Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ăśber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Harry Potter und das Geheimnis seiner Ahnen - Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen

von Eosphoros

33. Rechtfertigungen - Schuldzuweisungen



„In der Tat! Deine Frau verdankst du mir.“

Lucius hielt den Kopf nach wie vor gebeugt. Es war eine unschöne, demütigende Geste vor allem in Gegenwart seiner Schwägerin und Anton Misters und dennoch wagte er nicht sich zu bewegen. Die Linke seiner Gattin ruhte in seiner Rechten. Ihr leichtes Zittern verriet ihm, wie viel Mühe es sie kostete, den Anschein von Souveränität aufrecht zu erhalten. Erst auf der Reise hierher war ihr erst wirklich bewusst geworden, was für ein Risiko sie eingegangen war und in welcher Richtung die eigentliche Gefahr lauerte. Sie hatte nicht nur Voldemort hintergangen, sie hatte einen Plan gefährdet und die eigenen Interessen über die der Todesser gestellt. Dafür konnte es nur eine Strafe geben. Es hatte ihm Mühe gekostet, sie zu beruhigen und sie dazuzubringen, sich Seiner Lordschaft zu stellen. Instinktiv drückte Lucius ihre Hand und stellte befriedigt fest, dass ihr Zittern nachließ. Augen zu und durch.

„Du musst ein sehr außergewöhnlicher Mann sein, mein Freund, wenn deine Frau das Risiko eingeht, sich meinen Wünschen zu widersetzen”, schnarrte der Seine Lordschaft. Lucius sagte nichts. Er verharrte nach wie vor in seiner gebeugten Haltung. Voldemort stand links von ihm. „Magst du mir nicht antworten?”

Lucius richtete sich auf und meinte: „Sie ist Euch immer eine treue Dienerin gewesen, Mein Lord.” Keine Unsicherheit, kein heuchlerischer Unterton hatte sich in seine Stimme eingeschlichen. Nichts von unterwürfiger Schmeichelei zerstörte die Wirkung dieser einfachen Aussage. Lucius hasste diese Floskeln, doch Sein Meister wollte sie hören.

„War sie das?”, hinterfragte Voldemort. Lucius hielt seinen Blick stur geradeaus gerichtete, als er sie beide umrundete und neben Narzissa stehen blieb. Ihr kalte Hand lag mittlerweile ruhig und gelassen in Lucius`. „War sie wirklich meine treue Dienerin?”

Lucius bemerkte den lauernden Unterton. Wenn seine Gattin jetzt bettelte und um Gnade flehte, wĂĽrde er mit Draco alleine dastehen. Doch Narzissa dachte offenbar nicht daran. Sie richtete sich auf und hob den Kopf, um Seiner Lordschaft direkt in die Augen zu sehen.

„Ihr braucht Lucius!” Mehr sagte sie nicht und senkte wieder den Blick.

„Damit könntest du sogar Recht haben, Narzissa.”

„Er ist der einzige der...”

„Schweig!”, donnerte Voldemort. Dann schlug er zu. Lucius fehlte die Kraft seine Frau zu halten und musste mitansehen, wie sie von der Faust Seiner Lordschaft getroffen zu Boden ging und dort liegen blieb. Lucius widerstand dem Wunsch zu ihr zu eilen und ihr aufzuhelfen. Das musste sie alleine schaffen. Narzissa hustete. Sie stemmte sich mühsam auf den Händen ab und kam auf die Knie. Sie brauchte eine Weile, um sich vollständig zu erheben. Sie wischte sich über den Mundwinkel und nahm ihren Platz neben Lucius wieder ein. „Überspann den Bogen nicht! Noch sehe ich einen Vorteil in deinem Ungehorsam! Noch! Allein dieser Tatsache verdankst du es, noch vor mir zu stehen und dich nicht vor Schmerzen am Boden zu winden! Ich denke, ein Aufenthalt auf dem Land wird dir und deiner Schwester guttun. Mir aus den Augen!”, setzte Seine Lordschaft hinzu.

Lucius atmete innerlich auf. Narzissa hatte auf dem Weg nach Stonehenge wirklich Todesängste ausgestanden. Sie hatte es geschickt verborgen. Doch hatte er sie entdeckt, diese panische Seite, die er an seiner Frau nie so ausgeprägt erlebt hatte. Selbst beim Fall des Dunklen Lords hatte sie auf das Glück vertraut. Selbst als er, Lucius, ein Jahr nach diesem den erfolglosen Versuch unternommen hatte, Voldemort zurückzuholen, und von einem Desaster ins andere geraten war, hatte sie ihn nur auf ihre charmante Art und Weise gebeten vorsichtig zu sein. Sie hatte Stärke bewiesen, als er nach Askaban kam und es unsicher war, welche Zukunft ihnen bevorstand. Narzissa hatte bisher jede Situation gemeistert. So hatte ihn ihre offenkundige Angst und die Anstrengung in ihrer Haltung ihm sehr zu denken gegeben. Er hatte sogar befürchtet, dass sie im Angesicht des Dunklen Lords die Nerven verlieren würde. Nun war ihrem Gesicht selbst die Erleichterung nicht anzumerken. Ein Schlag ins Gesicht war die ganze Strafe. Genausogut hätte Voldemort sie mit dem Cruciatus oder gar dem Avada Kedavra bestrafen können. Lucius bewunderte ihre Contenance. Er verneigte sich erneut und wollte Narzissa hinausführen, doch die schmale Hand Seiner Lordschaft hielt ihn zurück. Es hatte etwas Widerliches, wie seine knochigen Finger sind in seine Schulter krallten. Dünn und straff spannte sich die pergamentfarbene Haut über die hageren Glieder, in denen dennoch eine ungeahnte Kraft lag.

„Du bleibst!”

Lucius fügte sich, sah seine Frau mit stolz erhobenem Kopf gefolgt von einer zeternden Bellatrix aus dem Zelt verschwinden. Er lächelte. Er ahnte, dass sie in Malfoy Mansion sich einschließen und sich erst dann gehen lassen würde. Er fragte sich schon jetzt, wieviel ihn das kosten würde.

„Mein Lord?” Lucius drehte sich um und nicht zum ersten Mal widerte ihn der Anblick des einstmals so attraktiven Mannes an. Kaum mehr menschlich war Voldemort zu nennen. Seine roten Augen zeigten doch, wie weit er die Grenzen es Machbaren überschritten hatte. Seine Lordschaft wirkte, als hätte er selbst einige Jahre in Askaban zugebracht und nicht er, Lucius. Lucius würde viel tun, um zu Macht, Ansehen und Einfluss zu gelangen, doch niemals sein Menschsein aufgeben. Dazu, das gestand er sich selbst gerne ein, war er zu eitel.

„Sage mir, Freund, was ist falsch gelaufen! Lass mich an deinem umfangreichen Wissen teilhaben!”, forderte Voldemort mit Hohn und unterschwelligem Interesse in der Stimme. Er hinkte zu seinem erhobenen Platz hinter dem Tisch und sammelte mit einem Wink seines Zauberstabs die verstreuten Papiere und Bücher wieder auf. Als letztes schwebte Salazars Buch auf den Tisch zurück. Es hatte seinen äußeren Glanz verloren und erweckte wieder den Anschein eines ungepflegten unsachgemäß aufbewahrten Codex. Lucius tat es in der Seele weh diesen Schatz so zu sehen. Voldemort setzte sich und streckte die müden Glieder. „Was war der Fehler?”, flüsterte er. Lucius folgte ihm und umrundete den knienden Anton Mister. Wenn Voldemort ihn ignorierte, dachte er gar nicht daran, von diesem Notiz zu nehmen.

„Über das Medium kann ich nichts sagen. Aber es lag nicht an Eurer Kraft, Mein Lord! Es ist das Buch an sich!” Mit den Fingerkuppen strich er über den schäbigen Ledereinband, desses wahre Schönheit sich nach dem gewaltsamen Schließen wieder nach innen gekehrt hatte. Es würde dauern, bis sich diese wieder nach außen wagte.

Voldemort starrte ihn ungläubig an. „Fälschung?”

Ein überlegenes Lächeln trat auf Lucius Lippen, er stützte seine Hände auf den Tisch, beugte sie vor und schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe es bereits benutzt, eine Fälschung ist ausgeschlossen. Doch bedenkt, Mein Lord, wer dieses Buch verfasst hat.”

Lucius sprach absichtlich in Rätseln. Er wusste genau, welchen Eindruck er auf seinen Herrn machte. Er musste mit seinen fiebrig glänzenden unnatürlich groß scheinenden Augen wie ein Verrückter wirken.


° ° ° ° ° ° °

Harry war eindeutig übernächtigt. Schweigend ging er mit Ron durch die Gänge. Es herrschte gedrückte Stimmung. Der Tag nach Halloween sollte in der Regel ein angenehmer Tag, ein freier Tag sein, der den Hogwartsschülern Entspannung und Erholung brachte. Sie konnten ausschlafen und sich so von der Feier des vergangenen Tages erholen. Doch dieser erste November brachte weder Entspannung noch Erholung, sondern Trübsal und Bitterkeit. Harry schlich in die Große Halle und nahm seinen Platz am Gryffindortisch ein. Dumbledore fehlte an der Lehrertafel, stattdessen hatte Professor McGonagall den Stuhl in der Mitte belegt und gab sich alle Mühe, eine Aura von Ruhe und Zuversicht auszustrahlen, wie Dumbledore es in diesem Moment wohl auch getan hätte. Ron setzte sich an Harrys Seite. Beide starrten ohne rechten Appetit auf ihre Frühstücksteller. Angewidert schloss Harry die Augen und schob ihn von sich.

„Mir wird schlecht!”, erklärte er kurz. Obwohl sein Magen knurrte, empfand er nichts als Abscheu für das Essen, das sich so reichhaltig und duftend vor ihm auftürmte. Er kannte dieses Phänomen nur zu gut. Wenn der Hunger zu groß war, löste allein der Geruch von Essen einen Brechreiz aus. Es war traurig genug, dass er es kannte. Nach dem ersten Bissen war die Übelkeit in der Regel vorbei, der Magen hatte endlich etwas zu tun und gab Ruhe. Doch Harry konnte sich zu diesem ersten Bissen allerdings nicht durchringen.

„Mir auch!”, gab Ron zu und ließ das angebissene Würstchen zurück auf den Teller gleiten.

„Harry?”, flüsterte Neville. Unbemerkt hatte er an Harrys anderer Seite Platz genommen. „Stimmt es, was man sich erzählt?”

„Was soll stimmen?”, fragte Harry unwirsch und roch an seinem Kakao. Trinken mochte gehen. Kopfschmerzen machten sich hinter seiner Stirn bemerkbar, die er der durchwachten Nacht und dem Hunger zuschrieb. Sie unterschieden sich so gänzlich von denen, die ihn bisher hatten leiden lassen, dass er sie beinahe als Wohltat empfand.

„Professor Dumbledore hat uns vorhin, bevor er abgereist ist, erzählt, dass Professor Lupin getötet worden ist. Stimmt das?”

Neville hatte sehr leise gesprochen, so leise, dass er ihn kaum hatte verstehen können.

„Das ist richtig!”, nuschelte Harry, schob auch den Kakao von sich und nahm stattdessen ein Glas Wasser. „Rea Lupin ist tot!” Harry wartete eine Weile und musterte Neville mit intensivem Blick. Doch Neville schien nicht zu bemerken, dass dieser etwas ganz Bestimmtes von ihm noch hören wollte. Stattdessen kaute er recht langsam auf einem Stückchen Pastete herum und überlegte. „Danke, dass du dich auch nach Ginny und Hermine erkundigt hast!”, setzte Harry hinzu. „Schöne Freunde!” Harry sehnte sich nach einem Ventil, seine Wut abzulassen und egal wer sich ihm in den Weg stellen würde, würde diese Wut zu spüren bekommen. Er stob davon und gab Neville nicht einmal die Möglichkeit, nach den beiden Mädchen zu fragen. Er lief um die Ecke und prallte prompt mit Draco Malfoy zusammen.

„Pass doch auf, Potter!”

„Geh mir aus dem Weg!”, zischte Harry.

„Uhh, Potter macht einen auf stark und mächtig, wahrscheinlich weil er seine Freunde wieder einmal in Schwierigkeiten gebracht hat. Reife Leistung, Potter!” Draco war denkbar bester Laune. Hinter ihm tauchte Pansy auf und kicherte.

„Mit ihm befreundet zu sein ist eine Gefahr für Leib und Leben!”, spöttelte sie und schlang ihre Arme um Dracos Taille. „Wer so unvernünftig ist, mit ihm befreundet zu sein, muss eben mit den Konsequenzen selbst fertig werden. Nicht wahr, Draco?”

„In der Tat, Pansy, in der Tat!”, bestätigte er und streichelte ihre Wange. Harrys Magen rebellierte. Erst das Essen, dann der Kakao und nun dieses Paar Turteltauben. Das war zu viel für ihn. Er schluckte mehrmals, um den Würgreflex loszuwerden.

„Geh mir aus dem Weg, Malfoy!”, fordert er noch einmal. Draco und Pansy hatten sich so ungünstig in den Gang gestellt, dass Harry, selbst wenn er es gewollt hätte, weder links noch rechts an ihnen vorbeikommen konnte.

„Du begreifst es wohl noch immer nicht, Potter! Die Zeiten der Löwen sind vorbei! Die Lupins waren nur die ersten Opfer. Du glaubst doch nicht, dass diese abartige Kreatur, ihre Flucht überleben wird? Verhalte dich lieber ruhig, sonst wirst du nach der kleinen Granger der Nächste sein.”

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Harry schrie auf. Seine Wut, die er auf die eigene Unfähigkeit seine Freunde zu schützen, geschürt hatte, war blankem Hass gewichen. Es war unbändiger Hass, der ausbrechen wollte, um sich Nahrung zu suchen. Er packte Malfoy am Kragen, riss ihn an sich und schob ihn mit Wucht gegen die Wand. Harry wusste nicht einmal, dass über solch schnelle Reflexe verfügte. Noch ehe Draco sich wehren konnte, hatte Harry ihn mit einer Hand bei der Kehle gepackt und zischte: „Krümmst du ihr oder Ginny oder einem anderen meiner Freunde auch nur ein Haar, wirst du es bereuen. Dann wirst du deinem Vater in Askaban Gesellschaft leisten.” Innerlich applaudierte die Seite in ihm, die er fürchtete.

Malfoys Grinsen war ihm unverständlich. Er drückte unbewusst weiter zu. Dracos schweres Atmen hätte ihm eine Warnung sein müssen, zu weit gegangen zu sein. Doch die Befriedigung Malfoy so zu sehen, Pansy an seinem Arm hängen zu haben, die verzweifelt versuchte ihn dazuzubringen, endlich die Hand von Dracos Kehle zu nehmen, war stärker als die Vernunft, war stärker als seine Selbstbeherrschung.

Harry atmete heftig. Dracos Gesicht verschwamm allmählich vor seinen Augen und nahm die Züge Voldemorts an. Schweiß lief seinen Rücken hinunter und hinterließ einen unangenehmen Film. Dracos helle Augen wurden zu glutroten, spöttisch funkelnden, die ihn herausforderten, endlich die letzten Grenze zu überschreiten und zu seinem Ebenbild zu werden. Wie von Sinnen kreischte in Harrys unmittelbaren Nähe ein Mädchen. In seiner Fantasie war es Ginnys Stimme, die er hörte. So hemmungslos hatte sie in der vergangenen Nacht geschrien und er hatte ihr nicht helfen können. Der Zorn ließ seine Kräfte ansteigen. Befriedigend hörte er das Keuchen, dass aus Voldemorts Mund kam. Nur noch ein wenig fester und...

Irgendjemand zerrte an seinem Arm.

„Mr Potter! Lassen Sie sofort Mr Malfoy los! Ich glaube es ja nicht! Fünfzig Punkte von Gryffindor! Beherrschen Sie sich doch!”

Harry schüttelte den Kopf, langsam wurde seine Sicht wieder klarer. Entsetzt erkannte er, wen er da beinahe erwürgt hätte. Schockiert über sein Verhalten ließ er Draco los. Hilflos musste er mitansehen, wie Malfoy die Hände an seine Kehle legte und langsam an der Wand zu Boden glitt.

„Draco!”, kreischte Pansy und war an seiner Seite.

„Das wollte ich nicht”, flüsterte Harry. „Das wollte ich nicht!” Panisch presste er seine Hände gegen die Schläfen und eilte davon. Er reagierte nicht, als Professor McGonagall ihm zornig hinterherbrüllte und Gryffindor weitere fünfundzwanzig Punkte abzog. Es war ihm egal. Was hatte ihn dazu getrieben, Malfoy derartig zu attackieren? Er hastete hinauf in den Turm, brüllte schon von Weitem der Fetten Dame das Passwort zu und lief, je zwei Stufen auf einmal nehmend, zum Schlafsaal empor. Wenige Sekunden später lag er keuchend auf seinem Bett. Wie hatte er nur so unbeherrscht sein können? Sicher, Draco Malfoy und er verstanden sich nicht gut, sie waren verfeindet bis aufs Blut. Mehr als einmal waren sie aneinander geraten. Doch er hätte ihn beinahe getötet. Malfoy hatte plötzlich Voldemorts Züge gehabt. Daran musste es gelegen haben. Harry lachte hysterisch auf und presste sich die Handballen auf die Augen. Das mochte eine Erklärung sein, doch kein Grund für sein Verhalten. Er war kein Mörder. Er war kein Mörder!

„Ich bin kein Mörder! Aber du machst mich zu einem!“, schrie er in die Leere des Schlafsaals. Er wusste nicht, wen er beschuldigte, doch es tat gut, jemand anderen für seine dunkle Neigung verantwortlich zu machen. Er selbst würde nie so handeln. Nein, er würde nie ein derartiges Verbrechen begehen. „Noch ein Traum und dann?”, flüsterte er. „Ich werde niemals wie er, eher sterbe ich.”
Harry drehte sich zur Seite. Seine Gedanken glitten zu Ginny, Hermine und zu Sirius. Schlaf, es war der Schlafmangel, redete Harry sich ein. „Schlafmangel, nicht Hass!”, murmelte er und schlief ein. Zum ersten Mal seit Monaten wurde er nicht von Alpträumen und Visionen oder Echos der Vergangenheit heimgesucht.


° ° ° ° ° ° °


Sirius hielt Hermines Hand und musterte das entspannte Gesicht des Mädchens eingehen. Sie war um einiges ruhiger, seit er in ihrer Nähe war. Sie sah zwar blass aus, doch lag in dieser Blässe eher Erschöpfung als Qual. Die zerzausten Locken bedeckten fast das ganze Kissen. Sirius fragte sich zum wiederholten Mal, wie sie es schaffte, durch diesen Wust an Haaren mit einem Kamm zu kommen. Er selbst hatte bei seinem ja schon Probleme genug. Sirius musste grinsen. Hier lag die beste Freundin seines Patensohnes und er dachte an Haarpflege. Ein Knacken erregte seine Aufmerksamkeit. Er erhob sich schwankend und ließ einen Blick durch den Raum schweifen. Hermines Hand ließ er nicht los. Nichts war zu sehen. Die Krankenstation war ruhig. Zu ruhig seiner Meinung nach. Es musste Geräusche geben, die auf die Anwesenheit von Menschen hindeuteten, doch nichts davon war zu hören. Kein hörbares Atmen, kein Räuspern, kein Deckenrascheln, nichts.

Er setzte sich wieder und streichelte mechanisch Hermines Hand.

„Dir wird nichts passieren”, flüsterte er. Diese Ruhe machte ihn fast wahnsinnig. Alles, was er vernahm, war das Rauschen des eigenen Blutes in den Ohren.

„Ist das alles wirklich passiert? Sirius?”

Er erschrak, als Ginny ihn ansprach. Sie hatte ihm den Kopf zugewandt und musterte ihn ernst mit einer Mischung aus Unglauben und Hoffnung. Erstaunlicherweise akzeptierte sie sein Hiersein.

„Ich fürchte, ja”, gab Sirius zu.

„Ich kann nicht glauben, dass Remus seine eigene Schwester...” Sie brach ab. „Wie geht es Hermine? Hat er sie verletzt?”

Sirius ließ Hermines Hand los, bettete sie sorgsam auf der Bettdecke und drehte sich völlig zu Ginny um. Das Mädchen rappelte sich auf und rutschte mit dem Rücken ans Bettgestell.

„Ein paar gebrochene Rippen, mehr nicht. Ich bin mir sicher, er hat sie nicht verletzen wollen. Es war anders als bei... Rea.”

Ginny nickte und kaute auf ihrer Unterlippe herum. „Ich war wie gelähmt”, meinte sie nach einer Weile.

„Das ist doch verständlich, Ginny. Niemand macht dir einen Vorwurf.”

Ginny warf ihm einen zweifelnden Blick zu. Sie knautschte ihre Bettdecke und schüttelte den Kopf. „Aber ich... Ich mache mir Vorwürfe. Ich war eine der Besten in Verteidigung gegen die dunklen Künste, ich war eine der Besten in Dumbledores Armee und ausgerechnet, als es darauf ankam, es zu beweisen, habe ich versagt!”, flüsterte Ginny und wischte sich verärgert über die Wangen.

In Sirius machte sich leichte Unruhe breit. Er hatte noch nie mit Mädchen umgehen können, die weinten. Sicher, er hatte schon als Junge einen Draht zu Mädchen gehabt, doch wenn sie weinten, hatte er sich stets hilflos gefühlt. Er hoffte, dass er das Richtige tat und sagte, nahm ihre Hände in seine und sah sie so intensiv an, dass sie seinen Blick erwidern musste.

„Du hast nicht versagt, Ginny! Das will ich nie wieder von dir hören! Du hast gerade erst von Reas Tod erfahren und dann das. Ich habe Männer und Frauen in Panik ausbrechen sehen, als es hieß, sie sollen gegen Todesser antreten, und diese Männer und Frauen haben sich Tag für Tag dem Kampf gegen schwarze Magie gewidmet. Ihr, Ginny, wurdet von Werwölfen und Wölfen bedroht. Ich möchte den erleben, der nicht panisch darauf reagiert. Das ist noch nur ganz natürlich. Du hast nicht versagt! Was war denn damals im Ministerium? Ihr, Zauberer und Hexen in der Ausbildung, gegen gestandene Todesser. Niemand hätte gedacht, dass ihr euch so lange behaupten könnt.”

„Aber das war...”

„Wenn du jetzt sagst, dass das nichts war, dann versohle ich dir den Hintern!”, drohte Sirius mit erhobenem Finger.

Ginny brachte ein kleines Lächeln zustande und Sirius atmete erleichtert auf. Die Geschehnisse im Ministerium waren für ihn nach wie vor ein wunder Punkt.

„Warum hat er sie nicht umgebracht?”, fragte sie weiter und zerstörte damit den Eindruck, dass sich die Atmosphäre etwas entspannen würde. Ihre hellbraunen Augen fixierten ihn. Ein leichter Schleier umgab die unnatürlich erweiterte Pupille. Jetzt wusste er, warum Ginny weder überrascht noch sonderlich emotional auf seine Anwesenheit reagierte. Sie stand noch immer unter dem Beruhigungstrank, den Poppy ihr gegeben hatte.

„Es war zu erwarten, dass er Hermine nichts tun würde.” Ginnys skeptischer Blick machte ihn nervös. „Ich kann es mir nur so erklären, dass Reas Tod ihn sehr schockiert hat. Remus ist niemand, der zum Spaß tötet, das wird er auch nie sein. Selbst wenn nun ein anderes Bild von ihm existiert. In der Vollmondzeit lässt er sich lieber einsperren, als dass er zulässt, für andere zur Gefahr zu werden. Er hat zweimal getötet und ein Opfer war seine eigene Schwester... Aber, das macht ihn nicht zu einem schlechten Menschen.”

Ginny schluchzte und kniff die Augen zusammen. „Hör auf!”, brüllte sie, entriss sich seinem Griff und presste die Hände auf die Ohren. Sirius seufzte. Auf diese Reaktion hätte er vorbereitet sein müssen. Sie wollte nicht hören, was er zu sagen hatte, weil er Remus verteidigte. Sie wollte hassen, nicht verstehen!

Doch Sirius durfte das nicht zulassen. Er packte ihre Handgelenke und zog sie dem stumm weinenden Mädchen von den Ohren.
„Du musst das begreifen, Ginny! Es ist notwendig. Rea hatte auf ihn eingeredet, mit sanfter Stimme und Vernunft. Ihr gemeinsames Blut hätte sie schützen müssen, doch sie roch anders. Ihre Stimme und ihre Erscheinung und ihr Geruch passten nicht zusammen. Versteh das! Reas ganze Art löste in Remus eine Erinnerung aus, doch bevor sie vom Herzen des Menschen ins Bewusstsein des Werwolfs dringen konnte, wurden sie gestört. Beinahe hätte Rea es geschafft, ihn davon abzuhalten, sich auf sie zu stürzen. Dann... Das Vertrauen war dahin. Der kleine Faden zwischen Erinnerung und Trieb riss. Er musste dem Trugschluss unterliegen, getäuscht worden zu sein. Remus steht unter einem ganz perfiden Zauber. Er weiß nicht, was er tut! Er ist Opfer, Ginny, kein Täter!”
Sirius schluckte und senkte den Kopf. Er war so unglaublich müde und die Welt um ihn herum so wenig deutlich und verwirrend, dass er am liebsten wieder in sein Bett gekrochen wäre und geschlafen hätte. Er wusste, es war die Gehirnerschütterung, die ihn die Welt wie im Nebel erschienen ließ, doch war einfach keine Zeit zum Ruhen. Er war lange genug untätig weggelaufen und hatte seine Sinne vor der Realität verschlossen.
„Dieses Mal“, fuhr er fort, „waren es zwei, die auf ihn eingeredet haben. Ihm liegt sehr viel an Hermine, daher war ich mir eigentlich sicher, dass er sie nicht angreifen würde. Er hat sie erkannt, sonst wäre sie nicht am Leben. Alles passte. Geruch, Aussehen, Stimme, alles.”

Sirius drehte sich um und musterte Hermine aufmerksam. Die Schatten waberten nach wie vor ĂĽber der schlafenden Gestalt. Etwas mussten sie ĂĽbersehen haben.

„Sirius? Wie geht es Harry?”, riss ihn Ginny wieder aus seinen Gedanken. Ihre feucht glänzenden Augen zeigten das Verständnis, von dem er gehofft hatte, es bei ihr zu erreichen. Ob es anhielt oder nur ein Reflex auf das Gehörte war, vermochte er nicht zu sagen.

„Er leidet, aber ist unverletzt. Bis Poppy ihn weggeschickt hat, hat er bei dir am Bett gesessen und deine Hand gehalten. Er macht sich schwere Vorwürfe, weil er glaubt, versagt zu haben.”

Ginny lächelte und errötete. Sirius konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die erste wahre Liebe war einfach nur wunderschön. „Harry übertreibt wieder einmal. Er hat nicht versagt.”

Sirius nickte. Die beiden waren sich auf der einen Seite sehr ähnlich und auf der anderen wieder nicht. Harry und sie ergänzten einander. Hoffentlich würden sie das bald erkennen. Noch schlichen sie umeinander herum und gestanden sich ihre Gefühle nicht. Sirius fuhr sich mit den Fingern über die Nasenwurzel. Seit wann gingen seine Gedanken solch merkwürdige Wege und das auch noch mit solcher Selbstverständnlichkeit?

Die TĂĽr zur Krankenstation ging auf und eine aufgeregte Molly Weasley stĂĽrzte sich einer Glucke gleich auf ihre Tochter, nahm sie in ihre Arme und drĂĽckte sie an sich. Sie herzte sie und kĂĽsste sie und vermochte sie nicht mehr loszulassen.

„Ginny, oh, Ginny! Poppy meinte, du würdest noch immer schlafen, weil der Beruhigungs...” Molly stutzte. „Sirius!” Sie klang ungläubig überrascht und wollte sich nun auch auf ihn stürzen, doch er winkte ab. „Sie sagten mir, du seist wieder da, doch ich wollte es nicht glauben. Harry muss überglücklich sein und ich... Du siehst schrecklich aus.“

Sirius widerstand dem Drang eine zynische Bemerkung von sich zu geben oder in unpassendes Gelächter auszubrechen. Der Raum hatte begonnen sich zu drehen und ihm stand nicht der Sinn nach einem verbalen Schlagabtausch mit Molly. In seiner derzeitigen Verfassung würde er den Kürzeren ziehen. So erhob er sich, nickte Molly lediglich zu und überließ der liebenden Mutter seinen Platz. Er wollte zurück in seine Bett wanken, als seine Sinne Alarm schlugen. Ein bekannter Geruch stieg ihm in die Nase. Er war kaum wahrnehmbar und dennoch für seine feinen Sinne herauszufiltern. Mit diesem Geruch verband er nichts Angenehmes. Doch wusste er ihn im Moment auch nicht einzuordnen. Irritiert ließ er sich von der unbemerkt eingetretenen schimpfenden Madam Pomfrey wieder ins Bett führen und zudecken.

„Es ist immer wieder das Gleiche mit dir, Sirius. Du bist nicht im Bett zu halten, selbst wenn man dich am Gestell festbinden würde, würdest du einen Weg finden dich davonzustehlen. Du wirst noch genügend Zeit haben die Fragen zu beantworten, die unweigerlich kommen werden, sobald sich deine wundersame Wiederkehr herumgesprochen hat.”

Er fuhr sich durchs Haar, ließ sich ins Bett bringen und dachte an die Zeit in Hogwarts, als Madam Pomfrey noch nicht die Leitung der Krankenstation übernommen hatte, sondern als eifrige Krankenschwester in Ausbildung der damaligen Leiterin zur Hand ging. Ihre entschiedene Art hatte sie bereits damals gehabt. Einige Dinge änderten sich nie.

„Du und dein Patensohn, ihr nehmt euch beide nicht viel! Ich hasse schwierige Patienten. Sollte sich auch nur einer deiner Zehen unerlaubt dem Boden nähern, wirst du mich kennenlernen! Du bleibst unter der Decke, verstanden?”

„Mit dir?”, brachte er neckend und doch so unendlich müde hervor. Madam Pomfrey schlug ihm spielerisch auf den Arm. Dann strich sie fürsorglich über seine Stirn.

„Unverbesserlicher Kerl!”, schimpfte sie und rauschte mit leicht geröteten Wangen hinaus. Sirius schmunzelte. Das Bild Mollys, die sich leise mit Ginny unterhielt und abwechselnd ihr über die Wange strich und Hermines Hand tätschelte, hatte etwas Rührendes an sich. Wie einfach konnte das Leben doch sein, wenn Zuneigung und Liebe im Spiel waren. Solange Molly in der Nähe war, würde Hermine in Sicherheit sein. Mit diesem Gedanken glitt er in einen Genesungsschlaf.


° ° ° ° ° ° °

Remus irrte umher. Er hatte in der Hatz vom Schloss die Orientierung verloren und war auf einem einsamen Waldweg zu sich gekommen. Er roch seinen eigenen Schweiß und schmeckte sein eigenes Blut auf den Lippen. Er konnte sich daran erinnern, dass er in einer Art Käfig in der Nähe des Verbotenen Waldes zum letzten Mal recht bei Sinnen gewesen war. Er konnte sich daran erinnern, dass er einen Klang vernommen hatte, der für rein menschliche Ohren bewusst nicht wahrzunehmen war. Er war leise gewesen und wunderschön, doch hatte Remus im Verlauf seines Lebens gelernt, dieses Klang zu hassen und zu fürchten. Häufig, viel zu häufig war dieser Ton in letzter Zeit in sein Bewusstsein gedrungen und hatte ihn dazu gezwungen, sein menschliches Außen nach innen und sein tierisches Innen nach außen zu kehren. Er wollte es nicht. Er hasste es, wenn er wieder Mensch war, nicht zu wissen, was er getan hatte. Und dann war da dieses Verlangen gewesen, diese unbändige Gier nach Fleisch, nach ganz bestimmtem Fleisch. Vereinzelt tauchten Bilder auf, so war sein menschlicher Verstand dieses Mal nicht vollkommen ausgeschaltet gewesen. Beinahe hatte er seiner tierischen Gestalt förmlich zusehen können, wie sie tat, was sie tat.

Er hatte sich aufgerappelt und war in den Wald geflüchtet, fort von der Straße, wo er nicht sicher war. Sie würden ihn jagen, soviel wusste er. Sie würden ihn für das jagen, was er getan hatte. Es war nun einmal nicht zu leugnen, dass er sich des zweifachen Mordes schuldig gemacht hatte. Ein Kind war durch ihn gestorben und seine eigene Schwester ebenso. Er erinnerte sich, an das Gespräch mit Narzissa Malfoy. Er erinnerte sich, dass alles darauf hinauslaufen sollte, Harry von seinen Freunden zu trennen, ihn zu isolieren und zu schwächen und ihn wütend zu machen.

Lass sie noch leben!, flehte er stumm und stolperte frierend durch den Wald. Ein Schritt, noch einer, nur nicht stehen bleiben. Er rieb sich fröstelnd die Arme und schlang sie fest um seinen schlanken nackten Körper. Er brauchte dringend Kleidung und Nahrung.

Der Wald - es musste die von Hogwarts am weitesten entfernte Grenze des Verbotenen Waldes sein - war voller Geräusche. Die meisten von ihnen waren eher unverdächtig. Remus kannte sie alle und wusste sie zu deuten: ein Specht, Meisen, die in der Ferne zwitscherte, Eichhörnchen, die in den Baumwipfeln hin und her huschten. Er hörte sogar ein Rudel Rehe, aufgeschreckt durch ein ungewöhnliches Geräusch, von einer nahen Lichtung fliehen. Die Spuren der Waldbewohner waren unverkennbar: Wildschweine, Rehe, Hirsche, Zentauren. Als er auf einen spitzen Stein trat und laut fluchte, verstummte der Wald. Lediglich das Rauschen des Windes in den fast kahlen Bäumen bildete nunmehr die akustische Kulisse. Remus zitterte. Seine Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. Sein Atem nahm in der kühlen Luft Gestalt an. Dann hörte er sie.

„Das kam von da drüben!”, brüllte eine heisere Männerstimme.

„Aber da ist nichts, King!” Hell und klar: Eine junge Frau. Tonks, wer sonst.

„Snape! Bleib stehen! Wir brauchen ihn lebendig! Er kommt aus dem Wald ohnehin nicht hinaus. Die Zentauren bewachen die Grenzen!”, befahl der heisere Kingsley. Er kannte sie alle.

„Das ist mir egal! Er entkommt mir nicht!” Severus Snape.

Kingsley, Tonks, Snape! Remus fackelte nicht lange. Er drehte sich um und rannte. Er rannte auf gut Glück. Die Furcht im Nacken und der Urinstinkt, überleben zu wollen, verliehen ihm beinahe Flügel. Er ignorierte die spitzen Steine, die Dornen, die Brennnesseln, den Wald, die niedrigen Zweige. Er rannte. Mit Tonks und Kingsley würde sich noch reden lassen. Die würden ihn lediglich in Gewahrsam nehmen und womöglich zu Dumbledore bringen, doch Snape wollte Blut sehen.

„Verdammt!”, brüllte Snape. „Lass mich los! Ich darf ihn nicht entkommen lassen! Ich höre ihn doch laufen!”

„Das kann auch ein Tier sein, Snape! Lass uns zurückkehren und die Suche kontrolliert angehen! Es bringt nichts, sich Hals über Kopf in die Verfolgung zu stürzen.”

Mehr hörte Remus nicht. Er wählte den Weg tiefer in den Wald und hoffte, sich dort wenigstens eine Zeit der Ruhe gönnen zu können, um die nächsten Schritte zu überlegen. Blicke im Rücken machten ihn nervös. Zentauren, dachte er bei sich. Remus ignorierte sie. Solange er sich friedlich verhielt, so wusste er, würden sie ihn weder angreifen noch verraten. Sie folgten ihm, ohne näher zu kommen. Zentauren, Zentauren, Zentauren. Die Arme um sich geschlungen drang Remus tiefer in den Wald ein, den Namen der Kreaturen wie ein Mantra vor sich her betend. Er bildete sich ein, Kraft daraus zu schöpfen. Jede Silbe ein Schritt. So war es erträglich.


° ° ° ° ° ° °


Hermine war kurz vor dem Erwachen. So wohlig, warm und geborgen hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt, seit Harrys merkwürdige Träume begonnen hatten, war sie niemals richtig zur Ruhe gekommen. Doch nun kuschelte sie sich tief in die Kissen und genoss das himmlische Gefühl des Ruhens und Entspannens. Das alles muss ein Alptraum gewesen sein. Anders konnte sie sich die psychischen Schmerzen nicht erklären, die sie sogar noch bis in den Schlaf verfolgten. Remus, sie hatte ihn in den bernsteinfarbenen Augen des Wolfes erkannte und hatte nicht zulassen wollen, dass sich dieser in dem Tier verlor. Sie hatte auf ihn eingeredet und alles Vertrauen, das sie dem Freund entgegenbrachte, in ihre Stimme gelegt. Sie hatte die Furcht verdrängt, die sich in ihrem Innern seit Lilienwood Manor verborgen gehalten hatte. Sie hatte sorgfältig ihre Worte gewählt und sich ihre Unruhe nicht anmerken lassen. Dann hatte sie verstehendes Flackern gesehen und gespürt und beinahe geglaubt, seine Stimme in ihrem Kopf zu vernehmen. Werwolf und Mensch als Einheit hatten dazu geführt, dass sich Remus wie ein verspielter Hund aufgeführt hatte. Er hatte sich auf sie gestürzt, sie beschnuppert und schließlich sogar übers Gesicht geleckt. Er musste vor Übermut sein eigenes Gewicht vollkommen überschätzt haben. Der Schmerz war unsäglich gewesen, als ihre Rippen brachen.

Hermine wollte die Augen öffnen. Doch ihre Lider waren bleischwer. Sie wollten ihr nicht gehorchen oder wurden künstlich in ihrer derzeitigen Position gehalten. In ihrer Nähe flüsterten zwei Personen miteinander. Ab und an erhoben sich ihre Stimmen, um dann gänzlich wieder zu verstummen und kurz darauf in gedämpften Tonfall fortzufahren. Ginny, dachte Hermine. Ginny war leicht zu erkennen. Doch die zweite Person, den Mann, konnte Hermine nicht wirklich zuordnen. Sie kannte die Stimme, dennoch weigerte sich ihr Verstand diese und ihren Eigentümer in Einklang zubringen. Sirius Black war nun einmal tot. Es konnte...

Hermine sank in einen tiefen Schlaf zurück, um etlichen Stunden später erholt und erfrischt zu erwachen. Sie kreischte auf, als sie in graue Augen blickte, die sie aufmerksam musterten.

„Sirius?”

Er nickte. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Er sah schrecklich vernarbt aus, doch er war am Leben.

„Sirius!”, schrie sie. Dann tat sie etwas, was sie sich niemals zuvor zugetraut hätte. Sie holte aus und schlug dem Paten ihres besten Freundes ins Gesicht. „Wie konntest du uns nur in dem Glauben lassen, du seist tot! Harry hat so entsetzlich gelitten! Das verzeihe ich dir niemals! Wie konntest du nur!”


Dann lag sie in seinen Armen und weinte. Der ganze Stress der letzten Stunden, Tage, Wochen, nein, Monate fiel von ihr ab und entlud sich in diesem Augenblick. Er tätschelte ihr unbeholfen den Rücken.

„Lass es raus Hermine. So ist gut.”

Sirius wiegte sie sanft hin und her. Seine Wange brannte. Hermine hatte einen kräftigen Schlag für einen Bücherwurm, der gerade erst aufgewacht war. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Am Abend zuvor hatte sein Auftauchen sie schockiert. Sie hatte mit Überraschung und Unglauben reagiert, ihn mit Fragen gelöchert, doch wohl erst in diesem Aufwachen und der plötzlichen Konfrontation mit einem Totgesagten hatte sich ihre gesamte Erschütterung entladen. Er wiegte sie hin und her und ertappte sich dabei, wie er ihr beruhigende sinnlose Worte ins Ohr flüsterte.


° ° ° ° ° ° °

„Du hast wirklich Malfoy angegriffen und ihr gewürgt?”

Mit einem Hechtsprung landete Ron auf Harrys Bett und riss diesen aus der LektĂĽre. Harry blickte auf, wurde rot und nickte.

„Endlich hatte das blasse Frettchen Farbe im Gesicht. Hach, er hat so etwas Ätherisches an sich!”, äffte Ron Lavender Brown nach.

Harry reagierte nicht, sondern blätterte in dem Buch herum.

„Mom war da und hat Ginny mit nach Hause genommen. Sie soll im Fuchsbau wieder zu Kräften kommen. Sie wollte auch dich sehen und mit dir über Sirius reden, doch Dumbledore hatte gemeint, du solltest erst zu Kräften kommen und müsstest das Geschehene verdauen. Wahrscheinlich wusste er schon, dass du Malfoy an die Gurgel gegangen bist.”

„Ich weiß, Ginny war kurz hier und hat sich verabschiedet. Ich habe das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben!”, flüsterte Harry. Ginny war schweigsam gewesen, hatte ihn aber auch geküsst wie nie zuvor. Als hätte sie nun, da sie eine Zeitlang voneinander getrennt sein würden, den Mut aufgebracht ihn so zu küssen. Sein Herz schlug bei dem Gedanken an ihren Anblick um einen Hauch schneller und er konnte sich kaum auf den Abschnitt konzentrieren, der er gerade las.

Ron schüttelte den Kopf. „Nein, ich hätte sie beschützen müssen. Ich bin ihr Bruder. Ich habe ja nicht einmal verhindern können, dass meiner Freundin die Rippen gebrochen werden.”

Harry seufzte, stoppte das Lesen und setzte sich auf. „Hermines Rippen sind bereits geheilt und Ginny wird in einer Woche wieder hier sein”, meinte er optimistischer als ihm zumute war. „Das einzige, was beiden jetzt noch schwer im Magen liegt, sind drei Dinge. Zum einen, dass Sirius tatsächlich noch lebt und wieder da ist. Das bereitet selbst mir, obwohl ich es mir so sehr gewünscht hatte, Kopfschmerzen. Ich verstehe es einfach nicht. Zum anderen, ist Rea Lupin tot. Das ist mehr als ein Schlag. Vor allem Ginny nimmt das mit. Die beiden sind... waren sich ähnlicher, als auf den ersten Blick zu erkennen war. Und zum dritten, wer hätte gedacht, dass Remus Lupin so... so...“

Ron nickte und hob die Hand. Harry war froh, dass er nicht weiterzureden brauchte. Er hatte Remus vertraut.

„Wieso hast du Malfoy gewürgt?”, fragte Ron und berührte damit einen weiteren Punkt, der Harry schmerzte und gleichzeitig beschäftigte. Er hasste nichts so sehr, wie die Kontrolle zu verlieren. Im letzten Jahr war es mehr als einmal geschehen. Diese unbändige Wut, vor allem auf Dumbledore und diese Angst, ihm jedes Mal beinahe an die Kehle gehen zu wollen.

Harry legte das Buch neben sich, stand auf und trat ans Fenster. „Ich war einfach wütend! Sein dämliches Grinsen hat mich einfach die Kontrolle verlieren lassen. Ich meine, wie kann er lachen, wenn Hermine und Ginny und Sirius, sein eigener Onkel” - Ron schnaubte - „na gut, Cousin seiner Mutter, auf der Krankenstation liegen und Hogwarts gerade einer Katastrophe entgangen ist? Was wäre gewesen, wenn die Werwölfe und Wölfe in die Schule eingedrungen wären und was wäre gewesen, wenn die Feuersbrunst nicht eingedämmt worden wäre? Er hat einfach dagestanden und gelacht. Hätte er dann etwa auch gelacht und sich lustig gemacht oder hätte er sich mit den anderen feigen Schlangen von Slytherin im Kerker verkrochen und das Geschehen ausgesessen?”, sinnierte Harry mit belegter Stimme.

„War echt knapp dieses Mal!”, entgegnete Ron leise.

Harry nickte. Das war es wirklich gewesen.

„Wie geht es Hermine?”

„Pomfrey lässt mich nicht zu ihr. Sie meinte aber, es würde ihr gut gehen, sie war sogar schon wach, sei dann aber wieder eingeschlafen. Sirius würde auf sie achten, meine Pomfrey.” Dann grinste Ron und setzte hinzu: „Pomfrey auch mir auch erzählt, dass Hermine deinem Paten eine deftige Ohrfeige gegeben hat. Ihr Handabdruck war wohl trotz der Narben noch deutlich zu sehen, als sie nach beiden schaute.“

„Klasse Mädchen. Ich hätte sie ihm geben sollen. Erinnere mich daran, Hermine dafür Danke zu sagen.“

Die beiden schwiegen. Nach einer Weile holte Harry tief Luft. „Ich fass es nicht, dass er noch am Leben ist. Ich meine, ich freue mich natürlich, aber er ist einfach so wieder da? Es ist, als würde mir ein großer Stein im Magen liegen. Hast du gesehen, wie verändert er ist? Ich meine, all diese Narben und dieser merkwürdige Ausdruck in den Augen. Als würde er mehr sehen als wir.” Harry drehte sich zu Ron und lehnte sich gegen die Kante des Fensterbretts. „Ich war so überrascht und gleichzeitig so...”

„... geschockt und wütend?”, ergänzte Ron fragend.

Harry schob seine Brille zurecht. „Ja und dann kam Malfoy und machte sich lustig. Er drohte den Muggelbürtigen, wieder einmal. Allen voran Hermine. Da habe ich rot gesehen. Für einen Moment dachte ich, ich würde Voldemort erwürgen und nicht Malfoy.”

Rons Blick und seiner trafen sich. Zum ersten Mal konnte er den Augen seines besten Freundes nicht entnehmen, was dieser dachte.

„Du hast in der Chronik gelesen? Meinst du, das bringt noch etwas?”, lenkte Ron ab und deutete mit dem Kinn auf das Buch.

Harry trat an das Bett und zog die Chronik zu sich.

„Es ist komisch. Jedesmal, wenn ich das Buch öffne, habe ich ein Kribbeln in den Fingern.”

„Lass mal sehen!” Ron nahm das Buch auf den Schoß und blätterte darin herum. „Es fühlt sich normal an, wie Pergament eben. Fast so, wie die Geschichte von Hogwarts, wenn du mich fragst. Aber es kribbelt nicht”, stellte Ron fest.

„Seit wann kennst du die Geschichte Hogwarts?“, neckte Harry und erntete einen entnervten Blick und einen Schlag gegen den Oberarm.

Ron lieĂź das Buch aufgeschlagen liegen und fuhr mit den Fingerkuppen ĂĽber die Randverzierung und die Initiale gleiten. Harry beobachtete fasziniert, wie feinfĂĽhlig Ron mit einem Mal sein konnte.

„Es gibt Bücher, die ihren eigentlichen Inhalt verbergen. Der Trick dabei ist, den Zugang zu finden. Es ist wie bei den geheimen Gängen von Hogwarts, nur dass es in der Regel keine Zaubersprüche sind, die den verborgenen Inhalt ans Licht bringen. Meistens gibt es irgendeinen Kontaktpunkt, der ausgelost werden muss.”

„Ron? Hermine hat einen merkwürdigen Einfluss auf dich”, gab Harry verwundernd von sich.

„Oh, das hat mir Bill erzählt. In Gringotts gibt es eine Sammlung von kostbaren Fluchbüchern, die als Prüfungsaufgaben für angehende Fluchbrecher dienen”, erklärte er und untersuchte weiter die Seite. Sie starrten eine Weile auf die Seite, bis Ron die Geduld verlor und Schulter zuckend die Chronik von sich schob. „Na ja, es war einen Versuch wert.”

Harry fand es albern mit zärtlichen Bewegungen über die brüchig gewordene Goldfarbe zu streichen, aber wenn Ron recht hatte und es tatsächlich solche Bücher gab, warum sollte die Chronik seiner Familie nicht eben ein solches sein? Es würde alles zusammenpassen. Mittlerweile traute er den Lilienwoods alles zu. Er würde es sogar in Kauf nehmen und sämtliche Seiten und Initialen dieses verdammten Codex zu streicheln und zu berühren, wenn es ihm weiterhelfen würde. Harry hatte noch nie von Magie wie dieser gehört, doch das bedeutet nicht, dass es solche Art nicht geben würde. Obwohl Zauberei ihm seit etwas mehr als fünf Jahren nicht mehr fremd war, überraschte es ihn immer wieder aufs Neue, wie verschiedenartig sie sich äußern konnte. Magische Bücher, die ihre Geheimnisse erst auf Knopfdruck freigaben, wären für ihn nur ein weiteres Wunder, dass es zu akzeptieren galt.

„Ich spüre nichts!”, rief Harry enttäuscht. Ron zuckte mit den Schultern und ließ sich neben Harry aufs Bett fallen.

„Es wäre immerhin eine Möglichkeit gewesen. Vielleicht solltest du es noch einmal versuchen, wenn deine Finger wieder kribbeln. Vielleicht ist Konzentrieren das Zauberwort?”

Harry nickte. Vielleicht offenbarte sich das Buch aber auch nicht, weil ein Familienfremder in seiner Nähe war, dachte Harry und musterte seine merkwürdige Chronik argwöhnisch. Eines hatten ihn seine Erlebnisse in der Welt der Zauberei gelehrt und jenes letzte Erlebnis von Sirius' plötzlicher Auferstehung wieder bestätigt. Alles war irgendwie möglich.


°
° tbc °


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
Hobbit 3: Begleitbuch
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Die tiefere Psychologie, das Netz der Motive und die kriminalistischen Volten erweisen Joanne K. Rowling erneut als Meisterin.
Tagesspiegel