepackt und starrte ihn aus flehenden Augen heraus an. „Sag bitte, bitte nicht, dass es nicht funktioniert hat!“, rief sie schon fast.
Einen Moment lang war er irritiert und er fragte sich, warum Narzissas erster Gedanke einem gescheiterten Heilmittel gegolten hatte. Doch dann wurde ihm bewusst, wie miesepetrig und missgelaunt er die Terrasse betreten hatte, ein Ausdruck, den Narzissa vielleicht mit der Miene eines hoffnungslos Gescheiterten verwechselt hatte.
„Ich habe das Mittel hier bei mir“, sagte er ruhig. „Es bleibt jedoch abzuwarten, ob es wirklich hilft.“
Mrs. Rosiers Augen leuchteten und sie fasste sich ans Herz. „O Mr. Snape, es muss helfen - muss!“
Severus öffnete den Mund um seine Zweifel kundzutun, doch dann schluckte er seinen Pessimismus schnell hinunter. Die Frau wirkte, als ob sie tot in sich zusammenbrechen würde, sollten sich ihre Hoffnungen zerstreuen.

Im Haus stieß Clarence Rosier zu ihnen, der Severus erstaunt entgegenblickte, als Narzissa von dem fertigen Trank berichtete. Vielleicht hatte Clarence nicht damit gerechnet, vielleicht hatte er Severus für einen großmauligen Nichtsnutz gehalten, der an der Sache scheitern und sich wortlos aus dem Staub machen würde.
„Mr. Rosier“, sagte Severus leise, als die beiden Frauen drei Schritte voraus waren. „Ich kann nichts garantieren. Es war nicht leicht an die Rezeptur zu kommen und die Zutaten waren alles andere als optimal.“
Clarence nickte mechanisch, während sie die Treppe hinaufstiegen. In seinen grünen Augen lag etwas Betäubtes und Entrücktes, die Augen eines Mannes der zu lange mit seinen inneren Ängsten alleine gewesen war. „Wissen Sie auch, welches Gift meinem Sohn verabreicht worden ist, Mr. Snape?“
„Das Toxin nennt sich `Sklave des Schlangenpriesters´. Ich fürchte, Sie und Ihre Familie sind Opfer irgendeiner - nun ja - Verschwörung geworden.“
Clarence blieb stehen und starrte ihn an. „Verschwörung?“
„Davon ist auszugehen. Ich habe mich mit jemandem namens Iliad Farleigh unterhalten, Sir, einem Mann, der seit über zehn Jahren für tot gehalten wird. Die ganze Angelegenheit ist sehr komplex, ich weiß, dass Farleigh etwas zu verbergen hat, das über den Giftanschlag hinausgeht. Über das Gift und die Täterinnen hat er mir zwar mehr oder weniger bereitwillig Auskunft gegeben, doch ansonsten-“
„Täterinnen?“, echote Clarence und seine Stirn legte sich in tiefe, sorgenvolle Falten. „Er hat die Namen jener genannt, die meinem Sohn das angetan haben?“
Severus nickte. „Farleigh erwähnte zwei Frauen namens Imperia und Zsa-Zsa.“
Ein sehr, sehr merkwürdiger Ausdruck glitt über Clarences Gesicht, doch Severus achtete nicht weiter darauf, denn Narzissa stand oben an der Treppe und winkte eilig. „Nun komm schon, Severus!“

Er wandte sich ab und stieg in den ersten Stock hinauf, Narzissa griff ihn am Handgelenk und zog ihn in Evans Zimmer. Ein Kaminfeuer knisterte in dem Raum, in dem die Luft glutheiß zu kochen schien. Severus brach fast augenblicklich in Schweiß aus und das Atmen fiel ihm schwer, so stickig war es hier drin. Als er Evan in seinem Bett liegen sah, ahnte er, warum seine Familie mitten im Sommer den Kamin befeuerte: Evans Haut war weder blass noch kalkweiß, sie war so blaugefroren wie die Haut eines Lawinenopfers. Auch ansonsten hatte der Mann in dem Bett keine Ähnlichkeit mehr mit Evan und auch nicht mit der kranken Gestalt, die vor einigen Tagen hier gelegen hatte. Der Mann, der nun hier lag, war klapperdürr wie ein Skelett, als hätte das Gift ihn innerhalb kürzester Zeit vollkommen ausgesaugt und verzerrt. Severus wurde fast schon unheimlich zumute, als ihm bewusst wurde, dass der Mann - Evan Rosier - eine erschreckende Ähnlichkeit mit den halbverhungerten KZ-Häftlingen besaß, die Severus manchmal im Fernsehen oder in Muggelbüchern sah.
Severus wandte sich fragend um und bemerkte, dass Mrs. Rosier sich weggedreht hatte und stumm schluchzte, wahrscheinlich weil sie den Anblick nicht mehr ertragen konnte. Also suchte Severus Blickkontakt zu Narzissa. „Du weißt, du solltest dir keine zu großen Hoffnungen machen. Es gab Komplikationen-“
„Ich vertraue dir, Severus“, sagte sie mit fester Stimme und lächelte traurig.
„Dein Vertrauen wird dir in diesem Fall nicht viel nutzen“, entgegnete er eine Spur härter als beabsichtigt, bevor er an Evans Bett herantrat und die Phiole aus der Innentasche seiner Robe zog. Er könnte schwören, dass er die Anwesenheit des Todes in diesem Zimmer spüren konnte und als er tief durchatmete, roch er den Tod auf Evans Haut, in seinem Atem. Überall.

Narzissa trat neben ihn und auch Clarence Rosier kam in das Zimmer getrottet, noch immer mit einem Ausdruck im Gesicht, den Severus nicht deuten konnte. Er griff seine schluchzende Ehefrau an den Schultern und schloss sie fast mechanisch in die Arme, obwohl sein Blick starr auf Severus gerichtet blieb.
„Narzissa, könntest du seinen Oberkörper etwas anheben?“, sagte Severus, während er die Phiole vorsichtig öffnete, damit ja kein wertvoller Tropfen verloren ging. Narzissa war zwar schlank und sehr zerbrechlich, trotzdem stemmte sie ihren ausgemergelten Cousin mühelos hoch. Severus setzte die Phiole an Evans Lippen an und ertappte sich dabei, dass er wirklich vom ganzen Herzen hoffte, dass er betete das Mittel würde anschlagen. Beim Anblick dieses halbtoten Mannes vergaß er sogar fast die Gründe seiner Antipathie, die er gegen Evan Rosier hegte.
Mit schnellschlagendem Herzen kippte er den Inhalt der Phiole in Evans Mund und nach ein paar Sekunden bewegte sich Evans Kehlkopf, als er das Mittel instinktiv hinunterschluckte. Mit jeder Sekunde die verging, wurde die Anspannung die in dem Raum herrschte bleierner und fassbarer. Dann - und das hätte sich Severus eigentlich denken können, denn das war für Evan Rosier einfach typisch - durchlief ein heftiger Ruck den Körper des anderen, Evan schnappte gurgelnd nach Luft und hustete so heftig, dass Severus gut die Hälfte seines Gegenmittels ins Gesicht gespuckt bekam.
Na großartig, dachte Severus trocken, während er vom Bett aufsprang und sich das Zeug aus den Augen wischte. Und doch - Evan war erwacht! Noch immer heftig hustend hockte er von Narzissa gestützt auf dem Bett, doch seine Augen waren offen und klar. Mrs. Rosier stieß einen Schrei der Erleichterung aus und warf sich ihrem Sohn um den Hals, Clarences Reaktion fiel etwas kühler aus, doch zumindest lächelte er breit und fuhr dem völlig bedröppelten Evan durch die nassgeschwitzten Haare.

Severus wandte sich von der Familie ab denn er fühlte sich fehl am Platz und außerdem brannte das Zeug auf seinem Gesicht. Leise verließ er Evans Zimmer und schlüpfte in das Bad gegenüber, das mit hellem Marmor ausgelegt war und teurer wirkte als Tobias gesamtes Haus. Während er sich das Gesicht wusch, versuchte Severus die Gefühle zu deuten, die er augenblicklich empfand. In seiner Brust schien ein Cocktail aus Erleichterung und Stolz sein Unwesen zu treiben, zusammen mit einem Hauch von Freude, den Severus sich jedoch nicht wirklich eingestehen wollte. Zugegeben, er war froh Evan Rosiers Leben gerettet zu haben, froh mehr zu sein als ein selbstverliebter Nichtsnutz, so wie sein Vater ihn oftmals nannte. Aber irgendwo in ihm nistete auch eine seltsame Schwermütigkeit, die er sich nicht ganz erklären konnte. Aus irgendeinem Grund scheute er den Weg heimwärts, zurück in das Muggelhaus in dem keine anspruchsvollen Aufgaben auf ihn warteten. Seit Severus die Schule beendet hatte - und das war erst wenige Wochen her - hatte er sich grauenhaft unbeschäftigt gefühlt und in diesen Trott wollte er nicht mehr hineingeraten. Nicht nach diesem Nervenkitzel.
Zurück auf dem Korridor wäre Severus beinahe mit Clarence zusammengestoßen, der soeben Evans Zimmer verlassen hatte. Lächelnd sah der ältere Mann sehr viel sympathischer aus, doch aus diesem Zufriedenheitslächeln wurde ein öliges Geschäftigkeitslächeln, als er Severus vor sich hatte.
„Vielen Dank, Mr. Snape“, sagte Clarence und ergriff seine Hand. „Ich bereue es, an Ihnen gezweifelt zu haben.“
„Die Entlohnung können Sie mir per Eulenpost schicken, Sir“, schlug Severus vor.
Clarences Mundwinkel zuckten, dann fasste er Severus an der Schulter und bewegte ihn dazu mitzukommen. Während sie die Treppe hinanstiegen sagte Clarence leise: „Ich habe mich mit Lucius Malfoy über Sie unterhalten, Mr. Snape. Er erzählte mir, dass Sie ein exzellenter und kreativer Schüler waren, mit breitgefächerten Interessengebieten.“

Severus antwortete nicht. Mechanisch und taub stieg er weiter die Treppe hinunter und registrierte es kaum, als er die letzte Stufe erreicht hatte. Doch auch ohne dass er etwas dazu sagte, fuhr Clarence fort: „Vielleicht sehen Sie es anders, doch ich halte es für bemerkenswert, dass so viele Todesser Ihren Namen kennen, Mr. Snape. Dabei sind Sie erst achtzehn. Sie haben nie daran gedacht, den Todessern beizutreten?“
„Mr. Rosier“, wandte Severus rasch ein, „Sie müssen wissen, dass ich - nun ja - ich bin nicht reinblütig. Mein Vater ist ein Muggel, Sir. Ich dachte, es könnte vielleicht zu Komplikationen führen…“
Clarence sah in lange und berechnend an, dann stahl sich ein schiefes Lächeln über sein Gesicht und ein weiteres Mal klopfte er Severus auf die Schulter. „Ganz unter uns, Mr. Snape, aber darüber sollten Sie sich keine Gedanken machen. Der Dunkle Lord wird Sie auch ohne reines Blut als geeigneten Kandidaten einstufen, davon bin ich mehr als überzeugt. Lucius Malfoy teilt diese Ansicht.“
Severus blieb stehen und Clarence sah sich zu ihm um. Sie befanden sich nun im Wohnzimmer des Hauses und da der Himmel sich draußen bewölkt hatte, fiel schummriges, kaltes Tageslicht durch die großen Fenster. Irgendwo tickte eine Uhr und Severus glaubte die Schritte eines Hauselfen zu hören, der über das Parkett watschelte. Aus dem ersten Stockwerk drangen die Stimmen von Mrs. Rosier und Narzissa, so leise, dass man sie fast überhören könnte. Die gesamte Situation erschien Severus seltsam fremdartig und unrealistisch, so als würde er die Szene über den kaputten Fernseher seines Vaters flackern.
„Ich weiß worauf Sie hinauswollen, Mr. Rosier“, sagte er ganz langsam, den Blick auf eine schneeweiße Katze gerichtet, die auf dem Sofa schlummerte.
„Ich kann und will Sie zu nichts zwingen, Junge. Betrachten Sie es als Vorschlag, als Karrierechance.“

Was Severus nun sagte, war reichlich unüberlegt und er konnte allerhöchstens seinem jugendlichen Eifer die Schuld dafür geben: „Ich bin mir nicht sicher, was ich von all dem halten soll. Die Zeitungen berichten von Morden und Entführungen. Gut, ich interessiere mich für die dunklen Künste, aber das qualifiziert mich wohl kaum für die Karriere als Verbrecher und Mörd-!“ Er bremste seine Worte augenblicklich aus und starrte den Älteren an. Wahrscheinlich hatte er etwas zu viel gesagt.
Clarence jedoch hatte nicht mit der Wimper gezuckt, sondern musterte Severus ruhig und gelassen. „Jemand sollte mal ein ernstes Wörtchen mit den Zeitungsautoren wechseln“, meinte er dann humorvoll. „Die schreiben furchtbares Zeug. Die Hälfte davon ist schlichtweg erstunken und erlogen.“
„Und die andere Hälfte?“, hakte Severus kritisch nach.
„Mr. Snape, ich bitte Sie. Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich die Zauberwelt in einem Krieg befindet - eine Tatsache, die das Ministerium jedoch nicht so einfach unterschreiben möchte. Nach wie vor behandelt man uns wie Terroristen.“
„Kein großer Unterschied.“
„Oh doch, es ist ein Unterschied. Alleine die Begrifflichkeiten. In einem Krieg spricht man nicht von Morden und Entführungen, sondern von Opfern und Kriegsgefangenschaft. Seltsam, dass die Menschen mit den letzten beiden Wörtern viel besser leben können. Es ist ein Unterschied, ob man jemanden als Mörder oder als Krieger bezeichnet, nicht wahr? Ein Mord ist ein Vergehen, ein Krieger wird für seinen Mut und seinen Kampfeswillen gefeiert und geehrt. Auch wenn das Ministerium uns behandelt wie eine Gruppe mordender und gemeingefährlicher Terroristen, Mr. Snape, in Wirklichkeit sind die Todesser Krieger, die an einer großen und noblen Idee festhalten. Leider lehrt uns die Geschichte, dass die großen und noblen Ideen meist Zeit brauchen, ehe sie akzeptiert werden.“

Severus war skeptisch, jedoch weniger aus Überzeugung, sondern weil Skepsis seiner Natur entsprach. Mit verschränkten Armen stand er vor Clarence Rosier, in dessen grünen Augen Begeisterung glühte. Vielleicht hatte der Mann Recht. Severus kannte viele Todesser, doch keiner von ihnen erschien ihm wie ein irrsinniger Mörder. Man konnte diese Magier nicht verurteilen, nur weil sie von einer Idee überzeugt waren und den Mut besaßen, für diese Idee einzutreten. Große Überzeugungen hatten bisher in jedem wichtigen historischen Kapitel - egal ob in der Magischen- oder Nichtmagischenwelt - eine Hauptrolle gespielt, so auch in diesem.
Der Grund, warum Severus dennoch haderte, war simpel: Er wollte nicht blind in etwas hineintappen, aus dem es später kein Zurück mehr gab. Es war ja schließlich nicht so, dass die Todesser freie Informationsabende mit Kaffee und Kuchen veranstalteten, um neue Mitglieder anzuwerben; daher fürchtete Severus, dass man ihn nicht mehr gehen lassen würde, sobald er zuviel wusste. Und um ehrlich zu sein wusste er in diesem Moment bereits zu viel. Er hätte in die Aurorenzentrale spazieren und ohne Probleme die Namen von sieben oder acht Todessern nennen können, eine enorme Menge für einen Achtzehnjährigen, der nicht einmal zu Lord Voldemorts Männern gehörte.
Ein weiterer Grund für seine Unentschlossenheit war Lily Evans, die stets all jene verabscheut hatten, die Lord Voldemorts Ideen für gut befanden. Sie schien Jahre ihres Lebens damit zugebracht zu haben, Severus klar zu machen, wie gefährlich seine Freunde und Bekannte aus Slytherin waren, aber er hatte jede Warnung in den Wind geschlagen. Bis ihre Freundschaft daran zerbrochen war. Das Echo von Lilys Worten und der bittere Geschmack ihrer Warnungen, ihrer düsteren Zukunftsprognosen, all das hatte Severus nicht vergessen. Sie hatte ihn dazu gebracht ein letztes Mal inne zu halten und zu zögern, zumindest bis zum heutigen Tage.
Aber er konnte nicht ewig hadern.

„Rein theoretisch gefragt: Was wären meine Aufgaben?“, erkundigte Severus sich schließlich vorsichtig und verdrängte dabei Lilys Stimme aus seinem Kopf.
Clarence schmunzelte. „Sie haben fantastische Arbeit geleistet und meinem Sohn das Leben gerettet - und nebenbei noch ein paar interessante Informationen ans Tageslicht gefördert. Sie haben Gespür für derlei Dinge, der Dunkle Lord wird es nutzen.“
Es war fast lächerlich, doch statt Lilys Stimme spukten plötzlich andere durch Severus` Schädel: Schniefelus der Schnüff-ler, gräbt sich gerne tie-fer. Er hatte ausgerechnet den quäkenden Singsang von Potter und seinen Freunden im Ohr. Offenbar waren selbst seine Intimfeinde der Meinung gewesen, dass Severus Spürsinn besaß. Wäre es nicht ziemlich ironisch, wenn er am Ende ausgerechnet diesen verfluchten Singsang als kleinen Wink mit dem Zaunpfahl betrachten würde, oder?
Severus atmete einmal kurz durch und sagte dann: „Geben Sie mir etwas Bedenkzeit, Mr. Rosier.“
„Sie entscheiden nicht gerne aus dem Bauch heraus, wie?“
„Ich habe einen Kopf um Entscheidungen zu treffen, meinem Bauch überlasse ich bereits die Mahlzeiten.“
Clarence lächelte vergnügt und wirkte auf diese Weise sehr schuljungenhaft. „Entscheiden Sie sich besser demnächst, ehe ich Ihnen das Gedächtnis löschen muss.“ Dann lachte er und auch Severus war volle drei Sekunden lang amüsiert, bis ihm plötzlich klar wurde -
„Das meinen Sie ernst, oder?“, erkundigte er sich perplex.
Clarence nickte, grinste aber noch immer. „Oh, ich fürchte schon.“ Wieder klopfte er Severus auf die Schulter und wies ihn mit einer Geste Richtung Verandatür. Als Severus sich umdrehte und dem anderen standesgemäß die Hand schütteln wollte, drückte Clarence ihm stattdessen ein schweres und klimperndes Leinensäckchen zwischen die Finger.
„Ihre Bezahlung, Mr.Snape“, erklärte er knapp.
Severus wusste, dass er zu keinem Zeitpunkt in seinem Leben mehr Geld besessen hatte - was zugegebenermaßen nicht schwer war, da er in eine Familie hineingeboren war, die sich kopfüber in Spielschulden verrannt hatte. Und trotzdem, beim Anblick dieser Summe dachte Severus nicht etwa an Verschwendung und dellenlose Kupferkessel, nein, er musste aus irgendeinem Grund an die Erlebnisse vor zwei Tagen denken. Das klimpernde Geräusch der Goldmünzen erinnerte ihn an den großen, schäbigen und wahrscheinlich mit Alkoholflaschen-gefüllten Muggelrucksack, den Iliad Farleigh so mühsam hochgewuchtet hatte…

„Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sich Clarence im verhaltenen Ton.
Severus blickte auf. „Kennen Sie eigentlich diesen Iliad Farleigh, von dem ich Ihnen erzählt habe?“
Clarence runzelte die Stirn, antwortete aber mit einem ehrlichen: „Nein.“
„Und kennen Sie jemanden namens Schimäre?“
„Nicht im klassischen Sinne. Wieso fragen Sie?“
„Ich sagte doch, dass mir das Ganze allmählich wie eine komplexe Verschwörung vorkommt. Iliad Farleigh schien auf den ersten Blick nichts mit der ganzen Sache zu tun zu haben, abgesehen davon, dass er die beiden Frauen zu kennen scheint, die Evan vergifteten.“
Irgendein Muskel zuckte in Clarences Gesicht, als Severus die Frauen erwähnte, doch er blieb still.
Severus fuhr fort: „Dafür, dass er angeblich nichts mit alledem zu tun hat, hat er sich jedoch äußerst verdächtig benommen. Als ich seine Hütte betrat, hat Iliad Farleigh offenbar gerade seine eigene Flucht vorbereitet. Und auf dem Kaminsims lag ein Buch mit einer magischen Nachricht, in der ein gewisser Schimäre aufgefordert wurde, besser zu verschwinden. Jemand namens Umbra hat die Botschaft unterschrieben.“
Clarences Augen waren ganz starr geworden und ein eigenartiger Glanz ließ die grüne Iris beinahe glasig wirken. Ohne den angespannten Kiefer richtig zu bewegen, presste Clarence hervor: „Schimäre lautete der Name?“
„Ja, Sir.“
„Und er behauptete, dass er die Zsa-Zsa und Imperia kennt?“
„Er sagte, dass er mit einer dieser Frauen eine `besondere´ Beziehung hat, Sir.“
Clarence stieß einen verzerrt klingenden Lacher, der eher an das Schnauben eines wütenden Stieres erinnerte, aus, und seine Oberlippe kräuselte sich. „Beziehung?!“, spuckte er aus. „Ein tolles Wort. Eine tolle Umschreibung für - verdammt noch mal!“ Er schüttelte den Kopf und so fuchsteufelswild, wie er plötzlich war, erinnerte er von Sekunde zu Sekunde tatsächlich immer mehr an einen spanischen Stier in den Straßen von Pamplona.
Severus entschied, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für weitere Fragen war. Er ließ das Säckchen mit klimperndem Zaubergold in die Innentasche seiner Robe verschwinden und wandte sich langsam ab, nachdem Clarence in Richtung Kamin davon gerauscht war und eine volle Faust Flopulver in das prasselnde Feuer schleuderte.

Fortsetzung folgt…

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Kommentar: So, Halbzeit. Gut die Hälfte dieser FF ist nun schon veröffentlicht und hier und da handwerke ich bereits an dem zweiten Teil der Trilogie herum (der wohl weitaus länger werden dürfte, fürchte ich). Momentan weiß ich einfach nicht genau, an welche FFs ich mich zuerst heranwagen soll. Die Schulgeschichten müssen auch noch getippt werden, aber irgendwie bin ich in letzter Zeit eher in „Todesser-Stimmung“ ;)

@ AnnaRachelGreene: Naja, die Freundschaft zu Lily zerbrach erst an der Stelle richtig, die JKR im letzten Band darstellte. Aber die Freundschaft hat hier einen großen Schaden erlitten, obwohl Severus sicher alles versucht hat, um zumindest vor Lily die Sache aufzuklären.

@ Cissy: Anscheinend gibt es kaum Severus-Fans unter den Lesern, hm? ;)

@ Seline Snape: Evan hat recht häufig solche „Austicker“ wie bei der Hühnermord-Sache. Ganz am Ende der FF wird es erst richtig schlimm…
Ich weiß gar nicht, was Sev für eine Strafe für „seinen“ Hühnermord bekommen hat. Darüber habe ich nicht weiter nachgedacht, auf jeden Fall nichts besonders freundliches.
Die beiden lustigen Mädels tauchen im nächsten Kapitel wieder auf ^^


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Es gibt einen Grund dafür, warum alle großen Fantasy- und Science-Fiction-Filme im Gedächtnis der Leute geblieben sind. Sie haben eine große Tiefe und nicht nur eine oberflächliche Handlung. Und deswegen werden wir in 50 oder 100 Jahren auch immer noch die Harry-Potter-Bücher lesen und hoffentlich die Filme anschauen.
Michael Goldenberg