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All the Damage Done - Oneshot

von solvej

I'm not perfect but you don't mind that, do you?
~R.W.



„Was zum Teufel tust du da?“, fragte Harry schockiert, fast im selben Moment, in dem er die Tür zum Wohnzimmer des alten Black-Hauses geöffnet hatte. Er war eben von einem kurzen Besuch in der Winkelgasse nach Hause gekommen, in Erwartung von Entspannung und Bequemlichkeit, vielleicht mit dem Samstagspropheten auf dem Sofa – und dann das!

„Siehst du doch“, keuchte Draco vom Boden zu ihm herauf, wo er auf allen Vieren mit einem Lappen in der Hand wie manisch an einem Fleck auf dem Teppich herumschrubbte. Rotwein, mutmaßte Harry. „Ich putze.“

Zweifelnd ließ Harry seinen Blick über das Zimmer gleiten. Bücher stapelten sich auf dem Boden, die Möbel waren von den Wänden abgerückt, die Stühle streckten wie verunglückte Turner am Reck ihre Füße in die Luft. Auf den Regalen glänzten noch feuchte Spuren von einer jüngst vergangenen Wischattacke und ein penetranter Geruch nach chemischem Putzmittel füllte das Zimmer wie eine Wolke sauren Regens.

„Aber... warum?“ Harry stellte seine Tasche mitten auf den Fußboden, weil er sonst nicht wusste, wohin damit.

„Würdest du bitte deine Schuhe ausziehen“, knurrte Draco, der jetzt flach auf dem Bauch lag und mit einer Hand versuchte, den äußersten Winkel hinter dem schweren Bücherregal – dem einzigen verbliebenen Möbelstück von der ursprünglichen Einrichtung – auszuwischen. „Ich komm da...“, keuchte er und streckte sich noch ein bisschen weiter, „...einfach nicht...“, er verzog das Gesicht zu einer leidenden Grimasse, „...ran! Verflucht!“

Entgeistert starrte Harry ihn an.

„Könntest du mal...?“, fragte Draco indem er sich hochrappelte und Harry mit Unschuldsmiene das Putztuch hinstreckte. „Du bist größer als ich, deswegen.“ Jetzt erst bemerkte Harry, dass Draco fast bis zu den Ellbogen in orangen Gummihandschuhen steckte. War ja klar. Das Putzmittel war ja „so schlecht für die Haut...“.

Harry beschloss spontan, Draco den Gefallen zu tun – vielleicht ließ er sich ja dann dazu herab, diese ganze Aktion zu erklären. Er ließ sich also auf die Knie herab, um sich dann selbst, nachdem er Draco den Putzlumpen energisch aus der behandschuhten Hand gerissen hatte, flach auf den Bauch zu legen, um hinter das Regal zu gelangen.

„Und, kommst du hin?“, fragte Draco aufgeregt, als ginge es darum, ob Harry es schaffen würde, den Mount Everest zu besteigen.

„Mhm“, brummte dieser, während er sich bemühte, möglichst flach durch den Mund zu atmen – dieser Putzmittelgeruch schien ihm die Nasenschleimhäute verätzen zu wollen.

„Aber mach gründlich, ja?“, mahnte Draco streng und Harry hatte plötzlich den unangenehmen Eindruck, wieder zwölf Jahre alt zu sein und von Tante Petunia zu einem Schrubb-Marathon angehalten zu werden.

„Ja doch!“, schnauzte er Draco deswegen etwas unwirsch an, was ihm im nächsten Moment aber schon wieder leid tat, denn Draco zuckte plötzlich zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag abbekommen.

Und dann setzte er diesen Blick auf. Harry hasste diesen Blick. Draco blinzelte ihn zwischen seinen blassblonden Haarsträhnen hindurch von unten her an und sah dabei gleichzeitig so leidend und vorwurfsvoll aus, dass man ihm einfach nichts abschlagen konnte. Es war kein klassischer Hundeblick – viel zu banal für jemanden wie ihn – sondern eher der Ausdruck, zu dem Katzen neigen, wenn sie der Meinung sind auf der Stelle wahlweise Futter, Streicheleinheiten oder zumindest ein bisschen Bewunderung zu verdienen.

Harry zog seinen Arm wieder hinter dem Bücherregal hervor. „Es ist jetzt bestimmt sauber“, erklärte er versöhnlich und gab Draco seinen Putzlappen zurück, was diesem sofort ein beglücktes Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Danke“, strahlte er und machte sich daran, die glänzenden Metallfüße des Sofas zu polieren.

Seufzend richtete Harry sich auf und machte gerade einen Schritt in Richtung Gang, als Draco ihm erstickt – weil gerade unterhalb des Sofas – zurief: „Aber nicht das Waschbecken in der Küche benutzen! Der Abflussreiniger muss noch ein paar Minuten einwirken...“

Harry hielt in seiner Bewegung inne. OK. Jetzt machte Draco ihm Angst. „Hast du vielleicht auch meine Socken gebügelt? Den Rasen mit der Nagelschere geschnitten? Das Auto poliert?“, fragte er sarkastisch und verschränkte die Arme.

Draco zog den Kopf unter dem Sofa hervor und strich sich mit der linken Hand die Haare glatt, ehe er leicht verwirrt antwortete: „Wir haben gar kein Auto...“

„Auch keinen Rasen, übrigens“, erwähnte Harry und verdrehte die Augen. „Und bevor du fragst – ja, ich bin immer noch gegen Topfpflanzen in der Wohnung. Topfpflanzen mögen mich nicht und begehen normalerweise strategischen Selbstmord, sobald sie mich sehen.“

Draco schüttelte genervt den Kopf. „Was willst du überhaupt von mir? Sei froh, dass ich etwas für unsere Lebensqualität mache, denn wenn es nach dir ginge, würden wir immer noch in einem leeren Haus mit einer Matratze und ein paar Pappschachteln dahinvegetieren!“

Abwehrend hob Harry die Hände. „Hey, ist ja gut. Und ich bin dankbar, wirklich! Aber du kannst mir nicht erklären, dass das hier –“, er nickte in Richtung des Putzchaos’, das sie umgab, „normal ist.“

Mit einem leisen Seufzen rutschte Draco auf dem Fußboden nach hinten, um sich mit dem Rücken gegen das Sofa zu lehnen. „Ich bin nervös. Und wenn ich nervös bin, putze ich. So einfach.“ Er schloss die Augen und ließ seinen Kopf nach hinten sinken. „Es ist ein Alptraum“, flüsterte er zur Decke.

Nachdenklich sah Harry ihn an und ließ sich dann neben ihm auf den Boden sinken. „Und warum bist du nervös?“, fragte er vorsichtig nach.

Ohne die Augen zu öffnen verkrallte Draco seine Finger ineinander. „Mein Vater“, setzte er mit heiserer Stimme an, sagte dann allerdings nichts weiter dazu.

„Ich dachte, er ist irgendwo in Südamerika?“

„War er... ist er – keine Ahnung.“ Draco starrte jetzt auf seine angezogenen Knie und pfriemelte an den Gummihandschuhen herum. „Er ist ja damals verschwunden, kaum dass er aus Askaban frei gekommen ist und seitdem hatte ich nichts mehr mit ihm zu tun. Aber jetzt hat meine Mutter gesagt... er würde... zurückkommen. Er hätte einen Deal mit Scrimgeour, um nicht zurück nach Askaban zu müssen.“

„Hmm, ok...“,sagte Harry nachdenklich. „Und was ist jetzt – ich meine, denkst du, er hat vor, dich zu besuchen und du willst mit frisch polierter Wohnung Eindruck schinden oder wie?“ Verwirrt strich er sich mit der Hand durchs Haar.

„Nein, du Idiot!“, fuhr Draco ihn scharf an und fixierte ihn ärgerlich, so als sei er ein bisschen schwer von Begriff. „Er war drei Jahre im Exil! Er weiß von nichts! Nichts! Verstehst du?“

„Oh...“, sagte Harry. „OH!“

„Jahaaa, ‚oh‘ ist wirklich sehr treffend“, erwiderte Draco bissig. „Wie zur Hölle soll ich ihm das erklären? Dich erklären?“ Verzweifelt ließ er seine Stirn auf die Knie sinken und vergrub beide Händen in seinen Haaren. „Er wird mich umbringen...“

„Nicht doch“, tröstete Harry wenig überzeugend und entfernte vorsichtig Dracos Hände von dessen Kopf, um ihn dann vorsichtig seiner Handschuhe zu entledigen, was dieser willenlos mit sich geschehen ließ.

„Es ist ein Alptraum“, wiederholte er schwach, ehe er seinen Kopf auf Harrys Schulter sinken ließ und leise hinzufügte: „Hört das denn nie auf?“

„Kaum“, meinte Harry resigniert und hätte mit den Schultern gezuckt, ließ es aber mit Rücksicht auf Draco sein. „Vielleicht sollten wir hier aber erstmal wieder Ordnung schaffen.“

„Mach du das“, seufzte Draco. „Ich bin jetzt viel zu innerlich aufgewühlt dafür. Muss jetzt ein Bad nehmen oder so...“ Damit stand er auf, streckte sich ausgiebig und elegant zugleich, wie eine bizarre Mischung aus sich selbst, Primaballerina und Katze, und verschwand aus dem verwüsteten Raum. „Ach ja, und denk an den Abflussreiniger im Waschbecken“, rief er Harry noch zu, ehe dieser die Badezimmertür ins Schloss fallen hörte.

„Egomanische, verwöhnte kleine Ratte!“, zischte Harry ihm hinterher, aber nicht laut genug, als das Draco es noch hören hätte können.

*


Harry und Draco waren inzwischen seit mehr als zwei Jahren zusammen. Kurz nach dem offenen Ausbruch des Krieges war Lucius Malfoy von einem Todessertrupp aus Askaban befreit worden, hatte sich dann aber, anstatt weiter auf deren Seite zu kämpfen, kurzerhand nach Übersee abgesetzt und war bis zu diesem Tage nie wieder gesehen worden. Er hatte alle Verbindungen nach Großbritannien abgebrochen, nur mit Narzissa, so mutmaßte Draco, hielt er unregelmäßigen Eulenkontakt. Von ihr war auch die Andeutung gekommen, er hielte sich zur Zeit in Südamerika auf.

Jedenfalls war Draco kurz nachdem sein Vater außer Landes gegangen war, eines schönen Tages unvermittelt ausgerechnet bei Remus Lupin aufgetaucht und hatte, wie Harry es auszudrücken beliebte, um Gnade gewinselt, obwohl Draco es lieber als das „Angebot einer Waffenruhe“ bezeichnete. Lupin hatte ihn dann natürlich mit zum Orden genommen, sehr zum Missfallen einiger anderen Mitglieder, aber der kleine Malfoy war dann nun einmal da gewesen und man wurde ihn nicht so einfach wieder los.

So wurde Draco eben im Grimmauldplatz Nummer zwölf eingesperrt, strengster Hausarrest, so hieß es, und kam sich dabei ziemlich fehl am Platz vor. Er vertrieb sich die Zeit, indem er sich bemühte, allen anderen Hausbewohnern so sehr wie möglich auf die Nerven zu gehen, was nicht unbedingt dazu beitrug, die Stimmung ihm gegenüber zu bessern, aber doch zumindest dazu diente, dass er vor lauter Nichtstun nicht seinen Verstand verlor.

Harry war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls kurz davor, dem Wahnsinn zu verfallen, weil er glaubte, all dem Druck nicht viel länger standhalten zu können, wenn nicht bald etwas passierte. Man schien ihn hermetisch von jeglichem Kampfgeschehen abschirmen zu wollen, denn – er wusste es – er war ihre Geheimwaffe, die vorher unter keinen Umständen beschädigt werden durfte. Das Risiko war einfach zu groß.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die zwei Jungen mit mentaler Verfassung wie tickende Bomben aufeinander prallten. Das geschah an dem Tag, an dem der versuchte Gringotts-Raub stattgefunden hatte. Alle Ordensmitglieder und jeder andere, der zwei Beine und einen Zauberstab hatte, eilte zum Einsatz (einmal abgesehen von Moody, der trotz fehlendem Bein mit dabei war), nur Harry wurde natürlich trotz heftigster Proteste wieder einmal außen vor gelassen.

Ebenso wie Draco, aber in diesem Fall war das Interesse an seiner Anwesenheit von beiden Parteien ausgehend sehr gering.

So stießen sie eben zusammen, Draco gelangweilt, daher in Stichellaune, Harry rasend vor Wut, daher in der Laune, jemandem in den Arsch zu treten. Der Größte Anzunehmende Unfall blieb allerdings aus, beziehungsweise kam statt der erwarteten Explosion eher so etwas wie eine Implosion.

Irgendwie – später konnte keiner mehr so genau sagen, was genau eigentlich passiert war – lagen sie plötzlich auf einem Bett, halb nackt und geradezu ineinander verknotet, und kamen endlich dazu, all ihre aufgestauten Energien abzureagieren.

Es war wie eine Erlösung, eine Befreiung, so als hätte man endlich den kleinen Schalter gefunden, den man nur umzulegen brauchte, wenn es gerade nötig war, damit alles gut würde. Und es wurde besser. Viel besser.

Natürlich hielten sie es geheim, genau genommen sprachen sie nicht einmal darüber, oder auch nur miteinander. Immerhin schien es für beide nichts weiter als eine vorübergehende Ablenkung zu sein und sobald alles vorbei war, würden sie wieder getrennte Wege gehen und sich vermutlich nie wieder begegnen. So weit der Plan.

Unangenehm jedoch die Tatsache – so wie Draco das sah zumindest – dass Harry es doch noch irgendwann schaffte, Voldemort zu besiegen und ganz plötzlich, ohne jegliche Vorbereitung, wurde er in eine Welt hinausgeschleudert, die von einem Tag auf den anderen frei vom Krieg war, so als wäre dieser abgeklungen wie ein schlimmes Unwetter, das nur ein paar Wasserlachen auf dem Boden und vielleicht den einen oder anderen entwurzelten Baum zurückgelassen hatte. Eine frische Brise zerstreute die Wolken der lähmenden Angst und hinterließ nichts als schwerelose Heiterkeit, und die Menschen verteilten sich wieder in alle Winde.

Nur Draco wusste nicht, wohin. Oder zu wem. Er wollte nicht zu seiner Mutter zurück, die zwar sicher nichts dagegen gehabt hätte, aber zu sehr war sie noch in den „alten Kreisen“ verankert, in denen Draco sich jetzt besser nicht mehr blicken lassen wollte.

Das Hauptquartier des Ordens war längst in Auflösung begriffen, es herrschte reges Kommen und Gehen – aber hauptsächlich Gehen – als Draco immer noch damit herumtrödelte, seine hier eher spärlich vorhandenen Besitztümer zusammen zu packen und durch den Kamin zu verschwinden.

Letzten Endes, als sogar Remus und Tonks sich in Richtung eines Urlaubs in der Karibik verabschiedet hatten (Draco hasste sie dafür), und außer Harry niemand mehr im Haus war, ließ er resigniert das Schloss seines Koffers zuschnappen und stand noch ein paar Augenblicke ratlos neben seinem frisch verschnürten Besitz im Zimmer herum. Der Wunsch, irgendetwas möge doch bitteschön passieren, pulsierte wie rasend in seiner Brust, aber er wusste einfach nicht, wie er die Dinge zum Passieren bringen konnte.

„Hast du alles?“, fragte Harry, der plötzlich wie aus dem Boden gewachsen in der halb offenen Tür stand.

„Sicher“, gab Draco trocken zurück. „Du bist mich sofort los.“

Harry zuckte bloß die Achseln und sagte ein paar Minuten lang nichts, sah Draco nur bei seinem völlig überflüssigen Kontrollgang zu, um zu überprüfen, ob er auch wirklich nichts vergessen hatte.

Schließlich, als Draco sich gerade nach seinem Koffer bückte: „Weiß du, wo du hingehen kannst?“

Zur Antwort nuschelte er etwas, aus dem Harry nur die Worte „Tropfender Kessel“, „vorübergehend“ und „Besseres“ herausfiltern konnte.

„Also, eigentlich kannst du auch... ich meine – wenn du in den Tropfenden Kessel willst, kannst du genauso gut auch hier bleiben“, presste Harry etwas nervös hervor.

Überrascht sah Draco auf. „Wirklich?“

„Das Haus ist groß“, meinte Harry mit einer flüchtigen Handbewegung. „Wir müssten uns nicht einmal sehen... Wenn du nicht willst.“ Den letzten Satz sagte er eher zum Türgriff in seiner Hand, als zu Draco selbst, aber das war im Grunde egal.

Natürlich sagte er zu. Nicht zu dem „nicht sehen“-Part, aber zum Rest auf jeden Fall.

Und so war es einfach... passiert. Harry hatte seinen Freunden zunächst nur von dem eigenartigen Wohnarrangement erzählt, hatte jedoch später darauf bestanden, ihnen die so hochtrabend titulierte „ganze Wahrheit“ zu sagen.

Hermine hatte mit einem sehr breiten Lächeln zu dem Bekenntnis wissend genickt, während Ron leicht grün um die Nasenspitze geworden war, aber im Großen und Ganzen hatten sie es gut aufgenommen. Und dann war es irgendwie – durchgesickert. Nicht wie ein Lauffeuer, eher so ganz allmählich, wie der schleichende Verfall eines schönen Gesichts, das langsam immer faltiger wird und plötzlich, ohne dass man so genau sagen könnte, wie es eigentlich gekommen ist, zu einer von Furchen durchzogenen Mondlandschaft geworden ist.

Aber niemand schien irgendwie Anstoß an der zugegebenermaßen eigenwilligen Verbindung zu nehmen. Zu groß war noch der Rausch des wieder gefundenen Friedens und die Menschen benahmen sich alle, als hätten sie ihre Ernährung auf ausschließlich Eierlikör und Buttercremetorte umgestellt.

Es war geradezu lächerlich perfekt. Und jetzt, zwei Jahre nach Kriegsende, tauchte auf einmal Lucius Malfoy wieder auf.

*


Wahrscheinlich, überlegte Harry, wäre Lucius’ erste Frage an Draco: „Und, hast du schon einen Erben gezeugt?“ Die darauf erwartete Antwort war eindeutig – ungefähr genauso eindeutig wie die wirklich zutreffende Antwort: „Nein, und es wird auch nie passieren. Harry ist nicht bereit zu einer Arschgeburt!“

Zwar hatte Pansy Parkinson einmal in einem ziemlich erbärmlichen Versuch, ihre versickerte „Freundschaft“ zu Draco wieder zu beleben, angeboten, sich freiwillig als Leihmutter zur Verfügung zu stellen, aber zu Harrys ungemeiner Erleichterung hatte Draco diese Option vehement abgelehnt.

Seit der Ankündigung zwei Wochen zuvor, Dracos Vater kehre zurück nach England, war mit ihm nichts mehr anzufangen. Er war das reinste Nervenbündel, schmiedete ständig immer abstruser werdende Pläne und war vor ein paar Tagen sogar, unter dem Vorwand, Harry nicht zur Last fallen zu wollen, aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen, um die Nächte wieder allein in seinem alten Zimmer zu verbringen.

Harrys Laune befand sich dementsprechend auf dem Tiefpunkt, als er, wie neuerdings immer häufiger, allein beim Nachmittagstee in der Küche saß und gelangweilt in einem Buch blätterte, das er schon drei Mal gelesen hatte.

Das laute Aufschlagen der Küchentür riss ihn unvermittelt aus seiner Lethargie.

„Ich hab die Lösung!“, verkündete Draco mit begeistertem Glitzern in den grauen Augen.

Harry legte den Kopf schief und sah ihn erwartend an. Ihm war alles Recht, was die aktuelle Lage irgendwie zum Besseren wenden konnte.

„Ich ziehe zu Pansy!“

Das wiederum traf Harry wie ein Vorschlaghammer gegen die Stirn oder ein Lastwagen in die Magengrube. Oder vielleicht sogar beides. „Wie... wie bitte?“, würgte er mühsam hervor.

„Eigentlich hätte ich an Millicent gedacht, sie ist ein bisschen neutraler, aber dummerweise ist sie inzwischen mit Anthony Goldstein verlobt. Nur des Geldes wegen, wenn du mich fragst, weil der Kerl sieht aus, wie eine zweimal vom Lastwagen überfahrene Ratte und seine Familie ist auch nicht gerade die beste, aber –“

„Stop!“, fuhr Harry dazwischen. „Gut, dass du gerade über ‚vom Lastwagen überfahren‘ redest – weil ich doch wirklich gerne erfahren würde, was DAS MIT PANSY SOLL!“

„Oh, natürlich“, riss sich Draco hastig zusammen. „Ich ziehe zu ihr und wir tun für meinen Vater so, als wären wir zusammen.“

Der Laster, der vorher Harrys Magengrube gerammt hatte, hatte nun offenbar seinen Dauerparkplatz dort eingenommen, denn die penetrante Übelkeit, die sich in Harrys Bauch ausgebreitet hatte, wollte und wollte einfach nicht verschwinden. „Und... was will sie dafür?“

„Nichts! Ist das nicht total nett von ihr?“, erklärte Draco mit strahlendem Lächeln.

Harry hatte das starke Bedürfnis ihn anzuschreien und ihm zu erklären, dass Pansy „blöde Schlampe“ Parkinson noch nie etwas einfach aus gutem Willen heraus getan hatte. Genau genommen hatte sie noch nie in ihrem Leben etwas Uneigennütziges getan. Stattdessen fragte er so beherrscht wie er nur konnte: „Und für welchen Zeitraum soll dieses... ‚Arrangement‘ gelten?“

„Keine Ahnung“, seufzte Draco und ließ sich Harry gegenüber am Tisch nieder. „Das ist der einzige Haken. Aber Dad bleibt wahrscheinlich nicht hier, er hat Geschäfte in Südamerika, sagt Mum. Er bleibt vielleicht ein oder zwei Monate um alte Kontakte aufzufrischen und ein paar Dinge zu regeln, dann ist er wieder weg... Und ich kann wieder herkommen und alles ist toll! Prima, oder?“

„Ganz prima, wirklich.“ Angespannt klopfte Harry mit seinem Teelöffel einen schnellen Rhythmus auf der Tischplatte. „Und was heißt ‚wahrscheinlich bleibt er nicht‘? Was wenn doch? Bleibst du dann bei Pansy und heiratest sie, oder wie?“

„Sei nicht albern“, meinte Draco und verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. „In dem sehr, sehr unwahrscheinlichen Fall, dass er bleiben sollte, fällt uns schon was ein. Ich kenn da Leute, die können ihn unauffällig aus dem Weg schaffen und es wie einen Unfall aussehen lassen...“

„Witzig“, bemerkte Harry eisig.

„Nein, wirklich!“ Draco hob beide Augenbrauen. „Ich komme aus üblen Kreisen, wie du weißt...“

Verärgert biss sich Harry auf die Unterlippe und funkelte Draco aus schmalen Augen an. „Ja, genau das ist das Problem.“

„Sei doch nicht so zickig“, sagte Draco und verdrehte die Augen. „Es wirkt tuntig, wenn du zickig bist.“

„Ich bin nicht zickig, und ich bin erst recht nicht tuntig!“, brauste Harry auf. „Und selbst wenn ich zickig wäre, hätte ich angesichts der Situation ja wohl jedes Recht dazu. Ich meine, was würdest du sagen, wenn ich jetzt erklären würde, ich würde zu Ginny ziehen, hm?“

„Ich würde sagen, das könnte eng werden in der kleinen Wohnung, mit ihrem Ehemann Terry und ihren Zwillingen.“ Draco hob eine Augenbraue.

„Schön, kein gutes Beispiel“, murmelte Harry schlecht gelaunt. Irgendwie lief gerade alles unglaublich schief und er wusste einfach nicht, was er dagegen tun konnte. Deswegen beschränkte er sich auf die einzig noch mögliche Barriere, die er noch aufbauen konnte. Trotz. „Na fein, dann geh doch. Ich komm hier auch gut allein klar. Geh am besten gleich, damit du und Pansy auch schon mal aneinander gewöhnen könnt und einstudieren, wie es am überzeugendsten wirkt, wenn ihr Händchen haltet!“

„Ja, ehm...“, stammelte Draco verlegen. „Das wäre ja auch noch so eine Sache. Ich muss wirklich gleich umziehen.“

Harry spuckte fast den Schluck Tee wieder aus, den er gerade gespielt gelassen genommen hatte. „Wie... bitte?“

„Na ja, Mum sagte, Dad könnte dieser Tage jeden Moment auftauchen. Also – sicher ist sicher. Deswegen...“ Er brach ab und warf einen flüchtigen Blick durch die Küche, so als suche er etwas, an dem er sich festhalten könnte, irgendeinen der staubigen und selten genutzten Gegenstände, der seine Position voll unterstützte und ihm den Rücken stärkte.

Harry starrte ihr sehr böse an, die Kiefer verkrampft und die Hände so fest um die fragile Porzellantasse geklammert, dass Draco beinahe befürchtete, sie könnte jeden Moment unter dem Druck zerspringen.

„Eh, ich geh dann mal. Packen“, sagte Draco und verließ rückwärts in kleinen Schritten die Küche, so als hätte er Angst, Harry auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.

Zunächst zögerte Harry noch kurz, aber schon wenige Minuten später folgte er Draco nach oben, wo jener gerade dabei war, fast seine gesamte Zimmereinrichtung mittels eines Zaubers in seine Reisetasche zu verfrachten.

In den Türrahmen gelehnt fragte Harry ihn fast wie beiläufig: „Und was wird dann aus uns?“

Das plötzliche Bild einer weit zurückliegenden Situation zuckte dabei wieder in Draco auf. Harry in den Türrahmen gelehnt, er selbst mit einer winzigen Tasche voller Nichtigkeiten, wie verloren mitten im Zimmer. Er schluckte unangenehm berührt – es war, als schließe sich ein Kreis und da wo es angefangen hatte, endete es auch wieder.

„Es ist nur eine Pause“, versicherte er schnell – nicht nur für Harry, sondern mindestens genauso sehr für sich selbst. „Sobald mein Vater wieder weg ist, komme ich zurück und alles wird wieder gut...“

„Warum sagst du es ihm nicht einfach?“, meinte Harry schmollend, was sonst so gar nicht zu ihm passte.

Humorlos lachte Draco auf. „Einfach. Pah. Hast du jemals die Worte ‚einfach‘ und ‚Lucius Malfoy‘ in direktem Zusammenhang gehört? Es geht nicht, er enterbt mich oder hetzt mir einen Killer auf den Hals. Oder schlimmer – er hetzt dir einen auf den Hals!“ Beinahe entrüstet hob Draco die Augenbrauen, um klarzustellen, dass diese Möglichkeit gar nicht erst näher in Betracht gezogen würde.

„Mpf“, machte Harry und starrte düster auf den Fußboden. „Besser ein Killer als diese Landplage Parkinson.“

„Merlin, Harry!“ Mit einer schwungvollen Bewegung schnappte Draco sich seine Tasche vom Fußboden. „Du übertreibst.“ Mit diesen Worten schob er Harry aus dem Weg und rauschte an ihm vorbei aus der Tür und die Treppe hinunter ins Wohnzimmer.

Harry folgte ihm übelst gelaunt und sah schweigend und mit bitterem Gesichtsausdruck zu, wie Draco Feuer im Kamin machte, etwas Flohpulver hineinwarf und die Flammen daraufhin sofort einen smaragdenen Grünton annahmen.

„Also“, sagte Draco und stellte seine Tasche in die Flammen, „bist du jetzt sogar zu stur mir einen Abschiedskuss zu geben oder willst du die Gelegenheit nutzen, dein albernes Verhalten wenigstens ein bisschen wett zu machen?“

Harry gab etwas von sich, das wie das Knurren einer übel gelaunten Katze klang, machte aber nichtsdestotrotz ein paar zögernde Schritte auf Draco zu. „Ja, wer weiß, wann wir wieder dazu kommen“, murmelte er, ohne Draco dabei in die Augen zu sehen.

Fast widerwillig hob er den Kopf und presste Draco einen kurzen, harten Kuss auf die trockenen Lippen. „Bis... irgendwann.“

„Da hat aber jemand die Romantik nicht gerade mit dem Löffel gefressen, hm?“, neckte Draco und grinste schief. Harry konnte darüber allerdings so gar nicht lachen.

Also zuckte Draco nur die Schultern und trat endlich in den Kamin. „Bis irgendwann“, sagte er noch, bevor er Pansys Adresse nannte und mit einem Rauschen in einem Wirbel aus Flammen und Funken verschwand.

*


Seit Dracos Auszug war mit Harry nichts mehr anzufangen, so fanden seine Freunde. Nicht dass er depressiv gewesen wäre und sich die Augen ausgeheult hätte – dem hätte zumindest Hermine noch einiges Verständnis geschenkt – oh nein, das erlaubte er sich nicht. Er war einfach nur pausenlos schlecht gelaunt, giftig zu jedem, der seinen Weg kreuzte und so jähzornig, wie sein Onkel Vernon an seinen sauersten Tagen.

Und das ging mittlerweile schon seit mehr als zwei Monaten so. Wenn ihn jemand auf Draco ansprach – der seither wie vom Erdboden verschluckt war, aber gerüchtehalber hatte man vernommen, dass Lucius Malfoy sich tatsächlich wieder in England aufhielt – dann knurrte Harry nur unzusammenhängende Worte, wie „kleine Ausgeburt der Hölle“ oder „geistige Hure seines Vaters“. Man unterließ es alles in allem besser.

Trotzdem bestanden Hermine in ihrem grenzenlosen Starrsinn und Ron in seinem unerschütterlichen Glauben, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde, darauf, dass Harry, wenn er sich gerade nicht einmal bis zum Hals in Arbeit und unbezahlten Überstunden vergraben hatte, ab und zu das Haus verließ.

Mit Ron saß er dann für gewöhnlich im Tropfenden Kessel oder in den Drei Besen und gab mürrisch einsilbige Antworten von sich, während Ron einen zwei Stunden dauernden Monolog über das Weltgeschehen lieferte, ehe er ihn wieder am Grimmauldplatz ablieferte.

Hermine dagegen schleppte ihn überall hin, wo es ihr gerade in den Kram passte, damit er „ein Bisschen unter Menschen“ kam. Das konnte der nächste Supermarkt sein um Einkäufe zu erledigen, oder die magische Tierklinik, weil Krummbein irgendetwas gefressen hatte, was er nicht hätte fressen sollen und sich deswegen sein Bauchpelz grün verfärbt hatte, oder einfach nur die Winkelgasse.

Letzteres mochte Harry am wenigsten, denn immerhin war dort war die Gefahr am Größten, einem Mitglied des Unheil bringenden Malfoy-Clans über den Weg zu laufen. Und das wollte er so gut es ging vermeiden.

Aber mit Hermine zu streiten war ungefähr so aussichtslos, wie mit einem Norwegischen Stachelbuckel zu ringen, also ließ Harry sich gar nicht erst darauf ein und folgte ihr ohne Widerrede, aber dafür mit umso mehr bösen Blicken in ihre Richtung.

Aber dass das Unvermeidliche trotzdem passierte, war klar.

Mitten in der Winkelgasse kam ihnen auf einmal Lucius Malfoy entgegen, der es schaffte, trotz nicht-vorhandenem Pferd und strahlender Rüstung so zu wirken, wie ein zu allem entschlossenen Heeresführer, der von seinem hohen Ross aus auf alle anderen herabblicken konnte. An seiner Seite seine Frau Narzissa, die sich allerdings standesgemäß einen Schritt hinter ihm hielt. Die jüngere Generation, in diesem Falle Pansy und Draco, trottete hinterher, wobei „trotten“ eigentlich nur auf Draco zu traf. Er war beladen mit einer ungeheuerlichen Anzahl von Tüten und Paketen, so dass es eigentlich einem Wunder nahe kam, dass er überhaupt noch sah, wo er hintrat, während Pansy, mit ebenso stolz erhobenem Haupt wie Dracos Vater dahinschritt, als wäre sie auf einem Laufsteg, was so gar nicht zu ihrer mopsgesichtigen Erscheinung passen wollte.

Harry wollte sofort nach rechts ausbrechen und bei Flourish & Blotts in Deckung gehen, bis die Gefahr gebannt, das heißt, alle Malfoys plus Anhang verschwunden waren, aber Hermine packte ihn mit unerwarteter Kraft am Oberarm.

„Oh nein!“, zischte sie ihm aus dem Mundwinkel zu. „Du bleibst schön hier – seit wann läuft ein Gryffindor denn weg?“

„Seit ich mit Draco Malfoy gevögelt habe. Das hat meine Moral ruiniert“, zischte Harry ebenso leise zurück und kämpfte gegen ihren schraubstockartigen Griff an, aber ehe er sich daraus befreien konnte, hatte ihn Malfoy Senior schon entdeckt.

„Mr. Potter! Was für eine... freudige Überraschung!“, säuselte er, indem er sein kleines Heer auf die beiden zu führte. Hatte er freudige oder räudige gesagt? Harry war sich nicht sicher.

Aber mit Genugtuung nahm er wahr, dass Draco bei der Erwähnung von Harrys Namen eines einer unzähligen Pakete fallen gelassen hatte und es nun mit eisigem Blick und unter großen Balancekünsten wieder von der Straße aufsammelte, ohne dabei die restlichen Besitztümer fallen zu lassen.

„Nun, Mr. Potter, wie ich sehe, geben Sie sich immer noch mit der selben Art von Leute ab, wie ehedem... Ich persönlich bin der Meinung – ob nun Krieg oder nicht, schlechte Gesellschaft bleibt schlechte Gesellschaft. Aber Salazar sei Dank, muss ich das meinem Sohn ja nicht erklären.“

Harrys Gesicht hatte langsam, aber sicher, einen wütenden Rotton angenommen und er bekam nicht wenig Lust, seinen Zauberstab, wie ehemals dem Troll, einfach so und ohne viel Federlesens in Lucius Malfoys Nase zu rammen, aber Hermine hielt sicherheitshalber immer noch seinen Arm fest umklammert.

„Also ich bin ja der Meinung“, erwiderte Harry mühsam beherrscht, „egal ob Krieg oder nicht, dass ich mich immer noch in besserer Gesellschaft befinde, als Ihr überaus geschätzter Sohn. Sagen Sie, ist Parkinson auf der Jagd nach einem Ehemann oder doch nur nach einem neuen Hauselfen?“ Er nickte kurz in Dracos Richtung und glaubte dabei ein leichtes Zittern in dessen Armen zu bemerken.

„Ach, halt die Fresse, Potter“, drang seine wütende Stimme hinter dem Stapel aus Paketen hervor.

„Gut so, verteidige mich vor dem Schlammblut-Freund!“, stachelte Pansy ihn mit einem manischen Grinsen auf den Lippen an, während Narzissa Harry einen durchdringenden Blick zuwarf, aber bevor Lucius es bemerkte schnell wieder betreten zu Boden sah.

„Wer spricht denn von dir?“, schimpfte Draco. „Nachdem es ja mehr oder weniger eindeutig ist, dass er mit einer seiner Vermutungen Recht hat, habe wohl eher ich das Bedürfnis, verteidigt zu werden! Und ich hab weder vor, das eine, noch das andere eintreten zu lassen!“

„Woho, Ärger im Paradies?“, stichelte Harry weiter.

„Ach, halt doch den Mund, Potter!“, wiederholte Draco und ließ erneut ein Paket fallen, welches beim Aufprall unheilverkündend schepperte, so dass er Harry nun wütend über die restlichen Einkäufe hinweg anstarren konnte.

„So eloquent heute, Malfoy? Hab ich dir die Sprache verschlagen, oder was?“, grinste Harry nun selbstsicherer. Hermine hatte sogar seinen Oberarm losgelassen, offenbar betrachtete sie die unmittelbare Gefahr eines unmotivierten Gewaltausbruchs jetzt als ausreichend gering.

Lucius Malfoy hatte den kleinen Wortwechsel mit zusammengekniffenen Augen verfolgt und offenbar erschien es ihm jetzt als genug. Mit einer herrscherischen Kopfbewegung hieß er seinem kleinen Trupp, sich wieder in Bewegung zu setzen und einmütig wie die Kühe folgten sie ihm alle ohne Widerrede. Einzig ein kleines, in dunkelbraunes Papier eingeschlagenes Päckchen lag noch auf dem Boden, etwa dort, wo Draco eben noch gestanden hatte und Harry im Umdrehen noch einen bösen Blick zugeworfen hatte.

Unsanft stieß Hermine ihren Freund von der Seite an. „Jetzt mach schon, du Depp!“

Einen kurzen Moment zögerte Harry noch, ehe er einen Satz nach vorne machte, das Päcken schnappte und dem Malfoy-Clan hinterher hastete. „Hey, Frettchengesicht!“, zischte er Draco aus einiger Entfernung zu.

Ohne, dass seine Familie oder Pansy etwas davon gemerkt hätten hielt Draco in seinem Schritt inne und wandte den Kopf um. „Was?“, zischte er ebenso leise zurück, sein Blick flackerte dabei nervös in Richtung seines Vaters.

Schweigend deutete Harry mit dem Daumen in eine schmale Seitengasse, die direkt neben ihnen von der Hauptstraße abzweigte und verschwand darin. Nach einem letzten, beunruhigten Blick zu seiner Familie, die eben auf Madam Malkins zusteuerte, folgte Draco ihm. Kaum angelangt, wurde er von einem wütenden Harry empfangen: „Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Sogar dein vom Ministerium verfolgter Vater schafft es, aus dem Exil heimliche Nachrichten an deine Mutter zu schicken, aber du bringst nicht einmal eine klägliche Eule zustande? Und dann ziehst du hier diese Show ab! Ich meine – was würdest du an meiner Stelle davon halten?“

„Ich, äh...“, stammelte Draco, sichtlich unangenehm berührt. „Es tut mir leid, ja? Es ist nur... Pansy ist in totaler Überwachung offenbar mehr bewandert als alle Auroren des Landes zusammen... Ich kann irgendwie... keinen Finger heben, ohne dass sie es merkt. Und sie... hat mir gedroht...“ Ein peinlich roter Schatten flog kurz über sein Gesicht, ehe Draco aufsah und knapp erklärte: „Sie sagt, sie geht zu meinem Vater und sagt ihm alles, wenn ich mich mit dir in Verbindung setzen würde.“ Seine Lippen waren auf diese Offenbarung hin so fest aufeinander gepresst, dass sämtliches Blut daraus zu weichen schien. Wahrscheinlich hätte er auch die Hände zu Fäusten geballt, wenn er nicht immer noch mit Einkäufen beladen gewesen wäre.

Harry konnte nicht anders, als in ein breites Grinsen der unverhohlenen Schadenfreude auszubrechen. Das „Ich hab’s doch gewusst!“ lag ihm geradezu schon auf den Lippen und nur mühsam konnte er sich davon abhalten, die Worte wirklich auszusprechen. Stattdessen - und er schaffte es sogar den belustigten Unterton zu unterdrücken – fragte er, indem er interessiert eine Augenbraue hob: „Und jetzt?“

„Jetzt würde ich dich am liebsten hinter die nächste Mülltonne zerren und dir dein klugscheißerisches Grinsen aus dem Gesicht vögeln, aber...“

„Aber was?“

„Ich muss zurück zu den anderen – sie merken sonst sicher etwas.“

„Merlin, du hast nichts kapiert, oder? Was braucht’s denn sonst noch außer einer diktatorischen Möchtegern-Verlobten und Hardcore-Shopping-Folter, bis du endlich kapierst, dass das auf die Weise nie besser wird?“

„Hey, ich kann es meinem Vater nicht sagen, versteh das endlich!“, zischte Draco jetzt wütend und sah Harry böse an. Dessen hinterhältiges Lächeln machte Draco ein wenig nervös und ließ ihn nichts Gutes ahnen. „Und komm nicht auf die Idee, selbst zu ihm zu gehen, denn ich schwöre bei Merlin, dann bring ich dich eigenhändig um!“

Harry schnaubte belustigt. „Wenn’s nach Daddy geht, dann kommt dieser Sinneswandel wohl ein paar Jahre zu spät. Na los, jetzt lauf ihnen hinterher, bevor dein privater Wachhund dich hier entdeckt.“

„Du bist ein Idiot, Potter, ist dir das eigentlich klar? Und jetzt gib mir mein Paket zurück und lass mich in Ruhe.“ Dracos Augen waren zu katzenhaften Schlitzen verengt, als er Harry auffordernd anstarrte.

„Wenn das für dich bedeutet, zu seinen Prinzipien zu stehen – bitte!“ Viel zu schwungvoll knallte Harry das Päckchen auf Dracos Einkaufsstapel, der dadurch gefährlich ins Schwanken geriet. Dann drehte er sich auf dem Absatz um, und verließ mit großen Schritten die dunkle Seitengasse, so dass sich sein Umhang hinter ihm bauschte, wie ehedem Snapes, wenn dieser im Klassenzimmer eindruckheischend auf und ab geschritten war.

Kaum, dass ihn auf der Hauptstraße wieder das Licht der trüben Sonne berührte, stieß er fast mit Mopsgesicht Parkinson und Hermine zusammen, die sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf warfen.

„Potter!“, kreischte Parkinson, sobald sie ihn erblickte. „Was hast du mit Draco angestellt?“

„Im Gegensatz zu dir habe ich ihn nicht versklavt und zu einer willenlosen Marionette gemacht!“, erwiderte Harry wütend. „Du glaubst doch nicht ehrlich, dass er dich auch nur irgendwie leiden könnte, oder? So dumm kannst nicht einmal du sein!“

„Du hast ja keine Ahnung, Potter“, verkündete Pansy mit einem unheilvollen Lächeln.

Hermine war von der Seite an Harry herangetreten und hatte wieder gleichzeitig beruhigend und um Harry davon abzuhalten, seinen Zauberstab zu zücken, sein Handgelenk umgriffen. Ihr Blick flog unruhig zwischen Pansy und Harry hin und her, nur kurz flackerte er zum Ausgang der Gasse, aus dem Draco eben getreten war und das Geschehen mit düsterem Ausdruck verfolgte, als würde er Übles ahnen.

„Wenn hier jemand ahnungslos ist, dann sicherlich nicht ich“, erklärte Harry inzwischen stur.

Pansys Grinsen wurde, wenn möglich, nur noch breiter. „Du bist so blind, Potter. Draco wird nie zu dir zurückkommen – und weißt du wieso? Ich bin nämlich schwanger und deswegen wird er mich heiraten!“, verkündete sie triumphierend und hob den Kopf noch ein wenig weiter.

Vor Harrys Augen schien unterdessen eine Welt zusammen zu brechen. Schon die zweite, nachdem die erste in dem Moment eingestürzt war, als Draco ihm verkündet hatte, er würde fortan mit Pansy wohnen. Es war eine Sache, dass Draco ein ignorantes Arschloch war, das war er schließlich schon immer gewesen und Harry hatte gewusst, worauf er sich einließ, aber das war... Er fand keine Worte.

Stand einfach nur da, wie eingefroren, starrte Pansy an, die sich an sich an ihrem Sieg labte und registrierte nur am Rande, wie Hermine ihn wegzog. Sah wie durch einen Nebel, ganz entfernt, wie Draco vorschoss, seine Pakete fallen ließ und Pansy unsanft am Arm packte. Glaubte zu hören, wie er sie anschrie, die Worte unverständlich.

Wusste nicht, wie er schließlich nach Hause gekommen war.

*


Zwei Tage lang hatte Harry sich in seinem Haus eingeschlossen und jeglichen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Ron und Hermine, sogar Ginny, hatten zunächst noch versucht, zu ihm vorzudringen, schließlich aber seinen Wunsch nach Einsamkeit akzeptiert. Noch ein Tag mehr, so hatte Hermine festgelegt, und sie würden es wieder versuchen. Dazu kam es allerdings nicht.

Denn am Abend des zweiten Tages klopfte jemand mit solcher Gewalt an die Tür, dass diese drohte, unter den wuchtigen Schlägen zu zersplittern. Was Harry jedoch dazu bewegte, dem ungebetenen Gast schließlich doch zu öffnen, war einzig die Tatsache, dass der Lärm ihn auf Dauer störte und er sich nicht anders dagegen zu helfen wusste.

„Harry, ich -“

Kaum, dass Harry einen Blick nach draußen geworfen hatte, knallte er die Tür auch schon wieder ins Schloss. Es war nicht mehr als ein Reflex, der ihn dazu veranlasst hatte, so zu reagieren. Sein Verstand hätte nicht einmal Zeit dazu gehabt, den Gedanken „Malfoy steht vor dem Haus“ in den Türe-zuwerfen-Befehl umzuwandeln. (1)

Eine Sekunde später klopfte es wieder. Wunderbar.

Harry wusste nicht, warum er die Tür noch einmal öffnete.

„Warte, bitte warte nur einen Moment! Ich will mit dir reden!“, schaffte Draco es noch hastig hervorzustoßen, bevor Harry, überwältigt von seiner eigenen Tatkraft, ihm wieder die Tür vor der Nase zuschlug.

Verwirrt sank er mit dem Rücken gegen die Wand und fuhr sich durch die Haare. Er hatte nicht vorgehabt, mit Draco zu reden. Oder ihm auch nur irgendwann wieder zu begegnen. Sollte er doch Mopsgesicht heiraten und schwängern, oder umgekehrt – ihm war es jedenfalls egal. So hatte er das zumindest beschlossen.

Wütend riss er die Tür wieder auf. „Das mit dem Reden fällt dir reichlich spät ein, du Idiot!“, schrie er Draco draußen an und knallte sie wieder zu, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Potter!“, hörte er Draco von draußen zurückbrüllen. „Das wird langsam echt peinlich, und wenn du mich nicht reinlässt, dann hab ich andere Wege ins Haus zu gelangen!“

„Pah, versuch’s doch!“

Harry bildete sich ein, von draußen ein wütendes Knurren zu vernehmen, wie das von einem übergroßen Hund, dem man sein selbstgefangenes Karnickel wegnehmen wollte. Das wäre zumindest einmal neu in der Reihe der animalischen Vergleiche, mit denen Harry Draco schon bedacht hatte. Trotzdem war er sich ziemlich sicher, dass das Geräusch nur auf Einbildung beruht hatte.

Während er sich noch den Kopf über dieses zugegebenermaßen doch ziemlich nebensächliche Detail zerbrach, hörte er plötzlich – und dieses mal laut und deutlich – ein Räuspern hinter sich. Nur mit Mühe unterdrückte Harry ein schockiertes Keuchen. „Verflucht, Malfoy, wie kommst du hier rein?“

„Halloho, ich war dabei, als die Sicherheitszauber hier aktiviert wurden. Denkst du, ich würde nicht wissen, wie man sie bricht?“ Draco verdrehte die Augen und winkte lässig Richtung Wohnzimmer, so als wäre er hier zuhause. Und Harry musste sich eingestehen, dass er das ja irgendwie auch war. Oder gewesen war, wie auch immer. Seufzend kapitulierte er vor der Übermacht der Egomanie auf Seiten Draco Malfoys und trottete ihm hinterher.

Im Wohnzimmer war Draco bereits dabei, Feuerwhisky in zwei Gläser einzuschenken. „Setz dich“, kommandierte er ohne sichtliche Regung und stellte die beiden Gläser auf dem niedrigen Couchtisch ab. Während Harry sich widerstrebend auf das Sofa fallen ließ, blieb er selbst stehen, wirkte prinzipiell mehr geschäftlich als irgendwie emotional involviert.

„Ich hoffe, du bist nur da, um deine restlichen Sachen zu holen und dann zu verschwinden...“, brummte Harry ohne große Hoffnung und griff nach seinem Glas, um es in einem Zug zu leeren. Das scharfe Getränk seine Kehle hinab rinnen zu spüren, verlieh ihm ein gewisses Gefühl der Lebendigkeit zurück und tat ihm deshalb in diesem Augenblick unglaublich gut.

„Eigentlich hätte ich jedes Recht dazu, sauer auf dich zu sein“, erklärte Draco unvermittelt und fixierte Harry ernst. „Du glaubst ausgerechnet Pansy mehr als mir, nachdem du mir zwei Jahre lang eingeredet hast, man könne ihr nicht trauen?“

„Red doch nicht so selbstgerechte Scheiße! Es gibt nichts, was ich mehr glauben könnte, zumal du dich dazu gar nicht erst geäußert hast!“ Beleidigt verschränkte Harry die Arme vor der Brust und starrte trotzig auf sein leeres Glas, um Dracos durchdringendem Blick zu entgehen.

„Merlin!“, seufzte Draco theatralisch. „Denkst du ernsthaft, ich würde ausgerechnet mit Pansy ins Bett gehen?“

„Wir haben ja gesehen, wie weit du für deinen Vater gehen würdest, da wäre ein neuer Erbe für ihn schon drin.“ Trotzig schob Harry das Kinn vor und fing endlich Dracos Blick auf, aus dem nicht nur abgrundtiefe Missbilligung sprach, sondern auch ein nicht geringes Maß an verletztem Stolz. Und... Enttäuschung?

„Ich bin keine Marionette!“, zischte er und schritt dabei unruhig im Zimmer auf und ab. „Nur weil -“

„Da hatte ich aber einen anderen Eindruck!“, fuhr Harry ihm dazwischen und sprang endlich auf.

„Nur weil ich versuche, mir die Situation so unkompliziert wie möglich zu gestalten, heißt das nicht, dass ich alles mit mir machen lasse!“, sagte Draco mit Nachdruck und blieb unvermittelt stehen. „Und das gilt genauso für dich, nebenbei bemerkt.“

„Versuchst du gerade, dich selbst als Opferlamm hinzustellen? Das ist die reinste... Unverfrorenheit!“ Harrys Stimme überschlug sich fast bei dem Gedanken, dass Draco gerade wieder einmal dabei war, sämtliche Schuld auf alle anderen außer sich selbst abzuschieben. „DU ziehst aus, DU meldest dich nicht, DU spielst für Pansy und deinen Vater den Hampelmann – aber ICH bin der Arsch? Das ist... das ist wirklich nur...“

„Was, erbärmlich vielleicht? Wär’s dir lieber, wenn ich einen auf großer Märtyrer mache und mich von meinem Vater verstoßen lasse? Sorry, aber das Märtyrertum war immer schon eher dein Ding als meines, hast du ja gesehen.“ Im Gegensatz zu Harry hatte Draco die Angewohnheit, immer leiser zu werden, je wütender er war. Und gemessen an seinem beinahe schlangenhaften Zischen – noch ein Tiervergleich, überlegte Harry flüchtig und fragte sich am Rande, warum ihm das gerade jetzt auffiel – war er sehr wütend.

Über die Tiervergleichsüberlegung hatte er jetzt allerdings ein wenig den Faden verloren und er klappte zweimal den Mund auf und zu, was Draco ein abfälliges Schnauben entlockte, ehe er wieder seine Worte fand. „Lieber ein Märtyrer als ein feiger Hund, der vor seinem eigenen Vater den Schwanz einzieht“, keifte Harry zurück. Merlin, nahm das denn nie ein Ende?

„Besser feig und am Leben, als heldenhaft tot!“

Das wiederum hielt Harry für eine hemmungslose Übertreibung. „Dein Vater bringt dich doch nicht um, du Idiot! Du bist sowas von melodramatisch...“

„Woher willst du wissen was mein Vater tun würde? Für ihn wäre ich eine Schande... und er vergöttert Pansy!“ In Dracos Gestik lag schon beinahe etwas Verzweifeltes, obwohl sein Ton immer noch so scharf war, das er die Luft zwischen ihnen mit jeder Silbe wie ein Messer durchschnitt.

„Wie kann irgendein Mensch bei Verstand bloß Parkinson vergöttern?“, entfuhr es Harry unversehens und er hätte sich am liebsten die Hand auf den Mund geschlagen. Sowas war dieser beinahe kathartischen Streitatmosphäre nicht sehr zuträglich.

„Er vergöttert eher ihr Erbe...“, seufzte Draco resigniert. „Aber siehst du, wie kannst du ernsthaft denken, ich hätte ausgerechnet mit ihr Sex gehabt? Sie ist eine Frau! Und sie ist... Pansy! Wer auch immer sie geschwängert hat – er ist zu bemitleiden, aber ich war es ganz bestimmt nicht.“ Hilflos zuckte er mit den Schultern und sah Harry schon wieder so an, so wie nur er es konnte, so wie er Harry immer rum bekam.

„So funktioniert das nicht, verdammt!“, fluchte Harry frustriert, aber ehe er eine neue Möglichkeit fand, Draco so effizient es ging zu beleidigen, machte dieser einen Schritt auf ihn zu und einen Augenblick lang hatte Harry den Eindruck, Draco wolle ihn schlagen. Stattdessen presste Draco seine Lippen so plötzlich und so ungestüm auf Harrys, dass ihm keine Zeit für Einspruch blieb.

Eigentlich hatte er auch nicht viel Lust darauf, Einspruch zu erheben. Merlin, wie hatte er das vermisst! Mit einem Schlag stieg ihm wieder die Erinnerung an die ersten Wochen auf, an die Verzweiflung mit der sie sich aneinander festgeklammert hatten, als letzter Anker in einer Welt, in der sie sich beide irgendwie fehl am Platz gefühlt hatten. Jetzt war alles anders, und dann doch wieder nicht, was zwar prinzipiell kein besonders gut ausformulierter Gedanke war, aber doch zutraf, wie kein anderer. Denn sie waren immer noch Draco und Harry, Harry und Draco, und hassten sich und liebten sich, und waren sich gleichzeitig Pein und Erlösung. Und dieses Gefühl war besser als jedes andere, das Harry jemals gefühlt hatte.

Deswegen küsste er Draco jetzt so hemmungslos, als wäre nie etwas zwischen ihnen gestanden und presste seinen Körper so fest gegen den anderen, als wolle er mit ihm verschmelzen. Er riss seine Lippen von Dracos los und fühlte eher als dass er wirklich hörte, wie dessen leises Stöhnen an sein Ohr drang, als Harry seinen Hals küsste, seine Hände unter Dracos Hemd glitten.

„Ich dachte, so funktioniert das nicht?“, hauchte Draco gehässig in Harrys Ohr, während er fiebrig den Verschluss seiner Hose aufnestelte.

„Tut es auch nicht!“, keuchte Harry zurück und bugsierte sie beide in Richtung des Sofas, worauf er Draco einen Stoß versetzte, der ihn rückwärts auf die Poster fallen ließ.

Einen Augenblick später war Harry wieder über ihm, überall, Lippen auf Lippen und ihr heißer Atem stieß gegeneinander. Draco stöhnte auf, als Harry mit seiner Hand endlich dahin vorgedrungen war, wo er hingewollt hatte. Es waren nur ein paar unkoordinierte Bewegungen, bevor Harry wieder von ihm abließ und sie beide begannen, sich hektisch und ungeschickt von ihren Hosen zu befreien. Im Chaos der Hände und Beine, in dem sie beide gleichzeitig nicht voneinander lassen wollten, dauerte es länger als notwendig, bis sie ihre Körper endlich aneinander – miteinander – fühlen konnten.

Mit einem Ruck riss Harry Draco schließlich das Hemd vom Leib – sein eigenes T-Shirt war in der Zwischenzeit irgendwann verschwunden, so genau war das nicht mehr auszumachen – und für die Dauer eines Herzschlages sahen sie sich in die Augen, heftig atmend, fast abschätzend. Dann war alles wie eine verwischte Stelle in der Zeit, wo alles gleichzeitig zu passieren schien und sich doch über Stunden hinzuziehen vermochte.

Wie Harry in Draco eindrang und ihm dabei der Atem stockte; wie sich Dracos Brustkorb unter heftigen Atemstößen hob und senkte; wie eine hauchdünne Schweißschicht ihre Körper überzog; wie Draco seine Finger in Harrys Schultern verkrampfte, als er kam; wie er die Augen dabei fest zusammen kniff; wie Harry schließlich erschöpft über ihm zusammensank; wie sie beide eine kleine Ewigkeit so liegen blieben einfach nichts sagen oder tun konnten.

*


„Ich mag dich immer noch nicht“, erklärte Harry und sah an die Wand.

Draco atmete tief ein und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Harry mochte seine Haare, sehr sogar – sie waren einfach so anders als seine eigenen, fühlten sich so gut an zwischen seinen Fingern, so wie vorher, als –

Harry bemühte sich, nicht hinzusehen und verkrampfte seine Hände so fest ineinander, dass die Knöchel blass hervortraten, um sich selbst davon abzuhalten, so schnell wieder schwach zu werden. Er hasste es, wenn Draco Scheiße baute und dann immer ohne auch nur einen Ton der Entschuldigung alles wieder hinbog. Sogar so, dass es ihn selbst dann auch noch in gutem Licht dastehen ließ.

„Wer sagt, dass ich will, dass du mich magst?“ Draco zog eine Augenbraue hoch und musterte Harry kritisch, so als wäre er sich einen Augenblick lang wirklich nicht sicher, ob er das wirklich wollte.

„Weil du sonst nicht hier wärst, natürlich“, sagte Harry und funkelte Draco empört an.

„Oh... richtig.“ Für einen Moment sah Draco so aus, als würde er seine Meinung nochmals neu abwägen und musterte Harry dann ausgiebig, der sich unangenehm berührt unter diesem Blick wand. „Schön. Ich will also, dass du mich magst“, gab er schließlich zu.

Harry zögerte einen Moment, ehe er vom Thema ablenkte, indem er fragte: „Wie bist du eigentlich Pansy entkommen?“

Missmutig verdrehte Draco die Augen. „Ich hab ihr gesagt, dass ich jetzt zu dir gehe und dass sie zur Hölle fahren soll. Darauf hat sie gedroht zu meinem Vater zu gehen und ich hab sie deswegen mit einem Zauber an einen Küchenstuhl gefesselt.“

„Das ist jetzt ein Scherz, oder?“

„Ich glaube nicht, dass du die Antwort darauf wirklich wissen willst“, seufzte Draco und sah an die Decke.

Harry warf ihm einen zweifelnden Blick zu, hustete verlegen und griff dann nach seinem frisch aufgefüllten Whiskyglas. Für einige Minuten herrschte ein verlegenes Schweigen zwischen ihnen, während dessen sie sich ab und zu verstohlene Blicke aus den Augenwinkeln zuwarfen, unsicher und abschätzend, fast wie – fast wie damals in der Schule.

„Und jetzt?“, fragte Harry schließlich.

„Ich werd’s meinem Vater sagen“, antwortete Draco und seufzte wieder, diesmal mit mehr Resignation in der Stimme. „Ich meine, jetzt bleibt mir auch kaum mehr etwas anderes übrig, Pansy wird sich sicher nicht mehr aufhalten lassen.“

Harry verdrehte die Augen. „Klar, und ich dachte schon, du würdest einmal in deinem Leben etwas Uneigennütziges tun. Dabei sagst du es ihm nur, weil es noch schlimmer wäre, wenn Parkinson zuerst auspackt.“

Draco grinste verlegen und zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Tja, du hast gewusst, worauf du dich einlässt, oder?“

Ohne dass er es verhindern konnte, zogen sich Harrys Mundwinkel plötzlich leicht nach oben und seine Augen glitzerten belustigt. Was war das denn? Wups – ein Lächeln. So war das aber nicht geplant gewesen. Und Draco, dieser kleine, egoistische Wichser, hatte es natürlich auch gesehen, Harry konnte genau erkennen, wie der Anflug von Triumph für einen Moment über dessen Züge huschte. Dann war der Kampf wohl verloren. Oder doch gewonnen?

Ein erleichtertes Grinsen setzte sich auf seinen Lippen fest und ein wenig widerstrebend gab er schließlich zu: „Ja, wäre ja sonst langweilig geworden...“

*


Nervös ging Harry im Zimmer auf und ab. Immer wieder warf er unruhige Blicke auf die große Standuhr in der Ecke, die nun schon das zweite Mal seit Draco weg war, zur vollen Stunde geschlagen hatte. Womöglich hatte Parkinson jetzt die selbe Show abgezogen wie Draco zuvor und ihn an den Kühlschrank gekettet, oder schlimmer – ans Bett gefesselt und vergewaltigt. Oder ihm einen Liebestrank eingeflößt, oder... Die Möglichkeiten waren geradezu unendlich.

Nicht zum ersten Mal spielte Harry mit dem Gedanken, einfach zu ihr zu apparieren und nachzusehen, ob alles in Ordnung war, aber er hielt sich mit eiserner Selbstbeherrschung davon ab. Zwei Stunden waren nichts, gar nicht.

Seltsamerweise befürchtete Harry eher, wie ihm eben erst klar wurde, dass Parkinson etwas Unvorhergesehenes tun könnte als Dracos Vater. Er hatte einfach das Gefühl, dass Meuchelmorde familienintern seltener vorkamen, als bei unbeachteten Möchtegern-Freundinnen. Aber nachdem er Draco trotz allem für bewanderter auf dem Gebiet der Zauberei hielt als Pansy, waren seine Befürchtungen wohl weitestgehend unbegründet.

Außer natürlich... Nein, stop, das reichte wirklich.

Erschöpft ließ er sich auf das Sofa fallen, nur um im nächsten Augenblick wieder aufzuspringen. Diese Untätigkeit brachte ihn noch um! In solchen Momenten vermisste er das Fernsehen am meisten, sinnlose Berieselung wäre jetzt genau das Richtige gewesen, um die Zeit bis zu Dracos Rückkehr – falls er zurückkehrte – effizient zu überbrücken.

Einmal hatte Harry es sogar versucht und in einer düsteren Seitengasse Londons in einem eher zwielichtig anmutenden Elektrohandel ein gebrauchtes Gerät gekauft. Aber sei es, weil die Verkaufsobjekte ebenso zwielichtig waren wie der Laden selbst, oder weil all die Magie schlicht und einfach den Empfang störte – der Bildschirm zeigte nichts als weißes Flimmern. Und Schneestürme konnte Harry auch oft genug sehen, wenn er aus dem Fenster schaute, vielen Dank.

Jedenfalls stand er kurz vor einem nervlichen Zusammenbruch und wusste nicht, was mit sich anfangen. Unruhig glitt sein Blick über das Zimmer – jenes Zimmer nämlich, in dem alles seinen Anfang genommen hatte, an jenem Samstag Nachmittag, an dem Draco es putzender Weise auf den Kopf gestellt hatte.

Nein.

Putzen, das war wirklich nicht Harrys Ding. Bis zu seinem elften Lebensjahr hatte er wie ein Haussklave für die Dursleys gearbeitet, er hatte in diesem Alter schon genug Staubtücher gesehen, um mit ihren Relikten seine Lunge zu teeren. Deswegen war es auch kein Wunder, das ihm die Laune normalerweise mehr nach einer Art des gepflegten Chaos’ stand – allzu große Ordnung machte ihn immer leicht nervös.

Draco jedoch hielt das Saubermachen für eine nahezu therapeutische Maßnahme – sein Hang dazu hatte allerdings auch leicht obsessive Ausmaße. Wahrscheinlich lag das an der Umgebung, in der er aufgewachsen war, wo alles immer gestrahlt hatte, dass man sich sogar in seinem Suppenteller hatte spiegeln können. So hatte er es jedenfalls beschrieben. Was er dabei nicht bedachte, war die Tatsache, dass damals ein Hauself für die Sauberkeit gesorgt hatte, und deswegen hatte er auch nie ganz begreifen können, warum es im Haus am Grimmauldplatz nie so glänzte, wie im Zuhause seiner Kindheit.

Aber wie auch immer – Harry stand nach wie vor eher ratlos im mitten im Raum herum. Vielleicht mal mit dem Besen drüberkehren? Dabei passierte ohnehin nichts, als den Staub von einem Ende des Zimmers an das andere zu verschieben, war also akzeptabel.

„Accio Besen!“, sagte er laut und mit einem leisen Sirren kam einen Augenblick später sein Feuerblitz aus dem Gang angeflogen. Harry fing ihn mit einer Hand auf und starrte skeptisch auf den Blank polierten Stiel und die akribisch stromlinienförmig ausgerichteten Zweige.

Nein. Unmöglich.

„ Accio... eh, anderer Besen“, versuchte er es wieder. Diesmal war es Dracos. Und der würde ihn umbringen, wenn er –

In diesem Moment loderten smaragdgrüne Flammen im Kamin auf und das Feuer rauschte, als eine Gestalt darin auftauchte. Einen Augenblick später trat Draco heraus, hustete und klopfte sich die Asche von der Kleidung. Dann machte er ein paar wacklige Schritte auf die Couch zu und ließ sich mit einem erschöpften Ächzen darauf fallen. „Merlin...“, stöhnte er völlig verausgabt und ließ den Kopf nach hinten sinken.

Harry ließ beide Besen fallen, die mit lautem Klappern auf den Boden fielen.

Träge öffnete Draco ein Auge und schielte in Harrys Richtung, hob dann zuerst eine Augenbraue, anschließend den Kopf. „Was machst du da mit unseren Besen?“

„Eh... nichts?“ Harry grinste verlegten und ließ sich Draco gegenüber im großen Polstersessel nieder. „Was war denn los, warum hat das so lang gedauert?“

„Es ist alles in Ordnung jetzt. Erinner mich morgen, nochmal bei Pansy vorbeizuschauen, ja? Ich, eh... ich muss noch meine Sachen holen.“ Draco schloss wieder die Augen. „Was hältst du übrigens davon, wenn wir Mums und Dads Hauselfen hierher holen?“

Harry stutzte. „Stop, halt mal – was ist passiert? Und warum der Hauself? Und überhaupt...“ Mit forschendem Blick musterte er Draco, der tatsächlich vollkommen erschöpft aussah. Irgendwas an Draco, das er nicht so genau ausmachen konnte, ließ ihn misstrauisch werden.

Unter leisem Stöhnen richtete Draco sich endlich wieder auf und fing Harrys zweifelnden Blick ein. „Ehrlich, es gibt Dinge, die willst du gar nicht wissen. Ich hab alles geregelt und meine Eltern reisen morgen früh nach Südamerika ab. Damit solltest du zufrieden sein.“

Harry hob eine Augenbraue. Er brauchte nicht einmal laut auszusprechen, dass so eine Lösung für ihn nicht in Frage kam. Immerhin... immerhin war er er, und Harry Potter hatte noch nie etwas einfach so auf sich beruhen lassen, nur weil es besser so gewesen wäre.

Draco seufzte. Denn er wäre nicht Draco Malfoy, wenn er nicht wüsste, dass Harry so reagieren würde. Und überhaupt. Aber den Versuch war es wert gewesen. „Er hat es für einen Witz gehalten.“

„Wie bitte?“

„Ich war zuerst bei Pansy, die hysterisch herumgeschrien hat, deswegen hab ich sie so gelassen, wie sie war und bin zu meinem Elternhaus appariert, wo mich mein Vater erst einmal eine Stunde lang hat warten lassen. Der Hauself hat mir übrigens Essen gemacht, er kocht sehr gut – oder sie, was auch immer, bei denen weiß man das ja nie so genau... Pinky oder Tinky oder so heißt er, irgendsowas Schwachsinniges. Wenn du mich fragst, dann hat es ja durchaus -“

„Komm endlich zur Sache!“, rief Harry ungeduldig dazwischen und trommelte mit seinen Fingern auf der Armlehne des Sessels.

Draco verdrehte genervt die Augen. „Ich wollte die Erzählung nur etwas interessanter gestalten... Aber meinetwegen. Als ich jedenfalls endlich mit ihm sprechen konnte, hab ich ihm gesagt, dass ich im Krieg die Seiten gewechselt habe, seitdem mit dir zusammen wohne und -“, Draco stockte ein wenig und ein zarter Rosaschimmer legte sich auf seine Wangen, „- und dass ich schwul bin“, beendete er mit sichtlicher Überwindung seinen Satz.

Ermutigend legte Harry den Kopf etwas schief. So weit, so gut. „Und... wie weiter?“

„Dann hat er gesagt, Malfoys machen keine Witze und mein Sinn für Humor wäre immer schon erbärmlich gewesen“, sagte Draco mit Todesmiene. Harry verkniff sich ein Grinsen. „Anschließend hat er mir angekündigt, dass er und Mum morgen nach Südamerika abreisen und dort bleiben werden. Phantastisch, nicht?“ Dracos Ausdruck war immer noch eisig.

Harry schwieg einen Moment lang. Dann fragte er: „Und wenn sie mal auf Urlaub hier her kommen?“

„Das sehen wir, wenn es so weit ist“, meinte Draco schwach und ließ sich einfach zur Seite umfallen, so dass er auf dem Sofa zu liegen kam. Mit einem Arm bedeckte er seine Augen.

Es gab Momente, obwohl sie selten genug vorkamen, in denen sogar Harry begriff, dass es das Klügste wäre, nicht weiter zu fragen. Und es gab wenige Personen, für die er so ein Opfer brachte. Draco war eine davon. Und dieses war der entsprechende Moment.

„Wie wärs mit ein bisschen Scheegestöber? Ich hab gehört, das wirkt beruhigend“, schlug er deswegen vor, immer noch mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen.

„Es ist August“, nuschelte Draco unter seinem Arm hervor.

„Wir sind Zauberer“, sagte Harry und lachte. „Ich hab so meine Mittel und Wege.“

*


Irgendwann, viel später an diesem Abend, durchzuckte Harry plötzlich ein Gedanke. „Was ist eigentlich mit Pansy?“

„Was soll mit ihr sein?“, fragte Draco und gähnte langgezogen. Er rieb sich die Augen, die ihm vom langen Schneegestöber-starren schon etwas weh taten, bevor er Harry verwirrt anblinzelte.

„Hat sie gar nichts getan, nachdem du sie wieder freigelassen hast? Ich meine, ich dachte, sie würde sofort zu deinem Vater laufen.“ Harry schaltete das Scheegestöber aus und warf Draco wieder diesen zweifelnden Blick zu.

„Wer sagt, dass ich sie freigelassen hab?“, sagte er beiläufig und streckte sich ausgiebig.

Harry hustete.

„Ich sagte doch, du sollst mich morgen erinnern, nochmal bei ihr vorbei zu schauen. Ich bin ja kein Unmensch...“

„Aber ein Psychopath!“

„Möglich. Niemand ist perfekt...“

Harry seufzte ergeben. Es gab Momente, in denen es besser war, einfach nichts zu sagen. Das hier war einer davon.

~Ende~


_____________________


(1) "Das ist ein polysynaptischer Reflexbogen, ausgelöst durch einen optischen Reiz, der auf einem afferenten Nerven rum Rückenmark transportiert wird und dort auf einem Interneuron auf ein Motoneuron umgeschaltet wird, das wiederum eine Muskelgruppe innerviert, die auf das vom RM kommende Signal mit Calciumvermittelter Kontraktion und demzufolge einer Bewegung reagiert. Die bemerkenswerte Koordination lässt mich vermuten, dass es sich hier um einen bedingten Reflex handelt."
Danke, Res.

Der Titel ist - wie so oft - in leicht modifizierter Form von Robbie Williams geborgt. Das Anfangszitat stammt ebenfalls von ihm, und zwar aus dem Song Make Me Pure.

Habt ihr eine Meinung?
Teilt sie mir mit! :)

~solvej


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Emma Watson