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Fanfiction

Harry Potter und das Geheimnis seiner Ahnen - Totgesagte

von Eosphoros

30. Totgesagte


Einige Tage später


Dieses undefinierbare Gefühl, etwas liege in der Luft, breitete sich über Hogwarts aus, nachdem Luna die Schule vor einigen Tagen verlassen hatte. Mittlerweile war Halloween und der Abend machte seinem Ruf alle Ehre. Es war gruselig, unheimlich, gespenstisch und jeder, der es vermeiden konnte, blieb in seinen eigenen vier Wänden. Der Wind hatte aufgefrischt. Der Horizont drohte mit dicken, regenschweren Wolken, deren Düsternis nicht nur auf ein nahendes Unwetter hindeutete, sondern auch ein Resultat der ungemütlichen Atmosphäre war. Herumunken und Spökenkieken lagen niemals in Harrys Absicht. Doch selbst er, als unter Muggeln der schlimmsten Sorge aufgewachsener Zauberer, verspürte ein gewisses Unbehagen, wenn er diese Wolken betrachtete, die sich einem Hochgebirge gleich wie ein festverwachsenes Artefakt früherer Ausbrüche geologischer Gewalten hinter Hogwarts auftürmten.

Nur einem aufmerksamen Beobachter mochte auffallen, dass die Wolken gegen den Wind zogen und sich unaufhaltsam dem Schloss näherten und Harry war ein solcher Beobachter. Seine Aufmerksamkeit war seit Lunas kryptischer Botschaft auf den maximalen Punkt angelangt und er fragte sich, wie lange er dieses Maximum an Konzentration noch würde aufrechterhalten können. Seine angespannten Sinne, nahe an Überreizung, reagierten auf jede noch so kleine Unregelmäßigkeit. Das begann beim Aufstehen, als sich seine roten Gryffindorsocken nicht mehr am Fußende des Bettes befanden, sondern auf dem Stuhl neben dem Bett, wo auch seine anderen Sachen lagen. Für einen Augenblick wunderte er sich darüber, doch die Ursache war rasch gefunden. Dobby hatte aufgeräumt.
Selbst in der Großen Halle verließ ihn diese erwartungsvolle Haltung - gleich dem stets von Mad-Eye Moody gepredigten 'Immer wachsam' - nicht. Er wunderte sich beispielsweise, warum Hagrid, wenn er zum Lehrertisch ging, den langen Umweg um den Mittelplatz des Direktors unternahm, um ja nicht Snape zu nahezukommen. Harry, der bereits eine Verschwörung Snapes dahinter vermutete - wie geartet auch immer -, wurde erst sehr viel später klar, dass es unter den gegebenen Umständen ein ganz natürlicher Reflex war Snape zu meiden, reiner Selbsterhaltungstrieb sozusagen. Der Meister der Zaubertränke verbreitete eine dermaßen negativ depressive Stimmung, seitdem Reas Platz leer war, dass jeder, der einen halbwegs funktionierenden Verstand besaß, es vorzog, nur das Allernotwendigste mit Snape zutun zu haben. Derlei Begebenheiten und Zufälle machten Harry allerdings nervös und gereizt, sodass er es sogar schaffte, Ginny und Hermine zu verschrecken, die durch nichts so leicht zu erschüttern waren.

Seine übertriebene Aufmerksamkeit dauerte nun bereits seit dem letzten Vollmond an. Niemand wagte mehr ihn anzusprechen, aus Angst davor angefahren zu werden. Dabei war es nicht allein Lunas Botschaft, die ihn so vorsichtig machte, sondern auch die Warnungen, welche Dumbledore und vor allem natürlich Tante Artemis bei jeder Gelegenheit anbrachten. Es hob auch nicht gerade seine Laune, dass sowohl die beiden Erstgenannten als auch Professor McGonagall, ihn stets zur Vorsicht mahnten, doch wenn er über andere Dinge sprechen wollte, ihn einfach abwimmelten oder gar mieden. Er konnte ihre Furcht ja verstehen. Doch waren schließlich nicht sie es, die einem erneuten Alptraum ausgesetzt sein würden, sondern er. Sicherlich war dies kein erstrebenswerter Zustand. Er erinnerte sich genau daran, wo er das letzte Mal wieder zu sich gekommen war, ohne dass Ron ihn jedesmal, wenn sie am See vorbeiliefen oder diesen aus dem Fenster betrachteten, darauf anspielte. Dies alles verstärkte seine Vermutung, dass etwas nicht stimmte und sie wieder einmal im Dunkeln stehen gelassen wurden. Ihm war außerdem aufgefallen, dass vor allem Hermine unter ständiger Beobachtung stand und das nicht nur, wenn sie ohne Ron oder ihn unterwegs war, was selten genug vorkam.

"Es liegt etwas in der Luft, ich spüre es genau!", flüsterte Harry und spürte, wie sich Ginnys Hand in seinen Oberarm krallte. Sie hatten sich von der alljährlichen Halloweenveranstaltung weggestohlen und befanden sich auf dem Schulgelände in der Nahe der Brücke, die hinunter zu Hagrid, dem See und dem Quidditchfeld führte.

"Du hörst dich mittlerweile an, wie einer der Zentauren!", spöttelte Hermine. "Der Mars ist hell heute Nacht!" (1)

"Ach, wirklich?", stichelte Harry zurück.

"Allmählich geht mir dieses Orakeln dermaßen auf die Nerven, dass ich ..."

"Dass du was? Hermine, was? Keiner zwingt dich dazu, hier zu sein!", fauchte Harry. Er riss sich aus Ginnys Umarmung los und trat dicht vor Hermine, sodass diese gezwungen war, einen Schritt zurückzumachen und prompt gegen Rons Brust stieß. Harry wusste, dass er zu weit ging und Hermine eigentlich nur das ausgesprochen hatte, was alle dachten, sogar er. Er betrachtete sie von oben herab und ignorierte Rons warnendes Räuspern.

"Selbst jemand wie du sollte merken, dass sich etwas zusammenbraut. Die Spannung ist beinahe greifbar. Lass es wenigstens einmal zu, dass deine Sinne sich von deinem krankhaften Zwang nach Rationalität lösen! Hermine, verdammt noch einmal, du bist eine Hexe und gerade heute sollten deine Sinne weiter reichen als sonst!" Hermine wollte etwas erwidern, doch Harry schüttelte den Kopf. "Es ist wie ein Gewitter, das in der Luft liegt. Hermine, fühlst du es nicht?"

Hermine schloss mit einigem Widerwillen die Augen und Harry resignierte fast, als sie das Gesicht abwandte und die Wange gegen Rons Schulter legte. Liebevolle Arme legten sich um seine Taille und er nahm Ginnys beruhigende Nähe wahr, wie sie sich an seinen Rücken schmiegte.

Dann öffnete Hermine die Augen. In ihnen lag ein Ausdruck, der so untypisch für sie war wie Nettigkeit für Malfoy.

"Es riecht anders!", stellte sie fest. Ihre Stimme war kaum ein Wispern. "Es stimmt. Es ist wie im Hochsommer, wenn es so schwül ist, dass die geringste Tätigkeit so schweißtreibend ist, wie ein Marathonlauf, und jeden Moment das Gewitter loszubrechen droht. Sogar den Vögeln ist es zu warm zum Singen. Es ist so ruhig und still wie..."

"... vor einem Vulkanausbruch?", hakte Harry nach, damit Hermine weitersprach.

"Ja!", stimmte sie zu und ihre Stimmung wies eine Mischung aus Begeisterung, es entdeckt zu haben, und Panik vor dem, was sie entdeckt hatte, auf. "Es ist wie vor einer Katastrophe. Als wären alle Lebewesen außer den Menschen verschwunden, weil alle anderen Geschöpfe schon ahnen, was kommt, nur der Mensch eben nicht!"

Harry nickte und spürte, wie Ginny sich hinter ihm verkrampfte. Rons skeptisches Blähen der Nasenflügel ignorierte er. Unbewusst griff Harry nach Ginnys Händen und drückte sie, als wolle er ihr versichern, dass alles gut gehen würde.

Wie zur Bestätigung dessen, was Hermine gesagt hatte, fegte Krummbein, ohne auf sein Frauchen zu achten oder auch nur wahrzunehmen, an ihnen vorbei. Seinen sonst wie eine Flaschenbürste aufrecht stehenden Schwanz hatte er - als wäre er ein Hund - eingeklemmt. Krummbein war nie ein sehr elegantes Tier gewesen, doch nunmehr lief er Gefahr über seinen eingekniffenen Schwanz zu stolpern, was für einen Kniesel einer wahrhaft außergewöhnlichen, um nicht zu sagen unmöglichen Leistung gleichkäme.

"Krummbein!", rief Hermine und erwachte aus ihrer Benommenheit. Sie riss sich von Ron los und rannte hinter dem Haustier hinterher.

"Krummbein! Bleib hier! Schatzi, so bleib doch!"

Schon hatte sie über die Brücke überquert und war nun den Hügel in Richtung des abseits gelegenen Quidditchfeldes hinuntergelaufen. Harry, Ron und Ginny kamen kaum hinterher. Hermine war nicht sehr sportlich, doch wenn es um ihren Krummbein ging, entwickelte sie den Ehrgeiz eines Olympioniken, der unbedingt am Ziel sein wollte, noch bevor der Startschuss gefallen war.

Harry gelang es gerade noch, Ginny bei der Hand zu packen, sonst wäre sie gefallen. Als auch schon Hermines Schrei ertönte, dem das Aufprallen eines stumpfen Körpers auf Holz folgte.

"Hermine", flüsterte Harry. Er riss seinen Zauberstab hervor und eilte weiter in Richtung Quidditchfeld. Ginny hatte er losgelassen und ihr schweres Atmen blieb rasch hinter ihm zurück. Er hatte den Hauch eines schlechten Gewissens, sie allein zu lassen, doch die Gefahr lag vor und nicht hinter ihnen. Ginny würde sicherer sein, als Hermine und Ron es in diesem Augenblick waren. Er erreichte schnaufend das Quidditchfeld und erstarrte. Sein Zauberstab fiel zu Boden und er hatte das Gefühl, sein Herz würde in diesem Augenblick aussetzen, nur um im darauffolgenden bis zum Hals zu schlagen.

Hermine war in der Hand eines Mannes, der Harry bekannt vorkam. Ron lag an einer Holzwand und war sichtlich benommen, doch schien ihm nichts zu fehlen. Seinen Zauberstab hielt er umklammert, während er mit der freien Hand seinen Hinterkopf rieb. Das musste das dumpfe Geräusch gewesen sein.

Der schwarzhaarige Mann hielt Hermine umfangen und schien dem geschockten Mädchen etwas zu erklären. Dann drehte er sich kurz um und...

"Sirius?", wisperte Harry. Das konnte unmöglich wahr sein. Er wusste zwar, dass sein Pate angeblich am Leben sein sollte, doch nun, da er ihm gegenüberstand, war es, als träfe ihn der Schlag. Was wäre, wenn dies nur ein weiteres Trugbild war, um ihn in den Wahnsinn zu treiben?

"Sirius!" Es war eine Feststellung, nicht mehr aber auch nicht weniger. Der Angesprochene hatte offensichtlich verstanden, dass er gemeint war. Behutsam ließ er Hermine los, die nicht, wie Harry erwartet hatte, die Flucht ergriff, sondern wie gebannt auf seinen Paten starrte. Er beobachtete, wie sie eine Hand hob und Sirius sanft über das Gesicht streichelte, während sie die andere geschockt auf den Mund presste, um nicht zu schreien.

Totgesagte leben länger! Waren das nicht Lunas Worte? Ja, er lebte, doch war er es wirklich oder doch nur ein Trugbild? Harry zweifelte. Er ging einen Schritt auf seinen Paten zu. Der Wind frischte auf und Sirius' Blick schnellte nach oben. Seine Stirn bildete Furchen, deren Tiefe weit unter die Haut zu gehen schien. Seine Augen fixierten das aufgetürmte Wolkengebilde, welches nun wesentlich näher war als noch wenige Augenblicke zuvor.

"Es liegt etwas in der Luft!", orakelte er und wider besseres Wissen musste Harry grinsen, hatte er doch wenige Momente zuvor das Gleiche gesagt.

"Harry!", keuchte Ginny und blieb neben ihm stehen. Sie stützte die Hände auf den Knien ab und atmete einige Male tief durch, bevor sie schluckte und fortfuhr: "Wenn du mich noch einmal so stehen lässt, dann..."

"Ich dachte, du wärst tot!", fauchte Harry schließlich. Er hatte Ginnys Worte gar nicht mitbekommen, sondern seine ganze Konzentration auf seinen Paten gerichtet. Er bückte sich, hob den Zauberstab auf, ließ seine Freundin stehen und ging mit gezücktem Zauberstab auf Hermine und Sirius zu.

"Für Erklärungen ist später Zeit, Harry!", wurde er von Black ermahnt. "Jetzt müsst ihr sofort zurück in die Schule, bevor es zu spät ist!"

"Nein!", zischte Harry. Er fühlte Wut in sich aufsteigen, unbändige Wut; Wut auf seinen Paten, der ihn allein gelassen hatte und ihn nun unwissend ließ. Es war ein so starkes Gefühl, das er nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen schien.

"Harry?" Die Stimme neben ihm war zart und sanft. Er verstand nur seinen Namen, doch nicht, was sie sonst noch sagte.

"Ich..."

"Später Harry!" Sirius stand direkt vor ihm und hielt Hermine am Oberarm fest, gleichzeitig schirmte er sie vom Verbotenen Wald ab. Sirius berührte Harry nicht, sah ihn nicht einmal richtig an. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Himmel gerichtet. "Euch von hier wegzubringen, ist im Moment wichtiger als alles andere."

Harry starrte seinen Paten an. Tiefe Wunden, einige kaum verschorft, andere bereits vernarbt überzogen sein Gesicht und jedes Stückchen Haut, das nicht mit Stoff bedeckt war. Mit einem Mal fiel die Wut von ihm ab und machte ernsthafter Sorge Platz. Harry erschauderte. Was hatten sie ihm angetan? Er schüttelte sich, als wollte er unangenehme Gedanken von sich entfernen.

Sirius schritt an ihm vorbei und behielt den Verbotenen Wald im Auge. "Sie sind hier, ich fühle es." Er warf einen Blick auf Hermine und es war deutlich seiner Miene zu entnehmen, dass ihm nicht gefiel, was er sah.

"Später!", gab er kryptisch von sich, dann schob er Hermine in Richtung Brücke. Ron trottete hinterher und rieb sich noch immer den Kopf.

"Fein! Also später! Wie immer! Dann, wenn es zu spät ist und du wieder durch einen Vorhang fällst!", zickte Harry leise herum. Er war sich nicht sicher, ob Sirius ihn gehört hatte. Doch nahm er Ginny an die Hand und folgte seinem auferstandenen Paten und den beiden Freunden. Sirius würde einiges zu erklären haben und das recht bald. Harry kannte sich gut genug. Es reichte ihm. Von ihm wurde immer verlangt, sich die Seele aus dem Leib zu faseln, wenn seine Narbe auch nur ein wenig kitzelte und sein Pate sah aus, als sei er einem Muggel-Horror-Streifen entsprungen und vertröstete ihn auf später, auf nachher. Nachher würde schneller kommen, als er dachte. Lange würde er seine Neugierde nicht bezähmen können.

Harry war zu sehr mit sich beschäftigt, um es merkwürdig zu finden, dass Hermine brav wie ein Lämmchen war und sich von Sirius führen ließ. Es wunderte ihn nicht, dass sie ängstlich den Wald beäugte, vor dem Sirius sie nach wie vor abschirmte, und erst, als sie die Brücke betraten, etwas von der Nervosität aus ihrer Haltung verschwand.



Stonehenge etwa zur gleichen Zeit


"Er ist wo?", brüllte Voldemort und humpelte in den Steinkreis. "Wo steckt dieser verdammte Bastard!?"

Er ignorierte die hagere Frau, die vor ihm kniete. Sie hatte ihm die Botschaft gebracht und er hatte kurz überlegt, der alten Tradition zu folgen und den Überbringer der schlechten Nachricht ins Reich der Toten zu schicken. Alte Bräuche hatten durchaus ihren Charme, doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die meisten Opfer im Nachhinein anderweitig hätten nützlich sein können. So entschloss er sich, statt Bellatrix Lestrange zu töten, diese doch noch am Leben zu lassen. Ein weiteres Versagen innerhalb weniger Monate, das auf Kosten dieser Person ging. Er hatte das Desaster in der Mystery-Abteilung nicht vergessen. Allerdings konnte er auch nicht erwarten, dass sie nach Jahren des Eingesperrtseins ohne eine Erholungsphase sofort wieder auf dem Niveau sein würde wie vor dieser Zeit. Black war es ja auch nicht, und das, obwohl dieser zwei Jahre vor ihr getürmt war.

"Ich bin hier, Mein Lord!"

Voldemort stöhnte und fragte sich, ob er nur von Idioten umgeben sei.

"Den anderen Bastard, Wurmschwanz, den anderen. Ausnahmsweise meine ich nicht dich!"

Ein Kichern ließ ihn aufhören. Machte sich da etwa jemand über ihn lustig? Das Geräusch wurde zu einem Lachen, das so störend wie ein Furunkel am Hintern war.

"Du wagst es zu lachen?", zischte er. Er humpelte auf Bellatrix zu, die sich vor Lachen kaum noch in ihrer knienden Position halten konnte.

"Du wagst es, über mich zu lachen?" Er zückte seinen Zauberstab und deutete mit diesem auf sie. Er stand kurz davor, einen Avada Kedavra zu sprechen und sie so doch noch ins Reich der Toten zu schicken. Diese Frau musste eindeutig mehr als verrückt sein, wenn sie es tatsächlich wagte, in seiner Gegenwart zu lachen. Dann verstummte sie und hob den Kopf an. In ihren Augen flackerte lediglich Gier nach Blut, aber kein Anzeichen von Wahnsinn.

"Verzeiht mir, mein Lord, aber jetzt begreife ich, was meine Schwester meinte. Sie sagte, Ihr bräuchtet ein Wesen der Zwischenwelt, um dieses Ritual durchzuführen, doch sie meinte auch, dass es mehr als eine Zwischenwelt gebe."

Er betrachtete sie aufmerksam und forderte sie auf weiterzureden.

"Nicht nur zwischen Tod und Leben gibt es einen Pfad, auf dem sich wandeln lässt, auch auf dem Weg zwischen dem Hier, dem Jetzt und dem Morgen kann gewandelt werden."

Sie hatte Recht. Sein kaum noch menschlich zu nennender Mund verzog sich zu einem Grinsen. Sie hatte sogar mehr als Recht.

"Norna. Eine Seherin. Sie wandelt zwischen dem Heute und dem Morgen. Sie wandelte zwischen Weiß und Schwarz. Sie ist sehend und doch blind. Meine Schwester meinte, dass die alte Seherin sogar eine bessere Wahl wäre als der Wiedergänger, weil sie in vielen Welten zu Hause sei."

"Deine Schwester ist eine kluge Frau. Hoffentlich nicht zu klug."

Hoffentlich nicht zu klug. Er würde sie genau im Auge behalten. Noch hatte er sie in der Hand. Noch wollte sie etwas von ihm. Noch saß Lucius, ihr über alles geliebter Lucius, in Askaban, denn noch hatten die Auroren kein anderes Ziel, als das Zauberergefängnis zu sichern. Damit hatte sie das Ziel ihres Planes, dieses raffinierten Planes, noch nicht erreicht. Ein Wink von ihm und die Pläne würden sich ändern. Pläne in Plänen, so war es immer und so würde es immer bleiben.

Bellatrix nickte ihm zu und ein verschlagenes Lächeln zierte ihre einstmals so schönen Züge.

"Du darfst dich erheben, meine Liebe. Bring mir die Seherin! Wurmschwanz, ich denke, dass es an der Zeit ist, der lieben Narzissa Gesellschaft zu leisten. Beeil dich und berichte, ob ihr Schoßtier seine Aufgabe erfüllt hat. Die anderen sind mir egal."




Kurze Zeit später in der Nähe von Hogwarts


Dunkelheit umgab ihn. Dunkelheit und das beklemmende Gefühl des Eingesperrtseins. Er wusste nicht, wo er war, nur dass er sich in einer Holzkiste befand, die eigentlich für Tiertransporte angefertigt worden war. Die Erinnerung an das, was er getan hatte, kam ganz allmählich in sein Bewusstsein. Blut klebte an seinen Händen und auf seiner Zunge hatte er noch immer ihren Geschmack: den Geschmack seiner Schwester. Er hatte eher geahnt, als gewusst, was er in der Nacht getan hatte. Narzissa hatte es genossen, ihm von seinem Tun zu berichten. Und was hatte er getan? Er hatte wie ein Irrer an einem Fetzen Stoff gerochen, als wäre er süchtig nach dem Duft, den dieser ausstrahlte. Mittlerweile nahm er ihn fast überall wahr. Er spürte, wie er erneut kurz davor stand, die Kontrolle über sich zu verlieren.

Remus hieb den Kopf gegen die nächste Wand, die sein Gefängnis ausmachte. Er wiederholte es, doch der Schmerz war unbefriedigend. Er versuchte es erneut, doch das Resultat waren lediglich das Knacken und Brechen von Holz. Was hatte er getan? Warum hatte sein Instinkt versagt? Wieder einmal? Hatte er nicht auch den Tod dieses Mädchens verursacht? Rea hatte Recht. Er war ein Tier und sie hatte ihn zu Recht verachtet. Nun konnte er sie nicht einmal mehr um Vergebung bitten. Er hatte sie auf seinem Gewissen und dafür würde er auf ewig büßen.

Das Heulen des Windes ließ ihn aus seinen düsteren Gedanken aufschrecken. Dieser Wind war nicht natürlich. Er war von magischer Hand erschaffen worden. Was ging hier vor?

Remus schlug mit den fesselten Händen gegen die Holzwand, die sich zuvor weniger stabil als sein Kopf erwiesen hatte. Eines der Bretter lockerte sich, sodass ein schmaler Spalt entstand, durch den er spähen konnte. Prompt schlug jemand heftig auf den Deckel der Kiste.

"Gib endlich Ruhe, Moony! Sonst bekommst du Ärger!"

Wurmschwanz? Es war tatsächlich Wurmschwanz, den er da hörte.

"Verräter!", brüllte er. "Wenn ich dich in die Hände kriege, werden ich dich töten! Ich werde dich zerfleischen und deine Leiche den Krähen vorwerfen!"

Kaltes Lachen war die Antwort.

"Sie hat in der Tat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Nichts ist mehr von dem überlegenen, Vernunft orientierten Remus Lupin da. Nichts mehr. Nur noch die Bestie, sogar in menschlicher Gestalt. Es wird hervorragend funktionieren."

Remus zuckte zusammen. Diese kalte, eisige Stimme kam ihm bekannt vor. Er wusste, dass er sie bereits einmal gehört hatte. Nur ein einziges Mal, doch dieses hatte sich tief in sein Bewusstsein eingebrannt.

"In der Tat, Remus, wir kennen uns. Das letzte Mal, als wir uns sahen, berichtete ich gerade deinen Eltern, dass ihre Tochter leider im Brasilianischen Urwald verschollen wäre."

Mister!

Er hatte dem Vorgesetzen Reas nie getraut und nunmehr sah er seinen Verdacht bestätigt. Er musste von Beginn an mit den Feinden gemeinsame Sache gemacht haben. Remus ballte seine Fäuste zusammen und hieb erneut gegen die Holzwand.

"Ganz ausgezeichnetes Gedächtnis, Remus! Und wie meistens voll ins Schwarze getroffen. Leider hat dich dein Instinkt bei Norna und wohl auch in einigen anderen Fällen arg im Stich gelassen. Du willst wissen, was dich deine Kontrolle verlieren lässt? Ich kann es in deinen Gedanken lesen, mein Freund. Ich kann es lesen."

Okklumentik!, dachte Remus bei sich und versuchte seine Gedanken zu ordnen, doch fehlte ihm die Möglichkeit, sich zu konzentrieren. Bilder erschienen vor seinem geistigen Auge, die ihm den Tod seiner Schwester in allen Einzelheiten bewusst miterleben ließen. Er wusste wieder, wie es abgelaufen war, dass sie sich vertrauensvoll an ihn geschmiegt hatte und er dann auf sie losgegangen war.

Nach einem Moment der Bewegungslosigkeit, begann er zu schreien, zu toben und an seinen Fesseln zu zerren. Endlich zerrissen die festen Bänder. Dann brach die Kiste über ihm zusammen. Zwischen den Trümmern liegend, versuchte er sich zu orientieren. Seine Augen schmerzten, sodass er lediglich blinzelnd einen vorsichtigen Blick durch die Gegend schweifen lassen konnte. Er befand sich auf einer Lichtung in einem Wald und die Silhouette eines Schlosses hob sich gegen den dämmrigen Himmel ab.

"Hogwarts, Lupin! Ahnst du, worauf es hinausläuft? Ahnst du, was Er, dessen Name nicht genannt werden darf, mit dir vorhat?"

Langsam richtete Remus sich auf. Seine Handgelenke brannten von den Schnüren, die sich tief in seine Haut gegraben hatten, als er sie sprengte. Mühsam widerstand er dem Wunsch, sich auf den Vorgesetzten seiner Schwester zu stürzen. Er hatte sie verraten, doch war er, Remus, denn besser als Mister? Dieser hatte sie nur verraten, doch er hatte sie getötet.

"Ah, du schwankst zwischen dem Wunsch, dich auf mich zu stürzen und dem schlechten Gewissen, selbst eine größere Schuld als Verrat auf deinen Schultern zu tragen?"

Er lachte.

"Es tut mir so entsetzlich Leid, was mit Rea geschehen ist", buckelte Peter. Remus warf ihm einen langen vernichtenden Blick zu.

"Wage es nicht von ihr zu sprechen! Wage nicht, Mitleid zu heucheln, wo du doch gar nicht weißt, wie es geschrieben wird. Wage es nicht..."

Er stürmte auf den ehemaligen Freund zu und knallte gegen eine unsichtbar Mauer.

"Hast du wirklich geglaubt, wir ließen dich so ganz ohne Weiteres frei herumlaufen?", spottete Mister. "Die Barriere wurde automatisch aktiviert, nachdem du dich deines netten Zuhauses entledigt hast, und wird so lange existieren, bis du gebraucht wirst."

Remus schlug mit den Händen gegen die Wand, doch sie gab nicht nach. Anders als aus der Kiste würde er sich aus diesem Gefängnis nicht so ohne Weiteres befreien können.

"Lasst ihn in Ruhe!"

Remus schaute sich um und gewahrte Narzissa, die ganz in Schwarz, wo sie sonst die hellen Farben bevorzugte, hinter Mister in einiger Entfernung auftauchte. Ihr Schritt war elastisch und zielstrebig. Unbeirrt ging sie auf Mister zu, holte aus und traf ihn hart im Gesicht.

"Ich dulde nicht, dass meine Arbeit untergraben wird", rief Narzissa und fuchtelte wild mit ihrem Zeigefinger vor Misters Nase herum. "Ich dulde nicht, dass der Erfolg zunichte gemacht wird, nur weil Sie es darauf anlegen, den starken Mann zu spielen. Halten Sie sich gefälligst zurück und heben Sie sich Ihre unfähigen Kommentare bis nach dem Gelingen der Operation auf! Wurmschwanz? Wie viel Zeit noch?"

Remus ignorierte Narzissas Blick und schaltete nach ihrer Standpauke ab. Sein Nacken juckte entsetzlich und er kratzte sich. Langsam begann das Blut in seinen Adern stärker zu pulsieren. Ein angenehmer Geruch von verlockender Süße drang zu seinem Verstand durch und das Bedürfnis, dieses sinnliche Gedicht in sich aufzunehmen, wurde zur fixen Idee. Er tigerte hinter der unsichtbaren Barriere hin und her. Die Augen starr auf die Schule gerichtet.

"Du riechst es schon, nicht wahr, Remus?" Es war ihre Stimme. Narzissa säuselte hinter der Barriere und trieb ihn an, manipulierte ihn schon wieder, schaukelte ihn hoch und er konnte nichts dagegen tun. "Du nimmst diesen herrlich sinnlichen Duft schon auf, habe ich nicht Recht? Bald wirst du tun, wonach dich verlangt. Bald, Remus, bald."

Ohne innezuhalten, ohne den Blick von der Schule abzuwenden, ohne das Kratzen zu unterbrechen, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen nur "Niemals" heraus.

"Oh doch, du wirst deinem Instinkt folgen, du wirst dem Instinkt des Wolfes folgen und töten! Ich kenne dich besser, als du denkst, deine geheimen Wünsche, dein Sehnen", fuhr sie fort.

Niemals!

Es war nur gedacht, doch Remus betete dieses eine Wort wie eine Litanei herunter. Er würde nicht noch einmal seinem Trieb folgen und einem unschuldigen Wesen das Leben rauben. Niemals, niemals, niemals!

Wenige Momente später wurde sein Blick von der näher kommenden Wolkenwand angezogen. Sie hatte bereits zuvor wie ein Damoklesschwert über der Schule gehangen. Er fühlte, dass in ihrem Windschatten Schreckliches folgte, doch hatte er keine Ahnung, was es sein würde. Dann schob sich der obere Teil auseinander. Der Mond wurde mit seiner abnehmenden Sichel sichtbar. Doch Remus ignorierte die Form. Es war... anders als sonst. Er hörte den Klang, den er sonst so unbewusst wahrnahm. Es war wie... Vollmond!

Sein Blut war heiß, es kochte in seinen Adern. Die Nägel wuchsen und wurden zu Krallen. Er verwandelte sich, wurde zu dem, was er abgrundtief zu hassen gelernt hatte. Niemals, hallte in seinen Gedanken wider. Doch die Transformation war nicht aufzuhalten. Du bist noch nicht dran...!

Schließlich gab es kein Halten mehr. Die Barriere war verschwunden und dieser betörende Geruch rief nach ihm, lockte ihn und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Er konnte nicht anders, er musste diesem stummen Rufen gehorchen. Rasant schnellte der verwandelte Remus über die Lichtung, hinein in den Wald und wieder hinaus, auf die Schule zu und ließ drei sichtlich mit der Situation zufriedene Todesser zurück. Einer verwandelte sich in eine Ratte, die ihm rasch folgte und bald mit ihm auf gleicher Höhe war.


° ° ° ° ° ° °


"Wieso glaubst du ihm nicht!", fauchte Hermine Ginny an. Beide Mädchen standen einander auf der Brücke gegenüber. Sie waren nicht weiter als bis zu diesem Punkt gekommen, als Harry es doch nicht länger aushielt und sich weigerte weiterzugehen, bevor er von seinem Paten nicht endlich erfahren hatte, was geschehen war. Diese Pause hatte Hermine genutzt und sich Ginny anvertraut. Hermine hatte genügend Zeit gehabt, sich mit Sirius zu unterhalten. Er hatte sich ihr offenbart, was sie wunderte, doch als er ihr dann erzählt hatte - der eigentliche Zweck ihrer Unterhaltung - dass sie tatsächlich in Gefahr sei und Narzissa es geschaffte hatte, Remus auf sie abzurichten, war die Verwunderung purer Angst gewichen, die sie noch immer in ihrem Bann hielt. Sie musste es loswerden und war mehr als verwundert, als Ginny so ungläubig reagierte.

"Wieso ich ihm nicht glaube? Weil... weil... diese verdammte Geschichte zu fantastisch ist, um wahr sein zu können! Wer bitte hat jemals etwas von Anxifrumbrae gehört oder diese gesehen?"

"Ich glaube ihm und Harry wird ihm auch glauben!" Sie deutete auf das zankende Paar in der Mitte der Brücke.

"Harry ist vom Wunsch beseelt, ihm zu glauben. Verdammt, Hermine, du hast selbst gesagt, dass er für die Malfoy gearbeitet und wahrscheinlich auch seine Finger mit in dieser haarigen Angelegenheit hat, 'tschuldige. Er hat Rea aus Alexandria verschleppt und er hat ..."

Hermine winkte ab. "Und er hat und er hat, dann hat er eben. Er hat aber auch diesen Hinweis in Alexandria hinterlassen. Schließlich ist es ihm zu verdanken, dass der Hüter aufgetaucht ist..."

"... seine Leiche...."

"... und wir daher herausfinden konnten, dass dieser eines magischen und keines natürlichen Todes gestorben ist."

"Leider zu spät!"

"Das ist doch egal! Die Tatsache bleibt bestehen!"

"Eine nette Tatsache! Wirklich! Hat er dir auch gesagt, wo sich Rea aufhält? Nein, das hat er nicht. Siehst du, er verschweigt..."

"Natürlich verschweigt er etwas!"

Nun war es an Ginny abzuwinken. Sie warf einen Blick auf ihren Freund, der gerade heftig mit Sirius stritt und wild gestikulierte.

"Es bringt nichts, sich zu streiten", lenkte Hermine ein. "Aber sieh ihn dir doch an, Ginny. Sieh dir sein Gesicht an! Es kommen immer wieder einzelne neue Schmisse hinzu. Er muss die Wahrheit sagen. Ich glaube nicht, dass er sich diese Verletzungen selbst zufügt."

"Doch, das tut er", mischte sich Ron ein. Hermine und Ginny fuhren herum. Bisher hatte er sich aus ihrer Diskussion herausgehalten. Doch nun stand er, den Blick auf Sirius fixiert, an das Geländer der Brücke gelehnt. Seine Stimme war kaum zu vernehmen. "Schlechtes Gewissen. Diese Dinger, diese Anxifrumbrae, erzeugen nicht nur Angst, sie reagieren wie Magneten auf ein schlechtes Gewissen. Das treibt sie dazu an. Sirius muss mehr als ein schlechtes Gewissen haben, er muss vor Selbstvorwürfen vergehen, so wie er aussieht." Dann drehte sich Ron wieder um und lehnte sich über die Brüstung. Er fixierte den Himmel.

Beide Mädchen starrten Ron an.

"Wieso sagst du das erst jetzt?", fragte Hermine leise. Doch Ron schüttelte den Kopf und deutete auf die Wolken. "Sie kommen näher und das ziemlich schnell."

Plötzlich wurden die Stimmen Harrys und Sirius' lauter.

"Glaubst du", schrie gerade der Ältere, "ich hätte nicht versucht, es zu verhindern? Glaubst du, es fiel mir leicht, sie in meinen Armen sterben zu sehen? Verdammt, Harry, sie war die Schwester meines besten Freundes und ich musste tatenlos mit ansehen, wie er sie zerfleischte!"

Tot? Hermine zuckte zusammen und spürte im gleichen Augenblick, wie Ginny neben ihr in die Knie ging und Hilfe suchend nach ihrer Hand griff. Hermines Brust wurde schwer. Die Schwester seines besten Freundes war.. tot? Rea? Sie fühlte einen Kloß in ihrem Hals. Er wurde größer und größer und schien sie am Atmen zu hindern. Tränen schossen in ihre Augen. Sie suchte Ron mit ihrem Blick, doch er starrte entsetzt auf Harry und Sirius, die sich lauernd gegenüberstanden.

"Tatenlos?", brüllte Harry schließlich zurück. "Dass ich nicht lache!"

Hermine sackte neben Ginny zusammen und zog sie in ihre Arme. Das Mädchen weinte lautlos. Ihr Körper bebte vor unterdrückten Schluchzern. Ginny hielt die Hände fest auf die Augen gepresst, um so die Tränen zurückzuhalten. Doch vergeblich. Ihr Mund war zu einem stummen Schrei aufgerissen und ihre Glieder zuckten unkontrolliert. Hermine hatte Ginny noch nie so erlebt. Sie selbst konnte die Tränen kaum aufhalten und musste sich zusammenreißen, da Ginny sie brauchte.

"Ron?", flüsterte sie leise. Als sie neben sich eine Bewegung wahrnahm und sich kurz darauf fest in den Arm genommen fühlte, wusste sie, dass Ron immer für sie da sein würde. Sie lehnte sich gegen ihn und zog Ginny mit sich. Sie konnte weinen und fühlte sich geborgen, solange Ron ihren Rücken streichelte und ihnen beiden mit tränenerstickter Stimme tröstende Worte ins Ohr murmelte.

Harry und Sirius bemerkten nichts vom Treiben, am Ende der Brücke.

"Tatenlos? Mach dich nicht lächerlich! Du hattest nur Angst, verdammte Angst! Diese Dinger, die dich verfolgen! Ich sehe genau, dass sie dich nur dann angreifen, wenn du versuchst, dich herauszureden, und nicht zu deinen Taten stehst! Ich bin kein Kind mehr, dem man die Welt schönreden muss, damit es gerne darin lebt! Ich habe zu viel gesehen und zu viel erfahren, um einen Heuchler nicht zu erkennen, wenn er vor mir..."

Der Schlag ließ ihn zurücktaumeln und gegen das Geländer prallen, wo er in die Knie ging.

"... steht!", vollendete Harry seinen Satz. Dann wischte er sich mit dem Handrücken das dünne Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel.

"Verzeih mir!", keuchte Sirius. Er ging in die Knie und umfasste mit beiden Händen Harrys Gesicht. "Verzeih mir, bitte, Harry! Ich war wütend und..."

Der Junge nickte und ließ sich von seinem Paten aufhelfen. Beide standen nebeneinander und stützten sich auf der Brüstung ab.

"Sie ist tot?", fragte er noch einmal und versuchte die Leere in sich zu verdrängen. "Wann!"

"Am zweiten Vollmond des letzten Zyklus'", flüsterte Sirius.

Harry schwieg, senkte den Blick und suchte die Hand seines Paten, nicht weil er Nähe brauchte, sondern weil Sirius sie nötig hatte. Allmählich drang das, was Sirius ihm gesagt hatte, zu ihm durch: Rea war tot. Remus hatte sie getötet und Sirius hatte zusehen müssen. Was das bedeutete, wie sehr es Sirius quälte, erkannte Harry nur langsam. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sirius mit den Fingerknöcheln die feinen tiefen Linien berührte und so das Blut, welches unablässig aus den frischen Wunden drang, fortwischte. Die Sichel des Mondes erschien und tauchte mit ihrem hellen Schein den dämmerigen Himmel in ein unheimliches Licht. Gespenstisch wirkte der blasse Mond vor dem Hintergrund der finsteren Wolkenwand.

"Du...", weiter kam Harry nicht, denn ein unheimliches Jaulen drang vom unteren Bereich der Brücke zu ihnen hoch. Harry reckte seinen Kopf und starrte in die Schlucht. Dann fühlte er sich von Sirius am Arm gepackt.

"Wölfe!", zischte Sirius. "Wir müssen hoch zum Schloss!"

Harry nickte und ließ sich von Sirius zum Ende der Brücke ziehen, wo Ron sich bemühte, seine Schwester auf die Beine zu ziehen. Doch das Mädchen war zu verstört, um zu reagieren. Das Jaulen kam näher. Sirius packte schließlich Ginny, warf sie sich über die Schulter und befahl: "Rasch! Lauft! Wir müssen ins Schloss!"

Die Teenager rannten und schon hörten sie, wie weiche kräftige Pfoten über Holz liefen. Harry und Ron schoben Hermine hinauf nach Hogwarts, während Sirius sich mit der strampelnden, hysterisch kreischenden Ginny herumschlug. Es war Harry unbegreiflich, wie sein Pate es aushielt. Blut aus einer frischen Wunde an der Stirn rann diesem in die Augen und musste seine Sicht arg behindern, doch der Mann rannte einfach weiter. Hermine stolperte und die Jungen hatten alle Mühe, sie wieder aufzusammeln. Harry beging den Fehler und blickte zurück. Über die Brücke sah er nicht nur einen Werwolf auf sie zukommen, sondern mehrere. Sie folgten dem Ruf des ersten. Starr vor Entsetzen fixierte Harry die Brücke. Ron schlug ihm den Ellenbogen in die Rippen, um ihn aus seiner Bewegungslosigkeit zu holen. Harry schüttelte sich, schluckte und griff beherzt nach Hermines Arm. Die Furcht verlieh ihnen eine Schnelligkeit, die sie rasch in den von Säulen umfassten Hof der Schule brachten. Ginnys Kreischen war verstummt.

"Es sind so viele!", flüsterte Hermine am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Harry nickte und verlangsamte seine Schritte.

"Wenn wir im Schloss sind, sind wir in Sicherheit!", versuchte Ron Hermine zu beruhigen. Allerdings vergeblich. Hermine kreischte auf und wich entsetzt zurück. Aus dem Schatten einer Säule löste sich die Gestalt eines Werwolfs, dessen gelbe Augen Hermine nicht aus ihrem Fokus ließen. Das dumpfe Dröhnen, das aus seiner Kehle drang, jagte Harry einen Schauer über den Rücken. Automatisch schob er sich vor Hermine. In dieser Lage waren sie schon einmal gewesen, doch das war Jahre her.

°

° tbc °


(1) Rowling, J.K.: Harry Potter und der Stein der Weisen. Hamburg 1998, S. 275. (Ronan)


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