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Fanfiction

Bruised and Broken - Teil III (1) - Everything That's True

von solvej

Don't give up on the wanting
And everything that's true


[Placebo – Because I Want You]

~oOo~


„Weg hier!“, war der einzig klare Gedanke, den Draco in diesem Moment fassen konnte. Endlich wieder im Besitz seines Zauberstabes wusste er, dass das nicht der richtige Zeitpunkt für Spielchen war, nicht einmal der richtige für rohe Gewalt, Argwohn oder slytherinhafte Hinterlist – hier war einzig und allein kopflose Flucht angebracht.

Er wusste, dass er nicht nur seinen Auftrag – wieder! – verpfuscht hatte, sondern außerdem Potter seinen größten Schwachpunkt offenbart hatte. Und das hätte nie, nie, NIE passieren dürfen. Kein Mensch hätte je davon erfahren sollen, selbst wenn man ihn in den Wahnsinn gefoltert oder mit einem äußerst schmerzvollen Tod bedroht hätte. So fest entschlossen Draco immer gewesen war, all seine Geheimniskrämerei, all seine Willensstärke und all die Ausdauer die er darin bewiesen hatte, sein Gefühlsleben vor der Außenwelt zu verbergen – es war in einem einzigen Abend zunichte gemacht worden. Und das bloß, weil er nicht hatte widerstehen können, Potter in diesem verfluchten Haus ein wenig hinterher zu spionieren, anstatt einfach Wache zu halten, wie man es ihm befohlen hatte. Und was hatte er nun davon? Ärger, jede Menge Ärger!

Ohne lange zu fackeln war er an den nächstbesten Ort appariert, der ihm eingefallen war – sein Zuhause. In solchen Fällen dachte man immer zuerst an zuhause, wobei diese Aussage hier auf purer Vermutung basierte, da Draco bisher noch in keiner vergleichbaren Situation gewesen war. Merlin sei Dank.

Er landete in dem parkähnlichen Garten, der zum Anwesen seiner Eltern gehörte. In mattem Weiß leuchtete ihm aus der Ferne zwischen ein paar Bäumen hindurch die Hausmauer entgegen. In zwei Fenstern im oberen Stockwerk brannte noch Licht, offenbar war seine Mutter noch wach. Seit sein Vater vor mittlerweile mehr als einem Jahr verhaftet worden war, litt sie, wie Draco aufgefallen war, ständig an Schlaflosigkeit. Den ganzen Sommer lang hatte er immer bis spät in der Nacht Schritte im Haus vernommen. Von innerer Unruhe getrieben war sie pausenlos umhergewandert, mal hierhin, mal dorthin, hatte Dinge in die Hand genommen und wieder weggelegt, hatte versucht zu lesen, es aber nicht geschafft sich zu konzentrieren. So lange, bis sie am Rande der völligen Erschöpfung irgendwo in einen unruhigen Schlaf gefallen war.

Draco hatte sie mehr als einmal morgens in der Bibliothek oder im Esszimmer gefunden, wo sie irgendwann eingeschlafen war, den Kopf auf einen Arm gebettet. Wenn er sie dann behutsam geweckt hatte, war sie aufgeschreckt, einen Augenblick verwirrt, bis sie sich wieder zurechtfand und versuchte, sich vor ihrem eigenen Sohn aus ihrer Lage herauszureden. Sie wäre beim Frühstück machen noch einmal eingenickt. (Als ob sie es nötig hätte, selbst Frühstück zu machen!) Oder ihr Kreislauf hätte ihr einen Streich gespielt und sie hatte sich kurz setzen müssen. Draco hatte sie trotzdem durchschaut, und wenn er in der nächsten Nacht wieder wach geworden war, weil unruhige Schritte durchs Haus geeilt waren, wusste er, dass es noch lange so weitergehen würde.

Und wie musste es erst jetzt für sie sein, wo er auch noch fort war? Er hatte seine Mutter, wie es ihm schien, schon seit Ewigkeiten nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen. Seit seiner Flucht aus Hogwarts durfte er sich natürlich hier nicht mehr blicken lassen, und er ärgerte sich, dass er schwach geworden und trotzdem gekommen war. Aber jetzt, wo er schon einmal da war...
Nein! Er würde nicht zu ihr hineingehen, sich nicht einmal näher an das Haus heranwagen. Wahrscheinlich wurde es überwacht, vom Ministerium, vom Orden des Phönix oder womöglich von beiden. Wobei, falls letzteres der Fall war, hätten sich die Wachtposten vielleicht schon gegenseitig die Schädel eingeschlagen und er würde in Ruhe zu seiner Mutter Hallo sagen können.
Geringe Chance.

Manchmal, und besonders häufig in letzter Zeit, was das Leben wirklich deprimierend.

Frustriert biss er sich auf die Unterlippe und wandte dann mühsam seinen Blick von dem Gebäude ab, das so viel Wärme und Geborgenheit versprach und ihn still mit seinen kalkweißen Mauern und den hohen, dunklen Fenster zu verspotten schien. So nah und doch so fern.

Weiter hinten im Garten, am Ufer des Teiches, stand eine große Silberweide, deren lange, dünne Äste einen Vorhang bildeten, der alles von der Außenwelt abschnitt. Ein kleiner Kosmos für sich, in den die Geräusche der umliegenden Welt nur gedämpft vordrangen und die eigenen zehnfach verstärkt schienen. Wenn ein Käfer über ein Blatt krabbelte, hallten seine Schritte unter der käseglockenartig runden Laubdecke wider. Früher hatte am Fuß des Baumes eine kleine Holzbank gestanden, aber als Draco an jenem Baum ankam, war die Bank fort. Es versetzte ihm einen kleinen Stich zu sehen, dass jemand aus dieser kleinen Idylle einfach ein Stück herausgerissen hatte.

„Wahrscheinlich wieder dieser Idiot von Landschaftsplaner“, murmelte er schlecht gelaunt vor sich hin. Eben jener hatte schon öfter insistiert, das Fleckchen am Seeufer doch „ein bisschen ansehnlicher zu gestalten“, indem man eine Fläche mit Granitplatten auslegte, um dort eine Sitzgruppe zu platzieren oder doch zumindest „diese wurmstichige Brutkiste für Holzschädlinge“ zu entfernen und durch eine stilgerechte Marmorbank zu ersetzen. Draco hatte immer heftig protestiert, und da seine Mutter ohnehin nie näheren Kontakt zum Garten hatte, als ihn von der Terrasse aus stolz zu betrachten – alles andere hätte ihren Schuhen nicht gut getan – hatte man ihm seinen Willen gelassen. Aber jetzt, kaum dass er ein paar Wochen weg war, entfernte man offenbar schon jegliche Zeichen seiner früheren Anwesenheit an diesem Ort.

Er ließ sich vorsichtig an den Baumstamm gelehnt nieder und betrachtete die klare Wasseroberfläche, in der sich der Mond spiegelte. Am von ihm aus gesehen linken Ufer wucherte es geradezu von Seerosen, am rechten dagegen befand sich ein kleiner Zufluss, an dessen Ausgangspunkt von einem kunstvoll arrangierten Steinhaufen munter Wasser plätscherte. Über eine Schmalstelle führte eine kleine, flache Brücke, von der aus man die überteuerten Goldfische - Narzissa nannte sie natürlich Koi-Karpfen – betrachten konnte, die dieser Idiot seiner Mutter neben all dem anderen Gerümpel eingeredet hatte.

Für Stil und um einen guten Eindruck zu machen, tat Narzissa alles. Wie beispielsweise stümperhafte Landschaftsplaner zu engagieren, die ihr alles Mögliche einredeten, wovon „die Damen der Gesellschaft ganz bestimmt entzückt sein“ würden. Sein Vater hatte immer kommentarlos das nötige Geld für solche Spielereien herausgerückt, wahrscheinlich nur, um sie beschäftigt zu halten und selbst seine Ruhe zu haben. Draco verzog das Gesicht bei dem Gedanken. Im Grunde, das war ihm erst vor nicht allzu langer Zeit klar geworden, hatte seine Mutter wohl immer unter dem pausenlosen Müßiggang, den der Reichtum seines Vaters mit sich brachte, gelitten. Dafür hatte sie sich umso mehr in jene Dinge gestürzt, die die meisten Leute nur als seichten Zeitvertreib bezeichnen würden: alles hübsch einrichten, den Sohn bis über alle Maße verwöhnen und sich um die sogenannten „gesellschaftlichen Pflichten“ kümmern. Und was war daraus geworden?

Blond, blass, wahrscheinlich in ihrem weißen Nachthemd, sah sie momentan wohl wie der Geist eines verlassenen Mädchens aus, der keine Ruhe fand und im Haus umherspukte. Draco hatte einmal vorsichtig versucht, ihr zum Einnehmen von Schlaftränken zu raten, sowas gab es schließlich in jeder Apotheke, aber ihr einziger, aufbrausender Kommentar dazu war gewesen: „Was sollen denn die Leute denken?!“

Ja, den guten Eindruck aufrecht zu erhalten wurde bei ihr durchaus groß geschrieben, selbst wenn es mit dem „gut“ zur Zeit nicht mehr allzu weit her war. Draco wusste immerhin, woher er sie hatte, diese unverwüstliche Einstellung: den Schein wahren, auf die Haltung achten.

Letzteres kam allerdings eher von seinem Vater... aber das war einerlei. Klar war auf jeden Fall – das mit Potter durfte niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Er hoffte einfach darauf, dass Potter selbst diese ganze Episode zu unangenehm war, um irgendwem davon zu erzählen. Trotzdem, ein kleiner Funken Unsicherheit, jener Faktor der menschlichen Natur, der einfach nicht zu berechnen war, würde immer bleiben, und ganz sicher konnte er sich jetzt nie mehr sein, dass sein kleines Geheimnis nicht doch aufgedeckt wurde.

Wobei „klein“ wahrscheinlich auch der falsche Ausdruck war. Langsam bekam er einen Eindruck davon, welches Ausmaß der Begriff „Lebenslüge“ wirklich hatte. Wenn man sich vor seinen Freunden, seiner Familie, vor der ganzen Zauberergemeinschaft permanent verstellen musste, nur weil man in gewisser Hinsicht gegen den Strom schwamm. Ansonsten war er immer stolz darauf gewesen, sich von der Masse abzuheben – mit Stil, Vermögen, Beziehungen und natürlich nicht zuletzt bestechend gutem Aussehen – aber was diese Sache anging, wünschte er sich zum ersten Mal, völlig normal zu sein.

Er hatte es versucht, weiß Gott, und es zugelassen, dass Pansy sich nun schon seit geschlagenen zwei Jahren an seine Fersen heftete und jedes Wort von seinen Lippen für eine Offenbarung hielt. Er schauderte unwillkürlich bei dem Gedanken an ihre Forderung von körperlicher Zuwendung, der er nicht ewig mit harschen Worten hatte entgegenwirken können. Als er schließlich nachgeben musste und der Versuch kläglich misslang, hatte er die Schuld auf sie geschoben, was sie dermaßen gekränkt hatte, dass sie für einige Monate Ruhe gegeben und stattdessen einen Ratgeber nach dem anderen studiert hatte.

Irgendwann war es dann zu einem neuerlichen Anlauf gekommen, und Draco hatte sich dabei mit Phantasien, die so gar nicht der Realität entsprachen, so weit gebracht, dass es für Pansy ein zumindest physisch befriedigendes Erlebnis geworden war, und für ihn zu einem Übel, dass er in Kauf nehmen musste, um seine Tarnung aufrecht zu erhalten. Pansy war seine Tarnung. Denn jemand mit einer Freundin käme niemals in den Verdacht, das eigene Geschlecht in Liebesdingen vorzuziehen. Und heimlich in Potter verknallt zu sein.

In Potter.

Draco spürte den unbändigen Drang, seinen Kopf in den Teich zu stecken und einfach abzuwarten, bis er tot war. Die verfluchten Fische würden an seiner aufgedunsenen Leiche knabbern, die mitten im Teich trieb, die Roben rundherum ausgebreitet, und mit starrem Blick in den Himmel schaute. Draco malte es sich bildlich aus, irgendwie hatte der Gedanke etwas Beruhigendes – auf eine sehr morbide Weise zwar, aber immerhin.

Ihn fröstelte. Es war schon weit nach Mitternacht, der Boden war kühl und die Feuchtigkeit, die aus dem Teich aufstieg, tat das Ihrige. Draco wagte es nicht, einen Wärmezauber oder etwas ähnliches auszusprechen – falls das Haus wirklich überwacht wurde, könnte man das Licht bemerken. Oder sie hatten so etwas wie „Magiedetektoren“ installiert. Er bildete sich ein, von dieser Möglichkeit einmal in der Schule gehört zu haben, aber er war sich nicht ganz sicher, geschweige denn, dass er sich an Einzelheiten erinnern konnte... Möglicherweise hätte er doch ab und zu ein bisschen seiner werten Aufmerksamkeit dem Unterricht zuwenden sollen, anstatt darauf zu vertrauen, dass Daddy seine Noten mit „großzügigen Spenden an Lehrmaterial“ und ähnlichen Scherzen retten würde.

Aber dafür war es jetzt zu spät. In die Schule konnte er nicht mehr zurück – falls sie überhaupt in dieser Form noch weiter existieren sollte – und für Lucius Malfoy war in seinem Leben sowieso kein Platz mehr. Der hatte mit seiner sechzehn Jahre andauernden Manipulation schon genug Schaden angerichtet. Das Schlimmste dabei, was Draco beinahe um den Verstand brachte, war, dass er genau wusste, dass es nicht seine eigene Meinung war, die er vertrat, sonder die seines Vaters. Aber ablegen konnte sie trotzdem einfach nicht. ‚Muggel sind nichts wert, ihre Kinder genausowenig. Macht ist alles. Töten muss sein‘ – es war ihm schon in Fleisch und Blut übergegangen, ohne dass er etwas dagegen hätte unternehmen können.

Blut. Verfluchtes Blut! Alles schien sich nur darum zu drehen – und der Dunkle Lord hatte sowieso eine dahingehende Obsession. Draco hatte sich schon oft gefragt, wer dieser – Mensch? – eigentlich war. Er machte so ein großes Geheimnis um seine Person, dass man meinen könnte, er hätte etwas zu verbergen... Aber diesen Gedanken dürfte er natürlich niemals laut aussprechen – es käme einem Sakrileg gleich, Zweifel am Dunkeln Lord zu äußern. Noch so ein Punkt, mit dem Draco ganz und gar nicht einverstanden war. Er zog die Stirn in Falten. Das waren eigentlich Themen, an die er jetzt ganz und gar nicht denken wollte.

Aber woran wollte er denn sonst denken? Wenn er sich nicht ablenkte, würden seine Gedanken unweigerlich zu den vergangenen Stunden und zu seinem großen Ausrutscher schweifen. Verflucht. Und schon waren sie dort.

Sein erster Fehler hatte darin bestanden, sich überhaupt freiwillig dazu zu melden, in Godric’s Hollow Wache zu halten. Er war begierig darauf gewesen, einen Auftrag zu bekommen um weiterem Ärger zu entgehen, den er zum einen auch tatsächlich ausführen konnte und der zum anderen nicht allzu anspruchsvoll war. Wer rechnete denn damit, dass Potter wirklich dort auftauchte? Nun ja, ein Irrtum.

Der zweite Fehler war gewesen, nicht sofort Meldung zu machen, sondern... „nur mal ein wenig zu schauen“. Potter zu beobachten, wie er einen Wutanfall hatte, war doch recht unterhaltsam gewesen.

Fehler Nummer drei war es natürlich gewesen, sich erwischen zu lassen. Potter hätte ihn umbringen können. Oder schlimmer – dem Orden übergeben. Diesen furchtbaren Gerechtigkeitsfanatikern konnte man es aber auch nie Recht machen. Das Ministerium hörte zumindest auf gute Argumente (1), aber sowas schien denen einfach nicht wichtig zu sein – obwohl gerade sie es wahrscheinlich am meisten nötig hatten. Man sehe sich nur einmal diesen Lupin an... Draco zog verächtlich die Oberlippe kraus.

Schon früh genug hatte er gelernt, dass man mit genügend Kapital – was er hatte – so ziemlich alles haben konnte. Man konnte es sich kaufen, oder jene Leute kaufen, die dazu notwendig war. So hatte seine Mutter eben einen Landschaftsplaner bezahlt, weil er für sie etwas leistete, das sie alleine nicht konnte. Das selbe Prinzip hatte sein Vater bei Minister Fudge angewendet. Seit nun etwas mehr als einem Jahr stieß Draco jedoch auf immer mehr Grenzen dieser Strategie. Er konnte mit Geld nicht die komischen Blicke und das Getuschel der Schüler aus den anderen Häusern abstellen, seit sein Vater verhaftet worden war. Er konnte auch mit Geld nicht verhindern, dass Voldemort ihn für seine Pläne benutzte. Geld änderte überdies nichts daran, dass er Potter – nun ja – mochte. Ihn konnte er außerdem mit Geld nicht kaufen. Vorausgesetzt das ginge – würde das Potter dann zu einer Nutte machen? Und wenn ja, bedeutete dieser Schluss dann, dass Minister Fudge die Nutte seines Vaters gewesen war? Bei dieser Vorstelltung konnte Draco sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

Der vierte Fehler – und diesen konnte er sich am wenigsten verzeihen – war der gewesen, sich von Potter provozieren zu lassen. Normalerweise war es doch immer umgekehrt gewesen! Er selbst provozierte, Potter verlor die Kontrolle und stand am Ende dumm da, nicht anders herum. Er hatte wirklich vorgehabt ihn zu erwürgen, oder ihm doch zumindest große Schmerzen zuzufügen. Ihm wenigstens eins auf auf die Nase zu geben. Aber dann war er ihm auf einmal so nahe gewesen wie noch nie – naja, abgesehen von diesem einen Mal, als Potter ihn auf dem Quidditch-Feld verprügelt hatte, aber das war nicht unbedingt eine seiner erotischeren Erinnerungen.

So nahe, dass er ihn schon fast spüren konnte und jeden seiner Atmemzüge hören. Es hatte ihn durchschossen wie ein Adrenalinstoß, der seine Eingeweide zum Beben brachte und jeden klaren Gedanken verhindert. Potter hatte irgendwas gesagt, aber er hatte nur verwundert beobachten können, wie seine Lippen für ihn inhaltslose Worte formten. Dann hatten sie inne gehalten und Potter, der so verzweifelt versucht hatte, Haltung zu bewahren, hatte ihm zum ersten Mal richtig in die Augen gesehen.

Genau an dieser Stelle war irgendeine Sicherung in Dracos Kopf durchgebrannt, die ihn dazu gebracht hatte Fehler Nummer fünf zu begehen.

Die Fehler die danach noch gekommen waren, hatte er dann nicht mehr gezählt.

Die Tatsache, dass Potter ihm nicht gleich einen Fluch auf den Hals gejagt hatte, nachdem er ihn zum ersten Mal geküsst hatte, hatte sein Hirn irgendwie vernebelt. Alles Weitere war ihm vorgekommen, wie von einer dicken Zuckerwolke eingehüllt, ganz obskur. Wie ein Schlafwandler hatte er weitergemacht mit was-auch-immer-es-war – sarkastisch sein, versuchen seine Würde zu bewahren, Harry küssen... Verdammt, es war doch immer nur eine heimliche und sowas von verbotene Träumerei gewesen! Es konnte doch nicht einfach so zur Realität werden, das würde sein ganzes wunderschön zurecht gelegtes Weltbild wie ein Kartenhaus einstürzen lassen, denn es wäre damit im Fundament erschüttert worden. Diese Grundmauern, die besagten, dass die „wichtigen“ Leute einfach nicht schwul zu sein hatten, schwul waren maximal die Nebencharaktere.

Jemand wie Longbottom. Draco grinste verächtlich. Das würde passen. Oder – wenn es denn sein musste – auch jemand wie Blaise, mit seiner Nase, die geradezu schrie „Ich kann Stil wittern!“, mit seinen Allüren, und seiner Fixierung auf „Mutter“.

Wie auch immer, diese Leute könnten ihre sexuellen Präferenzen in aller Ruhe ausleben, während sich das Hauptaugenmerk auf die anderen richtete. Es war so verdammt ungerecht, dass er zum Ausgleich große Lust gehabt hätte, jetzt irgendjemanden zum Weinen zu bringen. Ein Akt der sinnlosen Niederträchtigkeit, wie einem Baby das Spielzeug zu klauen – sowas baute ihn immer enorm auf. Da aber dummerweise gerade kein Baby zu seiner Verfügung stand, musste er sich auf andere weise Ablenken. Und am einfachsten war das mit – Potter.

Potter, der gottverdammte Held der Zaubererwelt war bestimmt nicht vom anderen Ufer, immerhin war er mit der kleinen Weasley zusammen.

Grimmig zog Draco seine Augenbrauen zusammen und schlang seine Arme fester um seine Beine, die er so nah er konnte an den Oberkörper herangezogen hatte. Das sah Potter wieder einmal ähnlich. Die Kleine war ihm seit ihrem ersten Jahr in Hogwarts hinterhergelaufen, aber während er die Welt gerettet und Quidditch gespielt hatte, hatte er sie nicht einmal wahrgenommen. Erst, als sie von allen umschwärmt und frisch gekürte Gryffindor-Heldin bei der Pokaljagd geworden war, hatte er sich dazu herabgelassen, sie auch anzusehen.

Das Gefühl, das so ähnlich wie eine plötzlich aufkommende Übelkeit anmutete, wurde keineswegs, wie Draco sich einzureden versuchte, auf seinen allgemeinen Hass auf Potter zurückzuführen. Im Gegenteil war es nicht Potter, sondern die kleine Weasley der er gerade große Schmerzen zufügen wollte. Denn – was hatte es schon für einen Sinn es zu leugnen – das Gefühl war Eifersucht.

Eifersucht auf eine Weasley! Jetzt war es wirklich so weit, dass er das letzte Stückchen Würde, das er sich bisher noch eisern bewahrt hatte, im Klo runterspülen konnte. Verzweifelt ließ er die Stirn auf seine Knie sinken und vergrub die Hände in den Haaren. Wo sollte das bloß noch hinführen?

Langsam richtete er sich wieder auf und erhob sich schließlich von seinem Platz unter der Weide. Er streckte sich, sein Rücken tat weh vom langen Sitzen, und klopfte sich vorsichtig Erde und Laub von seinem Umhang. Ein letztes Mal sog er die kühle Nachtluft mit dem vertrauten Geruch seines Zuhauses ein und disapparierte dann auf der selben Stelle.

***


Er konnte es immer noch nicht glauben, dass er das wirklich tat. Die ganze Aktion war nicht nur verboten, sondern außerdem noch äußerst riskant – und abgesehen davon vollkommen verrückt. Aber nun stand er einmal vor der Haus am Grimmauldplatz Nr. 12, und es hatte keinen Sinn, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, ob er nun hier sein sollte oder nicht, denn er war ja schon längst da. Er konnte es nur nicht so recht glauben. Riskierte er hier wirklich seinen Arsch für Potter?

Der Türklopfer hatte die Form einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss und von einer zur Faus geballten Hand gehalten wurde. Unverkennbar Black. Er zögerte noch einen Moment, ehe er seine eigene Hand an den schweren Metallring legte, ihn vorsichtig, als handle es sich dabei um etwas zerbrechliches, anhob und zweimal klopfte.

Er wartete. Durch die schwere Tür aus – was war es? Eichenholz vielleicht – drang kein Laut nach draußen. Er fragte sich, wie lange er wohl schon hier stand und überlegte, ob womöglich gar niemand da war. Aber der Zauber konnte sich nicht irren. Er hatte sich eines von Snapes wichtigsten Büchern „ausgeliehen“, um einen passenden zu finden, der ihm auch prompt Potters Aufenthaltsort verraten hatte. Zunächst hatte er sich ja gefragt, warum der Dunkle Lord diesen nicht schon längst selbst angewandt hatte – bis er den kleinen Hinweis entdeckt hatte, dass zum einwandfreien Gelingen eine, um es vorsichtig zu formulieren, „gewisse Emotionale Bindung“ vorhanden sein musste. Im positiven Sinne. Draco hatte halb gehofft, dass der Zauber wegen Mangels an eben jener auch bei ihm fehl schlagen würde, aber leider – es trieb ihm fast die Schamesröte ins Gesicht bei diesem eindeutigen und unwiderlegbaren Beweis – hatte es völlig problemlos funktioniert. Und nun stand er hier. Und wartete. (2)

Schließlich klopfte er noch einmal. Erst in diesem Moment fiel ihm ein, dass Potter vielleicht nicht alleine im Haus war. Womöglich war sogar die kleine Weasley bei ihm. In Dracos Magengegend verkrampfte es sich unangenehm. Was also tun in so einem Fall, wie sollte er seine Anwesenheit erklären?

Die Tür ging auf.

Geistesgegenwärtig riss Draco seinen Zauberstab hoch, hielt ihn Harry unters Kinn und knurrte: „Ich bin hier, um dich zu töten!“

Dabei versuchte er gleichzeitig, möglichst böse auszusehen und an Harry vorbei ins Haus zu spähen, ob jemand zu seiner Hilfe herbeieilte. Als niemand auftauchte entspannte er sich ein wenig und ließ den Zauberstab sinken.

Potter stand immer noch vor ihm, den Mund aufgerissen und einen ungläubigen Ausdruck in den so unverschämt grünen Augen.

„Scheiß Malfoy“, sagte er.

War das etwa Whisky?

Draco rümpfte zweifelnd die Nase. Aber unverkennbar: Potter war betrunken.

Er starrte Draco an, als wäre ihm gerade ein zweiter Kopf neben seinem linken Ohr gewachsen. Sicherheitshalber warf Draco einen raschen Blick in diese Richtung, aber da war nichts, was nicht da sein sollte. Also starrte Draco einfach zurück und wartete darauf, dass Potter aufhörte, so schwachsinnig zu sein.

Warum musste es bloß, von allen Menschen auf dieser Welt, ausgerechnet Potter sein?! Er hasste ihn doch. Wollte ihn hassen. Sein Erzfeind sein. Die ganze unangenehme Sache mit dem Krieg und so weiter, einmal ganz außer Acht gelassen. Es war wirklich zum aus der Haut fahren. Und jetzt hatte er es doch getan, seinen Arsch riskiert um hier her zu kommen, und Potter war besoffen!

***


Während Draco später darauf wartete, dass Potter seinen Rausch ausschlief, tickte die große Standuhr gnadenlos, als wollte sie gerade heute besonders penetrant sein, um Draco daran zu erinnern, wie verschwendet seine Zeit hier doch war. Aber andererseits – was hätte er in seinem Versteck schon groß anfangen können? Im düsteren Schein einer einzelnen Kerze herumsitzen und in Snapes Büchern über Dunkle Magie blättern, wo es ihm beim Anblick jeder einzelnen Abbildung beinahe den Magen umdrehte. Im Vergleich dazu war selbst Potter die reinste Augenweide.

Je länger er hier blieb, desto lästiger würden zwar die Fragen sein, die er bei seiner Rückkehr zu beantworten hatte, aber es war ihm egal. Immerhin hatte er schon zur Genüge Erfahrung darin, seine Gedanken vor anderen zu verbergen. Auch wenn Tante Bella nicht von Anfang an festgestellt hätte, dass er viel Talent in der erhabenen Kunst der Okklumentik besaß – er hätte es auch bald selbst gemerkt. Natürlich hatte er beim Lernen mehr Enthusiasmus an den Tag gelegt, als er es nur wegen des Dunklen Lords je getan hätte, seit Potter so beharrlich angefangen hatte, in seinem Gedanken herumzuspuken.

Nicht einmal Snape, der als wahrer Meister dieses Faches galt, hatte es im letzten Jahr geschafft, in seinen Kopf einzudringen. So wütend Draco damals auch gewesen war, er hatte dabei auch eine gewisse Genugtuung verspürt. Er hatte es noch nie wirklich verkraften können, wenn jemand in irgendetwas besser war, als er selbst. Das war nicht auf übermäßigen Ehrgeiz oder etwas ähnlich Ungesundes zurückzuführen, es war schlicht und einfach ein gewisser Hochmut, der nicht gestürzt werden wollte.

Sobald Draco sah, dass er nicht das Zeug hatte, bei Etwas der Beste zu sein (oder er nicht die nötige Unterstützung bekam, um ihn zum Besten zu machen), ging er dazu über, sein gespieltes Desinteresse dafür offen zur Schau zu tragen. So, als läge es unter seiner Würde, auch nur die geringste Anteilnahme zu zeigen, damit nur ja keiner auf die Idee käme, es wäre ihm wichtig, Erfolg zu haben. Und mit dem unerschütterlichen Glauben daran, hatte er nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst getäuscht.

Die Uhr tickte immer lauter, immer langsamer. Jedes einzelne Geräusch zog sich in die Länge, wie in einer ganz abscheulichen Art von Alptraum, in dem jede Sekunde ins Unendliche ausgedehnt und dabei immer dünner und brüchiger wird. So lange, bis sie in ihre Einzelteile zerspringt und nichts zurückbleibt, als die unbestimmte Angst vor einer drohenden Gefahr.

Er beobachtete den schlafenden Harry und fragte sich, was wohl in seinem Kopf vorgehen mochte. Wie es wohl war, Harry Potter zu sein. Ehrlich und sympathisch und geradezu lächerlich heldenhaft. Trotzdem sah er auch nicht gerade glücklich aus. In seinem Gesicht hatte sich ein seltsamer Ausdruck festgesetzt, nicht Resignation, sondern eine Art schwermütigen Einverständnisses mit dem Schicksal.

Er liebte Harrys Nähe in diesem Augenblick mehr als alles andere auf der Welt. Schlafend war er außerdem um einiges leichter zu ertragen. Aber die Hauptsache war, dass er hier war. Draco wusste, was später passieren würde, und es war ihm dabei fast schon egal, dass er allen Antrieb, alle Kraft alleine aufbringen musste.

Harry hatte sich gestern benutzen lassen wie eine willenlose Puppe. Kurz überlegte Draco, wie weit diese Willenlosigkeit gehen würde, aber er verwarf den Gedanken schnell wieder. Das wäre selbst für ihn zu viel des Ausbeutens. Außerdem hatte er in jener Situation erstmals den Eindruck, dass es falsch sein könnte, auszunutzen. Dass es irgendwas... kaputt machen könnte.

Warum machte Harry da bloß mit? Er hatte doch keinen Grund, warum ließ er es mit sich geschehen?

‚Was soll’s‘, dachte Draco. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

____________________


(1) Für alle, dies auf Anhieb nicht geschnallt haben (offenbar ist meine Ausdruchseweise gelegentlich zu obskur ^^) – das liebe Geld ist mit dieser Anspielung gemeint.
(2) Falls dieser „Zauber“ jmd. Bekannt vorkommen sollte – die Idee ist geklaut. Aber ich dachte, hier spielt es so eine kleine Rolle, dass ich das guten Gewissens verwenden kann. Falls sich damit doch jmd auf den Schlips getreten fühlen sollte – bitte melden, dann unternehm ich was dagegen.


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Als ich das Buch las, sah ich es sofort vor mir. Für mich war klar, wie der Film aussehen würde.
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