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Fanfiction

Bruised and Broken - Teil IX - No Solace

von solvej

I'll wait my turn
To tear inside you
Watch you burn


[Placebo – Broken Promise]

~oOo~


‚Verdammt‘, dachte Draco.

„Verdammt!“, wiederholte er noch einmal laut und schrie es schließlich in die Winkelgasse hinaus, während er mit der Faust so fest gegen die Hauswand neben ihm schlug, dass ihm an zwei Fingerknöcheln die Haut platzte und heftig zu bluten anfing. Leise fluchend heilte er, aus alten Fehlern klug geworden, die Wunde und wickelte sich dann fest in seinen schwarzen Umhang..

Ohne weiter Zeit zu verschwenden, apparierte er zurück nach Little Hangleton. Schließlich konnte er Potter auch von dort aus in aller Ruhe zum Teufel wünschen. Er bahnte sich seinen Weg durch das verwilderte Gartengestrüpp, bis zur ihm schon so vertrauten Hintertür, durch die er sich, wie üblich, zurück ins Haus zu schleichen gedachte.

Pettigrew hatte er diesmal mit ein paar einschläfernden Kräutern außer Gefecht gesetzt, die Draco ihm unter sein Essen gemischt hatte. Für einen richtigen Schlaftrank hatten ihm die Zutaten gefehlt, aber diese provisorische Lösung sollte zumindest ausgereicht haben, um Wurmschwanz zu einer tiefen und vor allem lang andauernden Nachtruhe zu verhelfen. Und da Draco nun weitaus früher als erwartet zurückkehrte, machte er sich deswegen keine Sorgen.

Als er leise die Hintertür aufschob, fühlte er sich trotzdem unangenehm an die erst wenige Tage zurückliegende Szene mit Avery erinnert. Vorsichtiger als nötig drückte er sie wieder ins Schloss und verweilte noch einige Augenblicke in seiner aktuellen Position: beide Hände flach gegen das raue Türblatt gepresst, die Stirn dagegen gelehnt. Er schluckte einmal hart und zwang sich zur Haltung, dann ging er über die schmale Dienstbotentreppe nach oben und verbarrikadierte sich in einem der Zimmer.

Er entkleidete sich ohne darüber nachzudenken, es war ein unbewusster Ablauf automatisierter Bewegungen, die sein Körper ausführte, ohne dass sein Geist Anteil daran nahm. Es war Draco völlig egal. Nackt legte er sich auf seine Matratze und löschte das Licht mit einem heiser geflüsterten „Nox“. Sein Kopf fühlte sich seltsam leer an, wie betäubt. Eine lokale Anästhesie, bei der man zwar wusste, dass ein bestimmter Körperteil da war, man ihn sogar sehen konnte, aber ihn nicht fühlte.

Draco wusste, dass er eigentlich verletzt sein musste – nein, es wirklich war! –, aber der Schmerz kam nicht. Da hätte ein Stechen in seiner Magengrube sein müssen, grenzenlose Traurigkeit, die wie glühende Lava durch seine Zellen schoss. Dumpfes Pulsieren unter seiner Haut und nichts als das Rauschen seines Blutes, das in den Ohren dröhnte. Es hätte die Hölle sein müssen. Stattdessen beobachtete er wie ein Unbeteiligter wie seine Gefühle verbrannten, verglühten und zu einem kümmerlichen Häufchen Asche zerfielen.

Sein Herz, stellte Draco fest, war ein gefühlloser, schwarzer Klumpen, der nichts weiter als die physische Notwendigkeit erfüllte, Blut durch seine Adern zu pumpen und die grundlegenden Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten. Genau, wie sein Vater es sich immer von ihm gewünscht hatte – denn Gefühle zu haben, bedeutete, eine Schwäche zu haben.

Und es war alles Potters Schuld! Potter hatte ihn benutzt, verraten, hintergangen, ihn lächerlich gemacht! Potter hatte ihn an seinem wunden Punkt getroffen, aber anstatt nun verletzt und geschwächt zu Boden zu taumeln, loderte neu entfachte, eisige Wut in ihm auf. Kein blinder, zielloser Hass, der ihn unkoordiniert um sich schlagen ließ, sondern Wut, die mit grausam berechnender Präzision in gebündelter Kraft auf ihr Zielobjekt losgelassen wurde.

Im Laufe der langen, schlaflosen Nacht wurde Draco alles klar. Er sah die Zusammenhänge so deutlich vor sich, als wären sie die ganze Zeit da gewesen und eine kleine Geste hätte ausgereicht, sie in helles Licht zu tauchen. Die einfachste Möglichkeit, Rache an Potter zu üben, war schlicht und einfach, dem Dunklen Lord neue Treue zu schwören, sich seiner Aufgabe mit erneuter Hingabe zu widmen, und alles zu tun, was in seiner Macht stand, um dabei zu helfen, die Gegenseite zu vernichten.

Draco hatte den Vorteil, dass er den Feind nun wahrscheinlich besser kannte, als jeder andere Todesser, was ihm einen geringen Vorteil verschaffte, den er nur noch richtig ausspielen musste. In den letzten Tagen war ihm zumindest eines klar geworden: wenn man Potter treffen wollte – so hart und so empfindlich, dass er geradezu unsägliche Qualen litt, an denen er elendiglich zu Grunde gehen würde – dann erreichte man das nicht mit banaler Folter oder seinem schlichten Tod.

Nein, der Schlüssel dazu lag tiefer. Es waren die seelischen Leiden, gegen die er sich nicht zur Wehr setzen konnte. Man musste die primitivsten, die monumentalsten, die tiefsitzendsten Ängste in einer Person freilegen und sie wahr werden lassen, um sie zu vernichten. Man müsste keinen Finger mehr rühren, sonder könnte sich bequem zurücklehnen und sich an all dem Leid erfreuen. Der Dunkle Lord, so mutmaßte Draco, kannte dieses Prinzip und wandte es sicherlich auch gern an. Was auch passiert war – hätte er in diesem Moment Dracos Gedanken gekannt, wäre er ihm sicher wohlgesonnen gewesen.

Potters größte Angst war einfach zu bestimmen, auch wenn es ihm selbst, diesem hochmütigen Idioten, gar nicht klar war – aber Potter war allein, vermisste jetzt alle, die ihm den Weg weisen konnten. Er hatte seine Eltern verloren, seinen Paten, zu guter Letzt auch seinen großen Mentor, Albus Dumbledore. Diese Verluste nagten an ihm, fraßen ihn innerlich auf, zehrten an seinen Kräften und nahmen ihm Energie. Nicht zuletzt deshalb, weil er – Gryffindor, der er nun einmal war – sich selbst einen großen Teil der Verantwortung dafür zu schob. Und die hatte er ja zu einem gewissen Teil auch, wenn man es einmal anders betrachten wollte, und genau das tat Draco in diesem Augenblick. Potters irrationale Angst diente ihm als Grundstein für seine grausamen Pläne, die er zu dessen Vernichtung schmiedete.

Vor einem Jahr hatte Potter sich wie ein blindes Huhn in die Mysterienabteilung locken lassen und infolge dessen hatte Tante Bella mit ihrem Cousin abgerechnet. Der Dunkle Lord hatte damals die Potters nur wegen Harry umgebracht – pures Glück, dass es ihn nicht auch erwischt hatte. Wahrscheinlich war es ganz natürlich, dass man sich als Überlebender da fragte ‚Warum gerade ich?‘ Obwohl Draco sich ziemlich sicher war, im Erstfall solche Überlegungen bestimmt nicht anzustellen, aber er konnte immerhin Potters Gedankengänge nachvollziehen. Er war ja auch einfach genug zu durchschauen.

Und was Dumbledore anging… Potter hatte daneben gestanden und nichts unternommen. Draco würde es nicht wundern, wen über kurz oder lang Potters Abbildung im Lexikon neben dem Begriff ‚Schuld‘ zu finden wäre. Und neben dem Begriff ‚Feigling‘.

‚So viel zum gryffindor’schen Mut‘, dachte Draco abfällig.

Es war klar, dass jeder ihm einzureden versuchte, es hätte nicht an ihm gelegen, dass all diese Menschen das Zeitliche gesegnet hatten, immerhin konnte man keinen jungen Helden mit allzu schwerem psychischen Knacks gebrauchen. Aber Draco wusste es – oder hatte es sich jetzt zumindest mit großer Überzeugung eingeredet – und er war sich sicher, dass Potter ansatzweise, oder zumindest unterbewusst, auch so dachte. Man konnte ihm ja vieles nachsagen, aber so dämlich war nicht einmal Potter, dass er diese grundlegenden Zusammenhänge nicht kapierte.

Jedenfalls war das einzige, das Potter noch auf den Beinen hielt, sein unerschütterliches Vertrauen in seine Freunde. Denn selbst wenn er es nicht zugab und noch so sehr über ihre übertriebene Fürsorglichkeit schimpfte – er brauchte sie mehr als alles andere Auf der Welt. Zwar konnten sie keine Mentoren oder Leitfiguren sein, denen er nacheifern konnte, wie jene, die er schon verloren hatte, aber sie standen doch immer an seiner Seite, als mentale Stütze, als die konsequente Linie in seinem Leben. Am meisten würde man ihm weh tun, indem man sie ihm nahm. Und ihn dazu brachte, zu glauben, es wäre seine Schuld gewesen – nur seine.

Während Draco sich die widerwärtigsten Szenarien auszumalen begann, in denen es haupsächlich daraum ging, Potter vor die Entscheidung zu stellen, ob er seine Schlammblut- und Verräterfreunde oder doch lieber die Welt retten wollte, wanderte seine Hand unwillkürlich tiefer. Als er sich schließlich selbst berührte und dabei bemerkte, dass er längst hart war, sog er scharf die Luft ein. Dabei nahm er gleichzeitig den modrigen, organischen Geruch des morschen Bodenholzes wahr und seinen eigenen Körpergeruch – einem Hauch von Schweiß und etwas, das dem Duft von frischem, eiskalten Quellwasser nahe kam, wenn es sich seinen Weg über den lockeren Waldboden bahnte.

Er umschloss seinen Schwanz so fest, der in seiner eiskalten Hand förmlich zu glühen schien, dass es beinahe weh tat, aber er lockerte den Griff nicht. Schmerz war jetzt genau das richtige, Draco wollte fühlen, irgend etwas, völlig egal. Solange er nur wusste, dass er noch in der Lage war etwas zu fühlen. In einem für den Anfang viel zu schnellen Rhythmus bewegte er seine Hand auf und ab, sein Handeln dabei fast völlig losgelöst von seinen Gedanken. Diese kreisten immer noch um Potters untragbares Leiden, obwohl Draco es im selben Moment irgendwie pervers fand, sich zu solchen Phantasien einen runterzuholen. Aber es war ihm egal, er schämte sich nicht. Wozu auch, machte Scham denn irgendwas besser?

Langsam konnte er die kontrollierten Überlegungen nicht mehr halten, so sehr er sich auch konzentrierte, als sein Orgasmus in greifbare Nähe rückte. Das glitschige Geräusch, das die heftigen Bewegungen erzeugten, durchbrach die Stille des Hauses wie ein Bombeneinschlag. Sein eigener, rasselnder Atem hallte in Dracos Ohren, während sich die Muskeln in seinem Unterleib verspannten. Zusammenhanglose Bilder tauchten in seinem Kopf auf, er kniff die Augen zusammen, aber sie ließen sich nicht verscheuchen.

Potter, wie er ihm und Snape in jener Nacht hinterher jagte. Dann er selbst und Potter, in ihrem ersten Schuljahr, als sie während der Strafarbeit im Verbotenen Wald auf Quirrel trafen. Wieder Potter, wie er über ihm stand, nachdem er ihn in Godrics Hollow aus dem Stupor erweckt hatte. Potter, der regungslos im Dreck lag, nachdem die Dementoren ihn beim Quidditch zu Fall gebracht hatten.

Mit einem gequälten Keuchen kam er schließlich, warm und nass spritzte es auf seinen Bauch und seine Brust, während seine heftigen Handbewegungen langsam verebbten. Noch fast im selben Augenblick kam ein unbändiges Gefühl des Ekels über ihn und er entfernte hastig alle Rückstände seines Erlebnisses, von dem sich sein Körper noch nicht einmal ganz erholt hatte. In seinem Mund machte sich der metallische Geschmack von Blut breit – offenbar hatte er sich während seines Orgasmus in die Lippe gebissen –, dessen Bitterkeit die Situation mit erschreckender Präzision untermalte.

Nachdem er die ganze Zeit über schutzlos auf seiner harten Matte auf dem Boden gelegen hatte, begann er plötzlich zu frieren. Eine Gänsehaut kroch über seinen Körper und Draco begann unwillkürlich zu zittern. Er griff nach der muffigen, kratzigen Decke, die in einem unordenlichen Haufen neben ihm lag und hüllte sich darin ein. Er zog sie bis über seinen Kopf, verbarg sein Gesicht darunter und presste es gegen den Stoff, so dass von außen nichts mehr zu ihm vordringen konnte. Keine frische Luft, die sich nicht zuerst ihren Weg durch die mottenzerfressene Decke bahnen musste, kein Geruch, der nicht von ihr stammte und erst recht nicht der kleinste Farbtupfer, der sie durchdrang.

Wie von Krämpfen geschüttelt erbebte das dunkle Bündel, zu dem Draco sich zusammengerollt hatte, lautlos, aber ohne Unterlass. ‚Potter besiegen, Potter Schmerzen zufügen, Potter vernichten‘, wiederholte er wie ein Mantra immer wieder in seinem Kopf. Er kniff die Augen fest zusammen, als es darin unangenehm zu prickeln begann, aber die Tränen bahnten sich trotzdem ihren Weg nach draußen, nur um im nächsten Moment von der rauen Decke aufgesogen zu werden und zu verschwinden, so dass niemand sie sehen konnte. Aber das war ohnehin egal, weil niemand sonst da war – und Draco wusste auch so, dass es sie gab.

Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, verebbte der unablässige Tränenfluss endlich, vielleicht weil einfach nichts mehr übrig war, und Draco lag ganz still unter seiner Decke und wagte kaum, sich zu rühren. Als er vorsichtig seinen Kopf wieder darunter hervorstreckte, fühlte sich die Luft eiskalt auf seinem Gesicht an, viel kälter als vorher.

Durchs Fenster fielen die ersten müden Lichtstrahlen, als die Morgendämmerung hereinbrach. Die Silhouette des Baumes direkt vor dem Haus wirkte noch geisterhaft schwarz, während sich der Himmel hinter den nahen Hügeln der Umgebung langsam grau zu färben begann. Das ganze Haus lag in völliger Stille; kein Ächzen des Gebälks, kein Knarren der Fensterläden, kein Kratzen winziger Pfoten aus den Hohlräumen in den Wänden. Keiner der Laute, die man in einem uralten, seit Jahrzehnten leerstehenden Haus eigentlich erwarten würde.

Die Stunde vor dem Morgengrauen war immer die dunkelste des Tages. Und die stillste.

***


Offenbar war Draco doch in einen leichten Schlaf gefallen, denn als plötzlich mit einem lauten Krachen die Tür aufflog, fuhr er wie vom Blitz getroffen hoch. Mehr als zwei oder drei Stunden konnte er allerdings nicht geschlafen haben, denn der Tag, stellte er nach einem raschen Blick aus dem Fenster fest, war immer noch jung. Außerdem saß ihm die Müdigkeit noch fest in den Knochen und er war sich sicher, dass die Ringe unter seinen Augen die Ausmaße des Grand Canyon erreicht haben mussten.

Snape stand breitbeinig in der Tür wie ein Racheengel, die Arme verschränkt und das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse verzerrt, aus der gleichzeitig Wut und Besorgnis sprach. Draco blinzelte verwirrt und brauchte einen Moment, bis sich ihm die Geschehnisse der letzten Nacht wieder aufdrängten. Bevor das schmerzhafte Stechen in seinem Bauch die Überhand ergreifen konnte wiederholte er wieder sein Mantra in Gedanken: ‚Potter besiegen, Potter Schmerzen zufügen, Potter vernichten.‘

Bevor er sich dazu aufgerafft hatte, Snape zu fragen, was er hier suchte, brüllte dieser ihn auch schon an: „Was zum Teufel hast du angerichtet, Malfoy?“

Einen Moment lang blieb Draco die Luft weg. War er aufgeflogen? Hatte Wurmschwanz geredet? Oder hatte er die kleine Ratte aus Versehen vergiftet? Warum passierte das ausgerechnet jetzt, wo doch alles vorbei war und er sich so gute Pläne zu Potters Vernichtung zurecht gelegt hatte!?

Offenbar war das Schicksal gegen ihn.

Trotzdem schaltete er schnell und entschloss sich, auf seinen Standardplan in Notsituationen zurückzugreifen: leugnen und erst einmal austesten, wie viel der andere wusste. „Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst“, erklärte Draco also trotzig und verschränkte die Arme. Dabei hoffte er, dass Severus das leichte Zittern in seiner Stimme nicht gehört hatte. Ein einziger Fehler, und das alles konnte tödlich für ihn ausgehen, dessen war Draco sich vollkommen bewusst, was die Angelegenheit für ihn nicht gerade leichter erträglich machte.

Leider kannte Snape seine Taktik schon zur Genüge – immerhin war er sechs Jahre lang Dracos Hauslehrer gewesen und dazu ein enger Freund der Familie Malfoy. „Lass diesen Mist, Draco!“, zischte er ärgerlich und knallte mit einer heftigen Bewegung die Tür hinter sich zu. „Wir sind hier nicht in der Schule, wo es um einen Nachmittag Strafarbeit geht!“

Draco nickte knapp, schwieg aber weiter und zog sich die Decke bis unter sein Kinn, als er sich seiner Nacktheit bewusst wurde.

Snape fuhr fort, plötzlich ruhig, aber mit tödlichem Nachdruck in der Stimme, der nichts Gutes verhieß. „Dann hör mir einfach zu, vielleicht bringt dich das zur Vernunft. Der Dunkle Lord ist wütend; ihm wurde offenbar etwas über dich berichtet und es wurde nach jemandem verlangt, um dich zu holen. “

Draco holte Luft, um zu einer Frage anzusetzen, aber Severus schnitt ihm das Wort ab. „Goyle hat sich freiwillig gemeldet, was an sich kein besonders gutes Zeichen ist – gewöhnlich ist er mehr ein Mann für’s Grobe. Aber dadurch, dass dieser große Tölpel genauso beschränkt wie sein Sohn und zu ungeschickt zum Apparieren ist, hatte ich ausreichend Zeit, dich vorher hier aufzusuchen und vom Stand der Dinge in Kenntnis zu setzen. Um deiner Mutter willen,“ setzte er halblaut hinzu.

Er holte tief Luft und sah Draco scharf an, bevor er fortfuhr. „Deswegen lege ich dir nahe, klug mit deinem Wissen umzugehen. Wenn also, was auch immer du angestellt haben magst, mit ein wenig Buße gut zu machen ist, dann nimm deine Strafe mit Haltung entgegen. Und ansonsten… kann ich dir nur raten, um dein Leben zu laufen.“

Damit drehte er sich um und ging in zügigen Schritten zur Tür, während Draco ihm völlig regungslos nachstarrte und keinen einzigen klaren Gedanken fassen konnte. Alles in seinem Kopf ging in einem bunten Wirbel unter, aus dem nichts Konkretes herauszulesen war.

Bevor Snape das Zimmer verließ, wandte er sich noch einmal kurz um: „Falls jemand fragt – ich war nie hier.“

Mit diesen Worten war er verschwunden, als letztes sah Draco noch den Zipfel seines schwarzen Umhangs, der hinter ihm her aus dem Türrahmen wehte, wie die harmlose letzte Sturmwolke, die nach einem alles vernichtenden Orkan unschuldig über den aufgewühlten Himmel streifte.

Einen Sekundenbruchteil starrte Draco auf den leeren Türrahmen, dann sprang er wie von der Tarantel gestochen auf und suchte hektisch seine Kleidung zusammen. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Wenn sie alles wussten – woher auch immer – war er so gut wie tot! Aber jetzt war keine Zeit, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, er musste verschwinden – und das so schnell wie möglich!

Kaum hatte er sich in die notwendigsten Teile seiner Bekleidung gezwängt, stürmte er auch schon aus dem Zimmer, rannte im Gang einen verwirrten Wurmschwanz über den Haufen und warf sich noch im Laufen seinen Mantel über. Er nahm wieder den Umweg über die Hintertür, denn Goyle, falls er schon auf dem Weg war, würde sicher den Vordereingang benutzen. Er stolperte über Wurzeln und durch Gebüsch vom Grundstück, und kaum, dass er dessen Grenze hinter sich gelassen hatte, disapparierte er schon.

Jeden Moment konnte er erwischt werden – egal was er auch tat. Und er stand jetzt zwischen den Fronten, es gab niemanden mehr, von dem er sicher sein konnte, dass er ihm beistehen würde.

Er hatte nicht die geringste Ahnung, wohin. Alle Schlupfwinkel und dunklen Verstecke, die er sich ausmalen konnte, wären sicher die ersten Orte, an denen die charmanten Kollegen seines Vaters nach ihm suchen würden. In der Öffentlichkeit durfte er sich auch nicht sehen lassen, weil mittlerweile sicher jede Hexe und jeder Zauberer in ganz Großbritannien darüber Bescheid wusste, dass der Malfoy-Erbe und Todessersohn für den Tod des Schulleiters von Hogwarts verantwortlich zu machen war.

Und wenn man ehrlich war, unauffällig war sein Aussehen ja nicht gerade. Einen Moment kreuzte der Gedanke sein Bewusstsein, sich die Haare zur Tarnung auf magische Weise zu färben, aber diese Überlegung verwarf er so schnell wieder, wie sie ihm gekommen war. Falls er sterben sollte, so wollte er bei seiner Beerdigung doch zumindest gut aussehen.

Draco fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen. Am liebsten hätte er sich zu seiner Mutter geflüchtet, sich von ihr in den Arm nehmen lassen und alle ihre leise gemurmelten Worte des Trostes geglaubt, die sie für ihn gehabt hätte. Wie damals, wenn er als kleines Kind vom Besen gefallen war.

Er hatte nur wenige Sekunden, um sich zu entscheiden, wohin er flüchten sollte. Es würde ohnehin nur eine Zwischenstation sein, von der er sobald wie möglich wieder verschwinden musste, weil man selbst nach dem Disapparieren noch anhand seiner magischen Signatur verfolgen konnte, wohin er appariert war. Um diese richtig zu deuten, bedurfte es nur eines zweitklassigen Aurors oder eines zumindest halbwegs ausgebildeten Todessers. Draco hoffte darauf, dass Goyle auch dafür zu dämlich war und die Spuren schon verflogen waren, bis der Primitivling Verstärkung aufgetrieben hatte.1

Es war die reinste Kamikaze-Aktion, das war ihm vollkommen bewusst, als er, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, direkt in die Winkelgasse apparierte. Je mehr Magie in der Umgebung, desto schwerer würde seine Spur auszumachen sein – und dort trieben sich ohnehin auch so schon genug seltsame Objekte herum, so dass eine weitere schwarz verhüllte Gestalt auch nicht weiter auffallen würde.

In der Anonymität der Massen, die sich an einem gewöhnlichen Einkaufstag – falls es solche überhaupt noch gab – in den Sommerferien die gewundene Straße entlang schoben, hätte er leicht untergehen können, aber dafür war es noch zu früh am Tag. Immerhin ein paar Hexen und Zauberer waren schon unterwegs, die ob der angespannten Stimmung im Land immer noch die Tendenz zur Rudelbildung zeigten. Niemand sonst war allein unterwegs und Draco stach durch seine Einsamkeit schmerzlich hervor.

Obwohl er peinlich genau darauf achtete, dass seine Kapuze immer bis zur Nase heruntergezogen war und keine blonde Haarsträhne darunter zu sehen war, schienen die Menschen ihm aus dem Weg zu gehen, als Draco die Straße entlang huschte. Er ging so schnell es möglich war, ohne dass es auffällig wurde, in Richtung des Tropfenden Kessels. Ihn zu durchqueren war das größte Hindernis, das vor ihm lag, aber wenn er das einmal geschafft hatte…

Fast widerwillig hatte Draco sich eingestehen müssen, dass das London der Muggel die beste Möglichkeit war, unterzutauchen. Dort waren die meisten Menschen, es war riesig und außerdem kannte ihn niemand, es war – so gesehen – das perfekte Versteck. Der einzige Haken dabei war, dass er keine Ahnung hatte, wie er sich dort zurecht finden sollte.

Seine Eltern hatten ihn von Kindesbeinen an hermetisch von allem abgeschirmt, was mit Muggeln zu tun hatte. Für ihn war der Weg zum Bahnhof Kings Cross schon jedes Mal ein mittleres Abenteuer gewesen. In der Umgebung ihres Landsitzes, wo er den Großteil seiner Kindheit verbracht hatte, gab es im Umkreis von Meilen keine Siedlung und das Stadthaus der Malfoys, welches zwar in einem gewöhnlichen Viertel Londons lag (1), hatte er nie durch die Eingangstür betreten oder verlassen, sondern immer durch den Kamin. Überhaupt war er nicht oft dort gewesen; nur zu sehr seltenen Gelegenheiten hatten Narzissa und er seinen Vater dorthin begleitet, wenn dieser „geschäftliche Dinge“ in London zu erledigen gehabt hatte. Wobei es sich dabei genau gehandelt hatte, konnte Draco allerdings nicht sagen.

Das wenige, was er über diese andere Welt wusste, hatte er von seinen Mitschülern. Natürlich hatte er selbst nie mit jemandem darüber geredet oder gar gefragt – so etwas geziemte sich für einen Malfoy nicht, war er doch über die profane Muggelwelt erhaben –, es waren eher Gesprächsfetzen gewesen, die er von den Unterhaltungen der Schlammblüter oder Halbblütigen aufgeschnappt hatte. Er wusste zum Beispiel, dass die Muggel gerne eine Sportart namens „Fußball“ nachgingen und ziemlich häufig dem sogenannten „Fernsehen“ frönten, unter dem er sich aber so gar nichts vorstellen konnte. Überhaupt half ihm die Kenntnis über diese Dinge im Moment nicht sonderlich viel weiter.

Inzwischen war er vor dem Tropfenden Kessel angekommen und zögerte noch, hineinzugehen, bis ihm bewusst wurde, dass es um einiges auffälliger war, vor der Tür herumzulungern, als einfach einzutreten. Außerdem würde er hier eher einem Ordensmitglied in die Hände fallen, als einem von den Leuten des Dunklen Lords, und diese Gerechtigkeitsfanatiker würden ihn zumindest nicht auf der Stelle massakrieren… Solange dieses Psychopath Moody nicht darunter war.

Er holte noch einmal tief Luft, stieß dann die Tür auf und trat ein. In der schäbigen Bar war wenig los, außer den paar Stammbetrunkenen war hier nur der zahnlose Wirt, der hinter der Theke stand und mit einem dreckigen Tuch ein Glas polierte, das davon nicht unbedingt sauberer wurde. In einem schattigen Winkel des Raumes sah Draco eine riesenhafte Gestalt über einen kleinen Tisch gebeugt sitzen, vor sich einen riesigen Humpen voll was-auch-immer – wahrscheinlich irgend etwas stark Alkoholisches.

‚Das ist doch nicht etwa dieser große Trampel von Hagrid?‘, durchfuhr es Draco unvermittelt und Schweiß trat ihm auf die Stirn. Aber er zwang sich, ruhig weiter zu gehen, den Blick gesenkt, immer auf die andere Tür zu. Aus dem Augenwinkel glaubte er wahrzunehmen, wie der Kerl eine kurze, ruckhafte Bewegung machte, doch er stand zu Dracos ungemeiner Erleichterung nicht von seinem Platz auf. Unbehelligt erreichte er den Ausgang Richtung Muggelwelt, stieß die Tür auf – und war draußen.

***


Der Tag versprach strahlend schön zu werden – Sonnenschein und keine Wolke zu sehen, so weit das Auge reichte. Draco fühlte sich wieder einmal vom Schicksal geradezu verhöhnt, weil sogar die Natur ihm die Stimmung von Friede und Freude vorgaukeln wollte. Dabei war für ihn alles so kaputt, dass es schlimmer eigentlich nicht mehr ging.

Er war mit einem Schlag zu Ausgestoßenen, zum Verfolgten geworden, und wofür? Dass Potter ihn verraten hatte! Mit neuer Wucht brandete der Hass in ihm auf und Draco ballte in seinen Taschen die Hände zu Fäusten. Er würde Potter drankriegen, irgendwie, irgendwann – er würde büßen. Momentan war das seine einzige Motivation weiter zu machen, zu flüchten und die Energie für das Versteckspiel vor den Todessern weiter aufzubringen.

Draco hastete die belebte Einkaufsstraße entlang und hatte wieder einmal den Eindruck, von allen angestarrt zu werden – er hasste dieses Gefühl. Natürlich liebte er es, sich in den bewundernden Blicken der Menge zu baden, aber dieses Starren war ein anderes. Es war wie in der Schule, kurz nachdem sein Vater nach Askaban geschickt worden war. Flüchtige Blicke aus den Augenwinkeln, voller Abscheu und Verachtung, die man nie richtig ausmachen konnte – denn sobald er sich umdrehte, wandten sie sich hastig ab. (2)

Natürlich wusste er, dass hier zum größten Teil auf Einbildung beruhte – wer würde denn in seiner Situation auch nicht paranoid werden? –, aber das schleichende Gefühl, beobachtet zu werden, drängte sich ihm trotzdem immer mehr auf. Er legte noch ein wenig Tempo zu und bog in eine schattige Seitenstraße ein, wo er sich nach ein paar Schritten schwer atmend auf der Treppe zu einem Hauseingang niederließ.

Es war zum Verzweifeln. Er hatte kein Geld – kein magisches und erst recht kein Muggelgeld – keine Ahnung und keinen Plan, wie es weitergehen sollte. Mit einem leisen Seufzen stützte er den Kopf in die Hände und starrte gedankenverloren auf die kahle Hauswand auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Irgendjemand hatte sie mit einem wenig kunstvollen Graffity mit dem Wortlaut ‚Fürchtet euch, ihr‘(3) verunstaltet. Offenbar war dem Verantwortlichen an dieser Stelle die Farbe ausgegangen – oder er hatte vor den Muggel-Auroren (oder wie auch immer die sich nannten…) die Flucht ergreifen müssen.

Überrascht schrak Draco hoch, als hinter ihm plötzlich die Tür aufging. Eine stämmige, kleine Frau mit schwingender Tasche über dem Arm und einem riesigen, klimpernden Schlüsselbund in der Hand trat heraus und begann fast im selben Augenblick eine Schimpftirade auf ihn loszulassen, die fließend in allgemeines Gewetter gegen das überging, was sie als „die verkommene Jugend von heute“ bezeichnete, die nichts tat, als vor fremder Leute Hauseingänge herum zu lungern und friedliebende Bürger zu belästigen. Draco zog es vor, kommentarlos zu verschwinden, anstatt ihr seinen Standpunkt darzulegen, dass eine alte Furie wie sie es offensichtlich war, ganz bestimmt nicht als „friedliebende Bürgerin“ zu bezeichnen war. Für heute hatte er auch so schon genug Konflikte auszutragen.

Also kehrte er auf die Hauptstraße zurück, wechselte zur Sicherheit auf die andere Seite und setzte seine ziellose Wanderung fort. Alles um ihn schien überladen von Werbetafeln, Ladenschildern und blinkenden Anzeigen, die gleichzeitig einladend und befremdend auf Draco wirkten. Er suchte nach dem richtigen Wort, um den Eindruck zu beschreiben, aber er fand kein passenderes als „künstlich“. Aber eigentlich, so fand er, nachdem er genauer darüber nachgedacht hatte, traf es das gar nicht so schlecht. Einerseits in der offensichtlichen Bedeutung von „unnatürlich“, andererseits auch, als wäre das alles… nicht echt. Es hatte etwas maskenhaftes an sich, das nicht so genau auszumachen war.

Sogar die Menschen hier waren anders. Also – abgesehen jetzt von der offensichtlichen Andersartigkeit, die sie als Muggel ja prinzipiell von der privilegierten Schicht der Zauberer unterschied. Draco hatte schon festgestellt, dass es hier mehrere Sorten von ihnen gab. Die einen – sie trugen alberne Kleidung und redeten meistens viel zu laut – ließen sich dem Anschein nach alle Zeit der Welt, sahen in jedes Schaufenster und schlenderten gemütlich von einem Café zum nächsten. Die anderen allerdings, die Draco um einiges irritierender fand, eilten mit grimmigem Gesichtsausdruck ohne nach links oder rechts zu sehen auf ein unbekanntes Ziel zu und schienen dabei gewillt, alles niederzuwalzen, was ihnen in den Weg kam. Das musste wohl jenes ominöse Phänomen sein, das gemeinhin als „Stress“ bezeichnet wurde.

‚Muggel‘, dachte Draco abfällig und schüttelte den Kopf. Sie lebten einfach so blind dahin, ohne zu merken, was direkt vor ihrer Nase vorging, während andere Leute in permanenter Lebensgefahr schwebten.

Seine Füße trugen ihn immer weiter; er bog in eine größere Straße ab, dann wieder in eine kleinere. Nach einer guten Stunde hatte er völlig die Orientierung verloren. Langsam begann er sich Sorgen zu machen – hier fühlte er sich zwar einigermaßen sicher, aber er konnte doch nicht den Rest des Krieges abwarten, indem er Runde um Runde durch London drehte! Schließlich musste selbst er irgendwann schlafen oder essen…

Magie zu verwenden war ihm momentan zu unsicher – wer wusste schon, auf welche Mittel sie (wer auch immer sie waren!) zurückgreifen würden, um ihn aufzuspüren. Draco fühlte sich vollkommen ausgeliefert, geradezu nackt. Kurz überdachte er die Möglichkeit, ob er es vielleicht schaffen könnte, ohne Hilfe von Zauberei zum Stadthaus der Malfoys zu finden, verwarf diese Idee aberschnell wieder. Denn einerseits kannte er nicht einmal die Adresse, andererseits war es dort viel zu unsicher.

In Gedanken versunken lief er also einfach weiter, ohne darauf zu achten, wo er war. Schon längst war er im Kopf alle Personen durchgegangen, die er kannte, hatte aber zu guter Letzt einsehen müssen, dass es niemanden gab, der freiwillig für ihn sein Leben aufs Spiel setzen würde.

Crabbe und Goyle schieden von vornherein aus, sie hingen da ja selbst durch ihre Väter mit drin. Pansy tat immer nur das, was gut für sie und ihr Prestige war, selbstlose Taten waren nicht so ihr Ding – ähnlich wie bei den meisten Slytherins eigentlich. Zu Theodore Nott, dessen verwitweter Vater genauso reich war wie die Malfoys und der mindestens genauso klug war, wie er selbst, hatte sich in den letzten Jahren ein eigentümliches Konkurrenzverhalten aufgebaut, das nicht unbedingt zu einer Freundschaft beigetragen hatte. Und Blaise … nun, der war ein eigener Fall. Jetzt, wo Draco darüber nachdachte, war er wohl einer der wenigen, die einigermaßen vertrauenswürdig gewesen wären – nur leider hatte Draco sie nie darum bemüht, dieses Vertrauen zu erlangen. Er hatte zwar sehr wohl erkannt, dass in Zabini mehr Potential und Klugheit steckte, als dieser normalerweise zeigte, hatte ihn aber trotzdem mit der üblichen Herablassung behandelt, die ein Malfoy untergeordneten Personen eben zukommen ließ. Dumm gelaufen.

Die Erkenntnis, dass er offenbar niemandem wichtig war – abgesehen natürlich von Narzissa, aber sie musste ihn ja schließlich mögen; als Mutter hatte sie keine Wahl – war für Draco mehr als verstörend und deprimierend. Wäre er kein Malfoy gewesen, dann hätte er sich in diesem Moment wahrscheinlich unter einer Brücke verkrochen, um dort von Depressionen gepeinigt irgendwann zu sterben.

Aber das war nun einmal nicht seine Art, also lief er weiter.

So gesehen war Harry wohl der Einzige gewesen, der für ihn etwas riskiert hatte. Immerhin hätte Draco ihn ja jederzeit umbringen können – rein theoretisch. Wenn er nur nicht so ein verfluchtes Arschloch gewesen wäre! Draco hatte sogar einen Augenblick lang überlegt, wie es wäre, zum Orden zu gehen, und dort um Schutz zu bitten – aber das wäre die ultimative Demütigung und Selbsterniedrigung für ihn gewesen. Ganz so tief war er doch noch nicht gesunken.

Snape war auch so ein Spaßvogel. Das nannte er Hilfe? „Lauf um dein Leben“ – aber klar, nichts leichter als das! ‚Idiot‘, dachte Draco und zog die Augenbrauen zusammen, was ihm einen äußerst grimmigen Ausdruck verlieh. Überhaupt war momentan jeder an seiner Lage mehr Schuld als er selbst – und ganz besonders natürlich Potter. Aber das war ja ohnehin immer schon so gewesen, seit er ihn kannte.
Strafarbeit im Verbotenen Wald – Potters Schuld.
Hippogreif-Attacke – Potters Schuld.
Die erbärmliche Pleite im jährlichen Quidditch-Cup – Potters Schuld!
Seine mehr als erniedrigende Pauseneinlage als hüpfendes Frettchen – auch Potters Schuld! Beim Gedanken daran drehte es ihm heute noch beinahe den Magen um.

Es war kein Wunder, dass Draco ihn hasste, oder? Wütend trat er gegen eine leere Getränkedose, die daraufhin laut scheppernd über dem Gehweg kullerte, direkt einem überfütterten Pudel zwischen die Beine, der gerade gegen einen Abfalleimer pinkelte. Der Pudel hüpfte mit einem erschrockenen Quieken, das mehr nach einem Schwein als nach einem Hund klang, mit allen Vieren in die Luft und versteckte sich hinter seinem Herrchen, das Draco einen wütenden Blick schenkte und den Hund dann eilig weiter zog.

Mit mildem Amusement hatte Draco die kleine Szene beobachtet und verfolgte mit Blicken den weiteren Weg des dicken Pudels aus dem kleinen Park, in dem Draco mittlerweile angelangt war. Er setzte sich auf die nächste Bank – seine Füße taten schon weh vom vielen Gehen, an das er nicht gewöhnt war – um über sein weiteres Vorgehen nachzudenken. Es war außerdem an der Zeit, den Ernst seiner Lage zu betrachten.Seit er sich hier in der Muggelwelt aufhielt, kam ihm alles so seltsam unwirklich vor. Als wäre er ganz weit entfernt von allem, was ihn eigentlich verfolgte. Er fühlte sich beinahe wie Alice, die ins Kaninchenloch gestolpert war und jetzt kopflos durchs gleichzeitig beängstigende und schillernde Wunderland taumelte.

Er fand sich selbst beeindruckend gefasst, wenn man seine Situation bedachte. Wahrscheinlich hatte er es immer schon irgendwie kommen gesehen, dass er eines Tages so enden würde, die Befürchtung war nur früher eingetroffen, als erwartet. Aber gegen das letzte Jahr in Hogwarts, wo er pausenlos unter Druck gestanden hatte, das so sehr an seinen Kräften gezehrt hatte, dass er gar nicht so genau sagen konnte, wie er eigentlich so lange hatte durchhalten können – dagegen fühlte er sich jetzt beinahe erleichtert. Immerhin war er frei; auf der Flucht zwar, aber frei.

Draco seufzte tief auf und schloss für ein paar Sekunden die Augen, während er den Kopf in den Nacken legte und die Sonnenstrahlen auf den geschlossenen Lidern spürte. Nur einen Moment lang wollte er alles vergessen und ein wenig sommerlichen Frieden fühlen.

Er blinzelte ein wenig, als ihm plötzlich irgend etwas das Sonnenlicht versperrte, und riss im nächsten Moment entsetzt die Augen auf. Vor ihm hatte sich eine breitschultrige Gestalt aufgebaut, ein Format wie ein kleinerer Bulldozer, flankiert von zwei weiteren Männern, weniger eindrucksvoll in ihrer Erscheinung, aber nichtsdestotrotz Besorgnis erregend.

„Hallo, Draco“, säuselte Macnair. „Ich denke, du hast eine Verabredung.“

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(1) Weil von meiner bezaubernden Beta Res der Einwand kam „Die haben ein Stadthaus?“, ein paar Worte hierzu: Genaugenommen haben haben wir nicht einmal Fakten über jenes „Manor“ (ok, ok, jetzt vielleicht schon...), das im Fandom so gern als Standard angenommen wird, also wird mir wohl auch die Freiheit gegönnt sein, ihnen hier ein Stadthaus anzudichten. Eine wohlhabende Familie wie die Malfoys kann sich ja wohl zwei Wohnsitze leisten. Mir persönlich erscheint das zumindest höchst realistisch... ;)
(2) Jaja, genau wie unser lieber Harry... die beiden haben mehr gemeinsam, als sie ahnen... *sfz* Aber Hauptsache, wir wissen, dass sie einfach zusammen gehören ;)
(3) Geklaut. Steht an einer Wand, paar Meter von meinem (ehemaligen) Wohnhaus entfernt... ;)


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Es ist wunderbar, wie furchtlos und entschlossen Dan sich jeder Aufgabe stellt. Manchmal drehten wir eine Szenenwiederholung nach der anderen, und jedes Mal spürte ich seine Entschlossenheit, es bei der nächsten Wiederholung des Takes noch besser zu machen. Das schätze ich so sehr an ihm: Er setzt wirklich alles daran, um seine beste Leistung zu zeigen.
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