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Fanfiction

Bruised and Broken - Teil II - Killing Time

von solvej

I'm in a race and it's killing time,
I don't need yours I'll keep it with mine,
Can't you see these skies are breaking?


[Placebo – One Of A Kind]

~oOo~


Harry schob sich die Brille auf die Stirn und rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen. Er hatte begonnen, zu seinen Kreisen von vorher Dreiecke zu zeichnen. Dreiecke waren kein gutes Omen, außer sie stellten die Segel von einem kleinen Schiffchen auf blauen Wellen dar. Er malte aber einfach nur Dreiecke, mittlerweile war es ein ganzer Wald davon. Er vermied es, den ohnmächtigen blonden Jungen zwei Meter weiter anzusehen, da er noch immer keine Ahnung hatte, was er mit ihm anfangen sollte. Seit der Nacht, in der Dumbledore gestorben war – sein Mundwinkel begann wieder ein wenig zu zucken – hatte er darüber nachgedacht, ob Malfoy wirklich fähig gewesen wäre, ihn umzubringen. Eigentlich glaubte er es nicht. Aber das bedeutete ja nicht automatisch, dass Malfoy die Seiten gewechselt hatte, immerhin war er mit Snape verschwunden. Nicht, dass er eine Wahl gehabt hätte. Andererseits hat man aber immer die Wahl, irgendwie. Vielleicht wurde er aber auch unter Druck gesetzt?

Harry wälzte die immer gleichen Gedanken hin und her, und kam dabei kein Stück weiter. Der einzige Schluss zu dem er kam, war im Grunde, dass nur Malfoy selbst diese Fragen beantworten konnte. Dazu müsste man ihn allerdings aufwecken, und genau davor schreckte Harry noch zurück. Also wälzte er alles noch einmal. Und noch einmal. So lange, bis er im Umkreis von einem halben Meter keinen Platz für neue Dreiecke mehr fand.

Zunächst hatte Harry sich einen Moment lang gefragt, ob Malfoy nicht womöglich doch tot war, vielleicht hatte er sich beim Sturz ja das Genick gebrochen, oder so ähnlich. Daher war Harry noch einmal aufgestanden und hatte sich neben ihn gekniet und sein Ohr nah an Malfoys Mund und Nase gehalten, um zu hören, ob er noch atmete. Was er tat. Harry hatte die subtile Kunst des Pulsfühlens nie gelernt, Muggelpraktiken bekam man auf Hogwarts ja nicht mit, und die Dursleys hatten nie die Notwendigkeit gesehen, ihn in einen Erste-Hilfe-Kurs zu stecken. Wozu auch. Harrys erste und wahrscheinlich auch einzige Möglichkeit zur Anwendung der Techniken, die in einem solchen gelehrt wurden, war soeben vorbeigegangen, und er hatte sich ja auch auf etwas unkonventionellere Art behelfen können.

Unentschlossen stand Harry nun auf und ging wieder die wenigen Schritte zu dem reglosen Körper am Boden hinüber. Durch die großen Fenster neben der Treppe fiel bleiches Mondlicht herein, und in den hellblonden Haarsträhnen, die aus Dracos verrutschter Kapuze herausfielen, fing es sich wie Tautropfen am frühen Morgen in einem Spinnennetz.

Gedankenverloren stellte Harry fest, dass sich in seinen Haaren, was auch immer er damit anstellen würde, niemals Mondtau fangen könnte. Die Welt war so ungerecht. Die zerbrechliche Gestalt zu seinen Füßen sah jetzt so hilflos und schutzbedürftig aus, richtig harmlos. Alles an Malfoy war schmal, von seinem Körper im Ganzen angefangen über seine Finger, bis hin zu seinen Lippen. Obwohl er vollkommen ausgezehrt und mitgenommen wirkte – beinahe noch schlimmer als damals, als Harry ihn bei der Maulenden Myrthe erwischt hatte – war sein Haar immer noch seidig und glänzend, wenn auch nicht mehr ganz so ordentlich gescheitelt, und fedrig fielen ihm ein paar Strähnen in die Stirn. ‚Wie die Unschuld in Person‘, dachte Harry. ‚Wie kann in einem solchen Körper nur ausgerechnet Draco Malfoy leben?‘

„Enervate“, sagte er laut.

Draco blinzelte. Mit der linken Hand tastete er nach etwas, zweifellos seinem Zauberstab. Im selben Augenblick, in dem er begriff, dass dieser nicht da war, registrierte er den immer noch über ihm stehenden Harry, der, die Stirn in missbilligende Falten gelegt, seinen eigenen Zauberstab auf ihn gerichtet hatte.

„Verdammt“, sagte Malfoy.

Harry zog eine Augenbraue hoch. „Allerdings.“

Draco verkniff sich eine böse Bemerkung. Man konnte ihm viel vorwerfen, aber dumm war er nicht. Slytherins verstanden sich außerdem darauf, wie er in besseren Zeiten oft genug betont hatte, ihre Gefühle in entscheidenden Situationen beherrschen zu können, im Gegensatz zu Angehörigen eines gewissen anderen Hauses. Aber auch auf diese Tatsache wollte er jetzt nicht näher eingehen. Also beschränkte er sich darauf, Harry aus zu Schlitzen verengten Augen einen bösen Blick zuzuwerfen, den dieser aber geflissentlich ignorierte.

„Steh auf“, befahl Harry barsch. Malfoy gehorchte und Harry freute sich insgeheim darüber, dass es so einfach war. Er hätte mehr Widerstand, oder zumindest mehr Widerrede von jemandem mit einer für gewöhnlich derart großen Klappe erwartet. ‚Oder er weiß einfach, was gut für ihn ist‘, dachte Harry und kam sich dabei vor, wie ein Revolverheld aus einem schlechten Muggelwestern.

Er dirigierte Draco in das verfallene Wohnzimmer. Er wusste nicht genau, warum er das tat, vielleicht einfach, um seine Macht, Malfoy ein wenig herumschubsen zu können, besser auszukosten. Er könnte ihn auch auf einem Bein quer durchs Zimmer hüpfen lassen. Harry entschied sich jedoch dagegen, es gab Dringenderes in diesem Augenblick. Falls sich die Gelegenheit allerdings später noch einmal ergeben würde, könnte er das ja noch nachholen, aber momentan eilte es ihn damit nicht.

„Also“, sagte Harry, „setz’ dich.“

„Wohin?“

Harry sah ihn statt einer Antwort nur kalt an. Malfoy verdrehte die Augen und ließ sich dann zögerlich auf einem umgestürzten Regal nieder, das zwar bedenklich knackte, aber standhielt. Harry selbst blieb stehen, lehnte sich nur gegen die Wand, so dass er Draco genau im Sichtfeld hatte.

„Nur dass wir das von Anfang an klarstellen, ja? Keine Fluchtversuche oder sowas Ähnliches, ich hab’ deinen Zauberstab und keine Angst, ihn gegen dich zu verwenden. Und dann kommst du nicht mehr so glimpflich davon. Womöglich fluche ich dir dann Pickel ins Gesicht.“

Malfoy zog die Lippen kraus und schwieg hartnäckig weiter.

„Kommen wir also zum Wesentlichen“, fuhr Harry fort. „Warum bist du hier?“

Malfoy hob den Kopf und sah ihm mit völlig ausdruckslosem Blick in die Augen. „Du erwartest darauf doch nicht wirklich eine Antwort, oder? So naiv kannst nicht einmal du sein.“

„Ich könnte mit einem auf der Nase beginnen. Einem großen, eitrigen...“, überlegte Harry laut.

Malfoy zeigte keine Reaktion.

‚Levicorpus‘, dachte Harry, und mit einem Schlenker seines Zauberstabs hing Malfoy, den das wiederum wirklich überraschend getroffen hatte und ein erschrockenes Keuchen nicht zurückhalten konnte, plötzlich wie an den Knöcheln emporgehoben in der Luft. „Ich will die Wahrheit wissen“, sagte Harry kalt und ließ Malfoy mit einem gedachten ‚Liberacorpus‘ wieder unsanft auf den Boden plumpsen.

„Hmpf“, machte Malfoy.

„Nochmal?“

Wieder flog er in die Luft, wieder fiel er.

„Potter, du bist so ein –“ Er wurde davon unterbrochen, dass er erneut in die Luft gerissen wurde.

„Ein was bin ich, Malfoy? Sprich nur weiter“, säuselte Harry, und hatte nicht einmal annäherungsweise ein schlechtes Gewissen. Er dachte an den falschen Moody, der Draco in ein Frettchen verwandelt hatte, und war traurig, dass er so etwas noch nicht konnte. Er fühlte sich höchstens ein bisschen unwohl dabei, dass es gerade Snapes Zauberspruch war, den er hier verwendete, allerdings hatte das jetzt auch eine gewisse Ironie. Er ließ Malfoy wieder zu Boden fallen. „Kehren wir lieber wieder zu unserem ursprünglichen Thema zurück...“

„Hmpf“, sagte Malfoy wieder.

Harry fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger unter die Brille und begann genervt seine Nasenwurzel zu massieren. „Hör mal, das ist wirklich ermüdend. Ich bekomm’ es so und so aus dir heraus, können wir das jetzt nicht ein wenig abkürzen?“ Er versuchte, sich mindestens doppelt so optimistisch zu geben, wie er eigentlich war, denn um ehrlich zu sein hatte er keine Ahnung was er anstellen sollte, um die Wahrheit aus Draco heraus zu bekommen.

„Darin, dass es ermüdend ist, gebe ich dir vollkommen recht,“ sagte jener, an seinen Haaren zupfend, um sie wieder in Form zu bekommen. „Allerdings würde ich dir raten, mit einer anderen Frage zu beginnen.“

Harry hatte zunächst überrascht den Kopf gehoben, doch nun runzelte er verwirrt die Stirn. Wollte Draco ihn gerade in die Irre führen? Ablenken? In den Wahnsinn treiben? Scharf sah Harry Malfoy an, dessen übliche Fassade der Arroganz und Überheblichkeit gerade zu bröckeln schien, und darunter kam nichts weiter als Resignation zum Vorschein. Vielleicht gehört auch das nur zu seiner Show. Aus irgendeinem Grund war Harry aber der Überzeugung, dass dem nicht so war.

„Du hättest Dumbledore nicht getötet, oder?“, wagte er einen vorsichtigen Vorstoß. Trotzdem wollte er noch auf der Lauer bleiben, denn ganz sicher war er sich seiner Sache nicht.

Malfoy sah ihn an, sein Blick wirkte auf Harry entwaffnend. „Nein. Ich muss meine Unfähigkeit wohl eingestehen“, sagte er schlicht und zuckte mit den Schultern. „Du warst also dort?“

Sehr langsam nickte Harry.

„Ich hätte es wissen müssen. Zwei Besen. Jetzt wird mir einiges klar...“ Er zog die Augenbrauen zusammen und überlegte einen Moment, bevor er hinzufügte: „Wie peinlich, dass das jemand mitangesehen hat!“

Harry schlug sich unwillkürlich mit der flachen, linken Hand auf seinen zuckenden Mundwinkel. Wie konnte dieser Kerl nur so davon reden? Das war immerhin Dumbledores Tod, von dem er da sprach, und selbst wenn er letztendlich den tödlichen Fluch nicht ausgeführt hatte, so war er doch Schuld daran! Und genau das sagte er Malfoy, der gelassen zuhörte, während Harry sich bemühte, die Fassung zu bewahren. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass sich seine Stimme beim gezwungen langsamen Reden zu überschlagen begann, und er öfter als nötig über seine eigene Zunge zu stolpern schien.
Er hatte darauf eine hämische Bemerkung erwartet, aber die kam nicht. Auch sonst nichts. Das machte Harry rasend.

„Sag was, verdammt!“, schrie er Draco an, während er ihn wieder in der Luft baumeln ließ. „Verteidige dich, oder brüste dich von mir aus mit deiner glorreichen Tat, aber sag nicht einfach nichts dazu!“

Malfoy schlug hart auf den Boden auf, irgend etwas krachte unter ihm zusammen. Diesmal blieb er eine Sekunde liegen, bevor er sich langsam wieder aufrappelte, sich durch die Haare fuhr und dann wieder hinsetzte. „Scheiße, Potter!“, presste er hervor, so als ginge ihm gerade der Atem aus. „Ich bin nicht nett, ok? Ich bemühe mich hier wirklich um Ehrlichkeit, und das ist eigentlich schon mehr, als du von mir erwarten könntest, also rechne nicht auch noch mit großartigen Beileidsbekundungen.“

Eine Pause, in der sie sich gegenseitig regungslos anstarrten.

„Also tut es dir Leid“, stellte Harry endlich in sachlichem Ton fest.

Draco gab ein würgendes Geräusch von sich, welches Harry als Zustimmung auffasste, und sagte dann: „Von dir krieg’ ich Kopfschmerzen, Potter.“

Harry warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Draco folgte ihm mit den Augen. Plötzlich blieb Harry abrupt stehen und fing seinen Blick auf. „Warum machst du da mit, Malfoy?“

„Hab’ ich eine Wahl?“, sagte der Angesprochene und zog einen Mundwinkel hinunter. „Es ist fast das Gleiche, wie bei dir.“

„Wie bei mir.“ Harry wollte seine Verwirrung nicht eingestehen, deswegen versuchte er, sarkastisch zu klingen. Malfoys hämisches Grinsen verriet ihm allerdings, dass es ihm nicht gelungen war.

„Wir haben beide unsere Rollen zu spielen, egal, was wir davon halten. Ist er nicht so? Da hat keiner vorher groß gefragt ob wir Lust dazu haben“, erklärte Draco trotzdem freimütig. „Du, als der Auserwählte, und ich –“

Er brach ab zögerte einen Moment, als ob er kurz überlegte, ob er zu viel eingestanden hatte. Zweifelnd sah er Harry an, dann fügte er noch etwas hinzu, und Harry glaubte, er tat das nur, um seine Ehrlichkeit wieder ein wenig wett zu machen.

„Ich bin nicht sicher, ob sich der tiefere Sinn dahinter auch für dich schon erschließt, also sag es ruhig, falls ich noch etwas genauer erklären soll.“

„Du kannst es nicht lassen, hm?“, fragte Harry, zu müde um zu streiten.

„Nur weil ich dich –“ Malfoy unterbrach sich und biss sich auf die Lippe, offenbar auf der Suche nach dem richtigen Wort, das ihm aber nicht einfiel. Das fand Harry wiederum ein wenig verwunderlich, da Malfoy ansonsten rhetorisch immer unverwüstlich gewesen war. „Nur weil...“, wiederholte er, dann gab er es auf: „Deswegen muss ich noch lange nicht nett zu dir sein!“ Er schickte einen bösen Blick hinterher, aber Harry konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Er fragte sich kurz, warum er Malfoy eigentlich nicht unverhohlen auslachte, aber wahrscheinlich war er, im Gegensatz zu seinem Gegenüber, von Natur aus einfach zu freundlich für so etwas.

„Na schön, zurück zum Thema, wieder einmal. Du hattes im Gegensatz zu mir sehr wohl eine Wahl. Sirius beispielsweise –“, es zuckte, „– stammte aus einer Familie, mindestens so schlimm wie deine, und er konnte da raus.“

„Und jetzt schau, was er davon hatte.“

In Harry loderte erneut die Wut auf und er biss hart seine Kiefer zusammen. Dracos Blick huschte über Harrys Zauberstabhand, die er unwillkürlich gehoben hatte. „Damit wollte ich nur sagen, dass ich, wenn möglich, nicht so enden möchte.“

„Da kann man ja beinahe sowas, wie Bedauern hinein interpretieren“, schnarrte Harry mit einer gewissen Genugtuung in der Stimme. „Wer weiß, wer weiß, wo wir da noch hinkommen...“

„Ach, halt die Klappe, Potter“, schnauzte Draco ihn an, das Gesicht zu einer missmutigen Grimasse verzogen.

„So redegewandt heute, Malfoy?“, fragte Harry vergnügt, höchst erfreut, auch einmal die Oberhand in diesem Gespräch zu haben.

„Oh, komm deswegen jetzt bloß nicht auf einen Egotrip, Potter. Ich befinde mich hier immerhin in einer Zwangslage.“

Darauf fiel Harry nichts mehr ein. Aber wenigstens ein bisschen Freude hatte er gehabt.

„Wie auch immer“, lenkte er ab, „wenn du zum Beispiel zu Dumbledore gegangen wärst, hätte er dir sicher da raus geholfen. Ich verstehe zwar bis heute nicht warum, aber hat in jeden Vertrauen gesetzt, also wahrscheinlich auch in dich. Sicher sogar, nach dem was er auf dem Turm zu dir gesagt hat.“

„Ach ja, der Turm. Du warst ja dabei, also müsstest du wissen, dass ich unter Druck gesetzt werde. Die bringen meine Familie um, wenn ich nicht mitmache.“ Malfoys Stimme wurde schärfer.

„Ach ja, du warst ja auch dabei, also müsstest du wissen, dass Dumbledore angeboten hat, deine Mutter in Sicherheit zu bringen!“

„Dumbledore ist nicht mehr da.“

„Ja, dank dir!“ Harry zischte diese Worte so sehr, dass er selbst kurz glaubte, er habe Parsel gesprochen, aber nachdem Malfoy ihn offenbar verstanden hatte, war dem wohl nicht so gewesen.

„Reib’s mir nur noch mehr unter die Nase“, sagte Malfoy wütend, während sich rötliche Flecken auf seinem Gesicht abzuzeichnen begannen. „Von dir brauch’ ich wirklich keine Vorhaltungen zu dem Thema, vielen Dank!“

„Willst du mir damit etwa sagen, du hättest Schuldgefühle?“ Spöttisch zog Harry die Mundwinkel herunter. „Mir kannst du nicht erzählen, dass du überhaupt so etwas wie ein Gefühlsleben besitzt.“ Er lachte tonlos auf, während Malfoys Augen wütend zu blitzen begannen und sich seine Hände zu Fäusten ballten.

Harry setze gerade zu einer Draufgabe an, als er entsetzt die Augen aufriss, weil Malfoy unerwarteterweise vorsprang, und ihn mit beiden Händen an seinen Schultern packte und gegen die bröcklige Mauer hinter ihm presste.

„Du weißt ja nicht, wovon du sprichst, Potter!“, würgte er mit erstickter Stimme hervor, sein Gesicht so nah an Harrys, dass der die dunkleren Sprenkel in den Augen des anderen zählen könnte, hätte er bloß gewollt.

„Weißt du, um ehrlich zu sein ist es scheißegal wovon ich spreche, nachdem ich derjenige mit dem Zauberstab bin, meinst du nicht, Malfoy?“, sagte Harry mit einer beinahe unheimlichen Gelassenheit, von der er selbst nicht wusste, woher er sie in diesem Augenblick nahm. Der Atem des anderen ging heftig, und Harry spürte ihn heiß auf seinem Gesicht.

Eine Sekunde lang starrte Malfoy ihn ungläubig aus seinen stahlgrauen Augen an, die Brauen im Zweifel zusammengezogen, bevor er sich unvermittelt vorbeugte und seinen Mund so heftig auf Harrys presste, dass der mit dem Hinterkopf gegen die Wand schlug. Er keuchte vor Schmerz und Schreck auf, und Draco nützte die Gelegenheit seine Zunge durch die halb geöffneten Lippen des anderen in dessen Mund zu zwängen.

Harry stand unter Schock. Im Nachhinein wunderte er sich, warum er nicht einfach fest zugebissen hatte, aber in diesem Moment war er zu perplex um auch nur irgendeine Reaktion zu zeigen. Er fühlte die weiche, tastende Zunge in seinem Mund, die nicht seine eigene war, Dracos Hände auf seinen Schultern und sein eigenes, heftig schlagendes Herz in seiner Brust. Er hielt seine Augen krampfhaft geöffnet – er wusste nur, wenn er sie schließen würde, hätte er die Kontrolle über die Situation endgültig verloren.

Draco dagegen hatte, wie er bemerkte, die Lider geschlossen, und Harry stellte mit Befremden fest, dass dessen Wimpern, trotz seines fast weißlich-blonden Haupthaars, lang und dunkel waren. Außerdem sah er die feinen, blauen Äderchen, die sich unter der schneeweißen Haut auf Dracos Schläfen wie ein winziges Labyrinth ohne Ziel und ohne Anfang abzeichneten und irgendwo im Nichts verliefen.

Er sah das alles wie ein außenstehender Beobachter, der halb verwundert zwei Jungen mitten in einer Hölle aus Schutt und Asche betrachtete, von denen einer den anderen küsste, als gäbe es kein Morgen. Beinahe, als sähe er einen Film, den er nach Belieben abschalten könnte... Irgendwo in seinem Unterbewusstsein nahm er aber doch die Tatsache wahr, dass er selbst einer dieser Jungen war, die Einsicht war nur noch nicht so weit vorgedrungen.

Die Erkenntnis durchfuhr ihn dann ganz plötzlich und unerwartet, wie ein Kugelblitz, gleißend hell und pulsierende Kopfschmerzen hinterlassend. Mit einem erstickten Röcheln stieß er in einem stark verspäteten Reflex Malfoys Körper mit beiden Händen von sich. Mit aller Geistesgegenwart, die er aufbringen konnte, zückte er seinen Zauberstab und hielt ihn drohend an Dracos Kehle. „Was soll das, verdammt? Todesserplan B? Wenn du ihn nicht mit einem Zauber erledigen kannst, dann versuch ihn wenn möglich zu ersticken?“

„Du bist so ein Idiot, Potter.“ Malfoy blieb mit beiden Händen in den Taschen, die Schultern hochgezogen, einen Meter weit weg stehen.

„Na prima, da redet der Richtige.“

„Ernsthaft. Ich beobachte dich, seit du hier aufgetaucht bist. Hast du wirklich vermutet, der Dunkle Lord würde deine Pläne, hier her zu kommen, nicht durchschauen?“ Er lachte spöttisch auf. „Ich hätte dich jederzeit umbringen können, wenn ich gewollt hätte.“

„Und wieso hast du nicht? Dann hätten wir uns wenigstens diese schwachsinnige Konversation ersparen können“, gab Harry genervt zurück.

„Und wieso hast du mich nicht schon längst wieder außer Gefecht gesetzt, nachdem du ja, wie du vorher scharfsinnigerweise bemerkt hast, derjenige mit dem Zauberstab bist?“, bemerkte Draco mit einem siegessicheren Lächeln um die blassen Lippen.

Das war allerdings eine gute Frage. „Ich könnte es jederzeit tun!“, sagte Harry, wobei er eine leichte Verunsicherung in seiner Stimme nicht vor Draco verbergen konnte.

„Du hättest es schon längst getan, wenn du das wirklich wolltest.“

„Woher willst gerade du wissen was ich will?“

Draco hob anmutig eine Augenbraue – ‚Anmutig?‘, überlegte Harry nebenher – und trat wieder einen Schritt auf Harry zu, der immer noch mit dem Rücken zur Wand stand. „Nur so eine Vermutung“, sagte Draco, schon wieder viel zu nah an Harrys Körper, und er konnte nicht verhindern, dass er eine Gänsehaut bekam, als er Dracos Atem an seiner Wange spürte.

Wie in Zeitlupe näherte sich das Gesicht des blonden Jungen diesmal dem des schwarzhaarigen, und Harrys Herzfrequenz steigerte sich unwillkürlich. Dracos Blick wirkte so entschlossen, dass Harry es nicht wagte, irgendetwas zu tun, um ihm von dem abzuhalten, was er vor hatte. Er fühlte sich nicht einmal in der Lage zu atmen. Er sog erst wieder scharf die Luft ein, als sich Dracos Lippen, mit einer Sanftheit, die er dem anderen nicht auch nur ansatzweise zugetraut hätte, leicht auf seinen Mund senkten. Fieberhaft überschlug Harry seine Möglichkeiten in dieser Situation, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen.

Geisterhaft huschte Ginnys Gesicht an seinem inneren Auge vorbei, und Harrys Magen verkrampfte sich dabei unangenehm. Es tat weh, und es verwirrte ihn, so wie fast alles in seinem Leben. Das hier dagegen... Es war klar, es war eindeutig. Selbst wenn sich diese Eindeutigkeit nur auf die Aussage „Das ist falsch, falsch, falsch!“ bezog, so war das doch immerhin ein unzweideutiges Gefühl. Und es war angenehm, so abgesondert von allem anderen, wie eine vorübergehende Flucht aus der Realität, die in dieser keine Spuren hinterließ.
Und im Übrigen fühlte es sich gut an...

Harry schloss die Augen.

Draco entlockte mit diesem Kuss, der mit Abstand alles übertraf, was Harry bisher von diversen Freundinnen gewohnt gewesen war, Harrys Kehle einen Laut, der, wäre er eine Katze gewesen, wahrscheinlich einem Schnurren nahe gekommen wäre. Draco schien genau zu wissen, was er da tat, während Harry lediglich ruhig dastand und versuchte sich trotz Gummiknien aufrecht zu halten, die Augen immer noch geschlossen und die Hände kraftlos an seine Seiten gesunken.

Das war nicht richtig, es war einfach nicht richtig! Harrys Körper verspannte sich wieder. Und wieso tat Malfoy das überhaupt? Er rechnete beinahe damit, dass jeden Augenblick Crabbe und Goyle mit einer Kamera aus einer dunklen Ecke hervorgesprungen kämen, und Harry schneller vom „Jungen der lebt“ zum „Jungen der auf Männer steht“ machen würden, als er „Regenbogen“ sagen konnte. Harry schluckte hart, und Draco hielt in seiner momentanen Betätigung inne.

Er hob den Kopf und sah etwas verwirrt aus, einen misstrauischen Ausdruck in den zusammengekniffenen Augen, aber seine Hand ruhte immer noch sachte auf Harrys Hüfte. Harry stieß sie zur Seite.

„Weg von mir!“, sagte er, atemlos, in seinen Augen blankes Entsetzen.

Draco stolperte einen Schritt nach hinten, als Harry ihm zur Unterstreichung seiner Worte grob den Zauberstab in die Brust stieß.

„Au“, sagte er missmutig und rieb sich mit der Hand die betreffende Stelle. Skepsis machte sich in seinem Gesicht breit, so als sei er nicht sicher, ob der andere gerade übergeschnappt war, oder vielleicht doch einen guten Grund für seinen plötzlichen Stimmungswandel hatte.

„Weiter weg!“, kommandierte Harry unsicher, während er mit der Linken haltsuchend nach dem Schrank neben ihm tatete. Das alles war ihm nicht geheuer, nicht einmal er selbst war sich noch geheuer.

„Fein!“, keifte Draco zurück, drehte sich um, durchquerte mit schnellen Schritten den Raum und machte schon Anstalten, durch die Tür zu verschwinden, als Harry endlich begriff.

„Locomotor mortis!“, bellte er, und Draco, mitten im Gehen, schlug der Länge nach hin, als seine Beine unvermittelt zusammenschnappten. Ungeschickt hatte er noch auf so gar nicht malfoyhafte Weise mit den Armen in der Luft gerudert, aber keinen Halt mehr gefunden. Harry hätte beinahe gelacht, aber seine Grabesstimmung verbot einen solchen emotionalen Ausrutscher.

„Was hätte ich von dir auch anderes erwarten sollen?“, meinte Harry trocken, während er seine Fassung langsam wiedergewann.

„Willst du mir nicht gleich eine Ganzkörperklammer an den Hals jagen? Immerhin könnte ich dich ja noch mit einem Stein erschlagen...“, meinte Draco sarkastisch, während er sich mühsam in eine aufrechte Sitzposition begab und dann vorsichtig die Abschürfungen auf seinen Handballen betastete. Berührte er eine schmerzende Stelle, dann zuckte sein Mundwinkel, beinahe wie Harrys.

„Nein“, erwiderte der nachdenklich. „Ich muss mit dir reden.“

„Fein“, sagte Malfoy wieder. Mittlerweile versuchte er, den Dreck aus den Wunden zu kratzen.

„Voldemort schickt dich also.“

„Das –“, begann Draco, doch Harry, der wieder gereizt im Zimmer auf und ab tigerte, fuhr ihm über den Mund.

„Das war keine Frage, sondern eine Feststellung! Du hast es selbst gesagt. Vorhin, als du –“, er unterbrach sich. „Wie auch immer.“

„Als ich dich geküsst habe?“, fragte Draco, wenig hilfreich.

Harry ging trotzdem nicht näher darauf ein. „Was will er? Mich beobachten lassen? Dass er dich geschickt hat, um mich umzubringen glaube ich nicht“, überlegte er laut, „er würde dazu nicht jemanden wählen, der beim letzten Mal versagt hat.“ Er betonte das Wort „versagt“ mehr als nötig gewesen wäre und schielte dabei in Dracos Richtung, um zu sehen, ob dieser eine Reaktion zeigte. Draco beherrschte sein Pokerface allerdings perfekt.

Harry fuhr mit seinem kleinen Selbstgespräch fort: „Außerdem will er das wohl selbst erledigen. Und mich überwältigen und zu ihm bringen? Unwahrscheinlich, man sieht ja, wie unfähig du dich anstellst, in einem Duell hättest du keine Chance...“

Er wusste, wie überheblich das klingen musste, aber wollte versuchen, Malfoy zu provozieren, um ihn damit aus der Reserve zu locken. Er spekulierte auf ein ‚Willst du’s ausprobieren?‘ und hielt daher wieder einen Moment inne, um dem anderen die Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen, aber der grinste nur höhnisch, so wie immer. Harry war etwas enttäuscht; er war noch nie ein großer Stratege gewesen, aber er hatte doch gehofft, dass seine Taktik hier zum Erfolg führen könnte.

Er verlor die Geduld. „OK, sags mir einfach. Was hast du hier zu tun?“

Malfoy zupfte weiter kleine Steinchen aus seinen verletzten Händen.

„Verdammt, kannst du nicht antworten? Oder zumindest irgendeine Reaktion zeigen, dass du mich gehört hast? Dieser Sprache mächtig bist?“, schrie Harry wütend, und seine Stimme hallte an den steinernen Wänden wider. Die darauf folgende Stille schien noch ohrenbetäubender als zuvor.

Malfoy hob langsam den Kopf. „Ich habe zu tun“, sagte er und streckte Harry seine aufgeschürften Handflächen entgegen.

Mit einem entrüsten Schnauben zog Harry seinen Zauberstab, sagte ruhig „Episkey“, und die Haut auf Malfoys Händen schloss sich wieder. Einen Moment lang starrten sie sich an, der eine erstaunt, der andere auch, aber in erster Linie über sich selbst.

„Mein Held“, zwitscherte Malfoy belustigt. Obwohl Harry sich ärgerte, hatte er die stille Vermutung, dass Draco das nur gesagt hatte, um die Peinlichkeit der Situation zu überbrücken.

„Also?“, fragte er.

„Also was?“, fragte Malfoy zurück und trommelte mit seinen Fingern auf dem Boden.

„Würdest bitte du damit aufhören, dich aufzuführen als hättest du keinen Funken mehr Verstand als Crabbe oder Goyle?“, fauchte Harry.

„Wozu? Damit du deine gute Meinung von mir nicht verlierst?“

Harry gab einen seltsam erstickten Laut von sich und drehte sich weg, er hatte das Gefühl, Malfoy setzte alles daran, um ihn um den Verstand zu bringen. Er trat an das Loch in der Wand und atmete ein paar Mal tief durch, die frische Nachtluft beruhigte ihn ein wenig. Plötzlich kam ihm das Bild von Malfoy in den Sinn, wie er, mit einem großen Stein in der Hand, hinter ihm stand und drauf und dran war, ihn zu erschlagen. Hastig drehte er sich um. Aber Draco hatte sich nicht vom Fleck gerührt, er saß immer noch an eine Vitrine gelehnt am Boden, die Arme über der Brust verschränkt, und sah ihn mürrisch an.

„Ich kann dich auch einfach mitnehmen. Moody wüsste sicher, was wir mit dir machen könnten, um dich zum Reden zu bringen.“

„Versuchst du gerade, mir zu drohen?“, fragte Malfoy, milde überrascht.

„Ja, eigentlich schon“, antwortete Harry wahrheitsgemäß. „Also was hast du hier verloren?“

Malfoy zuckte mit den Achseln. „Warten, sehen ob du auftauchst, und wenn ja Meldung machen, damit andere die Drecksarbeit verrichten und dich überwältigen können. Wenn nötig, versuchen dich so lange hier festzuhalten, bis die Verstärkung eingetroffen ist“, sagte er in gelangweiltem Tonfall.

Harrys Herz schien einen Moment auszusetzen, sämtliches Blut wich aus seinem Gesicht, und wenn er sich nicht sehr zusammengenommen hätte, wäre ihm sogar der Zauberstab entglitten. „Du... du...“, stammelte er. „Verdammt.“ Hastig sah er sich in alle Richtungen um und war schon fast dabei, zu disapparieren, als Draco ihn zurückhielt.

„Nein, jetzt warte!“ Mühsam hatte er sich mit immer noch aneinander klebenden Beinen hoch gehievt und stand nun wackelig ein paar Schritte von Harry, der misstrauisch inne gehalten hatte, entfernt. „Ich habe nicht gesagt, dass ich das auch getan habe.“ Mit der rechten Hand stützte er sich ab, die linke hatte seine wenigen Worte mit heftigen Gesten untermalt.

Harry biss sich auf die Lippe. „Warum sollte ich dir glauben? Warum erzählst du mir überhaupt so viel? Nach allem was ich weiß, bist du der Feind, nichts weiter. Nicht mal der Feind, nur ein kleiner Handlanger! Warum also? Sag mir nur einen guten Grund, dir zu vertrauen!“

Wieder zuckte Draco mit den Schultern. „Der Glaube an das Gute in jedem Menschen?“

Harry stieß eine Reihe wüster Flüche aus. Hatte er nicht vor nicht allzu langer Zeit noch behauptet, seine Wutausbrüche im Griff zu haben? Damit war es mittlerweile nicht mehr allzu weit her.

„Dumbledore hätte das gereicht“, sagte Draco.

Harry brauchte einen Moment, bis er begriff, was derjenige, der über sechs geschlagene Jahre hinweg sein Erzfeind gewesen war, eben gesagt hatte. Dann fuhr er empört herum. „Wage du es nicht, davon zu reden was Dumbledore getan hätte oder nicht!“

„Oder was?“, meinte Draco gelassen. Er war immer noch die Ruhe in Person. Die Verkörperung des perfekten Slytherin.

Kraftlos rutschte Harry an der Mauer hinunter und blieb am Boden sitzen. Er hatte kurz den Drang, das Gesicht in den Händen zu vergraben, aber diese Blöße wollte er sich vor dem anderen nicht geben. „Scheiße“, sagte er bloß. Er wusste nicht was er tun sollte, er steckte in einer Sackgasse. Entweder er floh Hals über Kopf und ließ Malfoy hier zurück, oder er nahm ihn mit und überließ es dem Orden, mit ihm fertig zu werden. Er konnte sich nicht entscheiden, also blieb er einfach wo er war.

Nur ganz langsam sickerte Dracos Stimme durch die dicke Schicht Selbstmitleid, hinter der Harry sich versteckt hatte. „Ich stecke hier nun einmal drin, und kann da nicht so einfach wieder raus, da ist es vollkommen egal, ob ich mit allem einverstanden bin oder nicht. Wenn es da heißt ‚Bring jemanden um‘, dann bringst du ihn um oder stirbst selbst. So einfach ist das. Du machst das alles wenigstens gerne -“ Harry wollte an dieser Stelle protestieren, aber Draco ließ ihm dazu keine Gelegenheit. „Ich tu’ eben, was sein muss, was auch passiert. Ständig unter Menschen, und trotzdem allein, poetisch gesprochen. Das ist ziemlich frustrierend.“

Harry hatte stumm zugehört, regungslos beobachtet, wie Malfoys Lippen Worte formten, wie seine schmale Hand dazu müde gestikulierte. Heute sollte ihn überhaupt nichts mehr überraschen. Auch nicht seine eigene Reaktion auf Malfoys Bekenntnis. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs befreite er seine Beine. Während Malfoy sich ein wenig erstaunt aufrichtete und sich endlich den Staub vom Umhang klopfte, blieb Harry am Boden sitzen, die Knie angezogen, und beobachtete den anderen nachdenklich. „Warum erzählst du das eigentlich ausgerechnet mir?“

Wieder zuckte Draco mit den Schultern. „Wem sollte ich es sonst sagen?“

Harry schwieg. Er hörte Schritte auf sich zukommen, aber er starrte stur in Richtung Loch in der Wand. Er hatte seine Kapazität an Emotionen für heute schon längst verbraucht. Die Schritte hielten an, so nahe bei ihm, dass er glaube, die Körperwärme des anderen zu spüren. Dracos schwarzer Umhang bewegte sich mit jedem seiner Atemzüge, ansonsten schien alles stillzustehen.

Draco kniete sich neben Harry hin, sah ihn an und wartete regungslos.

Harry wurde es irgendwann zu dumm, sich in seiner Verwirrung zu ergehen. Er war nicht fähig zu handeln, obwohl eine immer dünner werdende Stimme in seinem Kopf ihm unentwegt einzureden versuchte, endlich „das Richtige“ zu tun: Es war noch nicht zu spät, Draco außer Gefecht zu setzen und ihn dann dem Orden zu überlassen. Harry überhörte sie beharrlich. Schließlich wandte er sich langsam Draco zu. Was hätte Harry dafür gegeben, zu wissen, was er dachte.

Eine Sekunde später wusste er es. Draco küsste ihn. Wieder. Aber diesmal unternahm Harry nichts dagegen, er ließ sich gehen und flüchtete erneut aus der Realität; in eine völlig aberwitzige Phantasiewelt. Genau das musste es sein, denn niemals, niemals in diesem Leben, könnte es wirklich passieren, dass Draco Malfoy, ihn, Harry Potter, küsste. Und dann auch noch so! Harry überlegte zwar am Rande, dass sein Unterbewusstsein dafür vollkommen übergeschnappt sein musste, aber – ganz egal. Dracos Hände, wo sie wahrscheinlich nicht sein sollten, Dracos Lippen, wo sie sicherlich nicht sein sollten – es störte ihn nicht mehr, er war sogar fast schon geneigt, Gefallen daran zu finden.

„Warte“, sagte Draco plötzlich, und zum ersten Mal war er es, der Harry von sich wegdrückte. Allerdings weniger gewaltsam, als dieser es bisher getan hatte, sogar fast widerwillig. „Hörst du das?“

Harry hörte gar nichts, zu seiner Schande musste er sich sogar eingestehen, dass er völlig vergessen hatte, auf irgendetwas anderes zu achten, außer – nein, das wollte er eigentlich nicht einmal vor sich selbst eingestehen. Er lauschte. Und wirklich, da war etwas, das wie entferntes Stimmgemurmel klang. Da waren mindestens zwei Personen, und sie waren nicht weit weg! Harry sprang auf, Panik machte sich in ihm breit.

„Verdammt, ich hätte wissen müssen, dass das eine Falle ist!“, zischte er Malfoy an, doch dieser wirkte mindestens genauso verwirrt wie er selbst.

„Ich hab’ niemandem Bescheid gegeben, wie oft soll ich’s noch sagen?“, gab Draco gereizt zurück. „Weißt du, ich würde es auch vorziehen, nicht in so einer Position wie eben überrascht zu werden.“

„Darüber reden wir auch noch“, schnauzte Harry ihn an und Draco hob interessiert eine AUgenbraue. Harry machte ein paar Schritte ins Zimmer hinein und lugte vorsichtig durch das Loch in der Wand. Die Stimmen waren näher gekommen, offenbar umrundeten ihre Besitzer, wie er selbst früher an diesem Abend, das Haus und gaben sich dabei nicht die geringste Mühe, unauffällig vorzugehen. Sie mussten sich ihrer Sache ziemlich sicher sein. Harry war vollkommen konzentriert und kampfbereit, während Malfoy ein paar Schritte hinter ihm stand, und im Stillen seine Lage verfluchte.

„...nur weil DU wiedermal nicht...“, konnte Harry deutlich aus dem dahinplätschernden Gemurmel herausfiltern.

„Willst du damit etwa sagen, ich wäre Schuld daran, dass er ohne uns weg ist?“ Die Stimme klang aufgebracht.

Plötzlich wusste Harry nur zu gut, zu wem sie gehörte. „Verflucht“, sagte er. Hastig drehte er sich zu Draco um. „Ron und Hermine.“

„Was?“, sagte dieser verständnislos.

„Sie sind hier. Um mich zu suchen wahrscheinlich.“

Draco verdrehte die Augen.

„Du musst hier weg! JETZT!“, drängte Harry, und bevor er darüber nachgedacht hatte was er tat, hatte er Dracos Zauberstab aus der Tasche gezogen und ihn ihm zugeworfen.

Draco fing ihn auf und starrte Harry nur eine Sekunde lang verwundert an, dann verschwand er mit einem leisen „Plopp“ auf der Stelle.

Harry blickte fassungslos auf den Punkt, an dem Malfoy gerade noch gestanden hatte. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Es war ihm, als wäre er gerade eben aus einem seltsamen Traum erwacht, er war sich bloß nicht ganz sicher, ob es ein Alptraum gewesen war oder nicht. War das alles wirklich passiert?

„Harry!“

„Mann, Harry! Wie konntest du uns das bloß antun? Mum hat fast die Krise bekommen... Also echt!“

„Harry, alles in Ordnung?“

„Ja...“, sagte er. „Gehen wir.“


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