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Fanfiction

Einer ist immer der Loser... - Morgenmuffel und Nachmittagstee

von käfer

Das Wetter am Sonntag passte genau zu Snapes Stimmung: alles grau in grau. Heute musste er diese Betty Greystone aufsuchen, wenn er sich nicht eine ernsthafte Rüge vom Direktor einfangen wollte. Dumbledore hatte ihn bereits gestern Abend gefragt, ob er schon dort war und Snape dabei mit seinen unglaublich blauen Augen so durchdringend angesehen, dass er heiße Ohren bekommen hatte und sich sehr zusammennehmen musste, um nicht wie ein ertappter Sünder zu klingen, als er antwortete, dass er noch anderes zu tun gehabt hatte. Zum Glück hatte der Alte ihn nicht gefragt, was das war, sondern nur in diesem sanft-freundlich-bestimmten Ton, der einem nichts übrig ließ als zu gehorchen, gesagt: “Geh morgen unbedingt hin, ja, und nimm ein Geschenk mit.“
Ein Geschenk??? Was für ein Geschenk nahm man einer alten Hexe mit? Und woher sollte Snape das so schnell besorgen? Er entschloss sich, eine Flasche von seinem Nesselwein zu opfern, das musste einfach reichen. Nun blieb noch ein Problem: Wann war der günstigste Zeitpunkt, die alte Frau aufzusuchen? Nach einer Weile Nachdenkens entschied Snape, dass halb vier wahrscheinlich eine gute Zeit war.
Severus schaffte es tatsächlich, Dumbledore beim Frühstück aus dem Weg zu gehen. Dafür traf er auf dem Gang McGonagall und Sprout, die schwatzten und lachten. Eine abartig gute Laune hatten diese Weiber wieder! Als Snape das entgegengesungene „Guten Morgen, Severus!“ mit einem brummigen „Morjn“ beantwortete, zog McGonagall eine Augenbraue hoch und schüttelte im Weitergehen den Kopf. Wahrscheinlich würden sich die beiden jetzt wieder die Mäuler über ihn zerreißen. Ach, sollten sie doch!
Nach dem Frühstück verschwand Snape so schnell er konnte im Labor, schloss sich ein und begann, mal wieder den Trank für Lupin zu brauen. Es hatte Zeiten gegeben, da hätte Snape diesen Lupin am liebsten mit bloßen Händen erwürgt, jetzt fühlte er jedes Mal, wenn er kurz nach Vollmond merkte, wie mitgenommen Lupin aussah, so etwas wie Mitleid. Der alte Hass keimte aber sofort wieder auf, wenn es Lupin besser ging. Zähneknirschend dachte Snape an dieses ominöse Stück Pergament, das Lupin ihm gestern vor der Nase weggeschnappt hatte. Eine Weile grübelte er darüber nach, wie er an das Ding rankommen könnte, aber er wusste leider nur zu gut, dass Moony ihn eiskalt abservieren würde. Noch so eine Blamage wollte er sich lieber ersparen, vielleicht ergab sich ja durch Zufall eine Gelegenheit.
Währen die ersten Zutaten im Kessel vor sich hinbrodelten, sah Snape seine Vorräte durch und fand, ein etwas größerer Bestand an Veritaserum könnte nicht schaden. Lehrern war es leider verboten, Schülern Veritaserum zu verabreichen, trotzdem hätte er diesem Potter nur zu gern ein Schlückchen gegeben, natürlich so, dass keiner was gemerkt hätte, wo kein Kläger, da kein Richter… Und dann hätte Potter singen müssen wie ein Vögelchen und ihm alles ausgeplaudert, was er wusste und zu tun beabsichtigte… Und es hätte sich garantiert eine Möglichkeit ergeben, diesen arroganten Bengel von der Schule zu werfen, der einen mit Lillys Augen so schuldig-unschuldig ansah… Seufz…

Am Nachmittag ließ Snape sich von Willy den Sonntagsanzug mit dazu passendem Umhang bürsten und holte ein gestärktes weißes Hemd aus dem Schrank. Es war besser, wenn er der alten Krankenschwester ordentlich gekleidet gegenübertrat. Zu oft hatte sie ihn wegen schmuddeliger Kleidung getadelt und ihr „Nimm dir ein Beispiel an James Potter, der sieht immer ordentlich aus!“ brannte ihm heute noch in der Seele.
Nun konnte er den Aufbruch nicht länger hinausschieben. Snape verstaute den Brief und die Weinflasche in den Innentaschen seines Umhangs, verließ das Schloss durch eine Seitentür, die selten benutzt wurde und ging auf Umwegen zum Tor. Dort atmete er erst mal auf, dass er niemandem begegnet war und er hoffte, dass ihn wirklich keiner der Schüler gesehen hatte. Die hätten ja gleich sonst was vermutet und hinter seinem Rücken getuschelt… Hinter dem Tor disapparierte Snape und landete punktgenau dort, wo er hinwollte – in einem kleinen Tal am Rande der Highlands. Kein Muggel war bei diesem Sauwetter draußen, so konnte sich auch keiner wundern. Nach ein paar Minuten erreichte Snape das Grundstück und peilte die Lage. Die Hausnummer 35 stimmte, klein war das Haus auch und hinter einer Hecke verborgen, genau wie Dumbledore gesagt hatte. Snape spähte durch die Hecke. Das Häuschen war sauber abgeputzt, die Fensterläden gestrichen, alles machte irgendwie einen aufgeräumten Eindruck. Doch was war das? An das Haus angebaut war ein Carport, ein kleines rotes Auto stand darin, daneben ein Damenfahrrad. Vielleicht wohnten hier inzwischen Muggel? Snape wollte am liebsten verschwinden, aber wenn man von Dumbledore einen Auftrag hatte, konnte man nicht so einfach kneifen. Wenigstens musste Severus sich überzeugen, dass Betty Greystone wirklich nicht mehr hier wohnte; der Direktor würde sicher einen ganz genauen Bericht haben wollen. Mit klopfendem Herzen ging Snape bis zur Gartenpforte, doch entgegen seiner Erwartung stand auf dem Schild über dem Briefkasten „Greystone“.
Plötzlich flammte Licht auf. Elektrische Lampen erhellten den Zugang zum Haus. Snape suchte mit den Augen die Hauswand ab – Zauberei oder Bewegungsmelder? Letzteres. Ihm wurde die Luft knapp, er fuhr sich mit den Fingern in den Hemdkragen. Jetzt nahm er eine Bewegung in dem beleuchteten Zimmer links von der Tür wahr und ihm blieb weiter nichts übrig als zu klingeln. Snape nahm all seinen Mut zusammen, drückte die Klinke runter und ging zur Haustür. Nach ein paar Sekunden vernahmen seine scharfen Ohren Schritte, dann öffnete sich die Tür und vor Snape stand eine Frau, die viel, viel jünger war, als er erwartet hatte. Sie trug Jeans und Pullover, hatte rote Haare, eine atemberaubende Figur und – die gleichen grünen Augen wie Lilly Evans. Snape brachte kein Wort heraus, er starrte die Frau an und merkte nicht, dass ihm der Mund offenstand. „Guten Tag, Sie wünschen bitte?“ fragte sie mit scharfer Stimme. Snape zuckte zusammen und holte tief Luft. Dann versuchte er, sich zusammenzureißen, stotterte aber doch: „E-e-entschuldigung, ich… ich suche Betty Greystone.“ Die Frau antwortete: “Meine Großtante ist schon seit drei Jahren tot. Ich habe das Anwesen hier geerbt. Mein Name ist Elly Greystone.“
„Ich bin Severus Snape… ähm, ich habe einen Auftrag von Albus Dumbledore für Betty Greystone, aber das hat sich jetzt wohl erledigt. Verzeihen Sie die Störung…“ - „Ein Auftrag? Was wollten Sie von meiner Großtante?“, fragte Elly Greystone mit beträchtlicher Neugier in der Stimme. „Kommen Sie doch rein und erklären Sie mir, was für ein Auftrag das ist. Vielleicht kann ja ich Ihnen helfen.“
„Nein, wirklich, es…, ähm,… ich möchte nicht stören…“, stammelte Snape und kam sich vor wie ein Schuljunge, der plötzlich seiner Traumprinzessin gegenübersteht. Elly Greystone schüttelte den Kopf. „Wenn Sie schon mal hier sind, können sie auch mit mir reden, schließlich bin ich die Erbin von Betty Greystone und habe ihr bei etlichen Fällen geholfen. Kommen Sie rein, trinken Sie eine Tasse Tee mit mir und erzählen Sie.“
Wie im Trance folgte Snape der Frau in ein gemütliches Wohnzimmer, wo ihm ein Platz in einem Sessel am Kamin zugewiesen wurde. Während Elly Greystone in der Küche nebenan hantierte, sah Snape sich um. Das Zimmer sah ordentlich und sauber, aber trotzdem bewohnt aus, Zeitungen und ein Buch lagen auf einem Tischchen zwischen den Sesseln, über der Couch klapperten Stricknadeln vor sich hin. Wenigstens war sie eine Hexe…
Kurz darauf kam Mrs. Greystone ins Wohnzimmer; mit einem schlanken, rötlichen Zauberstab dirigierte sie das vor ihr in der Luft schwebende Teetablett. Snape bemerkte, dass sie keinen Ehering trug. Ein Zauberstabwedeln, und die Zeitungen stapelten sich ordentlich auf der Ablage unter der Tischplatte, obenauf das Buch. Elly Greystone fragte: „ Professor Dumbledore schickt Sie zu meiner Großtante?“ Snape nickte.
„Bitte schön!“ Elly wies auf die gefüllte Teetasse und eine Schale mit Keksen. Snape probierte. Absolut köstlich; der Tee hatte ein Aroma, das ihn an den Tee erinnerte, den er auf der Krankenstation von Betty Greystone bekommen hatte…
Nur zögernd, sich beim Reden verhaspelnd und stotternd berichtete Snape von Black. Mit zitternder Hand reichte er Elly Greystone Dumbledore´s Umschlag und die Weinflasche. Dabei bemerkte er gar nicht, dass er die Frau ständig anstarrte.
Elly Greystone las den Brief, dann fragte sie Snape nach verschiedenen Dingen über das Leben in Hogwarts (sie selber war auf einer reinen Mädchenschule gewesen). Snape war nervös wie noch nie und konnte sich kaum konzentrieren. Er schob seine Ärmel hoch und zog sie wieder runter, rutschte im Sessel hin und her, schob die Ärmel hoch…
Nach einer Weile fragte Elly Greystone ärgerlich: „Warum starren Sie mich eigentlich so an? Haben Sie noch nie ´ne Frau gesehen, oder was?“
Snape zuckte zusammen, verschüttete dabei seinen Tee und stammelte: „Entschuldigung, ich.. wissen Sie, Sie…, Sie erinnern mich an jemanden, den ich mal gern gehabt habe… Ich glaube, ich gehe jetzt besser. Bitte lassen Sie es Professor Dumbledore wissen, falls Sie ihm an Stelle Ihrer Großtante helfen können.“ Eiligst verabschiedete er sich, rannte in den Wald hinein, disapparierte und hatte bei der Ankunft vor dem Tor von Hogwarts so viel Schwung, dass er mit dem Kopf gegen die Tür knallte.

Vermasselt, vermasselt, er hatte alles vermasselt. Da hatte er einmal eine tolle Frau getroffen und dann benahm er sich so unmöglich, dass er fast rausgeworfen wurde. Dabei war sie bestimmt Single; er hätte mit Sicherheit was gemerkt, wenn ein Mann im Hause gewesen wäre…
Snape plumpste auf seinen Stuhl, stützte den Kopf in die Hände und hing seinen trüben Gedanken nach. Irgendwie ging ihm schon viel zu lange alles schief. Und er hatte keinen, mit dem er mal richtig über seine Sorgen reden konnte, so wie damals mit Lily. Sie wäre bestimmt bereit gewesen, ihm zuzuhören. Dumbledore konnte er sich nicht anvertrauen, der hielt zu große Stücke auf Potter und Lupin. McGonagall vielleicht? Sollte er wirklich zu ihr gehen, sagen „Ich muss mal mit Ihnen reden“, und sein Innerstes nach außen kehren? Was würde sie tun? Ihn zu den Heilern ins St. Mungo´s schicken, weil er ´nen Knall hatte, nach so vielen Jahren noch Lily Evans nachzutrauern? Bestimmt würde Sie aber mit Sprout über ihn tratschen…
Vielleicht hatte ja Elly Greystone ein bisschen Verständnis für ihn, wenn er von seiner Kindheit und von Lily erzählte und wie alles geendet hatte? Vielleicht konnte er noch was retten? Nach einer ganzen Weile griff Snape nach Papier und Feder und schrieb Elly Greystone einen Brief. Er kleckste, strich durch, schrieb neu, strich wieder durch. Irgendwann war er mit seinem Werk zufrieden und schrieb den Text noch mal ab. Ehe ihn der Mut verließ, brachte Snape den Brief hoch zur Eulerei.
Als er nach diesem verkorksten Wochenende ins Bett kroch, hoffte Snape ein bisschen, dass alles gut werden und Elly Greystone seinen Brief beantworten würde. In dieser Nacht träumte er davon, Hand in Hand mit ihr durch die Wiesen zu laufen und vor ihnen her tobten drei schwarzhaarige, grünäugige Kinder…


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