von käfer
Dann und wann traf sich Severus mit Elly zu einem Plausch. Sie stellten fest, dass sie neben der Vorliebe für Becherbitter eine ganze Reihe von Dingen gemeinsam hatten.
Ab und an bemerkte Severus, dass Blighs Hauself ihm nachstieg, aber er ignorierte es.
Nach und nach änderte sich Severus´ Geschmack, was die Literatur betraf. Mit Erstaunen stellte er fest, dass nicht nur abstruse Fantasiegeschichten spannend sein konnten. Stundenlang saß er mit Elly in der Bibliothek zusammen und diskutierte über die gelesenen Dinge. Einmal an einem solchen Abend nahm Severus all seinen Mut zusammen und lud Elly ein, an einem der nächsten Samstage mit ihm tanzen zu gehen.
Zu seiner allergrößten Überraschung sagte sie zu, freudig erregt, als hätte sie schon lange auf so etwas gewartet.
In Hochstimmung verließ Snape die Bibliothek. Wenn er auch mit seinen Gedanken schon im Tanzsaal weilte, waren seine Sinne doch geschärft wie immer, wenn er durchs Schulhaus ging. So hörte er auf der Treppe zum dritten Stock auch das Kichern und Tuscheln, das für gewöhnlich ein eindeutiges Zeichen für Schülerstreiche war. Auf Zehenspitzen schlich Snape weiter und lugte um die Ecke. Hinter den Sockel der Büste von Horace Slughorn drückten sich drei Viertklässler aus Ravenclaw. „Pssst, sie kommen!“
Vom anderen Ende des Ganges näherten sich zwei Gestalten. Die kleinere, wahrscheinlich eine Schülerin, erkannte Snape nicht gleich, aber die größere Person war eindeutig Gilderoy Lockhart. Der musste sich nach dem Abendessen schon wieder umgezogen haben, denn statt des königsblauen Umhangs trug er jetzt einen bordeauxroten, darunter lugte eine buttergelbe Weste hervor. Die Schülerin, Snape erkannte jetzt Carmen Eyewood, zog Lockhart regelrecht zur Tür des früheren Verteidigung-gegen-die-dunklen-Künste-Klassenzimmers. „Da drin ist das Monster! Sir, bitte, Sie müssen was tun! Das Biest ist bestimmt gefährlich!“ Eigentlich hätte Snape jetzt eingreifen, zumindest zum Schauplatz gehen müssen, aber er blieb, wo er war und beobachtete. Vorsichtshalber zog er seinen Zauberstab.
Carmen öffnete die Tür und schob den widerstrebenden Lockhart in das dunkle Zimmer. Snape sah ein dunkles Ding mit einer grässlichen Fratze auf Lockhart zuschweben, eine leuchtend grüne Krake streckte die Fangarme aus. Uunheimliche Geräusche ertönten in dem Raum. Lockhart schrie auf, drehte sich um und stürzte in Richtung Lehrertoilette davon. Grinsend tat seine Pflicht. Er heftete die Schüler in ihrer Ecke fest, trat in das Klassenzimmer, rief„Lumos maximus“ und schaute sich um. Was er sah, war alles andere als unheimlich. Die Schultische waren an den Wänden aufgereiht, darauf befanden sich bemalte Luftballons, die sich im Luftstrom zweier Ventilatoren bewegten. Kreuz und quer durch den Raum waren Schnüre gespannt, an denen sich außer der Fratze und der Krake noch weitere Luftballons bewegten. In einer Ecke befanden sich Hebel, Federn und Rollen – ein Mechanismus! Daneben drehten sich die Spulen eines Kassettenrecorders. Snape überlegte. Ein solcher Streich konnte durchaus mit 50 Punkten Abzug geahndet werden, aber allein das entsetzte Gesicht Lockharts war 50 Pluspunkte wert. Macht plusminus null. Er trat zu der Nische, in der die vier Schüler hockten und bellte: „Sofort aufräumen!“. Als er sich zum Gehen wandte, ging die Tür vom Lehrerklo auf. Instinktiv verschwand Snape in der Nische und spähte um die Ecke. Lockhart sah kreidebleich aus, die Haare klebten ihm wirr am Kopf. So hastig er auch den Umhang eng um seinen Körper wickelte, Snape war der dunkle Fleck auf der Hose nicht entgangen. Eiligst, aber mit einem merkwürdig breitbeinigen Gang, verschwand Lockhart.
Etwas drängte in Snapes Kehle nach oben, etwas, das er schon lange nicht mehr gespürt und in früheren Jahren meist erfolgreich zurückgedrängt hatte. So sehr er auch die Zähne zusammenbiss, das Etwas drängte immer stärker nach draußen. Schließlich begann Snape zu glucksen und dann brach es auch ihm heraus – ein Lachen, das von „ganz unten“ kam. Er lachte, dass es durch den Gang hallte und konnte sich erst beruhigen, als er die Zutaten für den Unterricht des nächsten Tages vorbereitete.
Ausgeruht, hungrig und so gut gelaunt wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr machte sich Severus am anderen Morgen auf den Weg zum Frühstück. Er ging in die Große Halle, als alle gingen und landete in der Gruppe Lehrer und Angestellter genau neben Elly. Die fragte: „Sag mal, warum hast du eigentlich gestern Abend so gelacht? Das hat ja durch´s ganze Haus geschallt.“
Einige Köpfe fuhren herum; Severus raunte ihr zu: „Das erzähle ich dir später mal, unter vier Augen.“
Auf diese Gelegenheit musste Severus allerdings mehr als eine Woche warten, so dass er das Versprechen schon wieder vergessen hatte, als er sich am Mittwochabend zwei Minuten vor der Schließzeit in der Bibliothek einfand, eine Flasche Rotwein und zwei Gläser in der Umhang-Innentasche. Nach der üblichen Büchertauscherei goss Severus ein, während Elly in der Ecke eine Tropeninsel entstehen ließ. Sie redeten über die Tanzveranstaltung, zu der sie diesen Samstag gehen wollten. Severus war froh, dass Elly zugab, schon ein paar Jahre nicht mehr getanzt zu haben.
Der Wein war schon fast alle, als Elly sich erinnerte und nach dem Grund für das Gelächter fragte. Severus stutzte erst, schlug sich dann mit der flachen Hand an die Stirn und erzählte. Elly gluckste vor Lachen, wurde aber bald wieder ernst. „Ich frage mich, wann Lockhart endlich zur Vernunft kommt.“
Severus erwiderte ebenso ernst: „Ich konnte in dem Moment nicht anders und musste lachen. Aber ich glaube, dass dadurch alles nur noch schlimmer wird. Lockhart hat doch nicht bloß eine harmlose Macke; er ist ernsthaft krank und braucht einen Seelenklempner, aber kein Gelächter.“
Nachdenklich stimmte Elly ihm zu, aber Abhilfe wusste sie auch nicht zu schaffen.
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