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Fanfiction

Ancient Legion I - Umbra Inkognito - Federnlassen

von Kiosk

15. Severus Snape: Federnlassen


Bellatrix Lestrange: Sechsundzwanzigjähige Todesserin. Verheiratet mit Rodolphus

Clarence Rosier: Bellas Onkel (mütterlicherseits). Todesser der ersten Stunde

Evan Rosier: Clarences einundzwanzigjähiger Sohn und somit Bellas Cousin (mütterlicherseits)

Wassily „Silly“ Wilkes: Todesser. Enkel von Gellert Grindelwald. Bester Freund von Evan

Severus Snape: Hat gerade erst die Schule beendet. Noch kein Todesser

Iliad Farleigh: Vor über zehn Jahren entweder ein Mittäter im Fall zweier ermordeten Professoren. Untergetaucht

Zsa-Zsa Zabini: Tänzerin, die berühmt für ihre Schönheit ist. Geliebte von Clarence und die rechtmäßige Besitzerin der Armbrust

Imperia Malfoy-D`oily: Die Besitzerin des „Madame Impérial“. Ältere Schwester von Lucius

Umbra Inkognito: Eigentlich ein Gespenst aus einer alten Erzählung. Doch jemand sorgt in ihrem Namen für Unruhe…

Die Armbrust: Voldemort ist fasziniert von antiken und geschichtsträchtigen Objekten. So ist es nicht verwunderlich, dass er auch eine sagenumwogende Armbrust in seinen Besitz bringen will, die einst dem schottischen Lord Willigis Wulfgard gehörte, welcher vor ca. 1000 Jahren den vier Hogwarts-Gründern sein gesamtes Land vermachte. Lange Zeit war die kostbare Antiquität im Besitz der Hexe Zsa-Zsa Zabini, einer direkten Nachfahrin Wulfgards, doch nun gelang es der Umbra Inkognito, die Waffe zu stehlen.

Bisherige Handlung: Nachdem Evan von Imperia und Zsa-Zsa auf hinterhältige Art und Weise vergiftet worden ist, übernahm Severus die Aufgabe, ein Antidot zu finden. Das erweist sich als keine leichte Aufgabe, doch zumindest gelingt es Severus, einen Mann namens Iliad Farleigh aufzuspüren, der Gift und Antidot vor über zehn Jahren bereits einmal angerührt hatte - und außerdem Mittäter in mehreren Mordfällen war. Dennoch gelingt es Severus, mit Iliad zu feilschen, so dass Iliad ihm am Ende das Rezept für das Gegengift und eine seltene Zutat überlässt. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, Evans Leben zu retten, denn die Herstellung des Antidots entpuppt sich als ungeheuer schwierig…

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20. Juli 1978

Severus hatte genau Buch über die Kosten geführt, die er die Nokturngasse bei der Beschaffung der restlichen Zutaten ausgegeben hatte, schließlich wollte er sicher gehen, dass Clarence Rosier auch diese Rechnung ordnungsgemäß übernehmen würde. Das war auch nötig, denn genaugenommen war Severus vorrübergehend pleite, als er mit einer Tüte voller Zutaten die Nokturngasse verließ und zurück in seine mickrige Heimatstadt apparierte.
Nach dem verpatzten Lottospiel frönte sein Vater Tobias Snape nun einer anderen Leidenschaft. Er hatte ein paar seiner rauflustigsten und stimmgewaltigsten Arbeitskollegen eingeladen und spielte mit ihnen Poker - natürlich mit echtem Einsatz, wie Severus an den zahlreichen Scheinen und Münzen erkannte, die Tobias bereits verzockt hatte. Der dichte Zigarettenqualm und der erschlagene Gestank nach viel zu viel Alkohol genügte Severus vollkommen um zu wissen, dass er das Wohnzimmer in den nächsten Stunden besser nicht mehr betreten sollte. Stattdessen huschte er nach oben in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich ab und studierte zum wiederholten Male die Zaubertrankanleitung, die Iliad Farleigh ihm gegeben hatte.

Unter normalen Umständen hätte Severus nicht im geringsten daran gezweifelt, dass es ihm möglich sein würde, das Gegenmittel zu brauen, doch von „normalen Umständen“ konnte er in diesem Fall wirklich nur träumen. Laut Anleitung benötigte er vier Mal vier Teelöffel getrocknete und geriebene Blütenblätter der Glücklichen Witwe, doch in der Phiole befand sich insgesamt nicht einmal ein einziger Teelöffel.
Und, wie Iliad gesagt hatte, Severus hatte nur diesen einen Versuch. Ein kleiner Fehler und sie alle würden Evan Rosier dabei zusehen müssen, wie er langsam aber sicher starb. Severus wusste nicht, was er von der Tatsache halten sollte, dass er gerade im Begriff war den schwierigsten Trank in seinem bisherigen Leben zu brauen und dass dieser Trank über das Schicksal eines ihm wohlbekannten Menschen entscheiden würde.

„Das ist wirklich eine Herausforderung“, murmelte er, während er in den leeren Kessel starrte, der vor ihm auf dem Schreibtisch stand und darauf wartete befeuert zu werden. Nun, das wäre jedoch eine Spur zu voreilig gewesen, denn Severus verbrachte die nächsten zwei Stunden damit, irgendwelche mathematischen Formeln auf etliche Papiere zu kritzeln, in der Hoffnung eine Antwort auf die Frage zu finden, wie er den Trank auch mit nur einem einzigen Teelöffel geriebener Blütenblätter erfolgreich brauen könnte. Am Ende, inzwischen war es nach Mitternacht, fegte er jedoch sämtliche Zettel zur Seite, warf den Stift weg und verließ sich ganz auf seine Kopfarbeit. Eine weitere Stunde verging, in der Severus nicht viel mehr tat als mit geschlossenen Augen dazusitzen und so genau zu überlegen, wie er nie zuvor überlegt hatte.
Die Freunde seines Vaters waren dabei alles andere als hilfreich. Ihre schlechten, vollkommen sinnfreien Witze und das schallende Gelächter, das diesen Witzen folgte, drangen bis zu Severus hinauf.
Am Ende gab es Severus vorerst auf. Bei all den dummen Blondinen-, Franzosen-, und Fußballwitzen erschien ihm ungestörtes Denken als geradezu luxuriöse Beschäftigung. Er warf sich auf sein ungemachtes Bett, zog die Decke über den Kopf und war sehr froh, dass er trotz des Lärmpegels recht schnell eingeschlafen war. Im Nachhinein erschien es Severus jedoch als durchaus verständlich, dass er in dieser Nacht die leidigsten Kapitel seiner Schulzeit durchzukauen hatte, Kapitel, in denen auch Evan Rosier eine wichtige Rolle spielte, und die ihm im Traum genauso schlimm erschienen wie in seiner Erinnerung.

XXXXXXX

Severus hing über dem kleinen Steinbrunnen in Hogsmeade wie über einem Kotzkübel und tatsächlich spürte er auch ein leichtes Rumoren in seinem Magen. Es war Winter und der Rand des Brunnens war mit Schnee gepudert, doch Severus achtete nicht auf die Feuchtigkeit und Kälte. Er hatte seinen Kopf auf den kalten Brunnenrand gelegt und seine Arme hingen darüber hinweg, so dass er die dünne Eisschicht berühren konnte, wenn er die Finger streckte. Tobias Snape würde ihn einen nassen Sack nennen, wenn er Severus hier sitzen gesehen hätte, so halb auf der Steinbank und halb auf den Brunnen ausgesteckt. Severus hingegen hatte natürlich einen guten Grund dafür wie ein nasser Sack auszusehen, der sich in einer einsamen Ecke Hogsmeades über Bank und Brunnen gefläzt hatte. Zum einen waren seine Beine schwach wie Gummi, zu schwach um das Gewicht seines scheinbar bleigefüllten Kopfes zu tragen, und zum anderen hatte er wirklich das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen.
Und warum das alles? Nun, Severus litt nicht direkt unter einem körperlichen Unwohlsein, sondern vielmehr unter seelischen Qualen.

Severus war nicht alleine, obwohl er sich in diesem Moment wirklich wünschte, einen Moment für sich zu sein. Das wünschte er sich überdurchschnittlich häufig, doch Lily Evans ließ ebenso überdurchschnittlich selten locker. Nun saß sie auf dem Brunnenrand, kaute auf einem Sirupbonbon herum und bedachte ihn mit einem aufmunternden Blick. „Komm schon, Sev, vergiss es!“, sagte sie entschieden und hielt ihm die Tüte mit Süßkram unter seine lange Nase, die sie sich im Honigtopf geleistet hatte.
Severus stieß unwillkürlich ein leises Knurren aus und rückte von ihr ab. „Du hast gut reden!“, empörte er sich. „Du bist ja nicht von Black und Potter in den verdammten Hühnerstall gesperrt worden!“
Ein flüchtiges Grinsen huschte über Lilys Gesicht. „Dir ist nichts passiert, das man nicht hätte abwaschen können.“

Er verdrehte die Augen und würgte einen bissigen Kommentar hinunter. Sirius Black hatte Severus am Vortag eiskalt mit einem Zauber überrascht, der Severus gelähmt hatte, und hatte ihn dann zusammen mit James Potter in den Hühnerstall des Wildhüters gesperrt. Nachdem Severus einen halben Tag bewegungslos und vor Kälte zitternd bei den völlig aufgeschreckten Hühner gehockt hatte, war er zum Zeitpunkt seiner Rettung über und unter mit Hühnerkot besprenkelt gewesen. Nun, selbst das hätte er mit viel gutem Willen ertragen können, doch James Potter und Sirius Black hatten dafür gesorgt, dass die halbe Schule Severus` wenig glorreichen Rettung beigewohnt hatte und ihm fiel es erheblich schwerer Unangenehmes zu verdrängen, wenn er ständig von einem Mitschüler daran erinnert wurde.

Lily seufzte überlaut und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Verrätst du mir noch einmal dein Lieblingssprichwort, Severus?“, feixte sie.
Miesepetrig murrte er: „Welches denn? `Jeder Tag ist ein schlechter Tag´?“
„Nein, das andere.“
„Rache ist süß?“
Lily nickte und lächelte nun gutgelaunt. Die Winterkälte hatte ihr rote Flecken auf die Wangen gebrannt, die fast so rot wie ihre Haare waren.
Im ersten Moment gefiel Severus die Vorstellung einer süßen Rache, doch im zweiten Moment stellte er fest, dass sein Kopf heute erschreckend unkreativ und leer war. Ob der Gestank im Hühnerstall ihn wohl nachhaltig dumm gemacht hatte? Zumindest fühlte er sich äußerst bedröppelt und ließ schnell wieder seinen Kopf auf den Brunnenrand zurücksinken. Er entdeckte einen kleinen Fisch, der unter dem Eis gefangen war und empört gegen die Schicht aus gefrorenem Wasser zu klopfen schien.
„Wollen wir ein Butterbier trinken?“, fragte Lily hoffnungsvoll.
„Nein.“
„Hm, oder wir statten dem Scherzartikelladen einen Besuch ab.“
„Bist du blöd? Das ist die Hauptanlaufstelle für Potter und seine Konsorten. Und außerdem ist es da immer voll. Und stickig. Und Scherzartikel interessieren mich überhaupt nicht.“
Nun war es an Lily mit den Augen zu rollen. „Weißt du, manchmal ist es wirklich nicht leicht mit dir befreundet zu sein, Sev. Du redest wie ein Börsenmakler am schwarzen Freitag, kurz bevor er vom Dach springt.“

Severus blickte weg und kräuselte die Stirn. „Woher nimmst du bloß immer diese seltsamen Vergleiche?“ Er versuchte schnippisch zu klingen, aber Lilys Worte sorgten seinerseits immer für ein Gefühl tiefen Elends. Sie verglich ihn oft mit deprimierenden Dingen und auch wenn ihre Vergleiche absichtlich überspitzt und übertrieben waren, Severus hatte doch den Eindruck, dass sie Recht hatte. Früher wäre es ihm nie aufgefallen, früher hatte er nichts anderes gekannt, doch die komplizierte Freundschaft zu der meist gutgelaunten und freundlichen Lily Evans hatte ihm gezeigt, wie düster es um seine Gefühlswelt wirklich stand.
Da Lily nicht antwortete, sah er wieder auf, doch der Platz neben ihm war leer. Gerade als er sich fragte wo sie abgeblieben sein mochte, packte jemand ihn von hinten und eine Stimme brüllte laut in sein Ohr: „Erschreck dich nicht!“
Natürlich erschreckte sich Severus, er erschreckte sich jedes Mal wenn jemand eine plötzliche Bewegung machte oder ihn unvermittelt packte. Mit einem entsetzten Aufschrei sprang er auf, wirbelte herum und starrte direkt in Lilys amüsiert grinsendes Gesicht.

„Hör gefälligst auf damit!“, sagte er schroff. „Ich hasse es!“
„Du hasst so ziemlich alles, inklusive Sonnenuntergänge - die sind ja so schrecklich kitschig -, und kleinen Kätzchen - die sind ja so übertrieben süßlich. Oh - was habe ich denn hier in deiner Tasche gefunden?“ Sie hielt ihm ein kleines, abgewetztes Büchlein unter die Nase. Es war Severus` gebrauchtes Zaubertränkebuch für den Unterricht der fünften Klasse, das er stets mit sich herumtrug. Severus besaß in jedem Jahr irgendeine Art von Notizbuch, in seinem ersten Schuljahr hatte er noch das Werk Die Dunklen Kräfte - Eine Anleitung zur Selbstverteidigung zweckentfremdet, während im letzten Schuljahr das Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 4 für diverse Kritzelein und Notizen herhalten musste. Natürlich wusste Lily von seinen Büchern, wann immer sie eines von ihnen in die Finger bekam blätterte sie darin herum und fügte hier und dort einige Eintragungen hinzu - bei ihrem letzten Eintrag hatte es sich jedoch eher um ein wenig schmeichelhaftes Portrait von Peter Pettigrew gehandelt, über dem eine Sprechblase mit den Worten „Ein großer schwarzer Hund hat meine Hausaufgaben zerrissen“ schwebte. In letzter Zeit war dieser große schwarze Hund Pettigrews Lieblingsausrede geworden, eine Ausrede, mit der er bei seinen Freunden Potter, Black und Lupin jedes Mal gewaltige Lacher erntete. Lily hielt nicht viel von Peter Pettigrew und noch weniger von Ausreden, und mit dem kritzeligen Portrait und der Sprechblase hatte sie Severus zum Lachen gebracht, was Seltenheitswert besaß.

Nun blätterte Lily durch das Büchlein und hielt nach neuen Einträgen Ausschau, während sie sich neben Severus an dem Brunnen lehnte. Severus spähte ebenfalls auf die Seiten des Buches, war jedoch gehemmt, denn er ahnte, dass Lily in wenigen Sekunden anfangen würde herumzuwettern.
Und tatsächlich blitzten ihre grünen Augen plötzlich und sie tippte mit ihrem behandschuhten Finger auf eine kleine Randnotiz auf Seite dreiundsechzig. Dort stand: „Deglubus“ - gefährlich! Nur im Notfall verwenden!
„Ein Fluch, richtig?“, erkundigte sich Lily kühl.
„Ich habe nicht vor ihn anzuwenden!“, verteidigte sich Severus automatisch. „Er ist nicht für Menschen-“
„Für was dann? Tiere?“ Lily mochte Tiere. In der dritten Klasse war sie einmal wütend und vollkommen aufgelöst aus dem Zaubertrankunterricht gerauscht, weil Professor Slughorn „lebende Vogelküken“ auf die Liste der heutigen Zutaten gesetzt hatte. Severus hatte Lilys Reaktion nicht verstanden und sie hatte nicht verstanden, wieso er so gelassen bleiben konnte, wenn man von ihnen verlangte, Vogelküken mitzuverarbeiten. Severus fand die Tatsache genauso unspektakulär wie ein Steak zum Mittag, Lily hingegen nannte es barbarisch.

„Es ist nicht für Tiere - nun, nicht für lebende Tiere zumindest!“, versuchte Severus zu erklären. „Mit dem Zauber kann man Tiere häuten.“
„Aber es funktioniert theoretisch auch bei lebenden Tieren?“
„Nun, ich denke schon. Ich habe es nicht ausprobiert-“
„Dann würde es also bei Menschen klappen?“ Lily starrte ihn aus ihren unheimlichgrünen Augen heraus an. Severus senkte geschlagen den Blick. „Ich bin nicht so dumm es auszuprobieren.“
Lily schnaubte wütend. „Dummheit, Severus? Glaubst du tatsächlich, es hätte etwas mit Dummheit zu tun?“
„Womit sonst?“
„Moral?“, half Lily ihm auf die Sprünge. „Ich wünschte, das wäre deine Antwort gewesen, Severus. Ich wünschte du würdest einmal sagen, dass du es nicht für moralisch vertretbar hältst. Aber das scherrt dich gar nicht, oder? Du hast bloß Angst vor einer Strafe, wenn du einem Menschen bei lebendigem Leib die Haut abziehst.“

Eine Weile standen sie schweigend nebeneinander, Lily mit verschränkten Armen und zornigem Gesicht und Severus mit betretenem Blick auf seine Schuhe. Er hätte ihre Anklage abstreiten können, doch jedes seiner Argumente wäre eine Lüge gewesen. Wenn er seine Flüche und Zauber entwickelte, stellte er sich meist vor, wie er sie gegen James Potter und Sirius Black einsetzte und an manchen Tagen verspürte er so große, entsetzliche Wut, dass er sich nichts mehr als eine Gelegenheit wünschte, um sich ungesehen an den beiden Gryffindors zu rächen.
Lily Evans hatte Recht, wie so oft. Aber was wusste sie auch schon von Zorn und Rachegefühlen, oder von Schmach und Schande? Was wusste sie über all die negativen Gefühle, die Severus regelmäßig die Kehle zuschnürten und ihn innerlich zu ersticken schienen?

„Oh nein!“, zischte Lily plötzlich. Severus sah auf. Von ihrer kleinen Ecke aus hatten sie den Blick frei auf eine der vielen verwinkelten Seitengassen Hogsmeades. Durch den weißen Pulverschnee trotteten drei ältere Schüler: Jason Avery, Wassily Wilkes und Evan Rosier. Avery und Silly Wilkes besuchten die sechste Klasse, Silly jedoch nur weil er auf Grund immens schlechter Noten sitzen geblieben war. Severus verstand sich relativ gut mit Avery, kam mit Silly und Evan, einem Siebtklässler, jedoch eher schlecht als recht aus.
Lily hingegen mochte keinen von ihnen. Jason Avery war in ihren Augen nicht mehr als ein hundsgemeiner Kerl, der seine allgemeine Unbeliebtheit bei den Mädchen mit hässlichen Taten kompensieren versuchte. Wassily „Silly“ Wilkes war schlichtweg zu albern und auch Evan Rosier kompensierte all zu gerne mal seine eigene Unsicherheit. Lily hatte Severus vor einigen Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass Evan oftmals nervlich völlig zerstört aus den Ferien zurückkehrte und sie hatte den Verdacht geäußert, dass man ihn zu Hause sicherlich mit ein paar Schlägen zu viel strafte. Auch Severus war genaugenommen in einem Umfeld häuslicher Gewalt aufgewachsen, aber so grundverschieden er und Evan waren, so grundverschieden gingen sie auch mit der Situation daheim um. Tobias Snape besaß eine lockere Hand und Severus hatte diese Tatsache schnell akzeptiert. Traf ihn doch einmal eine Backpfeife, zwiebelte seine Haut nur äußerlich. Evan hingegen schien sich harte Bestrafungsmethoden sehr zu Herzen zu nehmen, eine Sensibilität die Severus in dieser Form nicht mehr kannte.

Die drei Jugendlichen lachten gerade über einen Witz, als Jason Avery Severus und Lily entdeckte. Sie kamen näher und grüßten Severus gutgelaunt, übergingen jedoch Lily.
„Legt ihr keinen Wert auf die Etikette?“, erkundigte sie sich gespielt zuckersüß.
Avery würdigte ihr kaum eines Blickes und knurrte abfällig: „Ach, halt`s Maul.“
Silly schien nicht zu wissen, was „Etikette“ bedeutete; Evan grinste Lily frech entgegen und fragte hämisch: „Musst du heute nicht zum Slug-Klub, Rotschopf? Na lauf schon, sonst verpasst du noch die kandierten Ananasstückchen.“
„Die übrigens sehr lecker schmecken, wie du sicher noch weißt, Rosier“, sagte Lily.
Der Slug-Klub war für Evan so etwas wie ein empfindlicher Nerv. Er machte sich allzu gerne über den Klub lustig, doch das lag wahrscheinlich daran, dass er selbst einst ein Mitglied gewesen und von Professor Slughorn höflich verwiesen worden war, nachdem sich herausgestellte, dass Evan nicht das Talent seines hochgeschätzten Vaters vererbt bekommen hatte.

Evan rümpfte die Nase und schien sich eine andere Gehässigkeits-Taktik zu überlegen, wofür er wie gewöhnlich Ewigkeiten brauchte. Schließlich fiel der Blick seiner blauen Augen auf das Buch, das Lily noch immer in den Händen hielt. Schnell schnappte er es sich.
„Das gehört ohnehin nicht mir“, sagte Lily lahm und wies mit einem Kopfnicken in Richtung Severus.
Evan drückte Severus wortlos das Buch gegen die Brust, so dass Severus fast über den Rand des Brunnens gekippt wäre und dem gefangenen Fisch unter seiner Eisdecke womöglich Gesellschaft geleistet hätte.
„Kusch, kusch, Mädchen“, machte Jason Averys und funkelte Lily ungeduldig an. „Wir wollen mit Severus alleine sprechen.“
Lily starrte grimmig von einem zum anderen und einen kaum gemilderten Blick schenkte sie auch Severus. „Ich muss wirklich gehen“, sagte sie steif. „Ich möchte den Slug-Klub nicht verpassen. Und - ähm - lass dir nichts Dummes einreden, Sev.“

Mit bauschenden roten Haaren machte Lily auf dem Absatz kehrt und Severus beobachtete, wie sie am Ende der winterlichen Gasse auf eine Hand voll Freundinnen traf, die Lily laut schwatzend und kichernd in ihre Mitte aufnahmen. Lily Evans hatte viele Freunde und war allgemein so beliebt, dass sie nur einen Bruchteil ihrer Freizeit mit Severus verbringen konnte. Ständig schien sie verabredet zu sein, sich mit Freunden zu treffen und noch häufiger feierten die Gryffindors oben in ihrem Gemeinschaftsraum. Das ganze Gewusel rund um Lily Evans machte Severus nervös, doch er fühlte sich merkwürdig geehrt, wenn sie sich von all dem Radau abwandte um etwas Zeit mit ihm zu verbringen.
„Was läuft da eigentlich zwischen dir und dem Schlammblut, Snape?“, erkundigte sich Silly Wilkes und klang dabei sehr belustigt.
„Der Rotschopf ist seine Lebensversicherung“, klärte Evan seinen Kumpel auf. „Ohne Lily Evans hätten Potter, Black und die beiden anderen Frischlinge Snape schon längst auseinander genommen.“
„Das stimmt so nicht, Rosier“, entgegnete Severus grimmig. „Man kann es mir nicht vorwerfen, dass Potter und Black von Fairness nicht besonders viel verstehen. Ihr wisst wovon ich spreche.“

Evan, Silly und Avery hatten ebenfalls wenig Freude an den vorlauten Gryffindors. Ganz besonders Evan und Silly waren beliebte Ziele für heimtückische Angriffe; Silly auf Grund seiner Dummheit und vielleicht auch wegen seines bemerkenswert schwarzmagischen Stammbaumes, und Evan weil er und Sirius sich dieselben drei Cousinen teilten. Mit dem Unterschied, dass Evan sich mit Bellatrix und Narzissa gut verstand, Andromeda dafür jedoch verabscheute - bei Sirius war es genau umgekehrt.
Evan und Sirius hassten einander auf ähnlich verheerende Weise wie Severus Sirius verabscheute. Evan und Sirius waren beide beliebt in der Schule, obwohl ihre Freundeskreise wohl kaum unterschiedlicher sein könnten. Ja, es war geradezu auffällig, dass sie sich nicht einen einzigen guten Bekannten zu teilen schienen, im Gegenteil, unter ihnen schien Hogwarts in zwei große Gruppen zu zerbrechen.

„Wir haben von der Sache mit dem Hühnerstall gehört“, sagte Avery. Silly unterdrückte ein Kichern.
„Das wundert mich nicht. Ganz Hogwarts hat davon erfahren, was?“
„Wahrscheinlich. Nur bei den Hauselfen sind wir uns nicht sicher.“ Zumindest Evan schmunzelte jetzt. „Hm, was ist das eigentlich für ein Buch, Snape? Dein Tagebuch?“ Er deutete auf das Zaubertränkebuch der fünften Klasse, das er Lily erst so stürmisch aus der Hand gerissen und danach Severus gegen den Brustkorb geschlagen hatte.
„Notizen“, antwortete Severus knapp und warf den drei Älteren einen bedeutungsschweren Blick zu. Er hatte es Lily Evans nie gesagt, doch sie war nicht die Einzige, die ab und zu in seinen Büchern schmökerte. Schon in der ersten Klasse hatte Severus die langweiligsten Unterrichtsstunden damit verbracht, seine Schulbücher mit Kritzelein und Randnotizen zu übersäen, bis er irgendwann dazu übergegangen war, immer dasselbe Schulbuch zu benutzen. Dieses Schulbuch Die Dunklen Kräfte - Eine Anleitung zur Selbstverteidigung besaß Severus noch heute, manchmal blätterte er darin herum und erfreute sich an all den Notizen, Bemerkungen und Kommentaren, die er im Laufe des Schuljahres niedergeschrieben hatte. Doch auch seinen Mitschüler war es nicht entgangen, dass Severus sich während der Unterrichtszeit anderen Dingen widmete. Drei Monate nach Severus` Einschulung hatte Lucius Malfoy, ein Schüler der höheren Jahrgangsstufe, einen genaueren Blick auf das Buch geworfen und seitdem wussten die meisten Slytherins von Severus` sogenannter „Beschäftigungstherapie“.

Wenn Evan Rosier eine besondere Fähigkeit besaß, dann war es seine Schnelligkeit. Wäre er schwindelfrei und mutiger gewesen, hätte er womöglich einen fantastischen Quidditchspieler abgegeben. Ehe Severus es sich versah, hatte Evan zum zweiten Mal an diesem Tag blitzartig nach dem Buch geschnappt und an sich gerissen. Severus wankte unter dem Schwung und musste sich erneut am Brunnenrand festkrallen um nicht hineinzustürzen. Kaum hatte er das Gleichgewicht wiedergefunden, sprang er auf, zog seinen Zauberstab und hielt ihn Evan unter die Nase.
Evan winkte gelassen ab, während Silly Wilkes wie bekloppt giggelte.
„Beruhig dich“, sagte Evan. „Ich will nur einen kurzen Blick hineinwerfen.“
„Normalerweise fragt man erst um Erlaubnis, Rosier!“
„Hey, bleib locker, Snape. Warum sollte ich dich um Erlaubnis bitten?“
„Weißt du, Rosier, du spuckst verdammt große Töne wenn sich die Gelegenheit dazu bietet“, zischte Severus spöttisch. „Dann fängst du an Leute herumzuschubsen und zu triezen und so zu tun, als wärst du nicht der schüchterne, geschlagene Dummkopf der du nun einmal bist.“
Ein seltsamer Ausdruck flackerte in Evans Augen, etwas Schwaches und zu tiefst Verletztes. Er starrte Severus mit halboffenem Mund an und auch Sillys Giggeln war verstummt, Jason Avery blickte unwohl von einem zum anderen.

„Was hast du gesagt, Snape?!“, bellte Evan. „Wie nennst du mich?! Ein schüchterner, geschlagener Dummkopf, wie? Da musst du mich mit jemandem verwechseln-“
„Oh nein, Rosier, du weißt genau wen ich meine. Die Person, die ein ach-so-abenteuerliches Rendezvous mit Lissy McStarkley hatte … gib mir das Buch zurück, Rosier, oder ich erzähle weiter.“
Evan war ziegelrot angelaufen und seine beiden Kumpels warfen ihm neugierige Blicke zu. Lissy McStarkley war eine hübsche Sechstklässerin die ganz fürchterlich für Evan schwärmte und ihn so lange genervt hatte, bis er schließlich einwilligte sich mit ihr zu treffen. Severus hatte zufällig mitbekommen, wie sie auf den Schlossgründen herumgeknutscht hatten - nun, zumindest hatte die vernarrte Lissy allzu heftig geküsst, Evan hingegen hatte ausgesehen, als ob seine Schüchternheit ihn nun endgültig übermannt hätte, denn er hatte überhaupt keine Regung mehr von sich gegeben. Vor seinen Freunden jedoch hatte Evan damit geprahlt, wie intensiv das Treffen mit Lissy McStarkley angeblich verlaufen war und wie nah sie sich gekommen waren.
Von Evans Schüchternheit ahnten die wenigsten Schüler des Schlosses. Groß, gut aussehend und beliebt wie er war, hielten die meisten ihn wohl für einen richtiggehenden Herzensbrecher und Charmeur, doch Severus wusste, wie rehscheu der Schönling in Wirklichkeit war. Die meisten Mädchen ließ er abblitzen, nicht aus Kaltherzigkeit, sondern weil er sich vor ihnen zu Tode fürchtete.

„Das Buch, Rosier“, erinnerte Severus, den Zauberstab noch immer erhoben.
Evan versuchte sich offenbar an einem überlegenden Grinsen, doch seine Mundwinkel zuckten nur leicht. Mechanisch sagte er: „Du bist ein Lügner, Schniefelus. Du weißt gar nichts, das ist eine Farce!“
Silly giggelte wieder. „Ja Schniefelus, bloß eine Far-ze!“
Jason Avery sagte nichts, er schien nicht recht zu wissen für wen er Partei ergreifen sollte.
Aber Silly Wilkes und Avery tauchten auch nur noch schemenhaft in Severus` Bewusstsein auf, denn seine gesamte Aufmerksamkeit war auf Evan und das Blickduell gerichtet, das er und Evan wortlos ausfochten. In den blauen Augen seines Gegenübers erkannte Severus keine Spur von Entschlossenheit, im Gegenteil, es waren die Augen eines Machtlosen, eines Ängstlichen, jemand der sich am liebsten in einem tiefen Bau vergraben hätte. Je intensiver Severus starrte, umso größer und kindlicher schienen Evans Augen zu werden und desto mehr flackerten sie. Severus vergaß die äußere Fassade des hochgewachsenen Siebtklässlers, denn alles, was er jetzt noch sah, war das verletzte Kind, das in Evans Innerem wimmerte.
Das ist alles, was du bist, Evan Rosier, dachte Severus mit eisiger Gefühlskälte, alles, was du je sein wirst.

Evan kniff die Augen zusammen, schüttelte kurz den Kopf als ob er einen unliebsamen Gedankengang vertreiben wollte. Möglich, dass der Blickkontakt so intensiv gewesen war, dass so etwas wie Gedankenübertragung entstanden war, denn Severus hatte den seltsamen Eindruck, als hätte Evan seinen inneren Worten gelauscht. Als Evan seine Augen wieder öffnete, war der verletzte Ausdruck in ihnen verschwunden und blanke Wut spiegelte sich nun wieder. Er packte Severus so blitzschnell, wie nur er es konnte, stieß ihn über den Brunnenrand und die dünne Eisschicht knackte kurz, ehe sie brach und Severus unter Wasser gedrückt wurde. Eiskalte Wellen schlugen über ihn zusammen, so kalt, dass selbst seine Knochen zu schmerzen begannen. Das Wasser lief ihm in die Nase, sein Herz zog sich vor Schreck zusammen. Severus ruderte verzweifelt mit den Armen, bekam aber nichts zu fassen. Sein Rücken protestierte, denn seine Beine standen noch immer auf festem Boden, während sein Oberkörper und Kopf unter Wasser gedrückt wurden.
Dann, kaum drei Sekunden später wurde Evan weggerissen und vier Arme griffen Severus und zogen ihn wieder hoch. Prustend und keuchend glitt er auf das Kopfsteinpflaster, Silly und Jason Avery hielten ihn und Avery verpasste ihm einen gutgemeinten Schlag auf den Rücken, sodass Severus einen ganzen Schwall Wasser hustete. Evan stand an der Hauswand, noch immer mit ziegelroter Gesichtsfarbe. Auch er keuchte.

„Bist du verrückt geworden, Evan?“, herrschte Avery ihn an. „Was ist nur los mit dir?“
Severus vermutete, dass Evan einfach der letzte Vernunftfaden gerissen war. Wahrscheinlich hatte er es nicht ertragen können, von einem drei Jahre jüngeren Schüler an seine Schwächen erinnert zu werden und daran, dass er in Wirklichkeit nur den gewitzten Draufgänger mimte. Severus glaubte Tränen der Empörung und der Wut auf Evans Wangen zu erkennen, doch es konnte sich genauso gut um vereinzelte Spritzer Eiswasser handeln. Mit gebleckten Zähnen starrte er Severus an, richtete sich schließlich wieder zur vollen Größe auf und zog den Kragen seiner Robe straff. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren rauschte er davon, Severus` Buch bewusst oder unbewusst noch immer in der rechten Hand.
Silly Wilkes warf Avery einen verwirrten Blick zu, dann eilte er seinen bestem Freund Evan hinterher.

Severus blieb leise hustend auf dem Kopfsteinpflaster sitzen und wischte sich die verirrten Haarsträhnen aus dem nassen Gesicht. Avery kniete sich zu ihm und klopfte freundlich auf seine Schulter. „Nimm`s nicht persönlich, Severus.“
„Das tue ich nicht, keine Sorge!“, knurrte er und begann nun heftig zu zittern. „War doch eh nur eine Frage der Zeit bis Rosier mal austicken würde.“
Avery bedachte ihn mit einem wissenden Blick. „Evan ist schon in Ordnung, er hat es nur nicht besonders leicht.“
„Jetzt wirst du mir wahrscheinlich etwas von seiner verkorksten Familiensituation erzählen, was? Hör zu, Jason, ich weiß genug davon! Meine Familie gehört auch nicht gerade zu den Freundlichsten! Trotzdem versuche ich nicht gleich irgendwelche Leute in Brunnen zu ertränken und im Gegensatz zu Rosier habe ich auch nie zu den Bettnässern und Stotterern gezählt!“
Averys Mund klappte ein stückweit auf, doch statt sich über Severus` Bemerkung zu empören, grinste er schwach. „Du weißt mal wieder alles, was? Schniefelus der Schnüffler, ich bin immer wieder erstaunt, wie gut dieser Name passt.“

Severus rollte mit den Augen, drängte Avery zur Seite und stemmte sich hoch. Es war so kalt, dass er automatisch die Arme um den Körper schlang. Bibbernd schlugen seine Zähne zusammen. „Ich muss das Buch wiederhaben“, sagte er. „Ich kriege einen Heidenärger, wenn es in die falschen Hände gerät.“ Eigentlich erschienen ihm Evans Hände bereits als falsch genug, doch das war nichts im Vergleich zu den Händen der Professoren.
„So? Du wirst erfrieren, ehe du Evan eingeholt hast. Komm, ich geb` dir ein Butterbier aus, in Ordnung? Evan wird schon nichts Blödes damit anstellen, bestimmt wird er es dir zurückgeben, sobald er sich beruhigt hat.“
Severus blieb unschlüssig, doch in seiner momentanen Lage war die Vorstellung in einem gemütlichen Gasthaus zu sitzen und ein warmes Butterbier zu trinken äußerst verlockend. Als Jason Avery ihn schließlich bei den Schultern packte und in Richtung der Drei Besen voranschob, ergab sich Severus gewissermaßen seinem Verlangen nach Trockenheit und Wärme und verbannte Evan aus seinen Gedanken.

XXXXXXX

Severus wünschte sich sehr schnell, er hätte Evan nicht aus seinen Gedanken verbannt, denn was ihn letztendlich in Hogwarts erwartete sprengte geradezu seinen bisherigen Glauben über Evan Rosier. Eigentlich hatte er angenommen, Evan wäre relativ schnell nach der Geschichte mit dem Brunnen wieder zur Vernunft gekommen, doch da irrte Severus sich gewaltig. Was auch immer er getan hatte, er schien irgendeine gut verborgene Tür im Inneren des Anderen aufgestoßen zu haben, die mehr hervorbrachte als nur einen kurzen Anfall blinder Raserei.
Am Morgen nach dem Hogsmeade-Ausflug kam Professor Slughorn mit versteinerter Miene auf Severus zugeschritten. „Folgen Sie mir bitte, Mr. Snape.“
Severus, zu verwirrt um ein ungutes Gefühl zu entwickeln, stand auf und folgte dem Lehrer hinaus aus dem Schloss und hinüber zur Hütte des Wildhüters. Das ungute Gefühl stellte sich erst ein, als Severus die Schüler- und Lehrerschar sah, die sich um den kleinen Hühnerstall drängte. Vor zwei Tagen war Severus mehr als einen ganzen Nachmittag lang in dem Stall eingesperrt gewesen und auf so klare Art und Weise daran erinnert zu werden gefiel ihm nicht.

Als sie den Hühnerstall erreicht hatten, hatte Slughorn noch immer kein weiteres Wort mit ihm gewechselt und seine Miene war nach wie vor wie erstarrt. Severus warf einen Blick auf die zahlreichen Schüler, die ihn entgegenblickten wie einen Aussätzigen. Unter ihnen waren James Potter, Sirius Black und ihre beiden Freunde Lupin und Pettigrew. Severus konnte sich nicht erinnern, jemals einen so hasserfüllten Blick auf Potters Gesicht gesehen zu haben, Black hingegen hatte die Arme verschränkt und grinste schief aber vollkommen humorlos.
Slughorn machte eine Geste und er und Severus gingen um den Stall herum in Richtung Eingang. Potter und Black machten Slughorn zwar großzügig Platz, schlossen die Lücke aber gleich wieder, so dass Severus gegen ihre Schultern prallte.
„Na Feigling?“, grüßte Black ihn giftig. „Hat dich dein Ausflug in den Hühnerstall etwa so wütend gemacht?“
„Wir wussten gar nicht, dass du so ein mieser Tierquäler bist, Schniefelus“, stimmte Potter mit ein.
Black gluckste, jedoch nach wie vor absolut ohne jeglichen Humor. „Wir sollten ihm einen neuen Namen verpassen, James. `Schniefelus der Schlächter´ statt `Schniefelus der Schnüffler´.“

Severus drängte sich mit vollem Körpereinsatz an ihnen vorbei. Ihre Worte alarmierten ihn, er fragte sich, was sich in dem Hühnerstall ereignet hatte. Er ahnte Furchtbares.
Lily Evans stand neben dem Stalleingang. Ihre Augen waren gerötet, so als hätte sie geweint. Sie entdeckte Severus, doch bevor sie den Mund aufmachen konnte, trat Albus Dumbledore mit todernstem Gesicht aus dem Hühnerstall und blickte Severus an, ohne dass dieser ein freundliches Funkeln hinter den Halbmondgläsern erkennen konnte.
Severus sah zu ihm auf und wandte dann seinen Blick in das Innere des Stalls. Was er erkannte ließ ihn den Atem stocken. Sämtliche der zwei Dutzend Hühner lagen tot, blutüberströmt und in einem Meer bunter Federn am Boden. Sie waren nackt und ihre Haut war zerfetzt, so als hätte jemand sie mit brachialer Gewalt und mit sadistischen Freuden gerupft. Severus wusste nicht, was er sagen sollte, atemlos und mit offenem Mund starrte er auf das Bild das sich ihm bot.
Auch Dumbledore sagte nichts. Stattdessen drückte er Severus ein Buch in die Hand. Das Buch war blutbeschmiert und auf dem Einband klebten zerfledderte Daunenfedern, dennoch erkannte Severus sein Zaubertrankbuch wieder. Es war das Buch, mit dem Evan am Vortag davon gerauscht war, und in das Severus all seine Notizen geschrieben hatte.

„Es lag auf dem Stallboden, Mr. Snape“, sagte Dumbledore und sein durchdringender Blick musterte Severus scharf. „Es gehört Ihnen, nehme ich an.“
„Ja, Sir“, antwortete Severus matt. Wie hätte er es auch leugnen können, sein Name stand schließlich im hinteren Buchdeckel geschrieben.
„Und Sie wissen auch, wie es hier hergekommen ist?“
Severus blinzelte. „Ich denke schon, Sir“, murmelte er wahrheitsgemäß während er innerlich schrie: Du hast völlig den Verstand verloren, Evan Rosier!
Aber er wusste dass es zwecklos war, Evan zu beschuldigen! Niemand würde Severus glauben, kein einziges Indiz deutete auf den stillen Evan hin! Selbst Severus konnte nicht glauben was er hier sah! Evan Rosier hatte Tiere mit einem von Severus` Zaubern abgeschlachtet; Evan Rosier, der tagelang geheult hatte als sein Kaninchen gestorben war; Evan Rosier, der immer für seine Leistungen im Fach Pflege magischer Geschöpfe gelobt wurde! Jeder hingegen wusste, dass Severus keinen guten Draht zu Tieren hatte, dass Tiere ihm egal waren. Und von allen Schülern Hogwarts hatte er am ehesten einen Grund, die Hühner in diesem Stall zu hassen, nachdem sich diese peinliche Sache vor zwei Tagen ereignet hatte! Und es war Severus` Buch gewesen, das man in diesem Schlachtfeld zwischen all den Federn und all dem Blut gefunden hatte!

Dumbledores Augen glitzerten eigenartig und Severus traute sich kaum ihn anzusehen. Er fühlte die Enttäuschung und das Entsetzen des Direktors seelisch und körperlich.
„Welcher dieser Zauber ist es gewesen, Mr. Snape?“, erkundigte sich Dumbledore und tippte auf das Buch. Seine Stimme war noch immer ruhig, doch keineswegs freundlich.
„Deglubus, Sir.“ Severus` eigene Stimme hingegen war matt und tonlos und er erkannte sie nicht einmal wirklich. Er starrte auf eines der toten Hühner, das in einem Meer hellbraungesprenkelter Federn lag. Tausend blutige kleine Löcher bedeckten den nackten Körper des Vogels und seine Augen waren so leblos wie die Augen eines Stofftieres.
Dumbledore nickte und fasste Severus an der Schulter. „Ich muss Ihnen die Frage stellen, Mr. Snape. Sind Sie hierfür verantwortlich?“
Severus wollte alles abstreiten, aber wie hätte er die geschickt ausgetüftelte Spur an Beweisen zerschlagen können, die Evan Rosier gelegt hatte? Niemand würde ihm glauben, das wusste er, das fühlte er. Und Albus Dumbledore hatte ihm bisher äußerst selten Glauben geschenkt, die Erfahrung hatte Severus im Hinblick auf Potter und seinen Freunden schon öfters machen müssen.

Severus schloss die Augen und atmete tief durch, bevor er langsam nickte. Getuschel breitete sich hinter seinem Rücken wie ein Buschfeuer aus, er wusste, dass einige der Schüler neugierig ihre Köpfe in die Hütte gesteckt hatten. Nun hörte er ihre Stimmen.
„Was hat er gesagt?“, flüsterte ein Mädchen.
„Er hat genickt!“
„Was?“
„Er hat zugegeben, dass er die armen Hühner getötet hat!“
„Dieser Mistkerl!“
„Der kann was erleben!“
Dutzende Stimmen tuschelten nun, doch Severus hörte jedes einzelne Wort. Er hörte vor allem James Potter und Sirius Black, die hässliche Bemerkungen herumposaunten.
Irgendjemand, Severus glaubte Slughorns Hand zu erkennen, griff nach dem blutbeschmierten Buch und nahm es Severus ab. Konfisziert, sagte er sich fassungslos.

Professor Dumbledore führte Severus an der Schulter herum und aus dem Stall heraus und Severus trottete wie eine willenlose Marionette vor ihm her. Draußen begegneten ihm unzählige wütende Gesichter, Severus ließ seinen trüben Blick herumwandern bis er Evan Rosier unter den Anwesenden entdeckte. Evans Gesicht war bar jeder Regung, doch seine blauen Augen glommen verdächtig. Severus dachte an eine Art grimmiges Entsetzen, vielleicht handelte es sich aber eher um etwas entsetzlich Grimmiges. Doch zumindest schien Evan von dem Geschehen ebenso überwältigt wie Severus, vielleicht weil er sich selbst über seine Bluttat wunderte und den Teufel nicht abschütteln konnte, der ihn geritten hatte.
Dann huschte etwas Flammendrotes in Severus Blickfeld und seine Augen stellten sich auf Lily Evans scharf, die ihn mit flackernden grünen Pupillen musterte. Sie starrte ihn an, als hätte sie ihn nie zuvor gesehen und als hätte sie ihn soeben als Monster klassifiziert. Ihr rechter Arm zuckte, Severus glaubte, dass sie kurz davor war auszuholen um ihm ins Gesicht zu schlagen, doch dann wurde sie von Professor Slughorn mit bestimmender Gewalt zur Seite gedrängt.

Ein weiterer Schritt in Richtung zerbrochene Freundschaft und Severus hasste sich dafür, dass er keine Beweise finden konnte, die ihn entlasteten, egal wie oft er sich den Kopf darüber zermarterte - gut, Jason Avery mochte die wahre Geschichte sicherlich erahnen, doch bisher hatte er sich im Ernstfall stets auf Evans Seite geschlagen.
Die blutigen Geschehnisse im Hühnerstall würde Severus erst viele Jahre später gegenüber Albus Dumbledore erklären, zu einer Zeit, als sowohl Lily Evans als auch Evan Rosier längst tot und begraben waren. Verglichen mit seinen späteren Taten war der vermeintliche Hühnermord zwar ein verblassender kleiner Schnitzer, doch Severus würde ein seltsames Interesse daran entwickeln, sein Gewissen auch in dieser Hinsicht zu erleichtern und den wahren Schuldigen zu nennen.
Doch all das war Zukunft. Als direkte Konsequenz aus dem Desaster im Hühnerstall vermied es Severus in den darauffolgenden Schuljahren, seinen echten Namen in seine Lehrbücher zu schreiben und unterschrieb stattdessen stets mit den gleichen Worten: Dieses Buch ist Eigentum des Halbblutprinzen.

Fortsetzung folgt…

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Kommentar: Dieses Kapitel hier habe ich übrigens vor Band 7 geschrieben. Ich war ein großer Fan der Severus/Lily-Theorie und war dementsprechend sehr froh, dass sich diese Geschichte letztendlich auch bewahrheitet hat. Evan benimmt sich wie ein echter Bully und im ersten Moment erscheint er wie ein anderer Mensch. Aber das auch liegt an Severus` Blickwinkel. Evan ist vor seinen Schulfreunden außerdem ein ziemlicher Angeber, der seine Schwächen zu überspielen versucht. Severus wendet hier einmal übrigens unbewusst Okklumentik gegen Evan an. Hoffe, dass war deutlich genug umschrieben.

@ AnnaRachelGreene: Die „Glückliche Witwe“ hatte in meinen früheren FFs schon mal einen Auftritt, daher hatte ich die meisten Details über diese wunderbare Pflanze schon im Kopf. Aber trotzdem danke ich meiner Fantasie, natürlich :)

@ Betthaeschen: Hehe, ich bin auch ein großer SS/LE Fan ^^

@ Cissy: LE steht für Lily Evans (was man sich nach diesem Kapitel sicherlich auch denken kann, hehe)

@ Miss Voldemort: Die ganzen Intrigen haben eine ganze Menge Denkleistung erfordert. Aber ich habe mir bei der Planungsphase dieser FF auch sehr viel Zeit gelassen. Trotzdem hatte ich anfangs einen Riesenfehler in dieser FF eingebaut, den ich zum Glück rechtzeitig bemerkt habe und die betroffenen Stellen umgeschrieben habe (sonst wäre die Handlung recht unlogisch geworden ^^). Aber ja, Intrigen zu schreiben, scheinen doch so eine Art Stärke von mir zu sein (das habe ich aber erst vor ca. 3 Jahren bemerkt). Es macht mir auch unheimlich viel Spaß, so etwas zu schreiben. Habe mir auch fest vorgenommen, irgendwann mal einen echten Krimiroman zu verfassen ^^

@ MsGranger: Bellatrix kommt im … öhm … übernächsten Kapitel wieder vor, soweit ich das in Erinnerung habe.

@ Seline Snape: Herrlich, endlich mal jemand, der Imperia und Zsa-Zsa zumindest lustig findet. Aber ich glaube, selbst Leute, die diese beiden Weiber hassen, werden am Ende noch über sie lachen können ;)


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