Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Harry Potter und das Geheimnis seiner Ahnen - Verborgen

von Eosphoros

34. Verborgen


Lucius Malfoy fühlte sich in der Tat überlegen. Seine Lordschaft so abhängig zu sehen war eine Delikatesse, die er sich mit Genuss auf der Zunge zergehen ließ; sie war wie ein ausgezeichneter Wein, von dem eine Flasche mehr kostete, als ein normaler Zauberer in einem durchschnittlichen Beruf im Monat verdiente. Dennoch hütete sich Lucius davor diese Situation auszunutzen oder gar Seine Lordschaft spüren zu lassen, wie sehr er diese auskostete.

„Dieses Buch, mein Lord, stammt nicht nur aus der Hand Slytherins.“

Voldemort schnaubte und Lucius unterdrückte ein Grinsen. Seine Lordschaft war nicht unbedingt für seine Geduld bekannt und hasste alles, was eine eindeutige Antwort hinauszögerte.

„Ihr wisst, wie lange es bereits in meinem Besitz war, bevor meine Frau es Euch aushändigte. Ich hatte Jahre, um seine Geheimnisse zu erforschen“, setzte Lucius daher saft und rasch fort. Mit sparsamen Bewegungen drehte er den Codex, sodass der Buchrücken vor ihren Augen war. Das zerfledderte Leder um den harten Holzkern machte alles andere als einen spektakulären Eindruck. Genauso hatte es ausgesehen, als er es das erste Mal gesehen und das erste Mal in Händen gehalten hatte. Es war so viele Jahre her. Damals hatte es sich ihm ohne Zögern offenbart nur allein aufgrund der Tatsache, dass er ein Zauberer war. Wie Lucius befürchtet hatte, hatte es sich nun in sich zurückgezogen, nachdem es so malträtiert worden war. Das Ritual und seine dilletantische Ausführung anders als eine Marter für das Buch zu nennen, kam ihm nicht in den Sinn. Sacht, libekosend strich er mit den Fingerkuppen über den Einband. Das Leder bekam an den Stellen, an denen er es berührte, einen goldigen Schimmer. Lucius streichelte weiter und erst als sich das Leder um den Holzrücken zu erneuert begann und sich erste Anzeichen der kostbaren edlen Verzierungen zeigten, hörte er auf.

„Es lebt, mein Lord“, flüsterte Lucius ehrfürchtig und heiser. Askaban konnte er nicht leugnen.

„Du langweilst mich, Lucius“, entgegnete Seine Lordschaft. „Meine Geduld ist am Ende. Warum hat es mir seinen Dienst versagt? Ich bin Slytherins Erbe! Ich dulde solche Allüren nicht! Auch nicht von einem… Buch.“

„Mein Lord, es lag nicht an Euch oder dem Buch, es lag an dem, was man Euch sagte“, schmeichelte er. Lucius warf Mister einen Seitenblick zu und dieser ahnte wohl sein Verhängnis.

„Die Übersetzung war richtig!“, echauffierte sich Anton Mister. „Die Artefakte stammten us Ägypten und sie entsprachen genau den Angaben, die…“

„Schweig!“, donnerte Lucius. Er lächelte und ahnte, wie verzerrt und abstoßend dieses wirken musste. Askaban hatte Spuren hinterlassen, die weder Seife noch Wasser oder Kleidung und Parfum ausmerzen konnten. Sicher, er hatte gebadet und duftete frisch und sauber, doch seine fahle Haut, seine Hagerkeit, die Tatsache, dass sich kaum Fleisch auf seinen Knochen befand und jede einzelne seiner ohnehin recht bläulich schimmernden Adern deutlich an markanten Stellen hervortraten, das alles hatte eine ganz spezielle, beängstigende Wirkung, sogar auf einen Mann, der jahrelang die Mysterienabteilung geleitet und Rockwood nach dessen Enttarnung als Spion abgelöst hatte.

„Sicher war die Übersetzung richtig. Sichern waren die Artefakte authentisch. Doch was, wenn die Zeichen die falschen waren? Was, wenn die Artefakte falschen benannt waren? Was, wenn Du all dies falsch gedeutet hast? Seit wann hat der große Salazar Slytherin die Dinge beim Namen genannt? Seit wann hat er sich einer eindeutigen Sprache bedient? Du bist ein Narr, wenn du glaubst, dass sich ein Werk wie dieses einer Kreatur wie dir offenbart!“ Mister zuckte zusammen. Lucius atmete schwer. Er war unbeherrscht, das war ein schlechtes Zeichen. Nervosität machte sich in ihm breit. Er drückte die Handballen gegen seine Schläfen und atmete mehrmals tief durch. Er fühlte den spöttischen Blick Seiner Lordschaft im Nacken und nahm das irritierte Funkeln in den Augen Misters wahr. Er musste es ignorieren und fortfahren, um seine Stellung an Voldemorts rechter Seite wieder zu festigen. Sicher, er hatte versagt, die Prophezeiung war verloren, doch sein Wissen durfte und musste unentbehrlich für Seine Lordschaft sein oder zumindest scheinen. Nur so würde er seine Position festigen können. Noch hing er als persona non grata in der Schwebe.
„Alles“, fuhr er sachlich fort, „ist ein Zusammenspiel von Mächten und Kräften. Die Harmonie ist eine bestehende Ordnung, die in ein Chaos gebracht wurde. Die Ordnung zu verändern, ohne das Chaos zu wecken, bedarf eines akribischen Vorgehens. Der kleinste Fehler, Anton Mister, und die Schutzmechanismen werden aktiviert. Was glaubst du, welche Ursache die Unwetter hatten? Bist du wirklich der Ansicht, dass sich Magie so einfach manipulieren lässt? Man kann Menschen manipulieren, sogar das Wetter, wenn man mächtig genug ist, doch die Ordnung hat ihre eigenen Gesetze.“

Mister schwieg und Lucius lächelte noch breiter. Er hatte sehr leise an Anton Mister gewandt gesprochen, doch Seine Lordschaft gemeint. Er räusperte sich mehrmals und nahm dankend das Glas Wasser entgegen, dass Seine Lordschaft ihm mit spöttisch verzogenen Lippen reichte. Zögern hieße Voldemort misstrauen, als trank Lucius ohne seine Unsicherheit zu zeigen.

„Ich bin ganz Ohr, Lucius, mein Freund. Wie lässt sich die Ordnung manipulieren, ohne das Chaos oder diesen, wie du ihn nennst, Schutzmechanismus zu aktivieren.“

„Das Unwetter, mein Lord, habt Ihr mit Eurem Versuch heraufbeschworen. An sämtlichen Plätzen, die von starker Magie getragen werden, haben sich Unwetter gebildet, um den Störer der Harmonie ausfindig zu machen.“

„Was soll das heißen!“

„Ihr braucht eine Art Harmonie, die Ihr der bestehenden Harmonie entgegensetzen könnt. Die zwischen Eurem letzten Medium, den Artefakten und, mit Verlaub, Euch war nicht stark genug.“

„Um nicht zu sagen, nicht vorhanden?“, hakte Seine Lordschaft lauernd nach.

„Euer Medium muss so mächtig sein wie Ihr. Es genügt nicht, dass es ein Wanderer zwischen den Welten ist. Es darf sich weder von der einen noch von der anderen bestimmen lassen. Ihr selbst seid doch ein Wanderer zwischen den Welten.“

„Niemand ist so mächtig wie ich“, überlegte Voldemort. Sein Gesicht war direkt vor Lucius, doch dieser senkte weder ergeben die Augen noch schüchterte ihn dieses trotzige Beharren auf Macht ein. „Also muss die Wanderung prägend gewesen sein. Bist du ein Wanderer zwischen den Welten, mein Freund? Deine Frau hatte recht, wir hätten Sirius Black gebraucht. Er soll noch ganz bei Verstand sein, im Gegensatz zur Alten Norna, die ja offensichtlich die falsche Wahl war. Was noch?“

„Mein Lord, um diesen Zauber zu tragen, braucht ihr eine Balance. Denn Harmonie beruht auf Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht muss vorgegaukelt werden, damit der Zauber gelingt. Der Zauberer ist nur der Regent, aber das Medium ist das Agens. Gebt der bestehenden natürlichen magischen Harmonie eine künstliche magische Harmonie als Ausgleich.“

Voldemort schwieg und ließ sich in seinem Sessel zurückfallen. Lucius wusste genau, was in den Gedanken Seiner Lordschaft vor sich ging. „Steht das in der Anleitung? Wurde mir das verheimlicht? Balance ist der Schlüssel?“

Lucius zuckte mit den Schultern und widmete sich erneut dem Buch. Er fuhr mit den Fingerkuppen über den Einband. Es war ihm klar, dass der Codex noch Ruhe brauchte, aber er war sich auch darüber im Klaren, dass dieser ihn schon lange als eigentlichen Eigentümer anerkannt hatte und sich seinen Wünschen nicht verweigern würde. Es war unbedeutend, dass Voldemort der Nachkomme Slytherins war. Das Buch hatte sich seinen Meister gesucht. Zufrieden lächelte Lucius, als sich tatsächlich nach und nach die Kostbarkeit von innen nach außen kehrte. Der bereits wieder sichtbare lederne Einband veränderte sich weiter. Massives Silber auf dem filigrane Linien Muster bildeten, wurde sichtbar. Goldplättchen, ins Silber eingelassene Gemmen, Steinschnitzereien und Smaragde, Schlangen aus gedrehten Edelmetallkordeln schmückten das Buch nun. Zwei Schlangen mit Smaragd-Augen bildeten die Schließen, sie gruben sich mit ihren Zähnen tief in den Buchdeckel ein, um das Pergament in Form zu halten.

„Es verweigert sich dir offenbar nicht“, kommentierte Voldemort mit unterschwelligem Drohen und einer Spur von Neid.

„Verzeiht ihm, mein Lord, es ist nur ein Buch, es kann nicht denken, nur reagieren.“ Diese offenkundige Bevorzugung musste natürlich den Zorn Seiner Lordschaft wecken.

Lucius hielt seine Hand nun wenige Millimeter über den Einband und dachte an den Zauber, den Seine Lordschaft ausführen wollte: Sphärenmanipulation. Einer der Edelsteine funkelte und Lucius berührte diesen mit seinem Ringfinger. Rasch zog er die Hand fort und das Buch schwang an der gewünschten Stelle auf. Er war sich der verwunderten Blicke Seiner Lordschafts und Misters wohl bewusst. Sie hatten keine Ahnung, welch Potential Slytherin in diese Handschrift gelegt hatte. Voldemorts Versuch, Ähnliches als 16jähriger mit einem Tagebuch zu tun, hatte ihm einen Teil seiner Seele gekostet. Bei Salazar war anzunehmen, dass er diese nie aufs Spiel gesetzt hatte. Salazar hätte sich niemals selbst geschwächt.

„Der lange Weg führt nicht immer ans gewünschte Ziel, mein Lord. “

Lucius betrachtete die Seite und winkte Voldemort zu sich. „Mir scheint, Ihr wurdet wirklich hinters Licht geführt.“

Rasch humpelte Voldemort zu Lucius hinüber und auch Mister warf einen verstohlenen Blick auf die Zeichnung. Ein Medium hing in der Mitte eines Steinkreises. Interpres, qui vasit inter mundi duo stand in hastiger Kursiva daneben. Ein Dreieck mit Artefakten an den Scheitelpunkten umgrenzte die schematische Gestalt in der Mitte. Ein Zauberer befand sich zwischen zwei Scheitelpunkten auf Höhe des Kopfes des Mediums. Ein Buch ruhte vor ihm. Mit roten Linien waren Verbindungen eingezeichnet. Gebündelt führten diese dann zu einem über der Zeichnung dargestellten einfachen Modell des magischen Weltbilds. Doch das war nicht der Punkt auf den Lucius Seine Lordschaft aufmerksam machte. Neben dem Schema stand in altertümlicher Sprache in ähnlicher Handschrift: Hält nicht, was es verspricht. Daneben war eine kleine hinweisende Hand, die Lucius berührte. Ein Ruckeln ging durch das Buch und es blätterte automatisch zwei Seiten weiter. In altertümlicher Sprache, die der der kurzen Notiz glich, stand geschrieben:

„Stimme den Aufbau der Region an. Was die Alten getan mit Magie in ihrer Zeit und ihrem Land muss übertragen werden auf deines. Befinde dich in Ägypten und du wirst mit Dingen von dort Erfolg haben. Befinde dich in England und du benötigst Artefakte der magischen Vergangenheit Britanniens und seiner Völker“, las Lucius.

„Verstehe. Die Artefakte waren die falschen und das Medium nicht stark genug. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass die Alte Norna unpassend sein könnte“, brachte Anton Mister verwundert hervor. „Natürlich kann ich britische, keltische und schottische Artefakte besorgen. Die Halle der Mysterienabteilung sind voll davon. Doch das wird schwierig werden!“, setzte er hinzu. „Schließlich misstraut man mir nun.“

Lucius beobachtete die Reaktion Seiner Lordschaft genau. Als dieser langsam seinen Zauberstab hob, widerstand er dem Wunsch, in Deckung zu gehen. Mister brabbelte in seinem Rücken etwas von Misstrauen und der Mysterienabteilung. Es war nicht wichtig. Lucius schloss die Augen und wartete auf den Spruch. Er straffte seine Haltung, um mit all der Würde zu sterben, die ihm angeboren und anerzogen worden war.

„Avada Kedavra!“, hörte er Seine Lordschaft flüstern. Durch die geschlossenen Augen vernahm er das grüne Aufleuchten des Zauberspruchs. So fühlte sich das also an? Nach nichts?, dachte er bei sich.

„Du kannst deine Augen wieder öffnen, mein Freund.“

Lucius schluckte und tat, wie ihm geheißen. Er warf einen Blick hinter sich. Anton Mister, ehemaliger Leiter der Mysterienabteilung des Ministeriums lag seltsam verrenkt auf dem Boden, die Augen weit aufgerissen. Der Schrecken war seinem Gesicht noch anzusehen, ansonsten wirkte es wie eine wächserne Maske.

„Er war unnützt. Nun erzähl mir, wie dieser Zauber vonstatten gehen muss, damit er von Erfolg gekrönt sein wird. Ich weiß, dass er funktioniert. Für einige Zeit konnte ich ihn aufrechterhalten. In Brasilien hat es funktioniert, bis diese Rea Lupin auftauchte und wir den Standort aufgeben mussten. Salazar hat es selbst getan, ich habe es gelesen. Also werde ich es auch können.“

Lucius verneigte sich ergeben und setzte Seiner Lordschaft seine Gedanken auseinander.


° ° ° ° ° ° °


Remus raffte die Hose, die er von einer Leine gestohlen hatte, und streckte eine Hand nach dem Pflanzenvorhang aus. Das immergrüne Geflecht schützte den Zugang zu Lilienwood Manor auch im Herbst vor unerwünschtem Besuch. Er schlich sich durch den Garten und gelangte ungesehen - wie er hoffte - zur Freitreppe. Er ließ diese links liegen und huschte zum Hintereingang des Anwesens. Es war noch früh am Tag und er würde nur wenig Betrieb in der Küche des Landsitzes zu befürchten haben. Remus hoffte sehr, das Haus verlassen vorzufinden. Mit den Hauselfen würde er schon fertig werden. Er galt als Freund des Hauses und so lange seine Besitzerin dieses nicht rückgängig gemacht hatte, würden die Hauselfen ihn versorgen und hier übernachten lassen. Vorsichtig nahm er die wenigen Stufen zur Tür, schob diese auf und erstarrte. Im langen Flur, von dem aus zu den einzelnen Küchenbereichen, wie Kochstelle, Bügelzimmer und dergleichen, mehrere Türen abgingen, schritt Artemis Lilienwood. Sie drehte ihm den Rücken zu und Remus stand kurz davor, seinen Plan, in Lilienwood Manor Unterschlupf zu finden, aufzugeben. Er trat aus dem Rahmen und wollte die Tür wieder schließen, als Artemis rief: „Du kannst das Haus ruhig betreten, Remus. Du bist hier nach wie vor willkommen. Kleidung wirst du in deinem Zimmer finden. Mach dich frisch! Frühstück wird im Salon auf dich warten.“

Remus stand wie versteinert da und konnte weder ein Danke noch eine verwunderte Frage hervorbringen. Als Artemis verschwunden war, löste sich seine Anspannung. Er nahm ihr Angebot an und suchte sein Zimmer auf. Das Haus war merkwürdig ruhig. Selbst bei den letzten Besuchen, bevor er Harry zu seiner Tante gebracht hatte, hatte im Haus mehr Leben geherrscht. Die Elfen waren geschäftig hin und her gehuscht und die Gemälde hatten gute Laune verbreitet. Sogar Harrys Ururgroßvater, Edward Lilienwood, saß schweigend in seinem Porträt und beobachtete seine Umgebung argwöhnisch. Alles war wie ausgestorben.

Remus atmete tief durch, nachdem er sein Zimmer endlich erreicht hatte und die sich die Tür hinter ihm schloss. In seinem Gästezimmer selbst hatte sich nicht viel verändert. Die Scherben vom Spiegel war zwar fortgeräumt worden, doch die zerstörten Möbel waren noch nicht durch neue ersetzt. Alles war nach wie vor reinlich, dennoch lag über allem die Atmosphäre der Vernachlässigung. Remus registrierte es, doch hinterfragte er nicht. Wie konnte ein Haus auch voller Leben sein, wenn die Welt draußen auf eine Katastrophe zusteuerte? Die Harmonie war aus den Fugen geraten und anders als mit dem Wort „Katastrophe“ konnte er diesen Zustand nicht beschreiben.
Remus nahm aus dem Schrank saubere Kleidung. Er machte sich im angrenzenden Waschraum nur kurz frisch und zog die Sachen dann über. Er rannte förmlich durch das Haus, um in den Salon zu gelangen und hoffte, dort auf Tante Artemis zu treffen und endlich Antworten zu erhalten. Er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass sie mehr wusste.

Doch er musste sich gedulden. Artemis befand sich nicht im Salon, lediglich einer der Elfen erwartete ihn und reichte ihm weniger herzlich als üblich ein reichlich gefülltes Frühstückstablett. Remus langte zu und nahm keine Rücksicht auf den peinlich berührten Hauselfen. Er hatte Hunger und wenn er Hunger hatte, waren ihm Manier egal. Nachdem sich Remus gestärkt hatte und sich erheben wollte, tauchte wie aus dem Nichts Tante Artemis in einem schwarzen Kleid auf. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit der linken Schulter gegen den Türrahmen.

„Frag!“, forderte sie nur.

Remus lehnte sich zurück und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. „Wonach soll ich fragen?“, erwiderte er.

„Nach allem, was du magst“, antwortete sie.

Remus schlug die langen Beine übereinander und lehnte sich in dem Sessel zurück. „Sag du mir, was mich interessieren könnte!“ Er hasste dieses kryptische Frage und Antwortspiel.

„Wie geht es dir?“

Remus sprang auf, warf die Serviette auf den Tisch und schnellte auf Artemis zu. Er packte sie bei den Oberarmen und drückte zu. Als Artemis die Augen schloss und gequält den Kopf zur Seite drehte, wusste er, dass er zu weit ging, doch es war ihm egal. Sie war eine alte Frau, aber auch eine starke Frau, die selten ein Blatt vor den Mund nahm. Sie wusste mehr, als sie zugab und er würde sie erst wieder freigeben, wenn er erfahren hatte, was dieses Mehr war.

„Du willst wissen, wie es mir geht? Tante?“, zischte er. Er fühlte die Wut deutlicher denn je. Er fühlte das Tier in sich, dennoch behielt der Mensch und mit diesem die Vernunft die Überhand, noch. Beide dominierten seinen Trieb, aus Artemis Lilienwood die Wahrheit einfach herauszuschütteln oder gar herauszuprügeln. Er schlug niemals, doch er garantierte für nichts. Einmal war immer das erste Mal. Er war emotional zu angespannt, um für seine Handlungen die volle Verantwortung zu übernehmen.

„Du willst wissen, wie es einem Mörder geht? Ja, einem Mörder. Ich habe ein kleines Mädchen von zehn Jahren zerfleischt und kurz danach meine eigene Schwester getötet. Ich habe gemordet und nun jagen sie mich. Sie werden mich vor den Ausschuss stellen, der sich mit außer Kontrolle geratenen halbmenschlichen Wesen befasst. Sie werden mich nach Askaban schicken oder mir gleich den Kopf abschlagen. Ein Werwolf, der wahllos Menschen anfällt, muss aus dem Verkehr gezogen werden. Ich habe Hermine angegriffen, Artemis, und ich hatte sogar den Wunsch ihr das Gleiche wie meiner Schwester anzutun. Ah, du siehst mich wieder an und ich sehe das Entsetzen in deinen Augen. Du befürchtest, dass Hermine verletzt ist und dass auch Harry und Ron mich jetzt hassen. Ich seh' es in deinem Blick.“

Er machte eine Pause, schloss die Augen zog die Luft ein. „Angst und Schuld, Artemis Lilienwood. Ich rieche beide an dir. Warum du Angst hast, kann ich verstehen. Ich mache dir Angst. Doch warum solltest du dich schuldig fühlen? Verrat es mir!“, forderte er leise. „Verrat es mir!“, wiederholte brüllend.

Artemis zitterte zwischen seinen Händen und schluchzte mit einem Mal trocken. Sie machte sich los und so wütend Remus auch war, er ließ sie gehen. Sie stolperte in den Salon, tastete nach der Lehne eines nahe stehenden Sessels und ließ die Hand auf dieser ruhen.

„Du hast recht, Remus. Du machst mir Angst, aber nicht nur du allein. Ich mache mir selbst Angst“, begann sie. Sie sank erschöpft auf den Sessel und starrte in den Kamin der gegenüberliegenden Wand. „An allem, was geschieht, trage ich eine Teilschuld. Remus, ich habe Schreckliches getan“, flüsterte sie.

Remus lehnte sich gegen den Türrahmen, verschränkte die Arme vor der Brust und lauschte, als Artemis mit stockender Stimme zu sprechen begann.

„Als Sirius mit der Nachricht kam, dass Lily und James ein Opfer Voldemort geworden sind, dass Harry überlebt hat und er wusste, was nun zu tun sei. Er erklärte mir, dass Hagrid sich geweigert hat, ihm seinen Patensohn auszuhändigen. Ich habe darauf gewartet, dass Hagrid ihn zu mir bringen würde, aber ich wartete vergebens. Wie dem auch sei. Albus und Minerva haben mich über Harry und seine Fortschritte auf dem Laufenden gehalten, nachdem er nach Hogwarts kam. Was davor war, weiß ich erst, seit diesem Sommer. Ich wusste zwar, dass Albus ihn zur Schwester seiner Mutter gebracht hatte, aber ich habe es nicht geschafft, sie ausfindig zu machen. Ich hätte den Jungen aufgenommen und für ihn gesorgt. Er ist der Sohn meines Neffen und Patensohnes. Es war schrecklich für mich, ihn nicht bei mir zu wissen. Doch ich musste akzeptieren, dass Albus die Entscheidungsgewalt hatte, vor allem nachdem Harrys eigener Pate ins Zwielicht geraten war und in Askaban landete. Ich war sogar davon ausgegangen, dass Albus mir misstraute, weil Sirius Black ja noch bei mir war, bevor er mit Peter Pettigrew aneinander geriet.
Er war fast zehn Jahre aus meiner Bildfläche verschwunden und ich sehnte den Tag herbei, an dem ich ihn endlich in meine Arme würde schließen dürfen. Er wurde elf und kam nach Hogwarts, aber ich sah ihn nicht. Ich hörte nur von ihm und las über seine Streiche und Taten. Er ist seinem Vater so ähnlich und ich war so stolz auf ihn, dass er Du-weißt-schon-wem immer wieder ein Schnäppchen nach dem anderen schlug. Das erste Schuljahr verging und Harry kehrte zu seinen Verwandten zurück.
Aber ich sah ihn nicht. Molly und Arthur hatte mehr von ihm als ich. Das machte mich wütend und traurig zugleich. Als Harry im zweiten Jahr fast völlig isoliert dastand und sicher meinen Zuspruch gebraucht hätte, war ich zu feige, um zu ihn zu gehen. Ich stand bereits vor den Toren der Schule, doch ich ging, sogar ohne mich bei Albus oder Minerva zu melden. Wie sollte ich dem Jungen erklären, dass ich seine Großtante bin. Du hast selbst gesehen, wie er im Sommer auf diese Nachricht reagiert hat. Jedenfalls, das war nachdem mein Junge den Basilisken getötet hat. Du kannst dir denken, dass ich vor Stolz beinahe geplatzt wäre. Sicher, Albus hielt mich über alles auf dem Laufenden. Doch zu gerne hätte ich diese Abenteuer von Harry erfahren. Wieder verging ein Jahr und ich habe den Jungen nicht gesehen.
Dann wurdest du nach Hogwarts gerufen und ich lebte in Angst und Schrecken, weil Sirius ausgebrochen war. Ich glaubte damals, er würde sich an allen rächen, die mit den Potters zutun hatten. Ich verschanzte mich auf Lilienwood Manor. Ich hatte Angst, große Angst, auch auf seiner Liste zu stehen. Es war so feige von mir.
Dann kam das Trimagische Turnier. Oh, ich war unter den Zuschauern und sah, wie Harry wieder auftauchte, doch man ließ mich nicht zu ihm. Mr Potter sei nicht in der Verfassung, Fragen zu beantworten oder Besuch zu empfangen. Schließlich sei ein Junge tot und für Fans sei die Zeit recht ungünstig. Als ob ich ein schlichter Fan gewesen wäre. Ich sagte, ich sei seine Großtante, doch dieser Idiot von Minister, dieser Fudge, sagte nur, Mr Potter hat keine Verwandten in der Zaubererwelt. Ich ging, ohne Dumbledore zu sehen und bekam den ausführlichen Bericht erst einige Zeit später durch Minerva. Der Sommer verging und die Dinge standen schlecht. Die Dementoren griffen ihn an und Albus sagte nichts. Minerva schickte mir eine kurze Mitteilung, dass Harrys Unschuld erwiesen sei. Sie bat mich, nicht nach Hogwarts zu schreiben. Du weißt, was das hieß, ich bekam auch keine Post aus Hogwarts.
Das Ministerium hat Lilienwood Manor durchsucht und ich war mir sicher, dass sie nun genau darüber informiert waren, dass Harry noch magische Verwandte hat. Sie haben mich kontrolliert und überwacht, eine Zeitlang. Ich schlug ihnen ein Schnippchen und ging einfach auf Reisen. Ich musste etwas tun. Ich wusste noch immer nichts Genaues über die Nacht des Mordes an James und Lily, also forschte ich nach. Ja, ich forschte und fand heraus, was nach dieser schrecklichen Tat in Godric's Hollow geschah. Wusstest du, dass sie wie die Aasgeier gewesen sind und jede Kleinigkeit, die sie vor der magischen Abriegelung in die Hände bekommen konnten, entwendeten? Ich wollte wenigstens eine kleine Erinnerung an meinen Liebling haben, aber da war nichts mehr. Ja, sicher, es lag Jahre zurück, doch irgendetwas musste noch dort sein. Ich fand heraus, dass kurz nach dem Mord einige Gegenstände auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht waren. Unter anderem Lilys Denkarium. Ich hätte alles für diese Erinnerung an meine Nichte gegeben und ich tat es. Ich gab mehr, als ich hätte geben dürfen.“

Artemis machte eine Pause und schniefte. Remus verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß.

„Alos hast du Harry verraten?“, erkundigte er sich sachlich. Seine Stimme klang ruhig und gelassen, doch in seinem Inneren brodelte es.

„Nein“, erwiderte Artemis langgezogen. Sie hob das Kinn und starrte weiter ins Kaminfeuer. „Ich verriet… dich.“

Remus taumelte zurück. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Bevor er etwas sagen konnte, fuhr sie hastig fort: „Aber das ist nicht alles…“

„Nicht alles?“, schnappte Remus. Er fuhr sich durchs Haar und stieß sich von der Tür ab. Er widerstand dem Wunsch Artemis Lilienwood an die Gurgel zu gehen und entschied sich stattdessen dafür, im Zimmer herumzulaufen. Mit einem Mal sah er klar. „Von dir hatte Narzissa Malfoy alles, was sie brauchte, um mich auf Hermine zu hetzen! Du wusstest davon und hast nichts getan, um es zu verhindern?“ Remus brüllte. „Hast du ihr etwa auch etwas Persönliches von Hermine zugesteckt, damit der Plan auch ja gelingt?“ Er war so wütend, wie noch nie in seinem Leben. Er, der für seine Ruhe und Ausgeglichenheit bekannt war, schrie und tobte, nur um sich nicht auf diese Frau zu stürzen. „Also deinetwegen habe ich meine Schwester und dieses Mädchen getötet! Dir verdanke ich es, nun als Mörder gejagt zu werden! Was hast du denn noch zu beichten?!“

„Remus, du musst mir glauben, wenn ich gewusst hätte, was sie vorhaben, hätte ich Malfoy niemals…“

„Schweig!“, donnerte er.

„Ich habe ihr nichts von Hermine…“, beteuerte sie und rang die Hände. „Das musst du mir…“

„Du sollst schweigen! Sag nichts mehr dazu! Ich will deine Beteuerungen nicht hören. Was hast du noch getan?“

„Harry in Okklumentik unterrichtet“, brachte sie kleinlaut hervor. Remus hielt im Laufen inne und musterte sie. Die weißhaarige Dame hockte nach wie vor auf der äußersten Kante des Sessels, hatte die Hände im Schoß gefaltet und machte einen eingeschüchterten Eindruck. Aber Remus ließ sich von der Fassade der Güte und Wehrloskeit nicht länger täuschen. Er ahnte, was sie ihm sagen wollte, doch wollte er es von ihr hören. Sein Blick musste Aufforderung genug gewesen sein. „Ich wusste genau, dass Harry es niemals durch Snape schaffen würde. Es lag auf der Hand, dass Snape niemals der Richtige sein würde, Harry Okklumentik beizubringen. Der Abscheu zwischen ihm und James, Sirius und dir war einfach zu groß. Mir war klar, dass Harry bei Severus versagen würde. Ich habe es Albus gesagt, aber er wollte ja nicht hören. Ich musste selbst etwas tun. Endlich hatte ich den Jungen in meinem Haus. Es war ein Leichtes, ihn mit Hilfe der Erinnerungen meiner beiden Lieblinge gegen mentale Tricks zu wapnen. Das erste Mal in der Winkelgasse war zu schwach, das muss ich gestehen. Es hat ihn lediglich verwirrt. Das zweite Mal habe ich wohl etwas übertrieben. Beim dritten und vierten Mal hatte ich genau die richtige Dosis. Er wurde jedes Mal stärker. Ich gebe zu, den Imperius hätte ich ihm mental nicht einpflanzen dürfen, doch es hat ihm nicht geschadet. Ich wusste ja, dass er gegen den Imperius sich würde wehren können.“

„Nicht geschadet?“, fauchte Remus. Er war vor dem Tisch stehen geblieben und schlug nun so heftig mit der Faust auf die Tischplatte, dass das schmutzige Frühstücksgeschirr klirrte. Der Schmerz fuhr ihm in die Knochen. Remus konnte nicht fassen, was die Tante ihrem Großneffen angeblich aus Liebe angetan hatte. Harry hatte sich gequält, wäre beinahe verzweifelt. Es war nur seiner Stärke zu verdanken, dass ihm aus diesem Liebesbeweis kein Schaden erwachsen war. Seine Stärke hatte ihn gegen den Imperius gefeit. „Du hast den Jungen gequält!“

Artemis hob den Kopf und zuckte aufmüpfig die Schultern. Remus wusste vor Entsetzen über diese kalkulierte Gleichgültigkeit nicht, was er tun und wie er reagieren sollte.

„Wir Lilienwoods sind aus stärkerem Holz geschnitzt“, meinte Artemis arrogant. Die Fassade der Güte und Wehrlosigkeit war verschwunden. Sie starrte mit hartem Ausdruck in ihren Augen Remus an und hatte eine Miene aufgesetzt, die keinerlei warme Emotionen ausstrahlte. „Es hat Harry nicht geschadet. Meine Güte, Remus, mich verurteilst du, obwohl ich Harry stärker gemacht habe und was ist mit Albus! Er hat den Jungen zu diesen schrecklichen Leuten gebracht, die sich Lilys Verwandte schimpfen. Ihn verurteilst du nicht, dabei hat der Junge dort gehungert und musste in einem Schrank unter der Treppe schlafen!“

Remus verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Du begreifst gar nichts, Artemis. Eine Frau deines Alters sollte mehr über die Menschen wissen. Sicher, Albus hat nicht gerade weise gehandelt, als er Harry zu den Dursley brachte. Er hat es gut gemeint. Wäre Harry bei dir aufgewachsen, hätte er sämtliche Schwächen und Vorurteile entwickelt, die James besaß.“

Artemis sprang auf und stemmte die Hände auf den Tisch. Sie beugte sich über die Platte und fauchte schrill: „Rede nicht so über James. James war nicht schwach und hatte keine Vorurteile! James war perfekt!“

Remus lächelte. Seine Stimme hatte diesen leisen von Vernunft und Verstehen getragenen Unterton, als er antwortete: „James war ein sehr guter Freund, wenn nicht gar einer der besten, die man sich vorstellen konnte. Ich habe ihm viel zu verdanken. Aber du kennst James nicht so, wie ich ihn kannte. Sicher, er war lieb und nett, solange er Personen als auf seinem Niveau stehend ansah. Er war zu Gleichgestellten höflich und charmant. Doch wenn es um Menschen ging, von denen er glaubte, sie würden unter ihm stehen, hatte er zwei Seiten. Mir gegenüber war er nett und freundlich, beinahe schon gönnerhaft, bis wir Freunde wurden. Ohne ihn, Sirius und Lily hätte ich Hogwarts niemals überstanden. Doch hast du dir mal überlegt, wie er Severus gegenüber war? Er hat gehänselt, gequält und gestichelt. Er hat die Unzulänglichkeiten der Schwächeren ausgekundschaftet und diese schamlos ausgenutzt. Severus hat Sirius' Scherz damals nur überlebt, weil James durch Lily mit einem Mal erkannte, wann er zu weit ging. Sie hatte diesen mäßigenden Einfluss auf ihn, aber geändert hat sie diese Seite seines Charakters nie. James war nicht perfekt! Albus wusste um die Schwächen genau. Wäre Harry bei dir aufgewachsen, wäre er der verwöhnte, verhätschelte, unausstehliche kleine Held geworden, der als Baby bereits mehr geleistete als gestandene Zauberer. Diesen Harry hättest du vielleicht geliebt, aber niemals gemocht. Er wäre ein schwarzhaariger Draco Malfoy geworden, der sich auf seine Herkunft mehr einbildete als auf seine Leistungen. Er wäre der verwöhnte geliebte Kinderstar geworden, der irgendwann selbst all die tollen Geschichten über sich geglaubt hätte, die die Presse über ihn in Umlauf gesetzt haben würde. Dieser Harry hätte isoliert dagestanden, von falschen Freunden umgeben und hätte sich niemals für Schwächere eingesetzt, weil er niemals erfahren hätte, wie es ist, eine der Schwächeren zu sein. Dieser Harry wäre feige gewesen.“

Er setzte sich auf die Tischkante und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Artemis schwieg, doch ihre betroffene Miene zeigte ihm, dass sie die Wahrheit hinter seinen Worten erkannte. Manchmal hatte sich Remus selbst gefragt, warum Harry immer wieder zu den Verwandten hatte zurück müssen. Doch wo sonst hätte er ein Zuhause gefunden? In Lilienwood Manor mit Sicherheit nicht.

„Weiß Harry, dass er dir diese Träume zu verdanken hat?“, fragte er ruhig. Artemis schüttelte den Kopf. „Gut, er darf das niemals erfahren. Er würde dich für das, was du getan hast, hassen. Du solltest hoffen, dass er niemals erfährt, was du mir angetan hast, denn auch dafür würde er dich hassen. Es scheint eine allgemeine Schwäche der Lilienwoods zu sein, die Konsequenzen ihres Handelns nicht zu bedenken.“

Artemis trat ans Fenster und berührte sacht die Vorhänge. „Ich hätte diese niemals erwartet. Das musst du mir glauben. Ich werde Harry nichts sagen. Es sei denn, er fragt. Wenn ich gewusst hätte, was Narzissa Malfoy plante, hätte ich ihr nichts von dir gegeben und einen anderen Weg gefunden Harry zu helfen.“

Remus war zufrieden und wollte den Raum verlassen. An der Tür hielt er noch einmal inne und drehte sich zu der steif am Fenster stehenden Frau herum. Sie hatte etwas Unnahbares an sich und Remus fragte sich, ob sie wirklich keine Ahnung von dem gehabt hatte, was mit ihm geplant worden war. Er wusste genau, wann er das erste Mal auf Gerüche fixiert zu sein schien. Nein, sie hatte nichts damit zu tun. Sie hatte nur die Zutaten geliefert. Die Fixierung hatte Narzissa Malfoy in ihrem unterirdischen Laboratorium vorgenommen. Erleichtert trat er durch die Tür. Wie lange er auf Lilienwood Manor sicher sein würde, wusste er nicht. Er er würde die Zeit nutzen, um seine Angelegenheiten zu regeln und um Kräfte zu sammeln.


° ° ° ° ° ° °


Ruhe war eingekehrt und diese Ruhe war beängstigend. Der Geruch nach verbranntem Holz und Feuchtigkeit hing noch immer im Schloss wie ein böses Omen. Luna hatte mit allem Recht behalten. Die Schüler tuschelten über sie, ohne dass nur ein einziges Loony fiel. Harry hoffte inständig, dass auch nach ihrer Rückkehr aus St. Mungus niemand die zugegebenermaßen merkwürdige Luna noch Loony nennen würde. Ron hatte ihm erzählt, dass Trelawney eine Abmahnung bekommen hätte, die ihr verbot, weiterhin den Raum mit Muskat und Vanille zuzudröhnen.

Hermine lag noch immer in der Krankenstation, Sirius schlief der Genesung entgegen und Harry und Ron brüteten über der Chronik der Familie Lilienwood. Durch Handauflegen versuchten beide der Chronik mehr zu entlocken, als sie es bisher den beiden offenbart hatte. Ron hatte darauf bestanden, in diesem Buch eine Art Fluchbuch zu sehen, wie Bill eines beschrieben hatte und Harry hatte sich darauf eingelassen. Lieber streichelte er Pergament, als sinnlos herumzusitzen.

„Bist du ganz sicher, dass es bei den Fluchbüchern in Gringotts wirklich so abgelaufen ist?“, fragte Harry nach einer Weile. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich die Brüder einen Scherz mit Ron erlaubt hätten. Harry kam sich allmählich albern vor. Schließlich stand er mitten im Gemeinschaftsraum und hatte beide Hände ausgestreckt wenige Millimeter über der Chronik in Miniaturformat liegen. Es kribbelte zwar in seinen Fingerkuppen, als liefen Ameisen darüber, jedoch konnte dies auch einen anderen Grund als Magie haben. Wahrscheinlich schliefen ihm nur gerade seine Finger ein. Nach einer Weile senkte er die Hände und meinte frustriert: „Vielleicht sollte ich diesem Ding einfach befehlen, was es zu tun hat!“

Ron schob sich einen Keks in den Mund und murmelte ein undeutliches: Versuch kann nicht schaden.

Harry nahm seinen Zauberstab, richtete ihn auf die geschrumpfte Chronik und befahl leise: „Ich, Harry Potter, Nachfahre Meister Lilius' of Wood, befehle dir, dich zu offenbaren!“

Ron schmunzelte und Harrys Enthusiasmus sackte zusammen. Er wandte sich um und wurde sich der merkwürdigen Blicke bewusste, die auf ihm ruhten. Er ließ sich seufzend auf den Sessel fallen und warf den Zauberstab auf den Tisch. Nichts hatte sich getan. Gar nichts.

„Toll, jetzt halten mich alle wirklich für verrückt“, kommentierte er laut. „Na gut, als Snape versuchte, hinter das Geheimnis der Karte des Rumtreibers zu gelangen, hat sie ihm ja auch nur Mist erzählt. Warum sollte das bei mir klappen, wenn es bei ihm auch nicht funktioniert hat.“

Mit einem Mal sprang das Fenster auf. Ein Windstoß fegte über den Tisch und so rasch, wie er gekommen war, so rasch nahm er den gleichen Weg wieder zurück. Das Fenster klappte zu und lediglich verstreut im Gemeinschaftsraum liegende Pergamente zeigten, dass es diesen Windstoß tatsächlich gegeben hat.

„Harry? Das Buch!“, rief Ron und deutete mit zitternden Fingern auf das wackelnde vibrierende Miniaturexemplar der Chronik. „Sag deinen Spruch!“, forderte er.

„Godrici nomen transformat!“

Es wuchs zur vollen Größe und wie ein Echo des Windstoßes, blätterte es durch seine Seiten, bis es ruhig aufgeschlagen liegen blieb. Harry trat näher an den Tisch und warf einen skeptischen Blick auf die aufgeschlagene Doppelseite. Eine Bildergeschichte war in mittelalterlich verzerrter Perspektive aufgemalt, die genau jene Ereignisse widerspiegelte, die Hogwarts gerade erlebt hatte. Harry berührte eine Seite und die Bilder erwachten zum Leben. Er und Ron sahen, wie der Mond, vorher schmal nun voll auf einen Menschen schien und diesen zum Werwolf werden ließ. Sie sahen, wie sich mehrere Werwölfe dem ersten anschlossen und auf eine Jagd gingen. Sie sahen, wie die gemalten Kreaturen Menschen anfielen und töteten. Sie sahen, wie sich eine dicke Wolkenwand über der nahen Burg zusammenbraute; wie Blitz und Donner auf diese herniederfuhren und sie in Brand setzten. Automatisch blätterte das Buch weiter. Auf der nächsten Doppelseite wiederholte sich das Spiel. Erst nachdem Harry seine Finger auf das Pergament gelegt hatte, begannen die Bilder zu leben. Ein Zauberer mit spitzem Hut stand zwischen zwei anderen und wies diese zurecht. Auf dem Boden vor den beiden Gescholtenen lagen zwei weibliche Körper.
Eine untere Bildergeschichte zeigte, wie die Mädchen gestorben waren. Sie tauchten als Mittlerinnen in einem Steinkreis auf, fünf Artefakte waren um sie gestellt und flirrende Linien trafen sich von den Artefakten ausgehend in den beiden Mädchen. Ein breiter Strahl drang von ihren Körpern zu zwei sich gegenüberstehenden Zauberen und hinauf zum Himmel. Der letzte dieser Strahlen ließ den Mond seine Form verändern.

Harry erschrak und klappte das Buch zu.

„Harry, was glaubst du, bedeutet das?“

Harry schob die Chronik von sich und fuhr sich durchs Haar. „So hat er es gemacht, Ron. So hat er es geschafft, Remus dazuzubringen, Hermine anzugreifen und Rea zu töten.“ Harry sank in den Sessel zurück. „Darin liegt die Anleitung, wie man Werwölfe so manipuliert, dass sie ihre Gestalt verändern, ohne dass wirklich Vollmond ist.“ Er legte die Hand auf das Buch und die Schwingungen, die es aussandte, waren jetzt deutlicher als zuvor zu fühlen. „Wir hätten Reas Tod verhindern können.“

Ron schnappte nach Luft und brüllte mit einem Mal: „Spinnst du? Willst du dir für ihren Tod jetzt etwa auch die Schuld geben?“

Harry starrte seinen Freund verblüfft an. Er ignorierte das Raunen im Hintergrund. Dann tuscheltens eine Mitschüler eben über ihn und seinen angeblichen Wahnsinn. Es glaubten doch ohnehin alle, er sei verrückt.

„Ja, schau mich nur an, als sei ich nicht ganz dicht“, mokierte sich Ron. „Wusstest du, wonach wir suchen mussten? Nein. Remus hat zwar immer gesagt, dass mit dem Mond etwas nicht stimmt, doch er hat nicht gesagt, was. Ginny und Hermine haben zwar gesagt, dass man die Sphären manipulieren kann, doch mal ehrlich, weder du noch ich haben ihnen das geglaubt. Das klingt so schwachsinnig, als würde man behaupten, in einer geheimen Kammer unter Hogwarts hause ein Basilisk.“

„Ron, es gab einen Basilisken in Hogwarts“, warf Harry ein und musste sich zusammenreißen, nicht über die irritierte Miene seines Freundes zu lachen, dazu war das Thema viel zu ernst.

„Darum geht es nicht. Na gut, dann steht eben in der Chronik deiner Familie die Anleitung zur Sphärenmanipulation. Was soll's! Dass die Lilienwoods Geheimnisse haben, ist doch wohl bekannt.“

Harry sprang auf und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Das ist es, Ron! Das ist eines der Geheimnisse!“ Er öffnete das Buch erneut, hielt die Hand über das erste Blatt und murmelte, dass er als Erbe Meister Lilius of Wood zu erfahren wünsche, was es mit der Manipulation der Sphären auf sich habe. Das Buch gehorchte. Der Windstoß blieb aus. Die Seiten blätterten sich zur gewünschten Stelle und wieder brauchte Harry nur die Fingerkuppen auf den Rand zu legen, um die Bilder in Bewegung zu versetzen.
„Geheimnis meiner Ahnen, dass ich nicht lache. Tante Artemis hat mehr verschwiegen, als die Tatsache, dass mein Urahn die Gründer ausgebildet hat. Sie hat verschwiegen, dass er ihnen diese Art der Magie beigebracht hat!“, erklärte er und tippte stakkatoartig mit seinem Zeigefinger auf den Mann mit dem spitzen Hut herum.
„Schau! Wenn der da mein Vorfahre ist, Meister Lilius of Wood, dann müssten die beiden da“ - sein Finger glitt auf die beiden anderen Männer, die betreten die Köpfe senkten - „Adepten sein. Wenn die beiden toten Mädchen nun...“

„Sie sehen sich irgendwie ähnlich, oder?“

„Ron, es sind Zeichnungen. Mittelalterliche Zeichnungen sehen sich doch immer ähnlich.“

„Das meine ich nicht. Schau, sie tragen das Gleiche. Fred und George haben auch immer das Gleiche getragen. Das tun sie doch jetzt noch.“

Harry betrachtete die beiden toten Mädchen. Sein Blick glitt zu der Passage im Bildzyklus, der sie als Medien zeigte. Auch dort waren sie gleich dargestellt.

„Denk doch mal nach“, begann Ron. „Wir haben doch über die beiden Ceris gelesen. Was ist, wenn diese beiden toten Mädchen die beiden Ceris sind und die beiden Männer Gryffindor und Slytherin. Was ist, wenn sie das Experiment gewagt haben, dein Ahne dahinter kam, dazwischen ging und die beiden Mädchen so starben. Was ist, wenn das der Grund ist, warum... Voldemort dich haben will. Vielleicht bist du das Medium.“

„Du fantasierst, Ronald!“, fauchte Harry und schlug das Buch wieder zu.

„Aber klar doch. Ich fantasiere. Wenn die Gedanken von Hermine oder Ginny gekommen wären, würdest du sie sofort glauben“, meckerte Ron. Harry musste sich eingestehen, dass dies genau seine Reaktion gewesen wäre. So unwahrscheinlich Rons Interpretation auch war, aus dem Mund Hermines oder Ginnys hätte er sie sofort akzeptiert. Die beiden hätten aber auch wesentlich überzeugter geklungen.

„Wir werden Hermine einfach fragen, was sie davon hält“, schlug Harry nach einer Weile vor.

„Weißt du, was mich stutzig macht?“, wunderte sich Ron. „Wenn Tante Artemis gewusst hat, was in der Chronik steht. Wieso hat sie, als Dumbledore von einem schief gegangenen Zauber sprach nicht erklärt, um welchen es sich gehandelt hat?“

Harry schrumpfte die Chronik. Er wusste auf die berechtigte Frage seines Freundes keine Antwort. Tante Artemis blieb ihm ein Rätsel und allmählich fragte er sich, ob er ihr wirklich vertrauen konnte. Das Buch verstaute er wieder in seiner Gesäßtasche und eilte zusammen mit Ron zum Porträtloch.


° ° ° ° ° ° °


Es war keine triumphale Rückkehr. Er hatte keine Jagdtrophäe erbeutet und seine Rachegelüste waren auch nicht befriedigt worden. Sie waren unverrichteter Dinge nach Hogsmeade ins provisorische Hauptquartier der Auroren zurückgekehrt. Missmutig warf Severus Snape Kingsley Shacklebolt böse Blicke zu, die jeden seiner Schüler eingeschüchtert hätten, doch Shacklebolt ließ sich nicht beirren.

„Selbst wenn du mich mit deinen Blicken würdest töten wollen, es bleibt nun einmal die Tatsache bestehen, dass wir Remus in diesem Wald niemals finden werden, wenn wir die Suche nicht besser organisieren.“

„Schwachsinn! Wenn du mich gelassen hättest, hätten wir jetzt einen Mörder dingfest gemacht und Reas Tod wäre ge…“

„Rache können wir uns in unserem Beruf nicht leisten, Snape!“, unterbrach Kingsley und schlug mit der Faust auf den Tisch.

Severus schnaupte verächtlich. Rache war nichts, was man sich leistete, Rache war etwas, das man auslebte. Sie würde einen zerfressen, wenn man sie nicht zum Zuge kommen ließ.

„Das unterscheidet mich von euch, Shacklebolt. Ich kann es mir erlauben, meine Rache auszukosten!“, zischte er.

„Genau deshalb wirst du an der Suche nicht weiter teilnehmen!“, entschied Kingsley.

„Was? Du hast kein Recht dazu, mir das zu verbieten!“, schrie Snape.

„Doch, als Einsatzleiter der Aurorenabteilung, die für den Bereich Hogsmeade und Hogwarts sowie seinen Ländereien verantwortlich ist, habe ich die Befugnis, jeden von Aktionen der Auroren abzuziehen und auszuschließen. Überlass die Sache dem Ministerium und geh wieder unterichten!“

„Du hast keine Befehlsgewalt über mich, Shacklebolt. Ich gehöre nicht zu deiner Abteilung.“

„Danke, dass du das einsiehst. Als Zivilist bist du von der Suche und jeder weiteren Beratung ausgeschlossen und berufe dich ja nicht auf den Orden. Ich brauche jetzt wirklich keine Hilfe von dir, wenn sie so aussieht, dass du dem Gesuchten einen Unverzeihlichen an den Hals jagst, nur um deine Rachegelüste zu befriedigen. Wir brauchen ihn lebend. Geh nach Hogwarts zurück und kümmere dich um deine Schüler! Du bist doch Hauslehrer. Solltest du dich nicht um die verängstigten Slytherins kümmern?“

„Er hat Rea getötet!“, war das einzige, was Severus herausbekam.

„Sie war auch meine Freundin, Severus. Glaubst du vielleicht, ich wüsste nicht, dass ihr beide eine kurze Zeit liiert wart? Sie hat sich bei mir ausgeweint und dann ihre Versetzung beantragt. Was glaubst du, warum sie so plötzlich aus England verschwand? Sie wollte dir nicht begegnen.“

„Sie hätte ehrlich zu mir sein sollen!“

„Ehrlich? Hat sie denn gelogen? Hättest du ihr zugehört? Sie war ein Teenager, Severus und du hast ihr den einzigen Halt genommen, den sie in dieser Umbruchszeit hatte.“

Severus verschränkte die Arme vor der Brust und sah finster auf Kingsley, der Karten sortierte und endlich die des Verbotenen Waldes auf dem Tisch ausbreitete.

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie verwundert ich war, als sie verheult vor meiner Tür auftauchte. Sie hatte sogar ihren Teddy im Arm.“

Severus konnte nicht verhindern, dass sich seine Lippen leicht kräuselten. Er wusste genau, von welchen Teddy Kingsley sprach. Dieses ramponierte Wesen hatte stets auf Reas Kopfkissen gelegen. Es waren Kleinigkeiten wie diese gewesen, die Severus damals immer wieder vor Augen geführt hatten, dass Rea trotz ihre Fähigkeiten und ihrer Stellung noch immer ein Teenager gewesen war. Hätte er nachgedacht und sich nicht beeindrucken lassen, hätte er sich auf diese kurze Beziehung mit ihr niemals eingelassen. Er hatte jahrelang nur ab und an mit einer Spur Wehmut an sie gedacht, bis sie plötzlich nach all dieser Zeit wieder in sein Leben getreten war. Und nun war sie tot und er hasste es, auf diese Weise die verlorene Zeit vor Augen geführt zu bekommen.

„Sie hat mir erzählt, Severus, dass du ihr eine Szene gemacht hast, dass du ihr vorgeworfen hast, dir verschwiegen zu haben, wessen Schwester sie ist. Sie verstand nicht, warum dich das so ärgerte und aus der Bahn warf. Sie hat in meinen Armen geweint und ich hab ihr geraten, noch einmal mit dir zu reden. Sie schaltete auf stur und ich konnte es nicht verhindern, dass sie am Tag darauf bei Mister ihre Versetzung beantragte. Sie ging damals zurück nach Malta und reiste im Auftrag der Mysterienkonferenz durch die Welt. Als sie wieder in England auftauchte und ihren Posten in Hogwarts annahm, kam sie gerade aus Brasilien zurück, wo sie bereits Nachforschungen angestellt hatte. Wir haben damals verbotene Magie im Dschungel wahrgenommen und Remus' Brief an Dumbledore tat sein Übriges.“

„Warum erzählst du mir das alles?“, fragte Severus. Er klang zwar ruhig, doch in seinem Inneren brodelte es. Er kannte Kingsley seit jener Nacht, in der ihm Rea zum ersten Mal begegnet war. Dieses Persönchen hatte ihn beeindruckt. Sie war damals erst 16 gewesen und war mit Kingsley Shacklebolt umgegangen, als würde sie die Leitung der Operation ,Rockwood' innehaben. Vielleicht hatte sie das sogar. Damals war sie in ihrem sexy Outfit, dass sie von weitem älter als 16 hatte wirken lassen, einfach so ins Pub marschiert und war fröhlich, Augustus Rockwood am Kragen haltend, wieder auf der Bildfläche erschienen. Sie hatte mit diesem gespielt, wie Severus es nur von einem älteren Zauberer kannte. Sie hatte ihn mit legalen Zaubersprüchen zum Reden gebracht und danach sein Gedächtnis so manipuliert, dass Rockwood sich nicht mehr sicher konnte, was eigentlich geschehen war. Snape grinste innerlich. Rea hatte einen der Mitarbeiter ihrer eigenen Abteilung so manipuliert, dass er falsche Informationen an Voldemort geliefert hatte. Sie hatte Rockwood immer misstraut, wie sie ihm gestand und damit recht behalten, was erst Karkaroff bei jener Anhörung bestätigte, bei der auch Barty Crouch junior entlarvt worden war. Das alles lag so viele Jahre zurück. Nach und nach kamen die Erinnerungen an Rea wieder hoch und der Schmerz, der mit ihrem Verlust einherging. Wieder hatte er eine Frau verloren, die er geliebt hatte. „Warum erzählst du mir das alles?“, wiederholte er seine Frage, weil Kingsley schwieg.

„Damit du verstehst, Severus, dass nicht nur du einen Grund hast ihren Mörder zu finden. Rea zählte zu meinen besten Freunden und ich werde es Remus Lupin niemals verzeihen, dass er sie getötet hat. Aber wir müssen ihn lebend bekommen.“

„Er muss sterben! Er ist ein unkontrollierbares Monstrum!“, fauchte Snape.

„Ja und gerade weil er ein unkontrollierbares Monstrum ist, brauchen wir ihn lebend, um mehr zu erfahren. Die anderen Werwölfe, die sich in unserem Gewahrsam befinden, liefern keine Details. Remus hat schon vor Monaten gesagt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er hat die Anzeichen erkannt und wir müssen sie nun deuten. Was glaubst du eigentlich, was wir Auroren machen? Glaubst du, wir räumen nur den Dreck weg, den schwarze Magier und verbotene Magie hinterlassen?“, spottete Kingsley.

Snape schnaubte. Natürlich machten Auroren nur den Dreck weg. Wofür waren sie sonst da?, dachte er bissig. Dabei wusste er genau, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Die Aurorenabteilung arbeitete eng mit allen Ministerien zusammen, sogar mit der Mysteriumsabteilung. Sie waren das ausführende Organ, die mobile Einsatztruppe und hatten sich um mehr als nur schwarze Magie zu kümmern. Snape wusste das alles, dennoch wollte er in diesem Moment auf stur schalten.

„Er hat sie getötet!“, war alles, was er sagte.

„Ich weiß und ich weiß auch, dass er am meisten darunter leidet“, fügte Kingsley hinzu. Snape starrte eine Weile aus dem Fenster.

„Ihr solltet in Erwägung ziehen, den Suchradius zu vergrößern. Die Werwölfe sind wieder Menschen und wenn sich der Verstand einschaltet, wird Lupin einen sicheren Ort aufsuchen.“

„Wir haben bereits eine Liste alle Orte erstellt, an denen Remus eventuell Zuflucht finden könnte.“

„Auch Lilienwood Manor?“

Bevor Kingsley antworten konnte, stürmte Tonks in den Raum und atmete schwer.

„Rasch! Wir müssen nach Hogwarts. Es hat einen Anschlag gegeben!“, rief sie alamiert und war schon wieder aus der Tür raus.

„Harry!“, entfuhr es Kingsley.

Severus schnellte herum und sah noch, wie Shaklebolt seinem Umhang packte und aus dem Zimmer stürmte. Severus war rasch hinter ihm. Das fehlte ihm jetzt noch, dass der Held der Zaubererwelt einem Attentat zum Opfer gefallen wäre.


° ° ° ° ° ° °


„Harry, in einer Stunde ist Schlafenszeit. Glaubst du nicht, dass das bis morgen Zeit hat?“, fragte Neville und postierte sich vor das Porträt der Fetten Dame.

„Neville, wie du sagtest, bis zur Sperrstunde ist es noch eine Stunde“, mischte sich Ron ein und schob den Freund zur Seite.

„Aber morgen ist wieder Unterricht und ich weiß genau, dass ihr eure Aufgaben in Kräuterkunde noch nicht gemacht habt!“, gab er zu bedenken.

Harry schmunzelte. Er kannte Nevilles Vorliebe für Kräuterkunde. Er war einer der Besten, wenn nicht gar der Beste in diesem Fach. Hermine und er führten bei Madam Sprout die Jahrgangsbestenliste an, wie die Professorin jedes Mal voller Freude ins Gespräch einflocht, wenn sie die Hausaufgaben zurückgab.

„Wir holen das nach, sobald wir wieder da sind. Versprochen Neville“, versicherte Harry und musste grinsen, als Neville meinte: „Grüßt Hermine von mir und sagt ihr, dass ich versucht habe euch aufzuhalten.“

Harry nickte und folgte Ron durch das Porträtloch.

„Verstehe einer Neville. Spielt er jetzt den Anstandswauwau, nur weil Hermine nicht da ist und den Part übernimmt?“, lästerte Ron.

Harry zuckte mit den Schultern. Neville hatte ja recht. Wenn er sein Ziel, Auror zu werden, nicht aus den Augen verlieren wollte, brauchte er sogar Kräuterkunde. Er musste nicht wirklich gut darin sein, nur gut genug, um Gifte auch ohne Kessel und Feuer und ohne einen Bezoar durch Heilpflanzen zu neutralisieren, wenn er denn mal in der Wildnis war.

„Hermine wird ausflippen, wenn sie erfährt, was du herausgefunden hast“, plapperte Ron.

„Was wir herausgefunden haben. Wenn du mir nicht von Bills Prüfung erzählt hättest, hätten wir die Bildergeschichte niemals entdeckt.“ Harry warf einen Seitenblick auf Ron und musste grinsen, als dieser rot wurde. Das war wirklich eine liebenswerte Eigenart seines besten Freundes. Wenn er diese auch selbst verfluchte, war sie doch ein schönes Zeichen für die Bescheidenheit Rons. Natürlich würde Harry ihm das nie unter die Nase reiben, nur wenn er ihn ärgern wollte, natürlich.

Ron stolperte mit einem Mal und blieb stehen. Harry stoppte.

„Seit wann lässt Pomfrey die Krankenstation offen?“, fragte er und deutete auf die weit geöffneten Türen des Krankenflügels.

Harry sagte nichts. Er zog seinen Zauberstab und rannte los. Ron war dicht hinter ihm und überholte ihn rasch. Die längeren Beine machten sich einfach bezahlt. Ron war bereits um die Ecke und ins Zimmer der beiden Patienten gelangt, als Harry erst die Flügeltüren hinter sich brachte. Ron schrie mit einem Mal und Harry konnte gerade noch sehen, wie Ron sich zwischen einen kleinen dicken schäbig wirkenden Mann und Hermine warf. Harry schrie auf und zog den Zauberstab.
Stupor!, dachte er und aus der Spitze des Stabes kam kräftig und schnell jener rote Blitz, der einem Stupor-Fluch zu eigen war. Harry setzte einen zweiten und dritten hinterher, um den Angreifer ja außer Gefecht zu setzen. Aber der erste war nicht schnell genug, um zu verhindern, was geschah.

Harry sah, wie der feiste Mann den Arm mit voller Wucht senkte und nicht die erwachende Hermine traf, sondern das Messer in Rons Rücken rammte. Erst dann trafen seine Flüche ihn kurz nacheinander und er brach steif, mit einem irren Grinsen auf dem Gesicht, über Ron zusammen. Beide bedeckten die schreiende Hermine unter sich. Harry stand fassungslos an der Tür.

„Ron?“, flüsterte er. „Hermine? Ron!“, schrie er. „Nein!“

Er sank gegen den Türrahmen und starrte auf die Szenerie. Er atmete heftig und wiederholte immer wieder „Nein, nein, nein!“

Seine Augen huschten hastig über die Betten und was er sah, ließ ihm beinahe das Herz stehen. Sirius lag blass mit geschlossenen Augen auf seinem Bett und eine rote Blutlache bedeckte seine Brust. Harry schrie erneut, übertönte das Schluchzen Hermines. Er schrie und brüllte, doch seine Gliedmaßen wollten ihm nicht gehorchen.

Er erwachte erst aus seiner Bewegungslosigkeit, als Madam Pomfrey durch das Geschrei erschien. Er sah nur ein weißes wütendes Etwas aus dem Augenwinkel auf ihn zu hasten. Er reagierte nicht wirklich. Er hob nur einen Arm und deutete ins Innere des Zimmers.

Wenige Augenblicke später, so kam es ihm vor, traf ihn eine flache Hand ins Gesicht. Madam Pomfrey stand mit einem dampfenden Becher neben ihm und drückte ihn Harry in die Hand.

„Harry, endlich kommen Sie zu sich. Trinken Sie das, dann wird es Ihnen besser gehen.“

„Er hat sie einfach getötet“, flüsterte er und sah zur Krankenschwester auf. Er wunderte sich, warum er saß und wie Kingsley so rasch aus Hogsmeade hochgekommen war. Er ließ seinen Blick schweifen und nippte an dem Tee. Er verzog das Gesicht und schüttelte sich.

„Ich weiß, der Trank schmeckt widerlich, aber er wird wieder Farbe in Ihre Wangen bringen.“

„Sie sind tot!“, flüsterte Harry und suchte nach Sirius, Ron und Hermine. Er brauchte eine Zeit, bis er Hermine sitzend und vollig aufgelöst mit Professor McGonagall redend in ihrem Bett entdeckte. Sie schüttelte den Kopf, knetete die Decke und deutete ab und an auf das ihr gegenüberliegende Bett. Harry folgte dieser Geste und entdeckte Sirius. Er lag nach wie vor nahezu regungslos da. Harry konzentrierte sich auf das kaum wahrnehmbare Auf und Ab seines Brustkorbes. Allmählich begriff er, dass sein Pate schlief und nicht tot war. Das Bettdeck war wieder schneeweiß und die dampfende Tasse auf Sirius' Nachttisch war ein deutliches Zeichen dafür, dass Sirius bis vor kurzem noch wach gewesen war.

„Ron?“, fragte er leise und nahm einen weiteren Schluck.

„Mr Weasley geht es so weit gut. Er hat mehr Glück als Verstand gehabt. Nur ein Zentimeter weiter links und selbst die Spezialisten aus St. Mungus hätten nicht mehr viel für ihn tun können. Ich kann vieles heilen, Mr Potter, aber nicht alles. Ihr Freund muss einen sehr mächtigen Schutzgeist gehabt haben. Er befindet sich ein einem anderen Raum, wo er mehr Ruhe hat. Sein Vater ist bei ihm. Mr Weasley wird wieder gesund, so viel ist sicher.“

Harry nickte. Er hob die Tasse erneut und wollte trinken. Doch er zitterte so stark, dass sie seinen Händen entglitt und auf dem Boden zerschellte. Er wischte sich verstohlen über die Augen und schniefte.

„Ich hätte sie alle verlieren können“, flüsterte er und brach in Tränen aus. Die mütterlichen Arme Madam Pomfreys umfingen ihn und Harry ließ sich gehen. Er weinte und schluchzte, gab sich die Schuld, wieder zu spät gekommen zu sein. Gleichzeitig war er froh sich gegen Neville durchgesetzt zu haben. Hermine und Sirius wären tot gewesen, wenn er und Ron nicht in die Krankenstation gegangen wären.

„Seine Mutter wird mich hassen. Nur weil er mit mir befreundet ist, ist er nun schwer verletzt. Erst Ginny, nun Ron…“

„Harry, das ist Unsinn!“, rief Madam Pomfrey.

„Ich muss Poppy recht geben, Harry. Stelle die Freundschaft niemals in diesem Licht dar, das ist dumm und deiner nicht würdig!“, mischte sich Dumbledore ein. Er war vor ihn getreten und schaute ernst auf Harry hinunter. Das schelmische Blitzen in den Augen des Direktors war verschwunden. Es hatte einem besorgten Schleier Platz gemacht, der Harry nicht gefallen wollte.

„Was ist noch geschehen?“, fragte Harry daher leise, zog hoch und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen fort. Er wunderte sich nicht, den Direktor hier zu sehen. Sicher hatte McGonagall ihn benachrichtigt und um rasche Rückkehr gebeten.

Dumbledore seufzte und ließ sich neben Harry nieder. Poppy verschwand und ließ die beiden allein.

„Ich weiß es nicht, Harry.“

Harry schnaubte.

„Nein, nein, ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie Peter ins Schloss eindringen konnte. Du hast ihn außer Gefecht gesetzt, bevor er vollenden konnte, was er begonnen hatte und dabei hast du ganze Arbeit geleistet. Kingsley meinte, er hätte mindestens drei starke Stupor-Flüche abbekommen.“

Harry nickte. „Ja, drei! Pettigrew hätte sie getötet, nicht wahr? Jetzt wird doch alles wieder gut werden. Wir haben Pettigrew. Er wird Sirius entlastet und uns sagen, was das alles zu bedeuten hat. Es wird sich alles wieder einrenken. Wir werden Remus finden und dann… Alles wird wie früher werden.“

Dumbledore seufzte erneut, was Harry nicht gefallen wollte. „Nun ja, leider ist das nicht so einfach, Harry. Sicher, Peter ist gestellt und damit hat sich eure Geschichte bestätigt. Was sich damit nicht automatisch erwiesen hat, ist Sirius' Unschuld. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Voldemort einen Mann wie Peter in seine Pläne eingeweiht haben wird.“

„Pettigrew ist mir etwas schuldig. Er wird gestehen!“, behauptete Harry und ignorierte Dumbledores skeptischen Blick. Er fühlte, dass alles in Ordnung kommen würde. Aber er hütete sich auch, die Dinge in allzu optimistischem Licht zu sehen. Innerhalb zweier Tage hätte er beinahe drei seiner besten Freunde verloren. Das Schicksal konnte manchmal so schnell zuschlagen. Harry weigerte sich, Pläne zu schmieden, um nicht wieder am Ende vor dem Nichts zu stehen. Doch was Pettigrew betraf, hatte er ein gutes Gefühl.


°
° tbc °
__________________________________________________

AN:

Interpres, qui vasit inter mundi duo
- Mittler, der zwischen zwei Welten wanderte.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
Soundtrack: Der Hobbit 3
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Es ist wunderbar, wie furchtlos und entschlossen Dan sich jeder Aufgabe stellt. Manchmal drehten wir eine Szenenwiederholung nach der anderen, und jedes Mal spürte ich seine Entschlossenheit, es bei der nächsten Wiederholung des Takes noch besser zu machen. Das schätze ich so sehr an ihm: Er setzt wirklich alles daran, um seine beste Leistung zu zeigen.
David Yates über Daniel Radcliffe