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Fanfiction

Harry Potter und das Geheimnis seiner Ahnen - Auf Abwegen und Irrwegen

von Eosphoros

36. Auf Abwegen und Irrwegen


Hektisches, nervtötendes Klopfen riss Severus Snape aus seinen Gedanken. Er hatte wider besseres Wissen und vollkommen gegen seine Überzeugung die Suche nach Remus Lupin, dem Tier, abgebrochen und war mit den Auroren nach Hogwarts zurückgekehrt. Natürlich hatten sie recht. Nur durch eine geordnete, koordinierte Suche würde Lupin zu finden sein. Severus starrte in das halbleere Cognacglas. Es war schön anzusehen, wie sich das Feuer in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit reflektierte. Wunderschöne Farben in allen Schattierungen von gelb bis hin zu tiefem Rotbraun. Alles war vertreten. Er hob den Schwenker und wollte den restlichen Alkohol die Kehle hinabstürzen, als jenes hektische, nervtötende Klopfen seine melancholische Stimmung störte.

Er stellte das Glas zu heftig auf das Tischchen. Der Stiel barst und riss den Kelch mit sich. Severus fluchte ungehalten. Der Cognac ergoss sich über die Tischplatte und benetzte seine Hand. Ärgerlich schüttelte er die Tropfen ab und wandte sich dem penetrant werdenen Klopfen zu. Er stürmte zur Tür, riss sie auf und hatte prompt einen Draco Malfoy im Arm.

„Mr Malfoy, ich muss doch sehr bitten! Um diese Zeit treiben Sie sich in den Gängen der Schule herum?“, wies er seinen Schüler zurecht. Er packte ihn an den Oberarmen und schob ihn von sich.

„Ich muss Sie sprechen, Professor Snape. Dringend!“

„Sie werden sich bis morgen gedulden müssen, Mr Malfoy!“, fauchte Severus und wollte dem Jungen die Tür vor der Nase zuschlagen.

„Nein!“, entgegnete Draco mit der gleichen Entschiedenheit. „Jetzt! Sofort! Sie sind mein Hauslehrer und Du bist der beste Freund meines Vaters und meiner Mutter. Ich…“

Snape schnappte nach Luft. Dieser Bengel, Lieblingsschüler hin oder her, wagte es ihn zu duzen?„Ich verbitte mir diesen familären Ton. Kommen Sie schon rein, Mr Malfoy!“, schimpfte er und schubste den Jungen in seine Räume. Erst nachdem er die Tür geschlossen und mit einem Fluch gegen ungebetene Lauscher gesichert hatte, wandte er sich Draco zu.

„Sie spielen ein gefährliches Spiel. Sie können froh sein, dass ich tatsächlich nach wie vor ein Freund Ihres Vaters und Ihrer Mutter bin. Aber mich in der Öffentlichkeit zu duzen, ist eine Frechheit, die ich nicht ungestraft dulden werde.“

„Sie sagen doch immer, der Zweck heilige die Mittel. Ohne diesen familiären Ton hätten Sie mich wieder in den Kerker geschickt. Außerdem nimmt doch eh jeder an, dass Sie mein Taufpate sind.“

Severus machte ein verächtliches Geräusch, setzte sich und lud Draco mit einer ausholende Geste ein, Platz zu nehmen. Dieser flegelte sich in einen der Sessel und streckte die langen Beine von sich. Severus musste zugeben, dass der Junge sich entwickelt hatte. Aus dem verwöhnten Kind war ein nicht weniger verwöhnter Teenager geworden, der ebenso skurpellos und manipulativ zu werden drohte wie sein Vater. Das helle, gegelte Haar glich schon jetzt eher dem seines Vaters als dem der Mutter.

„Sie werden morgen nachsitzen, Draco! Ich hoffe, das ist Ihnen bewusst!“

„Das glaube ich kaum, Professor. Ich werde morgen nicht mehr in Hogwarts sein“, entgegnete Draco leise. Er wirkte zerknirscht und besorgt. Severus musterte seinen Liebling und kniff die Augen zusammen. Etwas stimmte nicht in der Haltung des Jungen. Er wich seinem Blick aus und starrte ins Feuer. Severus stöhnte innerlich. Wieder jemand, der glaubte, ihn hinters Licht führen zu können.

„Das müssen Sie mir erklären“, forderte er so sanft es ging. Dass Draco etwas auf der Seele lag, war unschwer zu erkennen. Auch wenn er nichts ins Feuer starren und an seinem Daumennagel nagen würde. Alles war perfekt einstudiert, fand Severus. Sogar Dracos tiefes Luftholen und das plötzliche Aufrichten des Blicks, musste er akribisch geübt haben.

„Sind Sie wirklich nach wie vor der Freund meiner Eltern oder kündigen Sie ihnen die Freundschaft auf, nachdem was geschehen ist?“

Severus stutzte, schlug die Beine übereinander und legte die Fingerspitzen gegeneinander. Er hatte mit einer anderen Eröffnung gerechtet.
„Das kommt darauf an, was Sie mir zu beichten haben. Habe ich denn Grund Ihren Eltern die Freundschaft aufzukündigen?“

Draco zuckte mit den Schultern und entgegnete ebenso sanft und abwartend: „Sagen Sie es mir?“

Severus schüttelte den Kopf und verzog einen Mundwinkel. Die einzige Form eines Lächelns, die er sich gestattete.
„Sie treiben wirklich ein gefährliches Spiel Draco. Ich bin keiner Ihrer Schulkameraden. Lassen Sie Ihre Manipulationsversuche und sagen Sie direkt, was Sie herführt!“

„Nun, ich muss doch wissen, wie Sie zu mir und meiner Familie stehen. Mein Vater ist ein Anhänger Voldemorts, meine Mutter will sich von ihn trennen“ - Severus schnaubte - „immerhin…“

„Sie sollten besser schweigen, bevor Sie sich um Kopf und Kragen reden, Draco. Sie scheinen Ihre Mutter schlecht zu kennen.“

Draco lachte auf. Es klang bitter und Severus fürchtete, dass seine Annahme der Junge würde spielen, nicht berechtigt war.
„Sie kennen Sie anscheinend auch nicht richtig. Sie hat mir geschrieben und mich angefleht, Hogwarts zu verlassen. Sie befürchtet, ich könne hier in Gefahr sein. Ich möchte meine Mutter ungern allein wissen, wenn sie solche Angst hat.“

Severus hatte seine Mimik und Gestik im Griff. Seine Annahme war berechtigt. Draco war nicht schlecht, doch beging er den Fehler jedes Anfängers, die Geduld zu verlieren und die Taktik zu wechseln. Er hätte weiter auf das Thema Freundschaft herumhacken müssen. Der Junge hatte seinen Gesichtsausdruck, seine Bewegungen, ja sogar seine Tonlage genau im Griff, wenn nicht die Ungeduld wäre. Er musste noch viel lernen.

„Sie verstehen doch, dass ich meine Mutter unmöglich allein lassen kann.“

„Ihre Mutter nimmt also an, Sie wären in Gefahr? Warum?“

Draco fasste sich betroffen an die Brust und riss entsetzt die Augen auf. „Sie schrieb mir, dass es keinen guten Eindruck auf die Anhänger des Dunklen Lords gemacht hat, dass sie sich von meinem Vater trennen will. Sie hat Angst.“

Severus konnte nicht anders, es brach aus ihm heraus. „Das ist die erbärmlichste Vorstellung, die ich je von Ihnen gesehen habe, Draco. Als dieser verrückte Hippogreif Sie am Arm gekitzelt hat, waren Sie überzeugender gewesen. In diesem Fall, den wir jetzt haben, Mr Malfoy, wäre etwas weniger Dramatik, dafür mehr Menschenkenntnis und Geduld von Vorteil gewesen. Sie scheinen zu vergessen, dass Ihre Mutter alles andere als eine ängstliche Frau ist. Narzissa hatte niemals Angst und schon gar nicht vor den Todessern. Vor Seiner Lordschaft mag sie sich fürchten. Aber niemals vor einem Seiner Anhänger oder gar ihrem Mann. Das ist lächerlich. Zeigen Sie mir den Brief!“

Draco verzog das Gesicht und ließ die Hand von der Brust sinken. Er zog aus der Hosentasche ein gefaltetes zerknittestes Pergament heraus und reichte es Severus. Er nahm es an sich und wartete, bis der Junge es sich wieder bequem im Sessel gemacht hatte.

„Also weniger Dramatik und mehr Geduld“, murmelte dieser leise. „Ich werde es mir merken.“

„Das sollten Sie!“ Severus las den Brief und fühlte förmlich wie sich seine Mundwinkel kräuselten. Würde er Narzissa und Lucius nicht so lange und so gut gekannt haben, er hätte ihr die besorgte Mutter abgekauft und ohne Weiteres angenommen, dass Lucius Malfoy seine gute Kinderstube vergessen und der Mutter seines Erben oder seinem Erben selbst etwas antun würde.

„Draco, mein Junge, etwas Schreckliches ist geschehen. Ich fühle mich nicht mehr sicher und ich befürchte, dass auch Du in Gefahr schwebst. Dein Vater hat den Trubel der vorletzten Nacht, als ganz England in Panik vor den Werwölfen erbebte, zur eigenen Flucht genutzt und wie ich glaube, wird sein erstes Ziel nicht etwa der Dunkle Lord sein, sondern Malfoy Mansion. Er wird mich umbringen, ich spüre es, weil ich ihn verlassen wollte und es noch will. Er wird mich umbringen und Dich mir dann wegnehmen.“

Severus schnaubte. Der Frau war beim Schreiben offenbar die Unlogik dieser Reihenfolge entgangen.

„Er wird mir die schwerste aller Wunden zufügen, indem er Dich mir wegnimmt.“

Er rollte mit den Augen. Sie wiederholte sich. Entweder war sie abgelenkt oder vom Gelingen der Sache nicht überzeugt. Er las weiter.

„Ich will nicht, dass Du in die Fänge der Todesser geräts. Das kann und darf ich als gute Mutter nicht zulassen. Du bist zu jung für diese Prüfung und die Last, die eine Mitgliedschaft mit sich bringt. Ich wusste, dass dieser Tag einmal kommen würde und ich hoffe inständig, nicht zu spät gehandelt zu haben. Es wird die richtige Entscheidung sein, mich von ihm zu trennen, doch ich fürchte um Deine Sicherheit und mein Leben. Ich bitte Dich, so rasch als möglich heimzukommen. Ich will Dich jetzt bei mir haben. Alles ist vorbereitet, um uns vor Deinem Vater in Sicherheit zu bringen. Bitte Professor Snape, Dich nach Hause zu schicken. Er wird es verstehen. Es muss einfach sein. Ich muss mich mit dem Schreiben beeilen. Der Dunkle Lord lässt mich beobachten. Deine Tante Bellatrix ist ein ausgezeichneter Wachhund. Ich weiß, dass sie ihm gegenüber loyal ist. Und gerade deswegen wird sie sich, wenn eine Entscheidung von ihr gefordert werden würde, stets gegen die Familie und für Seine Lordschaft einsetzen.
Beeile Dich, mein Liebling. Wenn Du bis zum Morgengrauen nicht bei mir bist, weiß ich, dass ich vergeblich geschrieben habe und Dein Vater Dich in seinen Fingern haben wird. Dann habe ich Dich, mein Schatz, für immer verloren und das Leben hat für mich keinen Sinn mehr. Dann kann er ruhig kommen und mich töten. Dann habe ich keinen Lebenswillen mehr.


Deine Dich liebende Mutter.

Severus, ich flehe Sie an, lassen Sie meinen Jungen nach Hause. Lucius wird nicht mehr er selbst sein. Ich habe gesehen, was Askaban aus Bellatrix gemacht hat und traue meinem Mann alles zu. Helfen Sie mir!“

Severus faltete das Blatt zusammen und reichte es Draco, der es in seine Tasche zurückstopfte und ihn mit diesen hellen, so unschuldig wirkenden Augen musterte.

„Und?“

„Was und?“

„Sie haben doch gelesen, worum es geht, Sir. Ich muss zu meiner Mutter. Mein Vater wird sie umbringen, wenn sie alleine ist.“

„Schätzen Sie Ihrem Vater etwa so ein? Glauben Sie, dass Ihr Vater Ihre Mutter tatsächlich umbringen würde?“

„Meine Mutter glaubt es offenbar“, wich Draco der Frage aus. Severus lächelte innerlich. Eine Lüge hätte er sofort durchschaut, schließlich kannte er Draco seit seiner Geburt. „Sie lassen mich also nicht gehen?“

„Das habe ich nicht gesagt.“ Der verwirrte Blick des Jungen war einige Galleonen wert. Severus genoss diese Irritation und prägte sich die Miene des Jungen ein.

„Soll das heißen, dass Sie…“

„Halte mich nicht für dumm“, schnarrte Severus und ging in den familiären Ton über, den er zuvor verabscheut hatte. „Ich kenne deine Eltern lange genug, um zu wissen, dass die beiden sich längst gesehen haben und sie dich einzig und allein aus dem Einflussbereich der Auroren haben wollen. Deine Mutter war abgelenkt, als sie ihn geschrieben hat. Das wird jeder bemerken, der den sachlichen Ton deiner Mutter kennt. Einen Brief wie diesen hätte sie in der Form wohl vor siebzehn Jahren geschrieben.“

Severus seufzte und erhob sich. Er trat an den Kamin und legte eine Hand auf den Sims, während er die andere in die Hüfte stemmte. Er beobachtete die züngelnden Flammen und sprach wie zu sich selbst: „Es war von vornerein klar, dass Narzissa sich nie von Lucius trennen würde und selbst dieser angebliche Bastard war nur ein Vorwand, um genau diese Situation vorzubereiten. Wer weiß, was deine Mutter noch getan hat, um deinen Vater aus Askaban herauszuholen. Ich traue ihr sogar zu, die Pläne Seiner Lordschaft so genutzt zu haben, dass für sie das herausspringt, was sie sich am meisten wünschte, nämlich die Freiheit deines Vaters.“ Er drehte sich um und musterte den Jungen. Draco wirkte kühl und rein, wie ein Engel, der nichts getan hatte, was auch nur im entferntesten Anlass zum Zweifel an seiner Aussage aufkommen lassen würde.
„Du bist gut, Draco, deine Mimik verrät im Augenblick nicht, was du fühlst oder denkst. Bravo!“

Severus hatte erreicht, was er wollte. Der Junge errötete und senkte verlegen den Blick.

„Ich lasse dich gehen. Aber nur weil dein Vater nach wie vor mein bester Freund ist. Deine Mutter hat dieses Privileg verloren. Sie wird wissen, warum. Pack deine Sachen und richte ihr aus, dass weniger Theatralik mich eher überzeugt hätte. Sie fällt in ihre alten Gewohnheiten zurück. Frage ruhig deinen Vater, wie sie ihn dazu bekommen hat, ihn zu heiraten. Sicher, die beiden lieben sich jetzt, doch von seiner Seite aus war das nicht immer der Fall.
Wenn ich Narzissa das nächste Mal sehe, werde ich ihr die Haare herausreißen und sie an ihrem eigenen Zopf am nächsten Baum aufknüpfen. Selbst das ist noch zu wenig, um sie für das zu strafen, was sie Rea Lupin angetan hat. Ich weiß, dass sie ihre Finger im Spiel hatte. Es trägt genau ihre Handschrift. Sie wird für den Tod Reas büßen müssen. Sie und ihr kleines Schoßtier.“

„Ich…“

„Du wirst den Weg nach Hogsmeade sicher finden. Wenn kein Nachtzug fährt, musst du fliegen oder apparieren. Im Moment wird sich ohnehin niemand um einen zaubernden Minderjährigen kümmern. Konzentriere dich beim Apparieren und lege kleine Strecken zurück.“

Severus erhob sich, trat an seinen Schreibtisch und kritzelte eine Adresse auf einen Zettel. Er reichte ihn Draco und erklärte: „Wenn du dich für Flohpulver entscheidest, dann geh zu Rosmerta und peile diesen Kamin an. Er ist im Haus eines Freundes unweit von Malfoy Mansion.“

Draco steckte den Zettel ein, erhob sich und streckte die Hand aus. Aber Severus ignorierte sie, schritt zur Tür und löste den Fluch.

„Und nun raus hier“, flüsterte er heiser. „Raus! Sofort!“, schrie er und musste sich einen verächtliches Grinsen verkneifen, denn Draco stürmte zur Tür, riss sie auf und rannte den Flur entlang in Richtung Kerker.

Severus wollte die Tür schließen, als er die Geräusche langsamer, fast träger Schritte vernahm. Sie waren eindeutig nicht Dracos. Er zog sich in seinen Raum zurück und ließ die Tür einen Spaltbreit auf. Tief in Gedanken versunken schlenderte Harry über den Flur. Zumindest erweckte es den Eindruck, als würde der Junge schlendern. Severus widerstand dem Implus, Potter zur Rechenschaft zu ziehen, denn etwas Unbekanntes ging von ihm aus. Der Junge wirkte verwirrt. Als Severus sich konzentrierte, seinen Zauberstab auf ihn richtete und Legilimens dachte, stieß er auf eine Barriere aus wirren unnützen Bildern, die keinen Sinn für ihn ergaben. Hatte der Junge es endlich gelernt, sich zu beherrschen? Er war nicht länger wie ein offenes Buch für ihn. Ein Verdacht kroch in ihm hoch. Es gab zwei Methoden jemanden gegen Legilimentik zu feien. Einer davon war der legale Weg, den er im vergangenen Schuljahr eingeschlagen hatte. Natürlich nicht mit den Samthandschuhen, die vom Gesetzt vorgeschrieben waren. Der zweite, der illegale, führte über eine Konfrontation mit Ängsten, Gefahren und Schwächen ja sogar durch Beinahetoderlebnisse. War Harry Potter von jemandem in Okklumentik auf diese Art und Weise unterrichtet worden? Das würde die Zusammenbrüche des Jungen erklären. Severus, überrascht von dieser Entdeckung, verpasste den Zeitpunkt, um Harry und damit Gryffindor einen Batzen Punkte abzuziehen.

Er schloss die Tür, reparierte den Cognacschwenker mit einem Schlenker des Zauberstabs und schenkte sich reichlich ein. Wenige Sekunden später saß er in seinem Lieblingsessel und beobachtete fasziniert das Spiel des Feuers in der herrlichen bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Ja, Lupin würde bezahlen für das bezahlen, was er Rea angetan hatte, und Narzissa ebenso. An Harry Potter dachte er nicht mehr.


° ° ° ° ° ° °


Harry lag noch lange wach. Der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Er musste verdauen, was er gehört und gesehen hatte. Es war alles so verwirrend auf eine unerklärliche Art und Weise. Er hatte seine Fragen doch mit Bedacht gestellt und war sich sicher, keinen Fehler gemacht zu haben. Dennoch fühlte er sich wie zerschlagen. In den Filmen, die er gesehen und den Büchern, die er gelesen hatte, hatte nichts über die psychische Belastung gestanden, die er nun fühlte. Er hatte gewusst, dass Peter Pettigrew der Verräter seiner Eltern war, doch es vor Zeugen noch einmal aus dem Mund des Mannes zu hören, war etwas gänzlich anderes, als Harry erwartet hatte. Er fühlte weder Genugtuung noch Befreiung, er fühlte nur Trauer. Es machte seine Eltern nicht lebendig und gab Sirius die verlorenen Jahre nicht zurück.
Dann diese Eröffnung Pettigrews, dass er dieses Mal verraten wurde und das von einer ihm nahestehenden Person, tat nichts, um diese psychische Belastung zu lindern. Als er den Namen seiner Tante deutlich im Geist Peter Pettigrew gesehen hatte, hatte er nicht gewusst, was er glauben oder nicht glauben sollte. Er musste verstehen, was er getan hatte. Hatte er sich tatsächlich in den Geist Pettigrews eingeklinkt? Aber wie? Er hatte keine Ahnung, wie er Legilimentik anwenden musste, um das zu tun, was Pettigrew ihm unterstellt hatte. Dennoch. Er war im Kopf des Mannes gewesen. Er hatte den Namen seiner Tante gesehen, zumindest die Vorstellung des Namens den Pettigrew in seinem Kopf hatte. Er erinnerte sich, dass er etwas gedacht hatte. Er hatte Pettigrew im Geiste aufgefordert, ihm endlich alles zu sagen, ihm alles zu zeigen, ihm alles zu offenbaren.

Harry warf sich auf die andere Seite. Sein Bett knarrte und ächzte unter der Wucht. Obwohl er die Samtvorhänge zugezogen hatte, konnte er Nevilles mit einem Mal unrhythmisch gewordenes leises Schnarchen hören.

„Harry, nun komm endlich zur Ruhe!“, mahnte Seamus verschlafen.

Harry rührte sich nicht und reagierte auch nicht. Er grübelte. Seine Tante hatte ihn doch mit offenen Armen aufgenommen. War das alles nur Spiel gewesen? Hatte sie ihm nur vorgegaukelt, seine Freundin und liebende Großtante zu sein? Sie hatte sich schwer getan, ihm die Beziehung seiner Familie zu Slytherin und Gryffindor zu offenbaren. Natürlich hatte er heftig reagiert, wie auch nicht. Man erfuhr nicht jeden Tag, dass der eigene Vorfahre zwei der Schulgründer als Zauberlehrlinge gehabt hatte. Das musste jeder erst einmal verdauen. Harry seufzte innerlich und drehte sich leise auf den Rücken. Sicher hatte er überreagiert, denn seinem Vorfahren konnte niemand vorwerfen, einen Mann wie Salazar Slytherin ausgebildet zu haben. Dumbledore warf ja auch niemand vor, dass dieser Voldemorts Lehrer gewesen war. Dennoch saß der Schock irgendwie tief. Allmählich mischte er sich mit Stolz. Hatte Pettigrew nun die Wahrheit gesagt oder ihn lediglich auf eine falsche geführt. Harry war unsicher.

Endlich fiel er in einen unruhigen kurzen Schlaf, der ihm zwar körperliche Erholung brachte, jedoch sein Geist war am nächsten Morgen so müde und abgespannt wie zuvor.



° ° ° ° ° ° ° °

„Sirius, wenn du jetzt aufstehst, werde ich dich mit Ketten an dieses Bett fesseln und Hagrid vor der Tür postieren!“, fauchte Madam Pomfrey. Sie stützte die Fäuste auf dem Krankenbett auf und gab damit ein etwas kleineres Spiegelbild Sirius Blacks ab, der auf der anderen Seite in ähnlicher Haltung dastand.

„Es ist mir egal! Ich werde hier nicht untätig herumliegen, wenn Pettigrew im Westturm hockt. Ich werde diesem Bastard seinen kleinen dürren Hals umdrehen!“, schrie er der Krankenschwester entgegen. „Glaubst du etwa, ich werde es dulden, dass dieser Mistkerl wieder einen seiner schäbigen Tricks anwendet, um Harry zu verwirren und seiner gerechten Strafe zu entkommen? Zweimal hat er mich an der Nase herumgeführt. Das erste Mal habe ich mit zwölf Jahren Askaban dafür büßen müssen und das zweite Mal mit zwei Jahren Flucht, Exil und Untätigkeit! Ich werde es nicht zulassen, dass er mir ein drittes Mal mein Leben versaut!“ Sirius klang fast hysterisch.

„Meiner Ansicht nach hat Sirius vollkommen recht“, mischte sich Hermine an. Sie hatte die Chronik auf einem kleines Lesepult liegen, das auf ihrer Bettdecke stand. Ohne aufzublicken, blätterte sie eine Seite weiter und machte sich eifrig Notizen.

„Um Merlins Willen, Miss Granger, mischen Sie sich nicht ein und essen Sie endlich ihr Frühstück!“, herrschte Madam Pomfrey sie an, während Sirius zur gleichen Zeit in ähnlichem Tonfall meinte: „Hermine, das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Ich fechte meine Kämpfe alleine aus!“

Hermine sank in ihre Kissen zurück, zuckte mit den Achseln und blätterte weiter.

„Oh, Sirius Black will kämpfen?“, spottete Madam Pomfrey. „Fechten will er sogar? Muss ich dich daran erinnern, dass ich dreifache Preisträgerin der magischen Fechtvereinigung Großbritanniens bin? Gib mir einen Degen und ich nehme es mit dir allemal auf!“, keifte sie.

Harry stand in der Tür zur Krankenstation, seine Büchertasche über der Schulter. Die sich im bietende Szene verwirrte und amüsierte ihn gleichermaßen. Es gab eine magische Fechtvereinigung und Madam Pomfrey war ihre Preisträgerin? Er konnte sich die energische Krankenschwester zwar mit einer Keule in der Hand vorstellen, aber mit einem Degen?
Harry zog die Augenbrauen hoch und wollte sich bemerkbar machen, obwohl er keine Veranlassung hatte, in einen Streit zwischen die Fronten zu geraten.

„Achja? Wann war das? 1920?“, konterte Sirius und hangelte sich Zentimeter um Zentimeter zum Bettende weiter.

„Werde nicht frech, junger Mann! Sirius, ich kann es nicht verantworten, dich jetzt aufstehen zu lassen!“

„Ich steh schon und es geht mit gut!“, keuchte sein Pate. Harry schüttelte den Kopf über so viel Sturheit.

„Aber nicht mehr lange“, orakelte Hermine und stopfte sich wie nebenbei ein Stückchen Apfel in den Mund. Harry ahnte, wie schwer seiner besten Freundin es fallle musste, in der Nähe eines Buches etwas zu essen.

„Hermine, das hilft mir jetzt nicht…“, begann Sirius schimpfend. Sein Pate wurde sehr blass, dann grün und schloss schließlich die Augen. Er wankte leicht und ruderte mit den Armen nach Halt. Es war ein dumpfer Aufschlag, als er auf den Gang zwischen den Betten fiel und halb auf der Seite, halb auf dem Rücken zu liegen kam. „…jetzt nicht gerade weiter!“, setzte er mit geschlossenen Augen fort. Seine Stimme war nicht mehr so energisch, von kraftvoll ganz zu schweigen. Er nuschelte und Harry musste wider Willen schmunzeln. Das hatte Sirius sich nun einmal selbst zuzuschreiben.

„Nun, Sirius, wer nicht hören kann, muss fühlen. Ihr Rumtreiber werdet euch nie ändern. Mit James und dir hatte ich den wohl größten Ärger, seit meiner Laufbahn als Schulkrankenschwester. Lediglich dein Patensohn und seine Freunde, ja, auch Sie Miss Granger, kommen dem recht nahe. Ich hätte erwartet“, wandte sie sich wieder an Sirius, „dass du dich im zunehmenden Älter geändert hättest, aber nein, da ist Hopfen und Malz verloren!“

Wehmütig beobachtete Harry, wie Madam Pomfrey Sirius zur Hand ging und beim Aufstehen half. Ihr scheltender Ton hatte etwas Liebenswertes. „Stets muss man auf dich aufpassen, Sirius Black. Es ist einfacher Wichtel aus Cornwall zu hüten, als dich ins Bett zu kriegen und darin auch zu halten!“

„Ist das ein Angebot?“, witzelte Sirius.

Harry verdrehte die Augen. Sein Pate war einfach ein unverbesserlicher Frauenheld. Da hatte jemand in der Nacht auf ihn eingestochen und am nächsten Morgen hatte er nichts Besseres zu tun, als Unruhe zu stiften.

„Harry!“, rief Hermine mit einem Mal.

Harry zwinkerte und trat in den Raum.

„Sollten Sie nicht in der Großen Halle beim Frühstück sein, Mr Potter?“, fauchte die Krankenschwester und bettete Sirius wieder zwischen die Federn.

„Ich habe keinen Hunger!“, murmelte er und musterte Madam Pomfrey. Ihre Miene war streng, wie in Stein gemeißelt, während sie gleichzeitig ihn betrachtete und Sirius Bettdecke feststopfte. „Wie geht es Ron?“

„Mr Weasley ist außer Gefahr und befindet sich auf dem Wege der Besserung. Sie verstehen, dass ich Sie noch nicht zu ihm lassen kann. Er schläft und braucht Ruhe. Und Sie sollten nicht zu lange bleiben, sonst kommen Sie zu spät zum Unterricht, Mr Potter!“, mahnte sie und rauschte davon. Harry fiel ein Stein vom Herzen.

„Harry, du solltest etwas essen, wirklich!“, meinte Hermine und streckte ihm ihr in kleine Stückchen geschnittenes Sandwich entgegen.

„Danke, aber ich kann jetzt wirklich nichts essen. Ich muss nachdenken und mit vollem Bauch kann ich das nicht.“ Er setzte sich neben Sirius an Bett. „Wie geht es euch beiden eigentlich?“

„Ich sage gut, sie sagt beschissen!“, moserte Sirius und deutete mit dem Kinn in Richtung Tür, durch die Poppy verschwunden war. Hermines Versuch, ein Lachen zu unterdrücken, scheiterte kläglich. „Als ob ich nicht entscheiden könnte, was ich kann und was ich nicht kann. Na und? Dann bin ich eben gerade hingefallen. Sie wäre auch hingefallen, wenn sie den ganzen Tag nichts anderes machen würde, als dumm im Bett herumzuliegen. Ich werde mit Schonkost abgespeist! Wie soll ich da zu Kräften kommen?! Ich habe zwölf Jahre lang unsinnig herumgesessen und nichts tun können. Ich will endlich diesem Wurm seinen Hals umdrehen!“

Harry langte nach der Hand seines Paten und drückte sie leicht. Sie fühlte sich warm an, war voller Leben und er atmete erleichtert auf, als Sirius den Druck erwiderte. „Deine Zeit wird kommen“, orakelte Harry und sah Hermine fragend an.

„Oh, mir geht es jedenfalls gut, solange ich nicht an gestern Nacht denke. Es war schrecklich“, flüsterte sie. „Ron…“, stockte sie, schluckte und begann den Satz noch einmal. „Ich hatte solche angst. Wenn ihr nicht gekommen wärt, dann…“ Sie wischte sich verstohlen mit dem Nachthemdärmel über die Augen und versuchte zu lächeln. Ein kläglicher Versuch, doch Harry erwiderte es dankbar. Er wusste, was sie fühlte. Sie brauchte nicht mehr zu sagen. „Es ist mir ein Rätsel wie Pettigrew unbemerkt ins Schloss kommen konnte.“

„Hermine! So eine Frage von dir? Das überrascht mich doch!“, spöttelte Sirius.

„Was soll das heißen, Mr Black!“, schnappte sie und schlug mit der Hand aufs Bett. „Erleuchte uns doch mit deinem umfangreichen Wissen, Mr Black!“ Die beiden litten eindeutig unter einem Lagerkoller.

„Pettigrew ist eine Ratte und er hat mit an der Karte des Herumtreibers gebastelt. Er hat jahrelang hier als Haustier gelebt, erst mit Percy, dann mit Ron. Er kennt sich im Schloss wie kein zweiter aus, kann Gänge nutzen, die wir nicht kennen und wenn wir sie kennen würden, nicht nutzen könnten“, erklärte Harry, nachdem er seinem Paten einen kurzen Blick zugeworfen hatte.

Hermine nickte und fasste sich an den Kopf. „Die Frage war wohl wirklich dumm, oder Harry?“

Harry schüttelte den Kopf. „Dumbledore hat gestern die gleiche Frage gestellt. Ich glaube, wie sehen allmählich nicht einmal mehr, was deutlich vor unseren Augen liegt. Als ob man den Wald sucht und die Bäume einem die Sicht versperren“, flüsterte er und schlug mit der Hand auf Sirius' Bett.

„Sachte sachte, ich bin schwerkrank“, neckte ihn sein Pate. „Es gibt keine dummen Fragen, Hermine. Wir haben ziemlich viel durchgemacht. Innerhalb kürzester Zeit ist so viel geschehen. Es ist wie damals. Sie sorgen dafür, dass wir panisch werden und beginnen Fehler zu machen. Es ist zum Verrücktwerden. Ich habe das Gefühl, alles schon einmal erlebt zu haben. So viele Verletzte, so viel Verwirrung in den eigenen Reihen… In ganz England muss es furchtbar aussehen. Ich mag mir nicht vorstellen, was in St. Mungus los ist.“ Sirius brach ab und ließ Harrys Hand fahren. „Wir sind wohl alle nicht die besten Gesellschafter momentan. Kümmert euch nicht um das Gebrabbel eines alten Mannes.“

„Sirius du bist nicht alt“, empörten sich beide. Doch Sirius winkte ab, verdrehte theatralisch die Augen und gab zerknirscht von sich: „Es fühlt sich aber so an. Hermine platzt gleich vor Aufregung, Harry, rede mit ihr und komm nach dem Unterricht wieder. Vielleicht lässt mich dann der Kerkermeister aufstehen. Ich hätte Lust auf eine Runde Quidditch oder Fechten!“

Harry quälte sich ein Grinsen ab und eilte zu Hermine hinüber, die tatsächlich beinahe zu platzen drohte. Ihre Augen hatten jenes vor Wissen strotzende Glänzen, dass beinahe unheimlich wirkte. Obwohl sie kurz zuvor noch bedrückt gewesen war, schien der Gedanke an Wissen und Erkenntnis für sie die beste Medizin, ja, der beste Muntermacher zu sein.

„Gut, dass du Dobby das Buch gegeben hast. Es ist das faszinierendste, was ich jemals gelesen habe. Naja, fast das faszinierendste. Die Geschichte Hogwarts toppt das Ganze noch. Du solltest sie unbedingt lesen, Harry. Aber da rede ich wohl gegen eine Wand. Schon gut. Also es ist eines von den intelligenten Büchern. Es ist verzaubert und…“

„Das weiß ich schon. Ron hat es mit den Fluchbüchern verglichen, die Gringotts in seinen geheimen Lagern hat. Bill hat wohl mal so etwas erwähnt.“

„Es gibt mehrere davon?“, hakte Hermine nach. „Das muss er mir später erzählen, unbedingt. Vielleicht kann mir Bill auch davon berichten. Hach, ist das aufregend. Das Buch hat ein eigenes Leben und das, was auf den Seiten steht, offenbart nur die Hälfte dessen, was in ihm steckt. Ich habe da eine Zeichnung gefunden, die das Ritual darstellt, das zur Manipulation der Sphären ausgeübt werden muss. Unterbrich mich nicht, ich weiß, dass ihr die Bilder auch gesehen habt. Wusstest du eigentlich, dass es notwendig ist, den Zauber und das Ritual der Magie des Ortes anzupassen?“

„Was?“, entfuhr es Harry und Sirius synchron. Harry hätte sich sehr gewundert, wenn sein Pate nicht zugehört hätte.

„Lilius of Wood“, setzte Hermine ihre Ausführungen fort, „hat hier einen ganzen Absatz selbst verfasst. Ich habe ihn erst gefunden, nachdem ich das Buch davon überzeugen konnte, dass ich in deinem Name nach Wissen trachte. Komplizierte Sache. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal dankbar dafür sein würde, von dir geküsst worden zu sein.“

„Danke vielmals, Hermine! Ich fand es auch schrecklich!“, schimpfte Harry. Sirius kicherte hinter vorgehaltener Hand. Harry tat beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. Natürlich war der Kuss schrecklich gewesen. Es hatte sich nicht nur falsch angefühlt, sondern auch so, als würde er seine Schwester küssen, wenn er denn eine hätte. Aber das gesagt zu bekommen war immer noch etwas anderes, als es lediglich zu fühlen und zu wissen.

„Sei nicht so. Du weißt, wie ich das meine. Wenn ich Ron küsse, fühlt es sich nun einmal anders an, richtig und eben… anders.“

Harry nickte. Er wusste genau, wovon Hermine sprach. Bei Ginny ging es ihm ähnlich. Er zwinkerte ihr zu und deutete mit dem Kinn auf das Buch. Sie sollte fortfahren.

„Wie dem auch sei, das Buch muss mich durch den Kuss mich zu dir gehörig akzeptiert haben. Frage nicht, wie lange ich auf dieses herrliche Kleinod des Wissen eingezaubert habe. Ich habe deine und Rons Spuren verfolgt bis zur Illumination, die ihr zum Schluss betrachtet habt. Interessant übrigens. Die beiden Ceris sind tatsächlich bei dem Ritual gestorben, allerdings…“

„Hermine, der Abschnitt“, mahnte Harry. Er hatte kaum noch fünf Minuten, um in den Kerker zu einem grantigen Severus Snape zu kommen, der förmlich darauf warten würde, den Gryffindors Punkte abzuziehen.

„Ja ja, ich mach ja schon. Also Lilius of Wood hat einen Abschnitt zum Thema Sphärenmanipulation in diesem Buch. Er hat es in einer Mischung aus altem Französisch, altem Englisch und Vulgärlatein geschrieben. Einige Begriff konnte ich nicht deuten, sie sind in einer vierten Sprache geschrieben. Es beschreibt die Magie als alte Magie, die noch aus Zeiten stammte, an die selbst die Zauberer sich nicht mehr wirklich erinnern können. Sie kommt aus dem alten Ägypten und war dort nur den Pharaonen vorbehalten. Er hat gemutmaßt, dass die Pharaonen durch diese Art Zauber Ernten sichern und für Regen sorgen konnten. Wenn du mich fragst, beschreibt er Furchtbarkeitsriten, die es in jeder Kultur gab und Mysterien, wie der Tod überwunden wird. Naja, wenn das alte Jahr stirbt, wird aus diesem das neue automatisch geboren und somit der Tod überwunden. Winter Frühling etc.“ - Harry klopfte mit dem Finger auf Hermines Bettdeck herum. Er schwankte noch zwischen langweilen und interessiert sein. - „Er schreibt weiter, dass es schwierig ist und nur jener zum Herrscher aufsteigen konnte, der dazu in der Lage war, ein bestimmtes Ritual auszuführen, ohne dass es zu Opfern käme. Ich stell mir das so vor, dass es eine Art Test war, um den neuen Pharao zu bestimmen oder ihn zu legitimieren. Wahrscheinlich musste er die Sphären manipulieren, damit etwas bewirken und das Medium durfte dabei nicht sterben.“

Hermine redete sich in eine Art Rausch. Sie nahm eine Seite nach der anderen zwischen beide Hände und blätterte so um. Harry hatte sie alte Bücher häufiger so handhaben sehen. Sie fuhr, wenn sie ihm etwas zeigte, nicht direkt über die Seiten, sondern verharrte mit dem Finger gut einen Millimeter über dem Pergament, als fürchte sie, es zu berühren.

„Lilius schreibt weiter, dass es nicht mit jedem Medium funktioniert. Er hat geschrieben, dass das Medium weiblich zu sein hat und die Eigenschaften einer ban-fhàidh aufweisen muss, einer sehr mächtigen ban-fhàidh. Ich weiß nicht, was eine ban-fhàidh ist, aber das finden wir heraus. Dann steht da, dass…“

„Seherin, eigentlich Prophetin!“, mischte sich Sirius ein.

„Was?“

„Eine ban-fhàidh ist eine Prophetin, eine Seherin im Gälischen. Die vierte Sprache, in der Lilius of Wood schreibt, ist Gälisch, denke ich mir“, erklärte Sirius. „Oder eine dem verwandte Sprache.“

Harrys Blick heftete sich auf seinen Paten und dieser zwinkerte verschmitzt. „Warum so erstaunt? Glaubst du, ich bin nur ein Rumtreiber gewesen, der nichts mit Büchern anzufangen wusste und nur Streiche ausheckte? Ich hatte auch andere Interessen außer meiner Black Lady.“

„Sein fliegendes Motorrad“, erklärte Harry. „Mach weiter, Hermine, ich bin ohnehin schon zu spät.“

„Zum Ritual braucht man außerdem einen Druiden, heute würde man Zauberer sagen, der über ein gewisses Potential verfügt. Man braucht das Medium, eine Prophetin, und ein Objekt auf den die Magie wirken muss. Lilius scheint sich nicht ganz sicher zu sein, wann dieses Ritual durchgeführt wurde. Er spekuliert, dass es sich bei diesem speziellen Ritual nicht nur um eine Legitimation der Pharaonenwürde gehandelt hat, sondern auch um eine Art Huldigung an die Göttin Isis.“

Hermine strahlte ihn lächelnd an und Harry schwirrte der Kopf. Er musste kein sehr geistreiches Gesicht gemacht haben, denn Hermine stöhnte und erklärte: „Isis ist auch als Mondgöttin gedeutet worden. Verstehst du? Du kannst mit diesem Ritual hier nur und damit meine ich nur den Mond beeinflussen oder zumindest so tun, als würdest du ihn beeinflussen. Es gibt verstärkende Faktoren, wenn ich den Text richtig übersetze. Ohne Wörterbuch macht sich das etwas schlecht. Hier ist von Katalysatoren die Rede und von bestimmten Sternenkonstellationen… weiter bin ich noch nicht.“

Als Harry noch immer nicht reagierte, knuffte Hermine ihn. „Aber was soll das Voldemort bringen? Und was hat das alles zu bedeuten?“, fragte er eher sich selbst.

„Das weiß ich nicht. Aber eines kann ich dir sagen. Lilius of Wood hat genau beschrieben, welche Eigenschaften der Zauberer und welche die Prophetin haben muss. Er umschreibt es etwas umständlich und schreibt viator inter mundos - Wanderer zwischen den Welten - und am Rand steht Urbis Alia, was wahrscheinlich als Anderswelt also Unterwelt zu verstehen ist. Der Nachtrag ist von späterer Hand. Wahrscheinlich kurz nach dem Tod Lilius of Wood, wenn du mich fragst.“

Harry nickte. Aber er kam nicht dahinter, warum Voldemort einen solch gefährlichen Zauber ausüben wollte. Wollte er wirklich nur die Werwölfe unter Kontrolle bringen? Oder war das eine unbeabsichtigte Zugabe?

Doch Hermine war noch nicht fertig. Sie zupfte an Harrys Arm und gab erst Ruhe, als er auf ihre Fingerspitze starrte, die über einer fast völlig geschwärzten Passage verharrte. „Aber hier steht noch etwas in… Gälisch. Leider erkennt man nur noch eilthireach und teachdail.“

„Wanderer oder Pilger und Zukunft“, nuschelte Sirius.

„Also muss die Prophetin wirklich das zweite Gesicht haben und nicht einfach wild herumorakeln?“, dachte Harry laut.

„Na, dann wird das Ritual nie funktionen“, meine Hermine schnippisch, wie stets, wenn es um Dinge wir Wahrsagen und Prophetien ging. „Du solltest jetzt auch gehen! Sonst flippt Snape vollkommen aus.“ Harry erschrak und sprang vom Bett. Seherin hin oder her, er musste sich wirklich sputen. Ob er nach alldem, was er gehört hatte, noch einen klaren Gedanken würde fassen können, bezweifelte er.

„Bis später und passt aufeinander auf“, mahnte er im Hinauslaufen.

Die beiden versprachen es und Harry nahm die Beine in die Hand. Jetzt hatte er nichts über das Verhör Pettigrews erzählt, was er eigentlich hatte tun wollen. Er flitzte aus dem Krankenflügel und rannte die leeren Flure entlang. Endlich hatte er die Stufen erreicht die zum Kerker hinabführten. Er nahm zwei auf einmal und nahm so viel Schwung aus seinem letzten Sprung mit, dass er die dunkle Gestalt vor ihm zu spät sah, mit ihr zusammenprallte und zu Fall brachte. Harry landete weich, doch der Mann unter ihm war hart auf den Fliesen aufgeschlagen und schimpfte dementsprechend.

„Geh runter von mir, du Bengel. Wenn ich herausfinde in welchem Haus du bist, werde ich dir so viele Punkte abziehen, dass dein Haus erst wieder Punkte gewinnen muss, um auf Null zu kommen!“

Harry war direkt in Snapes Rücken geschliddert und war mit voller Wucht auf ihm gelandet. Verzweifelt wünschte er sich, sich unsichtbar machen zu können. Er rappelte sich auf und streckte dem derangiert wirkenden Professor die Hand entgegen.

„Es tut mir leid, Professor, ich habe Sie nicht gesehen“, murmelte Harry außer Atem.

„Ah, Mr Potter! Natürlich! Wer sonst! Sie sind unpünktlich, wie immer!“ Snape akzeptierte Harrys Hand und zog sich, sein ganzes Gewicht hineinlegend, an dieser hoch. „Haben Sie sich bei Miss Granger und Black aufgehalten, um meinen Unterricht zu schwänzen?“ Snape packte ihn am Oberarm und sah ihn herausfordernd an.

„Nein, Sir. Ich war bei den beiden um mehr über Voldemorts Pläne herauszufinden.“ Snape kniff die Lippen zusammen und runzelte die Stirn, wie immer, wenn er den Namen des Dunklen Lords hört.

„Die Pläne des Dunklen Lords werden sich kaum von zwei Teenagern und einem Versager entwirren lassen. Und nun rein mit Ihnen, Mr Potter. Zwanzig Punkte Abzug von Gryffindor wegen Zuspätkommens.“

Harry wurde von Snape in den Kerker geschoben und sah alle Blicke auf sich gerichtet.

„Setzen Sie sich Mr Potter und verhalten Sie sich ruhig. Ich will kein Wort von Ihnen hören oder ich werde es wahrmachen und dafür sorgen, dass der Punktestand Ihres Hauses in den Minusbereich rutscht.“

Harry machte sich von Snape los und nahm einen Platz in der letzten Reihe ein. Er hörte kaum etwas von dem strikten Unterricht den Snape gab, obwohl er seinen Professor kaum aus den Augen ließ. Severus Snape wirkte blasser als sonst, abgespannter, ungepflegter. Tiefe Ringe lagen unter seinen Augen und ihr funkelndes Schwarz war matt. Seine sonst so sparsamen ruhigen Bewegungen waren hastig, nahezu fahrig. Harry senkte irgendwann den Blick und vergrub sich hinter dem Zaubertränkebuch. Er blätterte lustlos darin herum und landete bei einem der letzten Kapitel und begann zu lesen. Als Snape die Klasse ihre Sachen zusammenpacken ließ, schreckte Harry auf und starrte verwundert auf seine Uhr. Er hatte so intensiv und interessiert gelesen, dass ihm nicht aufgefallen war, wie rasch die Doppelstunde vergangen war. Er erhob sich, schlug das Buch zu und wusste mehr über Stechpalme und seine Heilkraft wie seine Gifte, als er je hatte wissen wollen. Er wusste, dass man die Beeren trocknen und zerstampfen musste, um einen Trank herzustellen, der lähmte. Harry mutmaßte, dass dies wahrscheinlich eine der Zutaten für den Trank der Lebenden Toten sein musste.

„Mr Potter bleiben Sie noch einen Moment!“, befahl Snape, während Harry sein Buch gerade in die Tasche legen und den anderen folgen wollte. Harry zog eine Augenbraue hoch und schlenderte zu Snape an den Tisch.

„Sie haben“, begann Severus und verschränkte die Arme in einer Art vor der Brust, die nur ihm zu eigen war, „gestern mit Mr Fudge und dem Direktor Peter Pettigrew verhört. Ich möchte wissen, was dabei herausgekommen ist.“

„Tut mir leid, Sir, ich kann es Ihnen nicht sagen. Kingsley hat einen magischen Mitschnitt in einer Verhörkugel. Fragen Sie ihn doch.“

Snape schnaufte und zog die Nase kraus. „Gehen Sie! Ich überlege mir noch, ob ich Sie für Ihre Unverschämtheit nachsitzen lasse. Ich erwarte zur nächsten Stunde einen Aufsatz von Ihnen über die Wirksamkeit von Steckpalme.“

Harry zuckte zusammen.

„Ah, Sie dachten, ich hätte es nicht bemerkt, dass Sie dem Unterricht nicht folgen? Ich merke alles, Mr Potter, was in diesen vier Wänden vor sich geht. Drei Pergamentrollen, Mr Potter. Und bitte, verschonen Sie mich mit Zauberstäben und andere Instrumentarien und bedachten Sie, ich unterrichte Zaubertränke und keine Kräuterkunde!“

Snape drehte sich um und Harry war entlassen. Doch verließ dieser den Raum nicht, ohne seinem Lehrer einen merkwürdigen Blick zuzuwerfen.

„Pettigrew sprach von einem Verräter“, begann er leise.

Snapes Kopf zuckte ruckartig in Harrys Richtung. „Sie wissen, von wem er gesprochen hat?“

Harry nickte. „Ja. Aber ich verstehe die Motivation nicht. Was macht jemanden zum Verräter?“ Er wog seine Worte genau ab. Wenn er Frau sagte, würde Snape sofort auf seine Tante kommen, bildete er sich ein. Wenn er Mann sagte, würde dieser sofort an Remus denken, dessen Schuld mehr als offensichtlich war. Mit jemand glaubte Harry sich auf der sicheren Seite.

„Warum fragen Sie ausgerechnet mich das, Potter?“, zischte Snape und funkelte ihn aus den unergründlichen schwarzen Tunneln, die seine Augen waren an.

„Sie haben sich doch offensichtlich gegen Voldemort gewendet, sonst hatte Sie Dumbledore nichts von dieser Prophezeiung gesagt“, fauchte Harry zurück. „Ich will wissen, was Sie dazu bewogen hat? Ist das so schwer zu verstehen?“

„Sie werden impertinent! Gehen Sie und kommen Sie mir heute nicht mehr unter die Augen“, entgegnete Snape. Er klang sehr ruhig. Harry beunruhigte diese Aufgeräumtheit, die Snape mit einem Mal ausstrahlte. Sie war so gänzlich verschieden zu seinem Fauchen nur wenige Augenblicke zuvor.

Harry schnaubte und schulterte seine Tasche. „Das habe ich mir gedacht, Sir. Sie sind nichts weiter als das, was Sirius von sich behauptet zu sein. Ein alter Mann. Sie sind verbittert und das macht Sie zornig!“

„Verschwinden Sie, Potter, bevor ich meine Stellung missbrauche und Sie aus der Schule werfen lasse“, flüsterte Snape. Nur seine Augen blitzten vor verhaltenem Zorn.

Harry verließ den Kerker. Die Tür schlug hinter ihm dermaßen kräftig zu, dass das Holz splitterte und nur noch ein Rest der massiven Holzkonstruktion in den Angeln hing. So viel zu Snapes Ausgeglichenheit und Ruhe, dachte Harry sich. Für einen Augenblick bedauerte er, seinen Professor so gereizt zu haben. Dabei hatte er ihn nur fragen wollen, wie Legilimentik funktionierte. Er hatte wissen wollen, ob er tatsächlich in Pettigrews Kopf gewesen war. Er musste sich einfach vergewissern, dass nicht wieder seine Einbildung das hervorgerufen hatte oder ein weiterer perfider Plan Voldemorts dahinter steckte, um ihn und die seinen zu entzweien. Dann hatte er Snape vor sich gesehen und ihm war diese Frage herausgerutscht. Wer sonst hätte ihm darüber aufklären können, was einen Menschen dazu bewog, einen anderen zu verraten?

Harry stapfte die Treppen hinauf und traf im ersten Flur auf Neville. Er las mit leuchtenden Augen und roten Wangen einen Brief und reagierte erst, als Harry direkt vor ihm stand.

„Von Mr Lovegood. Er schreibt, dass Luna wieder bei Bewusstsein ist und ihre Angstzustände zurückgehen. Sie lässt dir ausrichten, dass Isis Sirius mit Füßen tritt und es Tote geben wird.“

„Was?“, entfuhr es Harry. Neville nickte und hielt ihm das Pergament entgegen.

„Da steht's. Isis tritt Sirius mit Füßen und dann wird es Tote geben. Ich hätte nie gedacht, dass Lunas Vater Tote nicht richtig schreiben kann. Schau mal, er schreibt Thoth. Weißt du, was ein Anubis ist?“

Harry starrte auf die verschnörkelte Schrift Mr Lovegoods, packte Neville am Handgelenk und zog ihn mit sich. „Wir müssen zu Hermine. Sie hat mir heute etwas von Isis erzählt. Sie muss wissen, was es damit auf sich hat. Wahrscheinlich weiß sie auch was ein Anubis ist.“

° ° ° ° ° ° °

Draco konnte sich nicht daran erinnern, jemals in diesem Haus gewesen zu sein und doch hatte er ein Gefühl von Nachhausekommen, als er die Auffahrt entlang geeilt, die Stufen in zwei Schritten genommen und schließlich durch die Tür getreten war.

Er hatte die letzten zwei Stunden damit verbracht, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen und das Haus einer sorgfältigen Musterung unterzogen. Er hatte Türen aufgestoßen, Schränke geöffnet und in Schubladen gewühlt. Er hatte unter Tücher geschaut, Laken von Kommoden gezogen und Staub von Büchern gepustet, die er aus Regalen genommen hatte, weil sie einen interessanten Titel trugen. Er hatte sich in die Betrachtung von Gemälden verloren und war vor allem von einem fasziniert, das eine weißhaarige schöne Frau in einem lavendelfarbenem Kleid zeigte, die eindeutig Malfoy'sche Gesichtszüge aufwies. Sie hatte stumm auf ihn hinabgeblickt und nur das sparsame Blinzeln hatte Draco davon überzeugt, ein magisches Bild vor Augen zu haben. Er hatte das Gefühl seine Großmutter zu kennen und doch wieder nicht.

Dann war er in die Bibliothek gegangen und hatte sich eines der Bücher genommen, die sein Interesse erweckt hatten „Magische Artefakte und ihre Verwendung“. Draco hielt sich nicht für einen eifrigen Leser, doch las er mehr, als seine Schulfreunde je vermuten würden. Er hatte es satt, ständig auf seine Herkunft und seinen Vater reduziert zu werden. Er hatte es satt, als verkleinerte Ausgabe seines Erzeugers zu gelten, obwohl er bis zum Desaster im Ministerium durchaus stolz darauf war, dass man ihn den kleinen Lucius oder den Malfoy Erben zu nennen pflegte. Es war eine Auszeichnung gewesen, der Sohn der rechten Hand Seiner Lordschaft zu sein und dennoch hatte er in den letzten Monaten gelernt, wie wankelmütig die Gunst der Mächtigen sein konnte. Noch vor einem Jahr hatte es ihn mit Stolz erfüllt, Seine Lordschaft bereits getroffen zu haben, ihm offiziell vorgestellt worden zu sein und von ihm höchstpersönlich die Zusage erhalten zu haben, mit Erreichen seiner Volljährigkeit Mitglied bei den Todessern zu werden.

Er blätterte um. Er mochte keine Fachliteratur über Pflanzen und Blumen und hatte sich beim Titel des Buches etwas anderes vorgestellt, doch nach und nach erkannte er, dass der Autor unter dem Begriff Artefakt nicht nur von Menschenhand oder durch Magie geschaffene Objekte verstand, sondern auch Symbole und Praktiken zusammenfasste. Artefakte waren für ihn auch lebende Zeugnisse früherer Kulturen und dazu zählte er auch Pflanzen. Draco schlug das Buch zu und suchte nach dem Namen des Autors und stutzte. Der Name war nicht zu entziffern. Er war ausgeschwärzt.

„Ah, wie ich sehe, befasst du dich sinnvoll und stromerst nicht länger im Haus herum. Deine Großmutter hasst es, wenn jemand sinnlos in meinem Haus herumläuft. Ein Malfoy ist zwar neugierig, doch zeigt er es nicht.“

„Du weißt, dass in einer Abstellkammer der ausgestopfte Kopf eines Werwolfes liegt?“

„Ja, ein Mitbringsel der Familie meiner Mutter aus Böhmen. Was sagt dir das Buch?“

„Es ist anders.“

„Stell dich nicht dumm an, Draco!“

„Warum hast du mich herkommen lassen und warum hast du Mutter diese leicht zu durchschauende Show abziehen lassen? Snape wäre mir beinahe ins Gesicht gesprungen. Ich soll ihr übrigens etwas von ihm ausrichten. Wenn er sie das nächste Mal sieht, wird er ihr die Haare herausreißen und sie an ihrem eigenen Zopf am nächsten Baum aufknüpfen. Er meinte, dass selbst das ist noch zu wenig sei, um sie für das zu strafen, was sie Rea Lupin angetan hat. Er werde sie und ihr Schoßtier für den Tod Reas büßen lassen etc. etc. Nicht dass ich es um diesen Werwolfabschaum schade finde, aber ich hänge an Mutter. Ich fände es nicht so toll, wenn mein Zaubertränkeprofessor sie aufhängen würde.“

Draco hatte die zynische Ader seines Vaters geerbt und je älter er wurde, desto ausgeprägter trat sie ans Licht.

„Deine Mutter übertreibt die Dinge ab und an. Ich werde es schon zu verhindern wissen, dass Severus sie umbringt. Abgesehen davon, würde ich ihn dann kurz danach ihr folgen lassen. Also, was sagt dir das Buch?“

„Nichts?“

Draco zuckte zusammen, als sein Vater ihm den Band aus der Hand riss und es auf den Schreibtisch schleuderte. „Dachte ich es mir doch. Eigentlich hatte ich erwartet, du würdest fragen, seit wann ich solchen Schund lese, aber man kann nicht alles haben. Ich musste den Namen dieser Frau herausschwärzen, um es ertragen zu können auch nur zu berühren. Es tut gut dich zu sehen, mein Sohn.“

Draco warf dem Einband einen weiteren Blick zu und entdeckte ein kleines Wappen mit einem Dachs in dessen Mitte. Bevor er seine Beobachtung deuten konnte, fühlte sich in die Arme seines Vaters gezogen und an dessen hagere schmale Brust gedrückt. Er umschlang Lucius seinerseits und wartete, bis dieser die Umarmung löste, doch sie zog sich dahin. Draco hatte den Eindruck, dieser Ausbruch an Emotion war nur das Resultat der Gefangenschaft seines Vaters in Askaban. Lucius Malfoy roch nach starkem Duftwasser und Parfüm. Draco hatte glaubte, Migräne von der Intensität der Düfte zu bekommen. Doch bevor der Kopfschmerz endfgültig ausbrach, ließ Lucius ihn abrupt los.

„Ich werde diesen Geruch von Kerker einfach nicht los“, schimpfte er, zog einen Parfümzerstäuber aus der Tasche seines Hausmantels und sprühte sich großzügig mit der herben Mischung ein. Hinter Dracos Schädel begann es zu pochen.

„Ich freue mich wirklich, dich bei mir zu haben. Deine Mutter ist auf Malfoy Mansion, Hausarrest auf Befehl Seiner Lordschaft. Aber dich brauche ich hier. Seine Lordschaft befindet sich im Keller über Studien für sein derzeitiges Projekt. Wir brauchen einen Wanderer zwischen den Welten. Der geeignete Kandidat ist deiner Mutter und deiner Tante entwischt und ein neuer bisher nicht gefunden. Hast du eine Idee?“

Draco setzte sich ans Fenster und überlegte eine Weile, während er seinen Vater betrachtete. Lucius' Haar war kürzer und heller als er es in Erinnerung hatte. Er musste es geschnitten haben, wohl um die verfilzten Enden loszuwerden. Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen und dunkle Schatten lagen unter ihnen. Seine Nase ragte spitz aus dem hageren eingefallenen Gesicht hervor. Die Hände waren knochig. Seine Haut wirkte wächsern und matt. Selbst der Hausmantel, der prunkvolle samtgrüne mit silbernen Litzen und Borten aufwändig verzierte, schlotterte um die schmale Gestalt, die sein Vater nun war.

„Dein Entsetzen steht dir ins Gesicht geschrieben, mein Sohn. Askaban ist keine Reise in die Sommerfrische. Sogar ohne die Dementoren war ich am Rande des Wahnsinns. Das Ministerium wird dafür geradestehen, mich dorthin gebracht zu haben. Ich werde Fudge die Eingeweide herausschneiden und sie vor seinen Augen verbrennen. Erst dann werde ich ihm den Todesstoß versetzen und es wird kein Todesfluch sein, sondern eine Klinge, direkt ins Herz.“

Draco schluckte. Wahnsinn loderte in den hellen Augen seines Vaters auf. Der Augenblick war nur kurz. Das Lächeln seines Vaters konnte ihn nicht beruhigen. Er wusste in diesem Augenblick, dass der Mann vor ihm zwar sein Vater, doch gleichzeitig auch ein Fremder war.

„Also? Nenne mir einen Wanderer zwischen den Welten!“


° ° ° ° ° ° °

Sirius wollte schreien, doch kein Laut kam über seine Lippen. Es tat so weh und es brannte. Ein Gefühl, von unzähligen spitzen Nadeln getroffen zu werden. Dann wieder glaubte er zwischen Nesseltieren zu schweben, ahnungslos, wo ihn ihre mit Giftkapseln versehenen Tentakeln das nächste Mal treffen würden. Dabei hing an den Handgelenken gefesselt an einer rostigen Kette von der hohen Decke eines dämmrigen Gewölbes herab und harrte auf das, was noch kommen würde. Er hatte das Gefühl für Zeit und Raum verloren. Er betrachtete seine Umgebung wie durch den verschwommenen Blick eines Schlaftrunkenen. Er nahm die Gerüche schwach wie durch Watte gedämpft wahr. Er hasste, fürchtete und sehnte doch gleichzeitig die Präsenz seines Folterknechtes herbei. Dieser war das einzige Wesen, was zu ihm sprach. Er verstand die Worte nicht, doch genügte ihm allein der Klang einer halbwegs menschlich zu nennenden Stimme den Verstand nicht gänzlich zu verlieren.

Nägel auf Stein, so klang es stets, wenn sein Folterknecht kam und eine weitere Pervertie an ihm ausprobierte. Er hatte gefroren, er hatte geschwitzt, er hatte geschrien, er hatte gelacht, er hatte bereut, er hatte geschimpft, er hatte geflucht, er hatte gefleht und schließlich gebettelt und so sich selbst erniedrigt. Ihm schwand zusehends die Kraft, doch sein Folterknecht hatte kein Erbarmen gekannt. Er hatte ihn unter einen Wandvorsprung gesetzt und einfach gewartet. Erst war es nur ein kleiner Tropfen gewesen, der auf die höchste Stelle seines Kopfes gefallen war. Als ein zweiter diesem auf die gleiche Stelle folgte, war es noch nicht unangenehm, doch dann war das sanfte Platsch, Platsch, Platsch zu Trommelschlägen geworden. Immer und immer wieder auf ein und dieselbe Stelle. Immer und immer wieder ein kleines unscheinbares Tröpfchen. Das tausendste war nicht lauter als das erste, doch ihm hatte der Schädel gedröhnt. Er hatte geschrien, versucht dem Unausweichlichen auszuweichen. Schließlich war er in Ohnmacht gefallen. Er hatte sich in das tiefe Innere geflüchtet, um nicht ganz den Verstand zu verlieren. Er war durch eine weitere Welle von Schmerz aus der Bewusstlosigkeit erwacht.

Und dann war da diese Stimme gewiesen.

Geh darauf ein und du wirst gerettet! Geh darauf ein und du hast es hinter dir! Schließe den Pakt und du wirst frei sein!

Ja, hatte er gedacht. Ja, hatte er rufen wollen und er wurde verstanden. Die Fesseln lösten sich, die Kette verschwand. Er schwebte in der Luft.

Schwöre!

Er schwor und er fiel.

Folge dem Licht und geh durch die Pforte! Diene dem, der dich findet. Brich deinen Schwur und du wirst die Folgen spüren.

Sirius hatte sich aufgerappelt, war zusammengebrochen und hatte sich erneut auf die Beine gequält. Er hatte sich die Treppe hinaufgeschleppt, vom Licht geleitet und war dem sanften, wohltuenden Strahl gefolgt. Er hatte einen Vorhang vor sich gesehen, ähnlich dem, durch den er gefallen war. Er glaubte auf diese Pforte zuzurennen, doch schwankte er lediglich auf sie zu und trat hindurch. Er stolperte über die Schwelle und fiel. Er schrie, als jemand ihm am Arm berührte und schlug hysterisch nach den helfenden Händen.

„Beruhige dich, Black!“, hatte jemand gesagt. Es war eine menschliche Stimme gewesen, eine ihm bekannte Stimme. Sie war nicht in seinem Kopf, sie drang an sein Ohr. Er wurde ruhiger und öffnete die Augen.

„Bellatrix?“


Sirius erwachte schreiend und blickte sich verwirrt um. Er war in Hogwarts, in der Krankenstation und sah sich mit drei sorgenvoll auf ihn gerichteten Augenpaaren konfrontiert. Eines gehörte seinem Patensohn, eines Hermine und das andere dem Sohn seiner ehemaligen Mitstreiter im Orden des Phönix.

„Ich erinnere mich!“, krächzte Sirius und überließ sich den fähigen Händen Madam Pomfeys, die angelockt durch seinen animalischen Schrei in das Krankenzimmer gestürzt war. „Ich erinnere mich. Es gab nie einen Pakt mit den Toten. Es gab nur Verrat und Manipulation. Und er war dabei.“

Sirius schloss die Augen und hatte das fratzenartige Gesicht seines Folterknechtes vor Augen. Eine Visage, die nichts Menschliches mehr an sich hatte. Was er für eine Maske gehalten hatte, waren Voldemorts reptilienartige Züge gewesen. Was er für ein dämonisches Aufflackern in den Augen seines Peinigers gehalten hatte, waren die blutroten Iriden des dunklen Lords gewesen. Was er für eine annähernd menschliche Stimme gehalten hatte, war nichts als Voldemorts Gedanken in seinem Kopf gewesen. Was er für körperliche Folter gehalten hatte, hatte sich allein in seinem Kopf abgespielt. Ein geschickter, perfider Zauber. Eine Mischung aus Cruciatus und Imperius, anders konnte er sich seine Hörigkeit und seinen Glauben in einen nicht existenten Pakt nicht erklären. Diese Angstwesen hatte er sich selbst geschaffen, durch das Wissen allein, etwas Unrechtes zu tun und durch seine Unterschrift, die er dem Orden einst geleistet hatte. Ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Er selbst hatte die Narben zu verantworten. Er selbst hatte zugelassen, dass man ihn als Werkzeug gegen jene einsetzte, die er liebte. Er selbst hatte sich gestraft.

Sirius sank zurück und ließ sich gehorsam in einen magischen traumlosen Schlaf, der endlich die gewünschte Genesung bringen würde, versetzen.



~ tbc ~

________________________________

Dieses Mal komme ich um Anmerkungen nicht herum:

AN 01 - Mythologie

Isis - ist eine ägyptische Göttin, die unterschiedlich gedeutet werden kann. Sie auch Göttin der Toten, der Liebe, des Meeres und der Zauberei oder Magie. Sie hat viele Bedeutungen. Es gab einen regelrechten Isiskult, der sich über die Grenzen Ägyptens hinaus ausbreitet und sogar noch zu Zeiten des Frühchristentums in Rom ausgeübt wurde. Es hat sogar einen Isis-Tempel in London gegeben.
Isis ist eine ägyptische Muttergottheit und wird - was eine spätere Auslegung ist - auch als Mondgöttin angesehen.

Thoth - ist ein ägyptischer Gott, der durch den Ibis - einen Vogel - repräsentiert wird. Er ist ein Mondgott und unter anderem auch Protokollant des ägyptischen Totenreiches.

Anubis - ist ein ägyptischer Gott, der mit einem Schakalkopf dargestellt wird. Der Schakal ist ein Wildhund in wolfsähnlicher Gestalt. Anubis ist der Gott der Totenriten und galt - so wie der Schakal - als Seelenführer in das Land der Toten. Er half Isis ihren getöteten Ehemann und Bruder Osiris wieder auferstehen zu lassen.

Sirius - ist der hellste Stern im Sternbild des „Großen Hundes“. In der ägyptischen Mythologie trat mit seinem Erscheinen - als ein Eckpunkt des Sternbildes auf, das die Göttin Isis darstellte - als Verkünder der Nilflut auf. Diese Nilflut war wichtig, damit das Land um den Fluss herum wieder fruchtbar wurde und die Zukunft des Landes sicherte.




AN 02 - Legitimation über ein Ritual

Der Herrscher eines Landes hat für das Land und seine Bewohner eine Fürsorgepflicht. Er hatte dafür zu sorgen, dass sein Volk eine Zukunft hatte und auch dass es nicht hungern musste. In den meisten Frühkulturen wurden deshalb auch Fruchtbarkeitsriten durchgeführt, um die Zukunft des Landes und das Überleben eines Volkes zu sichern. Wenn in einigen dörflichen Gegenden der Priester über die Felder geht und diese mit Weihwasser besprenkelt, fußt diese Tätigkeit in einem alten Fruchtbarkeitsritus.

Wenn es Dürren und Hungersnöte gab, wandten sich die frühen Völker nicht ohne Grund an den Herrscher. Dieser musste etwas falsch machen, wenn sein Volk darbt.

Wenn der Herrscher es nicht schafft, sein Volk aus so einem Desaster zu führen oder es zu lindern, dann ist kein guter Herrscher und nicht länger legitim, rechtmäßig. Der alte Herrscher muss sterben, um einem jungen Herrscher Platz zu machen.

Ob es bei den alten Ägyptern so etwas gab, kann ich nicht sagen. Ich weiß, dass es Fruchtbarkeitsriten gegeben hat und Opfergabe an die Götter etc. doch wie diese Riten im einzelnen aussahen, ist in der Regel Spekulation. ;)



AN 03 - Gälische Begriffe (ohne Gewähr)

ban-fhàidh - Prophetin, Seherin
eilthireach - Wanderer, Pilger
teachdail - Zukunft


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