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Fanfiction

Harry Potter und der Zirkel der Zauberer - Kapitel 19 Tränen des Himmels

von Reaver

Tausende von Lichter glitzerten auf den dunklen schattigen Feldern. Fast in Dunst und Nebel versunken ragten im Dunkelblau der Nacht die schwarzen Dachgebirge von London empor. Leer und verlassen, halb von Flammen verschlungen, lagen sie da, wie ein riesiger verwundetes Tier. Langsam, aber unaufhaltsam krochen die Fackeln weiter und mit ihnen auch der Schrecken, der einem großen schwarzen Schatten gleich voraus ging.
Leise drang das Kratzen und Schaben von Eisen an Harrys Ohr, zusammen mit dem Geräusch der Klauen, die den Boden von England mit jeden Schritt weiter aufschlitzten. Die Wolken hingen tief, fast schien es ihm, als müsse er nur die Hand zum Himmel recken um sie zu berühren. Ein beständiger Nieselregen fiel auf die kleine Gruppe hinab, die auf dem Rücken der niedrigen Hügelkette stand. Schweigend beobachteten sie, wie sich das Heer, einem gewaltigen, formlosen Wesen gleich beständig vorwärts schob. Immer wieder zeichneten sich die riesigen geflügelten Schatten eines Drachen vor dem Nachthimmel ab, ein noch tieferes Schwarz vor einem finsteren Himmel.
Harry fuhr sich mit einer Hand durch das regennasse Haar. Der Winter war gegangen, schleichend wie ein großes weißes Tier, das sich auf lautlosen Pfoten wieder aus Tälern und Bergen davongestohlen hatte. Zurückgeblieben war nur ein aufgeweichter Boden und die langsam wieder erwachene Natur. Über einen Monat lang war nichts geschehen. Es war ein Abwarten gewesen, das große Luftholen vor dem Sprung. Unaufhaltsam wälzte sich nun die schwarze Flut über das Land, immer weiter nach Norden, zu dem einzigen Ort, der noch Widerstand leisten würde. Es war ein Krieg der Magie, den keine Technologie der Muggel würde entscheiden können.
Vor Hogwarts würde sich ihr Schicksal entscheiden. Dieses Schloss war der Amboss, auf dem sie ihren Feind schlagen würden. Bald würden sie sehen, ob ihre Kraft ausreichen würde.
„Sie kommen. Er denkt nun, dass wir nicht die Kraft haben ihn aufzuhalten.“, flüsterte Bane, der hoch aufgerichtet, die Hand am Schwertgriff, auf dem Hügel stand.
„Die haben wir auch nicht.“, antwortete Harry leise, dem es angesichts der unzähligen kleinen Lichter, die sich zu einem gewaltigen Strom verbanden, mulmig wurde.
„Der tollkühne Hass unseres Feindes wird sein Untergang sein.“, sprach Lupin leise, als befürchtete er, die Nacht hätte Ohren.
„Gehen wir, es gibt noch viel zu tun.“, meinte Harry, dem die Kälte der Nacht langsam in die Glieder kroch. Sie lähmte seine Gedanken und verwandelte seinen Mut nur noch in einen schwach glimmenden Funken in einer erdrückenden, alles verschlingenden Schwärze.
Wenige Sekunden später befanden sich wieder alle vor dem Tor von Hogwarts. Ärgerlich stieg Harry aus der knöchelhohen Pfütze heraus, in die er appariert war. Auch hier hatte es seit Tagen geregnet, als würde die Welt angesichts der Zukunft um die vielen Leben weinen, die verloren gehen würden. Er machte sich keine Illusionen mehr. Wenn ihnen nicht ein Wunder zur Hilfe kommen würde war in wenigen Tagen das Ende der Welt gekommen, so wie sie sie kannten.
Das schmiedeeiserne Tor glänzte vor Nässe und reflektierte das fahle Licht des Mondes, das noch durch die Wolkendecke fiel. Zwei Auroren nickten ihnen zu und öffneten es schweigend. Der Weg zum Schloss empor war gesäumt von unzähligen Zelten, in denen die Zauberer schliefen, für die es im Schloss keinen Platz mehr gab. Harry wusste jedoch, dass sie genau so, wenn nicht gar komfortabler eingerichtet waren, als so mancher Raum in Hogwarts. Es erinnerte ihn an die Quidditch WM in den Ferien vor seinem vierten Jahr. Es war so unglaublich weit weg, fast schon vergraben unter neuen Erinnerungen. Damals hatte er noch keine Ahnung gehabt von dem Schrecken, den sein Schicksal noch für ihn bereit hielt, aber auch nicht von den Momenten des Glücks, die ihn begleitet hatten.
Einige nur als Schatten zu erkennende Gestalten huschten zwischen den Zelten umher, stapften durch den morastigen Boden, aufgeweicht von den Tränen des Himmels. Es war merkwürdig ruhig für ein Lager dieser Größe, aber die Menschen spürten wohl das kommende Unheil. Es drückte schon seit Tagen auf ihre Gemüter. Der Schatten des Feindes, jener dumpfe Brodem aus Furcht und Tod hatte sie bereits erreicht.
Die Zentaurenwache vor dem Tor trat mit einer anmutigen Verbeugung zur Seite, bevor die kleine Gruppe in das warme Schloss eintreten konnte. Bane trabte wortlos an der mächtigen Mauer vorbei in die Nacht hinein. Tausende von nie verlöschenden Kerzen schwebten nun überall im Schloss über ihren Köpfen, um wenigstens etwas Licht und Hoffnung in die Herzen der Menschen, Zentauren, Elfen und Kobolde zu pflanzen. Innerhalb des letzten Monats waren sie alle gekommen, teils um Schutz zu suchen, aber auch um sich an der Verteidigung ihrer Heimat zu beteiligen. Sogar einige eher exotische Exemplare hausten nun in Hogwarts‘ Mauern.
Die Kerker standen nun einigen Vampiren, angeführt von Sanguini zur Verfügung. Es war Hermines Idee gewesen sie mit den Blutkonserven der Muggel zufrieden zu stellen, damit sie nicht auf nächtliche Nahrungssuche gehen mussten.
Der Astronomieturm dagegen beherbergte die letzten Dementoren, die noch dem Befehl des Ministeriums gehorchten. Niemand traute sich in die Nähe der vermummten Hüter Askabans, die schaurig um die Spitze des Turms herum schwebten. Ständig schien es, als würde eine dunkle Wolke über ihnen hängen.
„Wie sieht es aus, Potter?“, wollte McGonagall wissen, die ihnen auf der Treppe entgegen kam. Harry musste lächeln. Sie behandelte ihn immer noch wie einen Schüler und streng genommen hatte er hier ja auch noch keinen Abschluss gemacht. Als neue Direktorin von Hogwarts hatte sie ihr bestes getan um die neuen Bewohner zu versorgen und ihnen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Ohne sie wäre das Schloss im Chaos versunken.
„Sie kommen.“, antwortete Harry knapp und suchte im faltigen Gesicht von Professor McGonagall nach einer Regung. Sie blieb aus. Nur ein knappes, angedeutetes Nicken diente als Erwiderung.
„Dann ist dies alles nicht nur ein Böser Traum.“, murmelte sie leise.
„Schon lange nicht mehr.“, bemerkte Lupin und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Ja Remus, es ist schon lange kein Traum mehr, sondern unsere bittere Realität und gibt es denn keine andere Möglichkeit ihnen entgegen zu treten?“ Ihre Stimme erstarb. Harry hatte sich die selbe Frage schon unzählige Male gestellt, immer und immer wieder, aber egal wie er auch abwägte es gab nur die eine Antwort.
„Es ist kein herkömmlicher Feind, sondern ein Heer, gerufen für einen einzigen Zweck: Unsere Welt zu vernichten, jedes Leben auszulöschen, egal ob es ihnen gefährlich werden kann oder nicht. Laufen wir davon, dann werden wir vielleicht leben, aber es ist nur ein Aufschub, denn mit jedem Leben, das sie auslöschen werden wir schwächer. Nein, es gibt keine andere Möglichkeit.“, sprach Harry und spürte wie es ihm bei seinen eigenen Worten kalt den Rücken hinunter lief.
Ohne ein weiteres Wort gingen sie weiter. Es gab nichts, was man noch hätte sagen können, denn jeder spürte die Dinge tief in seinem Herzen, ob nun die Absichten zum Guten oder zum Bösen hin gingen, keiner konnte sich dem drohenden Schatten entziehen. Vielleicht war es möglich sich zu verstecken, in dunklen Ecken und Winkeln sein Dasein zu fristen, aber bald würde man sich wünschen etwas getan zu haben, als noch Zeit dazu war.
Einige Kinder tollten in den weiten Gängen von Hogwarts herum und blickten sie aus großen Augen an. In ihren Augen spiegelte sich nur Neugier, keine Angst oder Zweifel. Sie begriffen nicht was vorging. Es war auch gut so, denn niemand würde nach den folgenden Tagen noch derselbe sein wie zuvor. Sie kämpften für die Zukunft der Kinder, die sie gerade gesehen hatten. Es kam Harry vor, als sehe er die Welt seit einiger Zeit mit anderen Augen. Er erfreute sich an dem Kleinen, winzigen Details der Schöpfung und nicht mehr am so Offensichtlichen.
Der Gemeinschaftsraum der Gryffindors war warm und trotz der späten Stunde hell erleuchtet. Der Regen prasselte gegen die Fenster und machte ihn noch behaglicher. Bevölkert wurde er von vielen, die ihn schon vorher bewohnt hatten. Es war, als würde ein Teil des Gefühls, das Harry während der Schulzeit begleitet hatte nun zurückkehren. Remus klopfte ihm kurz auf die Schulter, bevor er eine steile Treppe hinauf zu seinem Raum eilte, den er zusammen mit anderen Mitgliedern des Ordens bewohnte. Harry gähnte herzhaft und reckte die müden Glieder.
„Hey Harry! Wüsste ja gerne, was ihr immer so wichtiges mitten in der Nacht zu tun habt.“, kam es von einem der Sessel vor dem Kamin.
„Das würdest du sowieso alles nicht verstehen, Justin.“, erwiderte Ron mürrisch. „Selbst ich habe damit meine Probleme.“
„Das wundert mich nicht Ron.“, murmelte Dean, der scheinbar gerade dabei war in seinem Sessel einzudösen, eine Flasche Butterbier in der Hand, die in immer steilerem Winkel zu Boden zeigte.
„Ich habe mir nur einen Überblick über die Lage verschafft.“, antwortete Harry und nahm dankend eine Flasche des leckeren Getränks an.
„Das war übrigens die letzte Harry. Fred und George konnten nur eine begrenzte Menge davon beschaffen. Das Zeug ist langsam teurer als Gold.“, bemerkte Ron mürrisch.
„Und wie sieht die Lage aus?“, hakte Justin nach.
Harry überlegte einen Moment, wie er antworten sollte. „In etwa so wie das Wetter.“, antwortete er schließlich wahrheitsgemäß. „Aber das wird ja auch wieder besser.“
„Hm...“, machte Dean, den Blick zum Fenster gerichtet, an dem dicke Tropfen herab rannen.
„Wo ist Ginny?“, fragte Harry leise an Ron gewandt. Dieser antwortete nur mit einem Kopfnicken zum Schlafsaal hinüber. Der Donner eines fernen Gewitters mischte sich in das Prasseln der Regentropfen, als Harry die Flasche entkorkte und die Treppe ins obere Stockwerk des Gryffindor Turms hinauf stieg. Zu seiner Überraschung lag Ginny noch nicht im Bett, sondern stand am Fenster, den Blick auf die langen Reihen der Zelte gerichtet, die sich bis zum Ufer des Schwarzen Sees hinzogen.
„Hey.“, meinte Harry, stellte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Hüfte.
„Na du.“, erwiderte sie und küsste ihn lange.
„Hast du geweint?“, fragte Harry, als im Licht eines Blitzes die Tropfen in ihren Augenwinkeln wie Diamanten funkelten.
„Ich...“ Mit einer hastigen Bewegung wischte sie die Tränen hinfort. „Es hat sich alles nur so verändert.“, murmelte sie leise. „Nichts, was einst stark war hat jetzt noch bestand und ich will dich nicht verlieren.“
Harry drückte sie an sich und küsste sie erneut. „Du wirst mich nicht verlieren. Ich bestimme mein Schicksal selber und niemand sonst.“ Für einen Moment herrsche Stille, dann zuckte ein weiterer Blitz vom Himmel herab, begleitet von einem machtvollen Donner, der selbst das Schloss in seinen Grundfesten erschütterte.
„Ich bekomme dieses Bild nicht mehr aus den Augen, was Cassandra uns gezeigt. Du in Gryffindors Rüstung...“ Sie sprach nicht weiter.
„Es war nur ein Bild, nichts weiter als das, was eine alte Frau in einer Vision gesehen hat. Einiges trifft vielleicht ein, anderes nicht. Nicht einmal Merlin vermochte alles zu deuten.“, sprach Harry beruhigend auf sie ein. Wind wirbelte die Regentropfen am Fenster vorbei, heulte klagend um die Türme von Hogwarts.
„Aber Sirius...“
„Es war seine eigene Entscheidung.“, erklärte Harry mit einem Kloß im Hals. Die Erinnerung weckte all die schmerzlichen Erinnerungen an seinen Paten, der sich für sie geopfert hatte. Es würde keine Blacks mehr geben. Eines der alten Zauberergeschlechter war nun erloschen.
„Aber Cassandra hatte es prophezeit! Geh nicht dieses Weg Harry. Er endet im Tod.“, schluchzte Ginny, hob die Augen und sah ihn flehend an. Harry konnte ihrem Blick nur einen Moment standhalten. Er schloss die Augen und atmete tief durch.
„Jeder schmiedet sein Schicksal selbst und vielleicht gerade, da wir das unsere zu ändern versuchen laufen wir ins Unglück.“, antwortete er leise, während er sich mit einem Ächzen auf das Bett sinken ließ. „Ich will nichts weiter als das dieser ganze Spuk vorbei ist und ich mein Leben zusammen mit die leben kann, ohne Schwarzmagier oder Tore zwischen zwei Welten.“
„Ich doch auch verdammt!“, rief Ginny zornig und hieb mit der Faust gegen den Bettpfosten. Ein merklicher Ruck durchlief die alte Konstruktion. „Es ist einfach nicht fair.“ Müde ließ sie sich neben Harry sinken und legte ihm die Arme um den Hals. Wieder versanken beide in einen langen Kuss. Es war ein einfach ein seltener, kostbarer Moment der Ruhe in dieser stürmischen Zeit. Er war einfach unbeschreiblich dankbar dafür, dass Ginny an seiner Seite war, egal was auch bisher passiert war. Das kostbarste Geschenk, das ihm jemals gemacht worden war. Langsam ließ sich Harry zurücksinken. Ginny lag an seiner Schulter, das Gesicht entspannt und friedlich.
„Nichts und Niemand wird uns je auseinander bringen.“, flüsterte er ihr ins Ohr, aber da zeigten ihm die langsamen, regelmäßigen Atemzüge bereits, dass sie schon eingeschlafen war. Lächelnd schloss auch Harry die Augen, wissend heute ohne plagende Alpträume schlafen zu können.

Harry wurde am nächsten Morgen vom ersten Sonnenstrahl geweckt, der durch das Fenster fiel. Das weite blaue Auge des Himmel blinzelte zu ihm hinab, ungetrübt von Wolken oder Dunst. Eine sanfte Frühlingsbrise bauschte die Vorhänge auf und formte aus ihnen bizarre, flüchtige Kunstwerke. Es gab soviel Schönes auf der Welt, Schönes, das immer Bestand haben würde, egal ob ein Schatten darüber fallen würde. Eigentlich waren sie alle nur ein flüchtiger Lidschlag für diesen Planeten, aber in ihrer Zeit gab es etwas, dass sie verändern und bewirken konnten.
Lächelnd strich Harry Ginny eine Haarsträhne aus dem Gesicht. So sah sie friedlich und sorglos aus, einfach unbeschwert von Krieg, sowie der allgegenwärtigen Furcht.
„Dafür kämpfe ich.“, formten seine Lippen, ohne dass Worte sie verließen. „Dafür, dass sie immer so leben kann und mit ihr jedes Wesen dieser Welt.“
Noch hatte der Schatten keine Macht über sie beide. Es war ihre Entscheidung sich gegen ihn zu stellen, aus Pflicht – und Verantwortungsgefühl heraus. Die Kraft, die in ihm herangewachsen war konnte Leben retten, also musste er sie auch verwenden.
„Was machst du so früh am Morgen nur für ein Gesicht?“, murmelte Ginny leise.
„Du bist wach?“
„Ja schon eine Weile, während du noch geschlafen hast.“, meinte sie grinsend und blickte durch das Fenster in den blauen Himmel hinauf.
„Ja ein schöner Morgen, aber nicht unbedingt schöne Gedanken.“, ächzte Harry, während er sich auf die andere Seite drehte.
„Ich werde einige Gedanken und Erinnerungen auch nicht mehr los. Sie verfolgen mich, aber noch hoffe ich, dass alles ein gutes Ende haben wird.“, gab Ginny zurück und zeichnete mit ihren Fingern die Konturen von Harrys Gesicht nach.
„Diese Hoffnung werden wir nie verlieren, weil auch unsere Freunde und Gefährten sie immer im Herzen behalten werden. So wie wir ihnen Kraft und Mut geben, so kriegen wir beides auch zurück.“, antwortete Harry lächelnd und küsste sie.
„Was wäre nur gewesen, wenn wir uns nie getroffen hätten?“
„Dann wäre Harry Potter nicht weit gekommen.“, gestand er ein. „Ich bin froh, dass ihr alle bei mir seid.“
„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie es anders hätte kommen können. Es ist das Leben, was ich immer wollte, was ich mir gewünscht habe. Etwas zu bewirken, Teil einer großen Sache zu sein, statt einfach nur vor mich hin zu leben.“, sprach Ginny und Harry spürte, das diese Worte tief aus ihrem Herzen kamen. Es war einfach zu lange her, dass sie mal wieder Zeit für sich hatten. Er genoss es einfach nur hier neben Ginny zu liegen, die Sonnenstrahlen sein Gesicht streicheln zu lassen und alles andere zu vergessen. So kurz dieser Moment auch war, soviel neue Kraft gewann Harry dadurch.

Mit dem Licht des neuen Morgens war auch das Leben in das gewaltige Zeltlager zurückgekehrt. Nur wenige Zauberer hielt es in ihren Behausungen und Hogwarts ähnelte nun vielmehr einem gewaltigen Bienenstock. Die Sonne brannte vom Himmel, aber selbst ihre Kraft reichte nicht aus den Morast, in den sich die Wiese verwandelt hatte zu trocknen. Sofort als Harry die Treppe hinab gestiegen war bestürmten ihn wieder neugierige Zauberer mit unzähligen Fragen, auf die selbst er keine Antwort wusste. Gefährlich waren die unzähligen haarsträubenden Gerüchte, die nun im Umlauf waren. Viele der Neuigkeiten, mitgebracht von den vielen Flüchtlingen, von denen jeden Tag mehr nach Hogwarts kamen, bestanden aus Halbwahrheiten, die ausgeschmückt, von jedem, der sie weitererzählte, einen gefährlichen Cocktail aus Angst und Hoffnungslosigkeit darstellten.
Es dauerte etwas, bis Harry, Hermine, Ron und Ginny einen Platz in der großen Halle gefunden hatten. Die Hauselfen waren fast den ganzen Tag damit beschäftigt ausreichend Verpflegung für die hungrigen Zauberer und Hexen bereitzustellen, die das Schloss nun bewohnten. Die Halle war erfüllt von dem Gemurmel hunderter Stimmen, dem Lachen von Kindern und den Schreien von Posteulen, die fortwährend Briefe an ihren Bestimmungsort brachten.
Harry saß neben Ginny und Ron am Ende des Gryffindor Tisches. Unangenehm war er sich der vielen Blicke bewusst, die ihm zugeworfen wurden. Sah er auf wandten sich viele ruckartig wieder ihrem Essen zu.
„Mach dir nichts draus Harry. Für sie bist du ihr Held.“, meinte Hermine leise, die sich über den Tisch zu ihm herüber gebeugt hatte.
„Ja, aber es erinnert mich an früher.“, antwortete Harry, als er seinen Gabelbissen Rührei hinunter geschluckt hatte.
„Du meinst mit den ganzen Hausaufgaben und den ganzen Aufsätzen?“, fragte Ron und verdrehte die Augen. „Das ist alles so verdammt weit weg.“
„Bevor ihr gänzlich in Nostalgie versinkt schaut lieber mal, wer da gerade in die Halle kommt.“, bemerkte Ginny mit einem Nicken zum Eingang der Großen Halle hin. Langsam, schwer auf einen Stock gestützt und in Begleitung von Madam Pomfrey schlurfte Snape hinein. Sein Gesicht war blass, eingefallen und wirkte wächsern, was seine Züge merkwürdig maskenhaft erscheinen ließ. Vorsichtig setzte er sich an einen der wenigen freien Plätze in der Nähe des Eingangs.
„War ja klar, dass es ihm wieder gut geht.“, knurrte Ron und starrte Severus aus zusammengekniffenen Augen an.
„Wir sollten froh sein, denn sein Wissen hat uns in der Vergangenheit schon oft geholfen.“, sprach Hermine beschwichtigend.
„Aber für mich wird er immer ein Verräter bleiben, egal wie oft er uns noch helfen wird.“, entgegnete Ron mit einem letzten, tödlichen Blick zu Snape hin.
„Wir werden in den bevorstehenden Tagen jeden Zauberstab, jede Hilfe brauchen um sie zu überstehen.“, flüsterte Harry, damit niemand anderes seine Worte hören konnte. Die Menschen waren schon beunruhigt genug und er wollte ihnen nicht den letzten Funken Hoffnung und Mut nehmen. Es war wichtig, dass sie einig zusammen standen. Nur dann würden sie eine letzte Chance haben den Feind zu besiegen.
„Severus hat versucht uns zu helfen und niemand von uns kennt ihn richtig. Wer weiß was ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er geworden ist. Wenn ich ihn ansehe habe ich irgendwie Mitleid mit ihm, denn er hatte nie wahre Freunde und seine einzige Zuflucht war die Einsamkeit und der Schutzwall aus Arroganz und Herablassung, den er um sich aufgebaut hat.“, meinte Ginny nachdenklich, den Blick auf ihren ehemaligen Lehrer gerichtet, der tief über seine Schüssel gebeugt da saß, aus der er vorsichtig Suppe löffelte.
„Ich habe kein Mitleid mit ihm. Er hat gekriegt was er verdient.“, murrte Ron, bevor er weiter griesgrämig sein Frühstück in sich hinein schaufelte.
Harry blickte Ginny nachdenklich an, bevor er sich wieder dem ehemaligen Todesser zuwandte. Er glaubte nicht, dass der alte Schulkamerad von seinen Eltern wirklich so abgrundtief böse war, wie Ron und er früher geglaubt hatten. Jetzt nicht mehr. Mit seinem verborgenen Wissen hatte er ihnen geholfen, auch wenn stets die Kluft zwischen ihnen bestehen geblieben war.
Als hätte Severus seinen Blick gespürt sah er von seiner Schüssel auf. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren von dunklen Ringen umgeben. Harry suchte vergeblich nach einer Regung in dem Gesicht seines ehemaligen Lehrers. Nur die Augen schienen kurz aufzublitzen, in einem Moment der Dankbarkeit, vielleicht auch der Reue, kürzer als ein Lidschlag. Snape senkte seinen Blick wieder hinab in die dampfende Suppe.
Der Meister der Tränke war von etwas berührt worden, das an niemandem spurlos vorüber gehen konnte: Dem Feuer eines Phönix. Es schien die eisige Barriere um seinen Geist geschmolzen zu haben, die er so lange Schicht um Schicht immer weiter verstärkt hatte. Bestimmt hatte der Phönix tief in Snapes Herz geblickt und den wahren Menschen darin erkannt. Ja und irgendwie hatte Harry auch Mitleid mit dem Schicksal, das Severus zu Teil geworden war.
„Harry du träumst schon wieder.“, meinte Hermine grinsend.
„Nein, ich habe nur nachgedacht.“, erwiderte Harry leise und wandte sich wieder seinem Frühstück zu.
„Ist dir deswegen der Kürbissaft auf den Umhang gelaufen?“, fragte Ginny verschmitzt mit kaum verhaltenem Lachen.
Einen Moment verwirrt blickte Harry auf den Krug in seiner Hand, der mit schwerer Schlagseite langsam seinen Inhalt auf den Umhang verteilte.
„Öhm...“, machte Harry, bevor die Flüssigkeit nach einem Schlenker seines Zauberstabes wieder verschwand. „Das äh... kann schon mal passieren.“
„Ja... mir auch ständig.“, gab Ginny lachend zurück, bevor sie übergangslos wieder ernst wurde. Die fröhliche Stimmung passte irgendwie nicht in die düstere zeit, die sie alle nun erlebten. Jedes Lachen oder Kichern wirkte falsch, deplaziert und künstlich. Es war zur Schau getragene Gelassenheit, um sich selber zu betrügen, weil die Realität einfach zu schrecklich war. Nur je näher die schwarze Flut heran rückte, desto klarer wurde es, bis niemand mehr die Augen vor der Wahrheit verschließen konnte.
Alles, was sie konnten war warten, warten auf das Unvermeidliche, das Ende aller Dinge. Zug um Zug rückten die Figuren in diesem grausamen Spiel vor, bis die finale Runde angebrochen war.

Harry ging ziellos durch das Schloss, einfach nur um den Menschen zu zeigen, dass sie nicht alleine waren. Er sprach ihnen Hoffnung und Mut zu, eine Zuversicht, die er nicht teilte. Ein schäbiges Gefühl machte sich in ihm breit, als würde er Lügen verbreiten, statt Trost zu spenden. Vor ihm standen Leute, die alles verloren hatten, außer das, was sie am Leib trugen. Ihr Hab und Gut war vom Krieg verschluckt worden. Sie sollten noch weiter kämpfen? Es war ihr gutes Recht umzukehren, sich zu verstecken, wahrscheinlich ihre einzige Möglichkeit zu überleben und doch taten sie es nicht. Und das nur seinetwegen. Vielleicht war er Retter und Henker zugleich. Betrog er sie oder führte das Symbol Godric Gryffindors, des großen alten Streiters für die Gerechtigkeit sie in den Sieg?
Ohne, dass Harry es gemerkt hatte, hatten ihn seine Füße hinab zum See getragen, vorbei an den Grabmählern, die im Licht der einsetzenden Abenddämmerung rötlich im Licht der Sonne zu glühen begannen. Es war ein gespenstischer Anblick, wie sich der weiße Marmor langsam rot färbte, blutrot. Schaudernd wandte er sich ab. Vom Steg aus, der ein Stück auf den See hinaus führte, starrte er in die klaren schwarzen Wasser des Sees. Tief hinab glitt sein Blick hinein in das dunkle Nichts.
Das Knarren von Holzbrettern hinter ihm riss ihn vom Anblick seines eigenen Spiegelbilds los. Einige kleine Kinder betrachteten Harry schüchtern aus großen Augen. In den Händen hielten sie kurze Stöcke, Zauberstäbe mit denen sie sich in imaginären Kämpfen duelliert hatten.
„Na, was wollt hier so weit weg von euren Eltern?“, fragte Harry lächelnd und ging auf die angehenden Zauberer und Hexen los.
Unsicher blickten sich die Kinder an, bis ein Junge mit schlammbespritztem Gesicht, stolz antwortete: „Wir haben gegen die bösen Zauberer gekämpft.“
„Und wer hat gewonnen?“
„Du natürlich. Du hast den großen schwarzen Zauberer mit einem großen Feuerball versengt und uns alle gerettet!“, rief der Junge triumphierend und die anderen Kinder stimmten in den Jubel ein. Lächelnd erkannte Harry die Zuversicht in den Gesichtern der Kleinen. Für sie gab es keinen Zweifel daran, wer gewinnen würde. Sie waren in ihren Köpfen weit weg von Tod und Zerstörung. Noch war es ein Spiel, zum Vergnügen bestritten.
Irritiert stellte Harry fest, dass ein kleines Mädchen sich nicht an dem Freudentanz ihrer Kameraden beteiligte. Traurig blickte es nur zurück zum Schloss und dem Zeltlager.
„Hey du.“, sprach Harry das Mädchen an und ging vor ihr in die Hocke. Erschrocken zuckte es zusammen und betrachtete ihn aus großen Augen. „Warum das traurige Gesicht?“
„Weil...“ Sie zögerte und um sie herum wurde es wieder still. Gespannt, als handle es sich um eine spannende Geschichte, hörten die anderen zu. „Ich habe gestern gehört, wie mein Papa zu meiner Mama sagte, als er glaubte, dass ich es nicht hören würde, dass du uns nicht retten kannst. Er sagte, es sei hoffnungslos.“
Bestürzt richteten sich die Augenpaare der Kinder auf ihn. In ihren Gesichtern spiegelte sich Furcht, aber auch ein fast flehender Ausdruck. Es war eine stumme Bitte er möge die Worte ihrer Freundin lachend zurückweisen, aber auch ein instinktives Wissen, dass ihr unbeschwertes Leben vielleicht bald ihrem schlimmsten Alptraum weichen würde.
Harry legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter. „Hoffnung gibt es immer, solange wir an uns selber glauben und dicht zusammen stehen.“, sprach er leise aber bestimmt.
„Wir glauben an dich.“, stotterte ein kleiner Junge schüchtern.
„Ja! Du vertreibst die bösen Magier!“, rief ein weiterer. Bald tobten die Kinder in einem wilden Tanz durcheinander.
„Nun ist aber gut. Los zurück zu euren Eltern.“, forderte Harry sie lachend auf. Etwas enttäuscht, aber wieder frohen Herzens liefen sie zum Zeltlager hinüber, dessen Zeltplanen wie Gold in der Abendsonne glitzerten. Nur wenige Wolken trübten den Himmel, der im Osten langsam das Dunkelblau der Nacht annahm. Ein erster Stern glimmte matt über den Bergen, gewann aber mit jeder Minute an Leuchtkraft.
„Du verstehst es ihnen Mut zu machen, uns allen.“, meinte eine weiche Stimme zu seiner linken. Es war Verity, die am Ufer des Sees stand, in einen dunklen Umhang gehüllt, der sich kaum vom Schatten unter den Bäumen abhob.
„Ich habe das Gefühl sie belogen zu haben.“, murmelte Harry matt. Er fühlte sich ausgelaugt, als hätte ihm jemand seine ganze Energie geklaut.
„Das hast du nicht.“, entgegnete die junge Magierin und schritt langsam über die Bohlen des Steges auf ihn zu. Ihr schwarzes Haar glänzte im Licht und die milde Brise bauschte es auf und spielte mit den einzelnen Strähnen. Es umrahmte ihr Gesicht wie eine Wolke seidiger Dunkelheit. „Du hast ihnen das Richtige gesagt, ihnen Mut gemacht und ihre Herzen mit Hoffnung erfüllt. So etwas ist niemals falsch.“
„Ich teile diese Hoffnung nur nicht. Vielleicht sind es ihre Eltern, die sterben werden und sie werden sich fragen wofür sie gestorben sind. Für mich, für jemanden, der in ein riesiges Abenteuer hinein gestolpert ist und nur durch Glück alles überlebt hat, wenn ich die nächsten Tage noch erlebe.“, sprach Harry bitter und schlug mit der Faust gegen die Brüstung des Steges. Das alte morsche Holz knackte unter der plötzlichen Belastung.
„Diese Worte zeigen doch, dass du Anteil an dem Schicksal jedes Lebewesens hier nimmst. Du glaubst an ihre Kraft, ihren Mut und sie vertrauen auf deine Kraft und dein Geschick ihr Schicksal zu lenken. Der Glaube hat jeden hier vereint unter einer Flagge. Du warst es doch, der gesagt hat, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur zusammenhalten.“, entgegnete Verity und lehnte sich neben ihm an das Geländer. Einen Moment betrachtete sie forschend Harrys Gesicht, dann wandten sich ihre Augen wieder dem Zeltlager zu. Sie strahlte etwas geheimnisvolles, unnahbares aus. Harry wurde das Gefühl nicht los, dass sie mehr verband, als sie zugegeben hatte. Unter den dunklen, geschwungenen Brauen blitzte es schelmisch auf, als Verity seinen Blick bemerkte.
„Es plagen mich einfach Zweifel, ob ich das richtige tue.“, meinte Harry unsicher.
Die junge Zirkelmagierin schwieg einen Moment, als würde sie ihre nächsten Worte genau abwägen. „Sieh einfach nur dort herüber Harry.“, forderte sie ihn auf. Mit einer weiten Handbewegung schloss Verity ganz Hogwarts und die Ländereien in ihre Geste ein. „Du hast die Antwort vor dir. Du hast es geschafft die Zaubererwelt wieder zu vereinen, tiefe Schluchten zwischen den Rassen zu überbrücken. Sie folgen dir, denn du bist ihre Fackel der Hoffnung. Selbst Merlin hat es erkannt und dich für diese Aufgabe erwählt.“
Harry folgte ihrer Geste, betrachtete das Schloss, in dessen Fenstern langsam die Lichter von Kerzen aufleuchteten, das Lager im letzten Licht des Tages, den unablässigen Strom von Zauberern, Hexen, Elfen und Kobolden durch die große Pforte von Hogwarts. Ein ständiges Kommen und Gehen, wie in den Zeiten, da all dies Teil einer Schule war statt eines Heerlagers. Langsam legte sich der Schatten der Nacht über See und Tal. Wie Perlen auf einem samtig schwarzen Kissen funkelten mehr und mehr Sterne am Firmament, Augen weit entfernter Welten, unberührt vom Schicksal der Erde. Leise gluckerten unter dem Steg das Wasser gegen die Pfeiler und eine seichte Brise spielte mit dem neuen hellgrünen Laub der Bäume.
„Danke, ich denke ich habe verstanden.“, sprach Harry leise, als wolle er die Laute der Natur nicht mit dem Klang seiner Stimme überdecken. Die junge Magierin neben ihm schwieg, aber irgendwie spürte Harry, dass sie lächelte. Kurz legte sie ihm als Antwort eine Hand auf den Arm, dann entfernten sich ihre Schritte. Er sah der schlanken Gestalt nach, die langsam mit den Schatten verschmolz, bis sie verschwunden war. Eine kurze Böe riss die letzten Laute ihrer Schritte hinfort. Er war alleine. Alleine mit dem Kunstwerk des Lebens, dass um ihn herum errichtet worden war, ein Werk, das niemals schlafen würde. Schade, dass er diesen Moment jetzt mit niemandem zu teilen vermochte, aber sein herz sog diese Kraft auf. Aus der Ferne drangen Stimmen aus dem Zeltlager zu ihm herüber. Der Augenblick verging, wie eine flüchtige Wolke, die vom Wind hinfort getragen wurde und niemals mehr wiederkehrte. Ein Juwel, für immer verloren, aber doch Teil des ewigen Kreislaufs dieser Welt.

Der nächste Tag begann mit einem Morgen wie eine dunkle Abenddämmerung. Braune Wolken aus giftigem Brodem bedeckten den Himmel und verschlangen das Sonnenlicht in ihren aufgequollenen Leibern. Der Wind aus dem Süden trug sie heran, gefolgt von einem kriechendem Schrecken, der unaufhaltsam näher rückte. Die Sonne kroch langsam und träge über die Spitzen der Berge, war aber nur ein Punkt von kaum nennenswerter Leuchtkraft. Harry fröstelte, aber es war nicht die Luft, sondern die Kälte aus dem unnatürlichen Anblick am Himmel, die in seine Seele kroch.
„Sie kommen, heute Nacht sind sie da.“, murmelte Lupin, der seinen alten, geflickten Mantel enger um die Schultern zog.
Ginny ergriff Harrys Hand, die sich um das eiserne Geländer gekrampft hatte. Ihm kam es vor, als könnte er die Wolken fast mit der Hand ergreifen, so tief drückten sie vom Himmel herab. Sie standen auf dem Astronomieturm, den Blick in die Schwärze im Süden gerichtet. Die Dunkelheit schien sich nicht zu bewegen, aber immer, wenn er einen Moment nicht dorthin geschaut hatte war sie ein Stück näher heran gekrochen.
„Was sollen wir nun tun?“, fragte Ginny leise. Harry legte ihr einen Arm um die Schulter und drückte sie an sich.
„Lasst sie kommen. Wir werden sie erwarten und ihnen zeigen, dass sie unseren vereinten Kräfte niemals besiegen können.“, antwortete Harry entschlossen. Bei dem Anblick, wie das Land unter der unnatürlichen Dunkelheit aufstöhnte erfasste ihn keine Furcht, sondern nur eine schleichende Wut, die mit jedem Augenblick stärker wurde. Die Eisernen rissen mit ihren Klauen tiefe Wunden in das Erdreich, aber bald würde dies ein Ende haben.
Niemand hielt sich freiwillig unter freiem Himmel auf. Nur wenige Zauberer gingen zwischen den Zelten umher, aber nur um schnellen Schrittes im Schloss verschwinden zu können. Ron nagte nervös an seiner Unterlippe, während sein Blick forschend über die Berge in der Ferne glitt. Der wunderschöne Frühlingstag von gestern war einem finsteren Alptraum gewichen, der sich mit jedem Augenblick weiter verdunkelte.
„Jedenfalls wissen wir, wann er kommt.“, meinte Hermine, die sich immer wieder mit ihren Fingern durch die Haare fuhr. Der Schatten erfüllte seinen Zweck, denn niemand konnte sich ihm entziehen. Er verdüsterte die Herzen der Menschen und nur das war wichtig für den Feind. Sie sollten ohne Licht, ohne Hoffnung in der Finsternis umher irren, bis die Bestien der Nacht über sie herfallen konnten.
„Lasst euch nicht vom Schatten täuschen, denn er soll nur die Schwächen des Feindes verbergen.“, sprach Nicolas, der völlig unbeeindruckt, die Arme verschränkt, hinter ihnen stand. „Einer der ältesten Tricks, die es gibt.“
„Ja, aber unheimlich ist es trotzdem.“, erwiderte Ginny. „Und...“ Ihre Worte gingen in ohrenbetäubendem Donner unter. Das gleißende Licht herabzuckender Blitze löschte jede Farbe der Natur aus. Sie befanden sich in einer Szenerie aus strahlender Helligkeit und schwarzem Schatten. Harry kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen, aber trotzdem schmerzte das Licht in den Augen. Über ihm verästelten sich die Blitze in den Wolken, schnitten wie glühende Schwerter durch das Firmament.
„Verflucht.“, knurrte Ron, bevor er wie ein Schlafwandler mit voraus gestreckten Armen die Tür zur Treppe suchte. Harry folgte ihm mit gesenktem Kopf um wenigstens etwas Schutz vor der gnadenlosen Helligkeit zu finden. Seine Ohren dröhnten in einem beständigen, tiefen Ton und vor seinem Blick trieben zerfaserte Inseln aus grünlichem Licht, als sie endlich alle das rettende Treppenhaus erreicht hatten.
„Das ist kein irdisches Wetter.“, meinte Lupin kopfschüttelnd und schloss die schwere, mit Eisen beschlagene Bohlentür. Das schwere Schloss rastete mit einem Klicken ein, keine Sekunde zu früh.
Krachend schlugen die ersten Blitze in den höchsten Turm des Schlosses ein. Selbst durch die Tür hindurch spürte Harry den Hauch der entfesselten Hitze, wie einen feurigen Drachenodem. Halb geschmolzene Gesteinssplitter prasselten gegen die Tür, bohrten sich in das Metall und versengten das alte, steinharte Holz. Erste Rauchschwaden trieben unter dem Türschlitz hindurch, schwarz, zäh und ölig.
„Welch nette Überraschung.“, zischte Nicolas ärgerlich und strich sich die wenigen Haare wieder glatt. „Diese übertriebene Demonstration seiner Macht war höchst unwillkommen.“
„Aber es muss ihn viel Kraft kosten, um so besser für uns.“, bemerkte Harry, während sie alle vorsichtig die Wendeltreppe hinunter stiegen. Noch immer erschütterte grollender Donner das Schloss in seinen Grundfesten. Eine Kraft, so gewaltig wie die Schöpfung selbst.
„Wenn ich es nicht wüsste, könnte ich nicht sagen, ob es Morgen oder Abend ist.“, meinte Ron, als sie an einigen hohen Fenstern vorbei gingen, durch die sie einen Blick auf das Unwetter werfen konnten. Die Sonne war nun gänzlich hinter dunklen Wolkentürmen verschwunden. Das einzige Licht in der Welt stammte von den prasselnden Blitzen, die ununterbrochen den Himmel zerschnitten.
Die Große Halle war voller Menschen, als die kleine Gruppe eintrat. Wirres Stimmengemurmel erfüllte den riesigen Raum, dessen Decke ein unheimliches Spiegelbild des Himmels darstellte. Wildes Flackern tauchte die Szenerie in ein unheimliches Geisterlicht, das die Gesichter der Anwesenden zu ausdruckslosen Masken werden ließ. Vielerorts reckten Zauberer die Hände flehend, wenn nicht gar klagend zum Himmel, oder schrien wild durcheinander. Der magische Sturm hatte sein Ziel erreicht. Hogwarts war gekrönt von Blitzen, die den Menschen die Hoffnung nahmen und den letzten Funken Mut zum erlöschen brachten.
„Ruhe!“, donnerte Nicolas, den Zauberstab an seine Kehle gelegt, damit seine Stimme um ein Tausendfaches verstärkt, selbst das dumpfe Grollen des Gewitters übertönte. Es wurde augenblicklich still, nur das Toben des Sturms hinter den meterdicken Mauern des Schlosses sickerte in die Ruhe hinein. Sämtliche Blicke richteten sich auf die in dunkle Umhänge gehüllten Gestalten unter dem gewaltigen Torbogen. Viele Zauberer und Hexen stiegen sogar auf die langen Tische, um besser sehen zu können.
„Seht euch an, wie ihr zusammengekauert in der Halle hockt, wie verschreckte Kinder!“, rief der Zirkelmagier grollend. „Dabei solltest ihr nach draußen laufen und lachen, bei diesem lächerlichen Versuch euren Mut, eure Standhaftigkeit zu brechen! Nur weil euch jemand seine Macht beweist schuldet ihr ihm keine Demut, keine Ehrfurcht!“
Betretenes Schweigen setzte ein. Blicke richteten sich zu Boden, oder suchten schüchtern die Augen anderer. Niemand sprach ein Wort, angesichts des Zauberers, der mit erhobenen Händen vor dem Pult stand, an dem normalerweise immer der Direktor von Hogwarts seine Ansprachen hielt. Es kam Harry vor, als züchtige Nicolas eine Horde ungezogener kleiner Erstklässler, die gegen eine Regel verstossen hatten.
„Aber wie sollen wir einen so mächtigen Gegner besiegen? Sollen wir einfach hinaus gehen und uns von seinen Kreaturen abschlachten lassen?“, fragte plötzlich ein großer bärtiger Zauberer, dessen Umhang an vielen Stellen angesengt war. Rüde drängelte er sich nach vorne und starrte Nicolas herausfordernd an. Seine Augen blitzten im Licht kampflustig auf.
Der Zirkelmagier senkte langsam den Blick zum Sprecher herab, bevor er antwortete: „Ich bin kein großer Krieger, aber zu uns steht derjenige, der schon mehr als einmal dem Feind die Stirn geboten hat!“
Harry starrte ihn an. Nicolas deutete mit einer einladenden Geste zu ihm, aber er registrierte es nicht. Ron schob ihn an der Schulter nach vorne, widerwillig taten seine Füsse einen Schritt in Richtung des Pultes.
„Los!“, zischte Hermine hinter ihm.
Wie in Trance tappte er nach vorne, Tausende Augenpaare folgten seinen, wie er dachte, sehr unbeholfenen Schritten.
„Komm rüttel sie wach, wenn es jemand kann, dann du.“, flüsterte Nicolas, als er dessen Platz auf dem Podest einnahm.
Harry schluckte schwer. Am liebsten würde er in diesem Moment ganz alleine gegen die Armee des Feindes antreten. „Du fragst, wie wir einen so mächtigen Gegner besiegen können.“, wiederholte er die Frage des Zauberers. Auch seine Stimme hallte wie mit einem gewaltigen Dröhnen von den Wänden wider. „Ihr habt Angst vor dem, was euch erwartet! Furcht vor Schmerz und Tod, auch ich teile diese Gefühle mit euch.“ Nachdem er die ersten Worte gesprochen hatte sprudelten sie wie von selbst aus ihm heraus. Harry sprach das aus, was er selber glaubte, wofür er kämpfte, immer und immer wieder.
„Aber ich lasse mich nicht von ihnen beherrschen! Sie sind der Schlüssel für unseren Sieg, der Grund warum wir kämpfen! Hinter dieser schwarzen Wolke verbirgt sich unser Feind, seine Bosheit, seine Bestien und sein Wille uns alle zu vernichten. Bloße Gier nach Macht treibt ihn an, die Gier alles und jeden zu beherrschen! Angst und Schrecken sind seine Werkzeuge, aber ohne sie kann es auch keinen Mut geben! Und unser Mut ist der einzige Wall, der die nahende Flut noch aufhalten kann. Bricht er gibt es niemanden mehr, der sie noch aufhalten kann. Wir kämpfen nicht für uns, sondern für unsere Zukunft und die unserer Kinder, die an fest an uns glauben, die immer hoffen werden. Lassen wir uns von ihrer Hoffnung tragen.“ Harry hielt kurz inne und blickte in die Gesichter der Menschen, die zu ihm empor sahen, suchte die Kinder, die ihm gestern begegnet waren. „Irgendwann wird der Tag kommen, an dem unsere Welt tosend untergeht, aber nicht heute Nacht! Heute Nacht werden wir dem Feind die Stirn bieten, seine Diener erzittern lassen und ihm zeigen, dass niemand unsere Kraft zu brechen vermag!“ Die letzen Worte hatte geschrien. Schwer atmend blieb er am Pult stehen, wartete, hoffte auf ein Zeichen, eine Regung der Menschen. Sekunden vergingen, für Harry dehnten sie sich in die Ewigkeit.
Ein Jubelschrei, ein zweiter, dann brach ein Sturm über ihn herein, lauter und gewaltiger, als er jemals gedacht hatte. Sogar stärker als das Unwetter über den Zinnen von Hogwarts, das auf einmal merkwürdig blass und schwach wirkte. Es hatte seinen Schrecken verloren. Dieser war vom Jubel hinweg gefegt worden, bis er im Staub unter den Füssen der Zauberer und Hexen verrann.
„Heute kämpfen wir, für alles was uns teuer ist auf dieser Welt!“, rief Harry noch einmal über den Jubel der Menge hinweg. Die breitkrempigen Hüte flogen in die Luft, zu duzenden, dann hunderte. Eine Welle der Euphorie, die sich selber Nahrung gab, bis sie alles hinfort spülte, was ihr im Wege stand.
Harry trat vom Pult zurück. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit, grenzenlose Freude, vermischt mit einer größer werdenden Sorge. Langsam bahnte er sich einen Weg durch die feiernden Zauberer, ohne sie richtig zu bemerken.
„Du hast es geschafft Harry!“, jubelte Ginny und fiel ihm um den Hals. Ihr plötzliches Gewicht brachte ihn einen Moment ins Stolpern.
„Ja!“, meinte Harry, der gerade erst die Bedeutung dieses Augenblickes zu begreifen begann. Sein Weg näherte sich seinem Ziel, heute würde sich die Zukunft seines Schicksals vor den mauern des Schlosses entscheiden. Keine Flucht mehr, kein Zögern, kein Hadern. Es war entschieden, endgültig, unwiderruflich.
„Wir stehen dir zur Seite, bis zum Ende.“, sprach Ron und klopfte ihm auf die Schulter.
„Hoffen wir, dass es ein gutes Ende wird.“, erwiderte Harry ernst, dann löste er sich von der Gruppe.
„Wo willst du hin?“, fragte Hermine verwirrt mit einem Blick auf die noch immer jubelnden Massen.
„Was schon, mich auf die Schlacht vorbereiten, denn jetzt ist Zeit und Ort entschieden.“ Traurig wandte er sich ab. Es würde Blut fließen, vielleicht sogar das seine. Die Bilder aus der Vision drangen wieder wie durch dichten Nebel in sein Bewusstsein, trieben in seinen Gedanken umher. Was, wenn er die Rüstung gar nicht anlegte? Konnte man das Schicksal betrügen, oder täuschte man nur sich selbst. Erfüllte sich die Prophezeiung selber, indem sie so handelten, wie die Bilder es ihnen gezeigt hatten.
Ginny schritt neben ihm die Treppe empor, die ihm plötzlich endlos vorkam. Ihre rehbraunen Augen betrachteten voller Sorge sein Gesicht, suchten seinen Blick, aber er starrte nur stur auf die Stufen vor ihm. Zu viele Gedanken füllten seinen Geist und auch eine schleichende Angst um sein eigenes Leben. Früher hatte Harry nie wirklich davor Angst gehabt zu sterben, aber nun wurde er auf brutalste Weise damit konfrontiert.
„Harry, jetzt bleib doch mal stehen!“, forderte ihn Ginny ärgerlich auf. „Denkst du, dass es uns weiterhilft, wenn du dich einfach zurückziehst?“
Harry blickte nachdenklich auf. „Nein, eigentlich nicht.“, gestand er und blieb stehen. „Nur bewege ich mich unaufhaltsam auf das Ende zu, egal wie es aussehen wird.“
„Das tun wir alle, Harry.“, meinte sie sanft. „Aber wir sind dabei nicht alleine, deswegen schüttel den Schatten ab, der dich berührt hat und blicke weiter hoffnungsvoll nach vorne.“
Harry straffte die Schultern. „Ja, so wie zuvor auch.“, sprach er kraftvoll und ergriff ihre Hand, bevor sie zusammen ihren Weg fortsetzten.

Das goldene Metall von Godric‘s Rüstung glänzte im flackernden Kerzenlicht, als wäre es geschmolzen. Mit den Fingern fuhr Harry über den Brustpanzer und zog die feinen Gravuren nach, die das Kunstwerk verzierten. Noch wenige Stunden, dann würde er in diesem Harnisch auf den Schlachtfeld stehen. Ein merkwürdiges Gefühl, machte sich in ihm breit, als Harry klar wurde, dass er ein Werkzeug des Krieges vor sich hatte. Einst von Godric Gryffindor getragen, war es nun ihm bestimmt sie anzulegen, eigentlich ein ermutigender Gedanke.
„Ich hätte nie gedacht, dass sie so schön ist.“, hauchte Ginny ehrfurchtsvoll.
„Und doch schützt sie ihren Träger, aber auch nicht vollständig.“, murmelte Harry als Antwort. Der Abend war gekommen und mit ihm die Front der schwarzen Wolken, die nun genau über dem Schloss schwebten. Im Tal von Hogsmeade glitzerten die Lichter der Fackeln, die eine Schneise der Zerstörung auf ihrem Weg von London hierhin gezogen hatten. Ein namenloses Grauen lauerte in der Finsternis, bereit zum Sprung.
„Harry, du wirst das Übel besiegen, daran habe ich keinen Zweifel.“, flüsterte Ginny und küsste ihn zärtlich auf die Wange. „Ich liebe dich und werde immer bei dir sein, deswegen gibt es nichts, was uns auseinanderbringen kann.“
Harry drehte sich zu ihr um. Sie lächelte ihn an, ganz offen, ohne jede Furcht vor dem was noch kommen mochte. Der goldene Glanz der Rüstung spiegelte sich in ihren Augen, die nun schimmerten wie geschmolzene Edelsteine. Das rote Haar warf einen sanften Schatten auf ihre Züge und verlieh ihrem Gesicht etwas geheimnisvolles. Harry empfand eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass sie den ganzen steinigen Weg mit ihm zurückgelegt hatte. Zusammen waren sie über die stürmische See des Schicksals gesegelt und nun näherten sie sich einem neuen, grünen Land unter einer rasch aufgehenden Sonne, doch die höchsten Wellen bauten sich gerade erst vor ihnen auf.
„Egal, was heute Nacht geschehen wird, wir bleiben für immer zusammen, hier drinnen.“, sprach Harry leise und legte sich eine Hand aufs Herz.
„So wie du es sagst, klingt es, als würdest du nie wieder zurückkehren.“, meinte Ginny und eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel die Wange hinab, ein Tropfen Gold, der mehr sagte, als alle Worte.
„Ich kann versuchen zu leugnen, dass der Tod auf mich warten könnte, oder es annehmen, ihm furchtlos entgegentreten, statt vor ihm zu fliehen. Ich nehme mein Schicksal an, denn der Tod ist ein Weg, den wir alle gehen müssen, ob nun im nächsten Augenblick oder erst in Tausend Jahren.“, erklärte Harry ruhig, während er ihr die Träne von der Wange wischte. Ihre Haut fühlte sich warm, fast fiebrig an.
„Aber eine Erinnerung an dich würde mir nicht reichen Harry! Wenn du weg bist, wie sollte ich dann leben?“, schluchzte sie, versuchte krampfhaft nicht zu weinen, aber es gelang ihr nicht. Zärtlich zog Harry sie in seine Arme, hielt sie fest an sich gedrückt. Noch konnte er ihr Trost spenden.
„Wir dürfen jetzt bei solchen Gedanken verweilen. Wir müssen nur füreinander dasein, denn darin liegt unsere Kraft. Unsere Liebe ist unsterblich.“, hauchte ihr Harry ins Ohr. Langsam entspannte Ginny sich wieder, aber ihre Züge spiegelten deutlich das Chaos der Gefühle wider, die in ihr tobten. Es musste so unendlich schwer für sie sein ihn ziehen zu lassen. Hinein in eine Zukunft, von der sie einen kleinen Ausschnitt gesehen hatten, mit einem einzigen, fatalen Blick.
„Ich liebe dich.“, flüsterte Harry, dann trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss, der ihre Gefühle besser zeigte, als Worte es jemals gekonnt hätten. Alles verlor in diesem Moment seine Bedeutung, selber das eigene Leben. Es blieben nur noch ihre Seelen, für immer durch ein untrennbares Band miteinander verbunden. Harry spürte sie, schmeckte sie und wünschte sich, dass dieser Moment zu einer Ewigkeit werden würde. Eine Zeit, in der nur sie beide für immer verweilen konnten. Nun wurde Harry endgültig bewusst, dass er sofort, ohne zögern, sein Leben für Ginny aufgeben würde.
„Ich liebe dich auch.“, hauchte Ginny, als sich ihre Lippen wieder trennten. Vorsichtig erhob sie sich wieder. Sie rang sichtbar um ihre Fassung, fuhr sich mit fahrigen Händen durch das glänzende, rote Haar. Sie sah irgendwie verloren aus, untergegangen in den eigenen Gefühlen.
„Ich hole uns mal kurz etwas zu trinken.“, meinte Ginny. Die Wörter verschmolzen zu einem einzigen, so schnell sprudelten sie aus ihrem Mund. Mit wenigen Schritten war sie bei der Türe und riss die Klinke hinunter. Harry kam es wie eine Flucht vor. Verwirrt blieb er zurück, aber auch alleine mit der goldenen Rüstung, seinem Erbe, einer Aufgabe die nun erfüllt werden musste. Ginnys Schritte verklangen auf der Treppe.
Der Weg hinunter ins Tal, würde der schwierigste werden, den er je gegangen war, soviel war sich Harry bereits bewusst. Diese Nacht, diese Nacht ohne ein Licht. Er wandte den Kopf vom Fenster ab, einem schwarzen Loch in der Wand. Kein Mond keine Sterne nichts, nur Dunkelheit. Wie von selbst erschien ein kleiner Lichtfunke in seiner Hand. Rasch wuchs er heran, wurde größer und größer. Seine Strahlen durchdrangen jeden Schatten, aber es war ein warmes, weiches Licht, wie das einer kleinen Sonne.
Harry lächelte, als der kleine Ball aus Helligkeit zur Zimmerdecke empor schwebte. Wozu war er ein Zauberer? Niemals sollte Dunkelheit ihm Angst machen. Nichts war so einfach herbeizurufen wie Licht. Dafür benötigte er nicht einmal einen Zauberstab. Der Gedanke ließ ihn kurz lachen, aber es war nur ein kurzer heiterer Moment, geboren aus dem Zwang nicht an die kommenden Stunden denken zu müssen.
Leise schwang die Tür zum Schlafsaal wieder auf. Im blassen Spiegelbild des Fensters erkannte Harry wie Ginny eintrat, vor ihr schwebte ein kleines silbernes Tablett, beladen mit zwei großen dampfenden Teetassen. Der würzige Geruch von frischen Hexenkräutern drang Harry in die Nase.
„Das riecht gut.“, meinte Harry und schnupperte demonstrativ, als Ginny ihm seinen Becher reichte. Die Wärme des Getränks drang durch das Porzellan in seine Hände, es war beinahe unangenehm, aber irgendwie genoß er das Gefühl.
„Mum hat den zubereitet, sie ist den ganzen Tag unterwegs, um es jedem so gut wie möglich Recht zu machen. Ich glaube aber eher sie läuft vor heute Nacht davon.“, erklärte die junge Hexe traurig, bevor sie an ihrem Tee nippte.
„Jeder hat seine eigene Art damit fertig zu werden und es ist besser etwas zu tun, statt in trüben Gedanken dazusitzen.“, erwiderte Harry leise und setzte die Tasse an die Lippen. Die heiße Flüssigkeit rann seine Kehle hinunter und belebte fast augenblicklich seinen ganzen Körper, bis in die Fingerspitzen. Sein Geist schien ebenfalls viel lebendiger als zuvor. Auf seiner Zunge blieb nur ein merkwürdiger salziger Nachgeschmack zurück.
„Glaubst du nicht auch, dass man manchmal etwas falsches tun muss, um später das richtige vollbringen zu können?“, fragte Ginny plötzlich. In ihren Augen war ein unruhiger, fast gequälter Ausdruck erschienen. Ihre Finger umklammerten den Henkel der Tasse so stark, dass ihre Knöchel weiß unter der Haut hervor traten. Fast begann ihr ganzer Arm zu zittern.
„Ich glaube, dass wenn man dem Weg in seinem Herzen folgt es keine falschen Entscheidungen gibt.“, antwortete Harry schleppend. Irgendwie gehorchte seine Zunge nicht mehr richtig den Signalen aus seinem Gehirn. Die Worte verbanden sich zu einem undeutlichen Lallen.
„Was?“, murmelte er, aber da entglitt der Becher bereits seinen kraftlosen Fingern. Heißer Tee rann über seine Hose, gefolgt von dem Geräusch zersplitternden Porzellans. Müdigkeit spülte jeden anderen Gedanken hinweg, riss Harry wie eine gewaltige Woge fort, hinein in einen Strudel aus Schwärze.
„Es ist nur ein Schlaftrank, Liebster, wenn du morgen aufwachst ist alles vorbei.“, vernahm er Ginnys Stimme zärtlich an seinem Ohr. In seinem Kopf begehrte etwas zornig auf, schrie aus Leibeskräften, aber es war machtlos. All sein Toben, fast eine grenzenlose Raserei, half nichts, sanft glitt er in das Reich der Träume hinab. Fast wünschte er sich dieser Schlaf würde ewig dauern.
Das letzte, was er fühlte war das Gefühl eines seidigen kühlen Stoffes auf der Haut und Ginnys Lippen auf den seinen, die ihn zärtlich küssten. Dunkelheit umfing ihn, aus der langsam wirre Träume empor stiegen, Bilder aus lebendig gewordener Finsternis.
Harry glitt dahin, ohne Orts - oder Zeitgefühl. Über ihm tobte ein Sturm, dessen mächtige Böen das Wasser eines unbekannten, Ozeans aufpeitschten. Gigantische Brecher rollten eine weite Küste empor, rissen Bäume und Felsen hinab in die Tiefe. Aber hier tief unter der Wasseroberfläche war er sicher vor den Unwillen des Wetters. Gesichter aus Schatten tanzten um ihn herum, riefen seinen Namen, aber aus ihren Mündern sprudelten nur Luftblasen hinauf an die Oberfläche. Harry trieb, von einer kraftvollen Strömung getragen immer tiefer hinab, bis selbst das Licht des Mondes ihn nicht mehr erreichen konnte. Sein fahles Auge verschwand in den Wogen des Wassers, das ihn sanft auf den Grund des Meeres bettete.
„Potter!“
Was war das? Harry starrte in die Dunkelheit, aber hier war nichts, außer tanzende Dunkelheit vor seinen Augen.
Etwas klatschte hart in sein Gesicht. Noch mal. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen.
„Wach auf!“, brüllte ihn jemand an, eine bekannte schnarrende Stimme, kalt wie Eis.
Mühsam schlug er die Augen auf. Über ihm stand eine große, schattenhafte Gestalt, versilbert vom Mondlicht, das seiner bleichen Haut einen gläsernen Schimmer verlieh. Kalte Augen starrten ihn aus tiefen, dunklen Höhlen an.
„Na endlich.“, zischte Grindelwald verächtlich. „Das ist dein Krieg Potter, aber deine kleine Freundin hat dich ja gut außer Gefecht gesetzt!“
Harry schüttelte benommen den Kopf, langsam kehrten alle Erinnerungen zurück, auch die an seinen merkwürdigen Traum. Fast schien es ihm, als könne er das kalte Wasser des Ozeans noch in seinen Lungen spüren. Sein Blick fiel auf die zerschmetterte Teetasse, hastig blickte er sich um, suchte den Leinensack, der Godric’s Rüstung verbarg. Grindelwald folgte mit verächtlichem Lächeln seinen hektischen Bewegungen.
Seine Augen zogen suchende Kreise durch den Schlafsaal, durchschnitten die Dunkelheit und blieben an einem Fetzen Stoff hängen, das jemand achtlos in eine Ecke geschmissen hatte. Der Sack war leer.
„Nein!“, heulte Harry auf und sprang auf. Sein Kopf schlug schmerzhaft gegen den Holzrahmen des Bettes, aber das spürte er nicht. Der Tarnumhang, unter dem er gelegen hatte rutschte von seinen Knien. Ginny trug die Rüstung. Der Gedanke sickerte langsam in sein Bewusstsein, gleich einem schleichenden Gift, das sich bald voll entfalten würde. Unter dem goldenen Visier würde sie niemand erkennen können. Ginny ging seinen Weg, folgte dem Pfad, der für ihn bestimmt war, opferte ihr Leben, um das Seine zu retten.
„Nein!“, brüllte Harry durch den Raum, griff nach seinem Mantel, aber seine Bewegung verlor jede Kraft. Seine Knie knickten ein und er landete schwer auf dem Boden, sein ganzer Körper zitterte plötzlich, als hätte ein eisiger Hauch ihm jede Wärme genommen.
„Welch herrliches Bild der Zerstörung.“, flüsterte Grindelwald, der mit verzücktem Blick am Fenster stand. „Diese Narren!“ Ein gehässiges Lachen entrang sich seiner Kehle, mehr ein trockenes Bellen, denn ein menschlicher Laut.
Harry zitterte am ganzen Leib. Schweiß perlte ihm von der Stirn, grenzenloser Zorn spülte jeden vernünftigen Gedanken hinweg, jedes Gefühl, füllte seinen Geist mit bitterem Hass. Langsam wandte er den Kopf und blickte direkt in Grindelwalds Gesicht, der ihn mit gehässigem Blick musterte.
„Ja lass deiner Wut freien lauf, nur so kommst du zu wahrer Stärke, vergiss das Schicksal, vergiss deinen Weg. Lebe für diesen Moment.“, flüsterte der Schwarzmagier. Seine Stimme hallte in Harrys Kopf wider. Pure Abscheu verzerrte seine Züge. Wenn es noch eine Chance gab Ginny zu retten musste er dort hinunter. Er konnte, durfte nicht noch einen geliebten Menschen verlieren. Diese Bürde wäre selbst für ihn zu groß, die tiefe Schuld, die ihn für immer begleiten würde. Mit einer fließenden Bewegung stand er auf, ohne Hoffnung sondern nur zu allem entschlossen. Ginny durfte nichts passiert sein, niemals.
„Ja, nun schüttel den Mantel aus Moral und Ethik ab, er behindert dich nur, befreie dich selbst.“, schnarrte Grindelwald mit weit aufgerissenen Augen, der pure Wahnsinn blitzte aus ihnen heraus.
Harry beachtete ihn gar nicht, sondern rannte aus dem Zimmer hinaus. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sprang er die steile Treppe hinab. Der Gemeinschaftsraum war verlassen, das Feuer im Kamin beinahe hinunter gebrannt, keine Spur von der heiteren Stimmung, die sonst immer hier geherrscht hatte. Vielmehr erinnerte ihn ganz Hogwarts an ein Geisterschloss. Seine Bewohner kehrten vielleicht nie mehr zurück, niemand mehr würde die Gänge und Hallen mit Leben füllen. Schuld daran war nur dieser verrückte, machtgierige Magier, dem selbst eine Welt nicht genug war.
Schuld war Grindelwald, der verfluchte Zirkel, Merlin mit seinen Predigten von Anstand und Vernunft und er selber. Er hatte jedem, der ihm begegnet war nur Schmerz und Tod gebracht. Aber das hatte jetzt ein Ende. Heute würde es enden, für immer. Bis hierhin und nicht weiter! Hinter Harrys Lippen sammelte sich ein Schrei. Es war alles umsonst gewesen, all das Leid, jeder tropfen Blut, seine Worte, alles! Er hatte versagt.
Die Tore von Hogwarts flogen an ihm vorüber. Regen, vom Wind gepeitscht, prasselte auf Haar und Mantel. Leere Zelte säumten seinen Weg, hier und da lag etwas, das vergessen worden oder verloren gegangen war, ein Mantel, eine Brille. Harry blieb stehen und brüllte seinen ganzen Schmerz aus sich heraus. Seine Stimme überschlug sich, wurde zu einem kaum mehr menschlichen Kreischen. Der Schrei war lauter, als das Heulen des Windes und Prasseln des Regens. Er reckte die Hände zum Himmel, die Fäuste geballt.
„Warum?“, flüsterte Harry mit rauher Kehle. „Warum nur?“
Seine Schritte trugen ihn weiter. Schnell hintereinander klatschten die Stiefel in den aufgeweichten Boden. Schon rannte er durch das eiserne Tor, das offen und halb eingesunken im Morast in den eisernen Angeln hing. Keuchend rang Harry nach Atem, aber obwohl er dachte seine Lunge müsste zerspringen rannte er weiter. Stechender Schmerz zuckte von seinen Waden hinauf in Rücken und Kopf, aber verbissen ignorierte sein Geist die Signale des Körpers. Auf der aufgeweichten schlammigen Straße, die in steilem Winkel hinab in das finstere Tal führte geriet Harry immer wieder ins Rutschen. Mit übermenschlicher Kraft zwang er seine Beine zurück in den gleichmäßigen Takt.
Im Schatten des Berges verlöschte jedes Licht, selbst das des Mondes, der immer wieder durch die dunklen Wolken brach, als wolle ein riesiges Wesen einen Blick auf ihre kleine Welt werfen. Nebelschwaden durchzogen die Luft, verwandelten alles in bizarre, unheimliche Gebilde, wie aus einem fernen Alptraum. Bäume streckten ihre Zweige wie suchende Finger hoch in die Luft, als würden sie nach den Wolken greifen.
Der Geruch von Rauch mischte sich in die kühle Nachtluft. Das Atmen fiel Harry immer schwerer, die Luft war erfüllt mit dem Gestank von Schwefel und etwas anderem, wohlbekanntem, aber viel schrecklicherem.
Ein Wimmern ließ ihn seine Schritte verlangsamen. Er sah kaum die Hand vor Augen. Dies war nun ein Reich der Schatten, in dem es kein Licht mehr geben konnte. Hier konnte kein Leben mehr existieren, der Tod hatte seine Hand nach dieser Welt ausgestreckt.
Harry ließ seinen Zauberstab aufflammen, ein heller Stern an einem finsteren Himmel, gleich einer gleißenden Fackel der Hoffnung. Das Dorf Hogsmeade war verschwunden, nur der alte Baum in der Mitte des Dorfes streckte noch seine verkohlten Zweige in die Höhe. Krater klafften nun an Stelle der Häuser in der Erde wie tiefe Wunden, die lange zum Verheilen brauchen, aber niemals ganz verschwinden.
Harrys Blick suchte nach der Quelle des Wimmerns. Es war leiser geworden, nun kaum mehr hörbar. Es stammte von einem Zauberer, dessen nasser Mantel im Licht des Zauberstabes glänzte. Er hatte die Beine an den Leib gezogen und starrte aus großen, schreckensweiten Augen in die seinen. Kein Erkennen blitzte in ihnen auf, nur ein tiefer Abgrund, den keine Brücke mehr zu überspannen vermochte.
„Ginny!“, schrie Harry in die Nacht hinaus. Es kam keine Antwort, kein Zeichen, nur das monotone Prasseln des Regens. Vorsichtig ging Harry weiter, vorbei an der Stelle, an der einst der Honigtopf gestanden hatte. Eine gebeugte Gestalt torkelte über die Straße, die Hände gegen den Leib gepresst. Ein Zittern durchlief den ganzen Körper des Mannes, dann fiel er vornüber in den Morast.
„Was ist hier nur geschehen?“, keuchte Harry atemlos. Eine dicke Rauchwolke trieb an ihm vorüber, erstickte seine Worte im Gestank von Brand und Tod. Er kniete neben dem Mann nieder und zuckte zurück. Der Schlamm unter ihm hatte sich rot gefärbt. Blut quoll aus einer Wunde in der Brust des Zauberers heraus und noch etwas anderes, öliges, das im Licht seines Stabes zu schwelen begann.
Gegen welche Waffen hatten sie antreten müssen? Angst durchzuckte seinen Geist, maßlose Angst um Ginny, um Hermine und Ron, um jedes Leben, das hier vielleicht ausgelöscht worden war.
Ohne zu denken rannte er los, ziellos hinein in eine unbekannte Dunkelheit, die unendliche Schrecken beherbergen mochte. Er rannte, rannte immer schneller, unablässig Namen rufend. Die Bewegungen seiner Arme übertrugen sich auf seinen Zauberstab, dessen Licht nun einen wilden Tanz aufführte. Er sah nichts, aber vielleicht war es gut so, wer weiß was die Helligkeit den Schatten entrissen hätte.
Ein großer Stählerner Koloss ragte plötzlich vor ihm empor, zu spät zum ausweichen. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen. Der Boden schoss auf ihn zu, als wolle die Erde ihn begrüßen. Kalte Nässe drang durch seine Kleidung, füllte seine Stiefel, Mund und Nase. Qualvoll hustete er das erdige Wasser wieder aus. Vorsichtig hob Harry den Kopf aus dem Schlamm, sah sich um und erstarrte.
Aus gebrochenen Augen starrte ihn ein Zentaure an, halb unter dem verbogenen Leib eines Eisernen begraben. Seine einst strahlende Rüstung war nun stumpf und mit verkrustetem Blut besudelt. Überall lagen Leiber, verstümmelt, gebrochen oder zerrissen, Freund wie Feind, übereinander und nebeneinander. Der Morast färbte sich rot, in der Farbe verrinnenden Lebens. Harry hob die Hand vor den Mund. Ihm wurde Schlecht. Es roch nach Blut, aber auch nach heißem Stahl. Würgend erbrach er sich vor seine Füsse, die in einer blutigen Pfütze standen.
Zitternd hob er eine Hand, formte eine Lichtkugel, strahlend hell, wie die Sonne selbst. Schnell erhob sie sich empor zum Himmel, erhellte, was die Dunkelheit bis jetzt verborgen hatte, den grenzenlosen Schrecken, der mit dem Krieg gekommen war. Harry schloss die Augen, wartete, bereitete sich darauf vor, was ihm gleich begegnen würde, aber es gelang ihm nicht. Niemand konnte sich auf so etwas gefasst machen.
Das Tal von Hogsmeade hätte niemand mehr wiedererkannt. Die Wiesen und Auen hatten sich in ein Feld des Todes verwandelt. Kein Leben gab es mehr an diesem Ort, der bedeckt war mit den Leibern gefallener Krieger, ob nun Mensch oder Bestie. Es war ein Gemetzel gewesen, ein sinnloses Schlachten ohne Sinn und Verstand. Harry hatte das Gefühl sich in einem gigantischen Grab zu befinden. Das Atmen fiel ihm schwer, sein Herz setzte aus. Tränen rannen ihm die Wangen hinunter, vermischten sich mit Blut und Wasser. Es waren Tränen der Wut, wie der Trauer.
Noch konnte er nicht ahnen wie viele Leben heute hier ihr Ende gefunden hatten, in den Klauen der schrecklichen schwarzen Kreaturen. Er war nicht hiergewesen, um sie zu beschützen. Er hatte geschlafen! Er hatte sie alle im Stich gelassen, sie verraten. Er war Schuld an all dem hier! Zorn durchlohte ihn. Die Kugel aus Licht am Himmel strahlte immer heller, bis ihr Licht in seinen Augen schmerzte.
Dort lag ein Zauberer, der Kopf fast von den Schultern getrennt, über ihm ein Kobold, fast gänzlich entleibt. Ein Eiserner, im Kampf mit einem Zentauren, beide hatten zur gleichen Zeit ihr Leben beendet. Noch schwelende Körper lagen in Pfützen, Freund zusammen mit Feind. Asche sammelte, vermischt mit dem Regen sich in einer Senke.
„Warum?“, schluchzte Harry. Der Schrecken ließ ihn nicht mehr los. Zu Tausenden lagen sie hier. Ihre Tapferkeit war zu ihrem Verhängnis geworden. Sein Mut, seine Hoffnung wurde zum Henker, der ihre Leben genommen hatte. „Ich habe dies alles nicht gewollt.“
Nur der Regen antwortete ihm. Es war, als würde der Himmel weinen, aber diese Tränen versprachen keine Linderung.
„Ginny!“, brüllte er noch einmal. Gold! Fieberhaft suchte er nach einer goldenen Rüstung, dem Erbe Godric Gryffindors. Mochte sein Mut ihn nun nicht verlassen, wenn er auch nur die Chance hatte ein Leben zu retten. Ein Funkeln, nur ein Zeichen. Zitternd stieg Harry über einen Zauberer hinweg. Hatte er ihn gesehen, kannte er ihn? Diese Frage würde er sich noch viel öfter stellen müssen. Die gebrochenen Augen des Magiers zeigten keinen Schrecken, nur Verwunderung.
„Ginny! Antworte mir!“ Seine Stimme verlor sich im Wind, der den Regen Tropfen um Tropfen zu Boden peitschte. Die Schlacht musste mit unglaublicher Kraft getobt haben, wie der Sturm selber, der sie begleitet hatte. Die Mächte dieser und einer anderen Welt hatten sich gemessen, aber wer war als Sieger hervorgegangen?
Harrys Augen suchten weiter jeden Zentimeter des Feldes ab, versuchten ein Zeichen zu entdecken. Ein Funkeln blitzte in all dem Schlamm und den Schatten auf. Es war nur ein kurzes goldenes Blitzen gewesen, aber sofort rannte Harry dort herüber. Begraben unter dem schweren Körper eines Eisernen, tief in den Morast gedrückt schimmerte das Metall einer Rüstung hervor. Schnell entfernten seine Hände den Schlamm vom goldenen Harnisch. Ginny, sie war es! Hoffnung keimte in ihm auf, so zerbrechlich, das er nicht zu atmen wagte um diesen Funken Zuversicht nicht zu löschen. Mit einer Geste seiner Finger flog der Leib des stählernen Monsters hinweg. Mit einem lauten Krachen landete er irgendwo in der Dunkelheit. Vorsichtig hob Harry den Körper von Ginny hoch, suchte nach einem Lebenszeichen.
„Ginny!“, schluchzte er verzweifelt. „Schlag die Augen auf, los bitte wach auf!“ Ihr Haar war schmutzig und klebte an ihrem Kopf. Den Helm schien sie verloren zu haben. Das Gesicht war unter dem ganzen Schmutz kaum zu erkennen, nur manchmal schimmerte ihre helle Haut durch die Kruste aus Blut und Schlamm. Ein Breiter riss zog sich durch ihren Brustpanzer, in dem es hell und rot glitzerte. Tropfen um Tropfen rann das Leben aus ihr heraus, um im Boden zu versickern.
Harry presste seine Hand auf die Wunde, um dem kleinen Rinnsal Einhalt zu gebieten.
„Komm schon ich brauche dich doch.“, flüsterte er und küsste ihre kalten Lippen. „Bitte opfere dich nicht für mich, nicht für mich!“
Vorsichtig tastete Harry mit seinem Geist nach ihrer Magie, der Flamme, die jedem Lebewesen und sei es noch so klein innewohnte. Sie war so kalt, ohne die Wärme, das Feuer, das er so an ihr liebte. Noch ein Funken, eine Glut, die man zu einer neuen Flamme entfachen konnte. Sie darf nicht aufgegeben haben.
„Du bist stark, du darfst nicht aufgegeben haben!“, fleht er, seine Hand auf ihr Herz gepresst.
Da war er! Ein glimmender Funken, unglaublich schwach, aber doch noch Leben. Sie war nicht verloren. Mit jeder Sekunde verlöschte er mehr. Harry hab ihm Nahrung, spendete seine eigene Kraft, um der Glut zu neuem Feuer zu verhelfen. Sie entglitt ihm immer mehr, als entziehe eine andere böse Macht ihr jede Energie. Der Funken des Lebens schien zu verlöschen, da flackerte er kurz wieder auf, strahlend hell und wunderschön. Er spürte, wie ihn langsam seine Kraft verließ. Sie lebte nur durch seine eigene Lebensenergie.
„Los atme!“, schrie Harry und schüttelte sie. Seine Hand, immer noch auf ihr Herz gepresst, zitterte unkontrolliert. „Du kannst es!“
Unendlich langsam begann die Wunde in ihrer Seite zu heilen. Die zerfetzten Knochen richteten sich von selber mit einem hörbaren Knirschen, das ihn Würgen ließ. Die Welt verschwamm vor seinen Augen, löste sich in formlose Schemen auf, die ohne Ziel durch Zeit und Raum glitten. Zunächst flackernd, dann wie ein kleines prasselndes Feuer erwachte Ginnys Magie wieder zum Leben, pulsierte mit neuer Kraft durch ihren Körper.
Harry nahm seine Hand vom kalten Metall des Harnischs. Sie würde überleben. Unglaubliche Erleichterung überkam ihn. Zärtlich küsste er sie auf die Lippen, die nun endlich wieder warm wurden.
Kraftlos sackte er mit bleischweren Gliedern in sich zusammen. Selbst der Regen auf seiner Haut kam ihm nun warm und freundlich vor, wie eine Wohltat, die den Schmutz des Schlachtfeldes hinfort spülte.
„Harry pass auf!“, ertönte plötzlich ein Schrei, eindringlich, wie ein glühender Dolch in seinen Gedanken. Ein wuchtiger Schlag traf ihn mitten ins Gesicht. Hallos kippte Harry nach hinten in den Morast. Schwarze Schlieren trieben vor seinem Auge auf und ab, nahmen ihm die Sicht.
„Steh auf!“, krächzte eine Stimme, die zu der schattenhaften Gestalt gehören musste, die hoch über ihm stand.
Harry schüttelte den Kopf, um die nahende Ohnmacht zu vertreiben. Eine warme klebrige Flüssigkeit lief seine Stirn hinunter und tropfte in den Schlamm. Mühsam stemmte er sich in die Höhe. Alles um ihn herum drehte sich, tanzte einen wilden Tanz, dem seine Augen nicht folgen konnten. Torkelnd fiel er wieder zu Boden.
„Das soll mein Gegner sein?“, höhnte die Stimme wieder. „Du hast ja kaum mehr die Kraft zu stehen!“
„Lasst ihn in Ruhe!“, zischte jemand anderes, dann packten ihn Hände an den Schultern und rissen ihn in die Höhe. Plötzlich strömte Energie in seinen Körper, ein breiter Fluss aus Kraft, der ihm neues Leben gab. Harrys Blick klärte sich wieder und die dunklen Nebel wichen von seinem Geist.
„Wie rührend.“, lachte der Magier mit der dunklen Kapuze. Er stand auf den Überresten eines Eisernen, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Verity?“, fragte Harry überrascht, dann wandte er sich dem fremden Magier zu. „Wer sind sie?“
„Weist du das denn nicht? Fühlst du es nicht tief in die drinnen, wer ich bin?“, krächzte die kalte Stimme wieder.
„Grindelwald!
„Einer meiner Namen in dieser, wie in der anderen Welt.“ Langsam hob er die klauenartigen Hände zur Kapuze und zog sie herunter. Sein Gesicht glich mehr einem Totenschädel, denn einem lebendigen Antlitz. Tief in den Höhlen lagen die Augen versteckt, kleine kalte Eiskristalle in einer erstarrten Maske. Das schlohweiße Haar hing ihm in wirren Strähnen vom Kopf herab. Dennoch strahlte seine ganze Erscheinung Macht wie Schrecken aus.
„Fürchtest du dich!“, höhnte er mit seiner unnatürlichen Stimme.
„Sollte ich?“, entgegnete Harry, während er einen Schritt auf den Zauberer zuging.
„Wer bist du, dass du mich zu verspotten versuchst? Verkrochen hast du dich, während deine Freunde starben, jeder, den du kanntest. Sie haben deinen Namen verflucht, als meine Diener sie in Stücke rissen!“ Sein Lachen ließ Harry einen kalten Schauer den Rücken hinunter laufen. Sein Herz hämmerte immer schneller gegen seine Brust, während alles in ihm danach schrie sich auf den schwarzen Magier zu stürzen.
„Harry er will dich nur verspotten!“, hauchte Verity in sein Ohr.
Grindelwalds Kopf ruckte zu der jungen Zirkelmagierin herüber. „Was glaubst du wer du bist, kleine Hexe? Nichts als die minderwertige Tochter aus einem zerlumpten Haus! Flieh, bevor ich dich zertrete!“
Verity starrte den schwarzen Magier nur hasserfüllt an, blieb aber ruhig stehen.
„Glaubt ihr etwas, dass ihr mich besiegen könnt? Niemand kann das! Meine Macht ist die eines Gottes! Ergib dich kleiner Zauberer, vielleicht verschone ich dein Leben.“, sprach Grindelwald mit erhobener Stimme, die Augen weit aufgerissen.
Harry lachte auf. „Denkst du mein Leben ist mir mehr wert, als das meiner Freunde? Ich bin es ihnen schuldig gegen dich kämpfen, mit aller Kraft, die ich aufbieten kann! Ihre Hoffnung ist die Meine und dort wo Leben ist, da gibt es auch Hoffnung, selbst hier auf diesem Feld!“, rief Harry.
„Dann greife mich doch an! Ich verspreche dir du wirst leiden und mit die, deine kleine Freundin, die du voran in den Tod geschickt hast. Vielleicht wird sie mir noch nützlich sein, als Dienerin.“, zischte Grindelwald mit süffisantem Grinsen und entblößte dabei eine Reihe fauliger Zähne.
„Rühre sie an und dich schwöre es wird dein Ende sein!“, schrie Harry außer sich vor Wut. Blanker Hass durchlohte seine Adern, wie flüssiges Feuer, das ihn von innen heraus verzehrte. Vorsichtig hob er Ginny in die Höhe. Sie atmete flach, aber sie tat es. Sie würde überleben, das war alles, was zählte.
„Bitte bringe sie in Sicherheit, einfach nur fort von hier.“, bar er, bevor er sie in Veritys Arme bette.
„Nein Harry, du kannst kaum mehr stehen! Du bist unsere letzte Hoffnung werfe dein Leben nicht in einem sinnlosen Kampf fort.“, redete die junge Zirkelmagierin auf ihn ein. In ihre Augen trat ein Flehen, eine verzweifelte Hoffnung. „Lass mich wenigstens an deiner Seite kämpfen!“
Harry schob sie von sich. „Geh! Ginnys Leben ist wichtiger als das meine, also geh endlich!“, schrie er sie an. Etwas in ihrem Blick zerbrach. Widerwillig drehte sie sich um, warf einen letzen Blick zurück und rannte dann so schnell sie ihre Füsse trugen in die Dunkelheit.
„Du wirst sie nicht retten können. Jeden, der sich mir in den Weg stellt wird ein schlimmeres Schicksal ereilen, als der Tod!“, schnarrte Grindelwald.
„Nie wieder wirst du noch jemandem Schaden zufügen! Es gibt Menschen, die an mich glauben und die werde ich nicht noch einmal enttäuschen!“, sprach Harry mit bebender Stimme. „Bis hierhin kommst du und nicht weiter!“ Mit einer schnellen Bewegung zog er das Schwert eines Zentauren aus dem Schlamm heraus. Die Klinge schimmerte im Licht wie poliertes Silber.
„Willst du mich etwas mit diesem Zahnstocher stechen?“, höhnte der Schwarzmagier.
„NEIN! Ich will Rache!“, brüllte Harry aus Leibeskräften. Tief in ihm begann etwas zu toben, kochte in der Flamme des Hasses, die in seinem Herz loderte, zerrte an ihren Fesseln. Das Schwert begann plötzlich in weißem Feuer zu glühen, zitterte und vibrierte. Mit einem Schrei stürmte Harry auf Grindelwald zu. Blitze zuckten über die Klinge, als hätte sie einen eigenen Willen, den Willen Blut zu schmecken, indem sie tief in das Fleisch ihres Gegners schnitt.
Der Schwarzmagier starrte ihn ungläubig an, dann sprang er vom entstellten Körper des Eisernen hinunter. „Ich werde dich zerreißen!“, zischte es aus seiner Kehle, bevor seine Worte im überraschten Keuchen untergingen. Harrys Schwert bohrte sich tief in den eilig herbeigezauberten Schild des Schwarzmagiers. Geblendet stolperte er zurück, stürmte wieder vor, von einer Macht getrieben, die er selber nicht benennen konnte. Schlag um Schlag hieb er auf die Verteidigung seines Gegners ein. Die Luft um ihn herum knisterte vor Energie, Blitze fuhren in den Boden, verdampften Erdreich und Fels. Jede seiner Bewegungen war kraftvoll, nährte sich aus einem Reservoir, das aus Vegeltungssucht und Hass gespeist wurde. Mit jeder Faser seines Körpers gierte er danach die Klinge tief in den Leib seines Gegners zu bohren.
„Ich werde niemals untergehen!“, schrie Grindelwald voller Agonie und Ekstase. Harry bemerkte die Handbewegung zu spät um noch reagieren zu können. Die Finger seines Gegners glühten rot, dann rammten sie sich in seine Brust. Der Boden kippte unter ihm Weg, während der Wind in seinen Ohren heulte. Schwer schlug er auf dem Boden auf. Der Boden, an dem er zuvor gestanden hatte schwelte, genau wie seine Kleidung. Die Rippen in seiner Brust knackten, als Harry sich mit einer Bewegung wieder auf die Füsse stemmte.
„Jetzt bringe es zu Ende Potter!“, sprach Plötzlich jemand neben ihm.
„Was willst du?“, keuchte Harry, während er wieder sein Schwert hob. Das Feuer war erloschen, aber sofort glühte es wieder auf, heller als jemals zuvor.
Grindelwald lächelte ihn an, bevor er zu kichern begann. „Spüre die Kraft, die in dir wohnt.“
„Verschwinde!“, brüllte er. Seine Klinge zuckte vor, durchschnitt Stoff und Haut. Der Schwarzmagier aus seiner Welt keuchte überrascht auf. Blut spritze aus der Wunde in seiner Seite, lief über den schwarzen seidigen Stoff seiner Robe. Seine Augen bohrten sich ungläubig in die Harrys. „Du Narr, du hast keine Ahnung was du tust.“, krächzte der Schwarzmagier mit ersterbender Stimme. „Wir werden und wieder sehen.“ Sein Körper verschwand, als hätte er niemals an diesem Ort gestanden, vermischte sich mit dem Rauch in der Luft.
Ein Lachen riss Harry zurück. „Ja vernichte sie alle, jeden der dich hätte retten können“ Sein Gegner hab die Hände, sie begannen in dunklem Feuer zu Glühen. Flammen leckten empor.
Dunkelheit legte sich wie ein Schleier über sie, es gab nur noch sie beide, die sich gegenüberstanden.
„Niemals kannst du mich besiegen. Du bist ein Nichts.“
Das Monster in Harry brüllte auf, Stürmte vor um zu vernichten, den Feind mit aller Macht zu vernichten, ohne Sinn, ohne Verstand. Die beiden Gegner prallten gegeneinander, Finsternis auf Licht. Harrys Schwert zerbrach splittern. Die Wucht des Schlages prellte ihm den Griff aus der Hand. Mit letzter Kraft umklammerte er die Faust seines Gegners, Millimeter von seinem Herz entfernt.
Sie standen da, ineinander verkrallt, ein stummes Ringen, bei dem niemand nachgeben konnte. Harrys Muskeln brannten, schrien auf bei jeder weiteren Anstrengung. Das dunkle Feuer von Grindelwald versengte seine Haut, aber im gleichen Maße gruben sich auch die weißen Blitze, die seinen Handflächen entsprangen tief in das Fleisch seines Gegeners.
„Gib auf, du hast keine Chance!“, lachte der Schwarzmagier mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht. Am ganzen Leib zitternd war die Drohung nur Schall und Rauch.
„Wenn du so mächtig bist, warum zitterst du dann vor mir.“, gab Harry zurück. Jedes Wort war durch sein Keuchen fast unverständlich. Mit einem Ruck kam er frei. Beide Zauberer prallten zurück, standen sich erneut gegenüber, zum Sprung bereit.
Harrys Hände bluteten, aber er spürte den Schmerz kaum. Das Gefühl gab ihm eher neue Kraft, obwohl er fast seine Grenze erreicht hatte. Schon trieben wieder dunkle Schlieren vor seinen Augen vorbei. Er durfte nicht versagen, nicht heute. Es gab nur einen Weg, ein Ziel, das erreicht werden musste, dennoch war es fast unendlich weit weg.
„Jetzt ist es vorbei! Ich werde dich töten!“, rief Harry zu allem Entschlossen
Kraftvoll stieß er sich ab, überwand die Distanz zwischen ihm und seinem Gegner mit einem einzigen Sprung. Einem weißen, strahlend hellen Blitz gleich schoss er auf den Schwarzmagier zu. Die Luft um ihn herum flirrte vor Hitze, blaues Feuer umspielte seine Gestalt wie ein schaurig schöner Mantel.
Grindelwald bückte sich blitzschnell, zog etwas aus dem Schlamm hervor.
Harrys Augen weiteten sich vor Schreck. Kurz blitzte es silbern auf, dann fing Grindelwald seine Faust auf, als sei sie leicht wie eine Feder. Das Licht erlosch, jede Kraft wich aus seinem Körper.
Es tat nicht einmal weh. Verwundert blickte er an sich herab, starrte auf die Klinge, die in seinem Leib steckte. Ein dünnes Rinnsal Blut floss an ihr herab in den Morast, um sich mit dem versickerten Leben der anderen Gefallenen zu vermischen. Also war alles umsonst gewesen. Der Dämon in ihm kam zur Ruhe, zog sich wieder in den tiefen Kerker in seiner Seele zurück, die unheimliche Kraft verlosch und zurück blieb nur eine große Leere.
„Ich sagte doch, dass du mich nicht besiegen kannst.“, flüsterte der Schwarzmagier fast zärtlich. Sein Griff hielt Harry aufrecht, sonst wäre er schon längst im Schlamm gelandet. Ein Körper unter vielen.
„Nein, das konnte ich nicht.“, sprach er zitternd. „Man kann deinen tollkühnen Hass nicht mit Hass bekämpfen. Ich habe mein Schicksal selbst gewählt.“
Ein Krampf schüttelte seinen Körper, gefolgt von einem Husten. Blut lief ihm über das Kinn.
„Es ist vorbei.“, meinte Harry lächelnd. Bei den Worten empfand er keinen Schrecken, keine Furcht, sondern nur einen tiefen Frieden, den er noch nie empfunden hatte. „Ich habe getan was ich konnte.“
„Aber es war nicht genug. Die Schwachen erwartet nur der Tod.“, zischte Grindelwald grinsend. Ein leises böses Lachen entrang sich seiner Kehle.
„Doch, es war genug, denn ich bin so stark, wie du niemals sein wirst.“, krächzte Harry. Das Sprechen fiel ihm immer schwerer, im gleichen Maße wie das Leben aus ihm heraus tropfte. Eine bleierne Müdigkeit legte über seinen Geist, das Versprechen von einen immerwährenden Schlaf im schönsten aller Träume.
„Selbst die kleine Flamme einer Kerze vermag es die tiefste Schwärze zu durchdringen. Das ist Mein Geschenk an dich, mein letzter Wunsch!“, rief er und schob den dunklen Vorhang ein letztes Mal zur Seite. Grindelwald keuchte erschrocken auf, als sich Harrys Hand in seine Robe krallte, genau über seinem Herzen. Erinnerungen schossen Harry durch den Kopf, Ginny, Hermine und Ron, ihre Liebe zueinander, wie sie niemals aufgegeben hatten. Immer waren sie füreinander dagewesen, selbst in den dunkelsten Stunden.
Ein sanftes warmes Glühen senkte sich von der Handfläche in den Körper des Schwarzmagiers hinein, der wie von Krämpfen geschüttelt wurde. Die Liebe, die Harrys Leben erfüllt hatte wurde nun ihm Zuteil, vertrieb den schwarzen Schleier, der die Seele dieses Mannes verhüllt hatte.
Tränen lösten sich aus den Augenwinkeln von Grindelwald, rannen die fahle, bleiche Haut hinunter, bevor sie den Stoff seiner Robe benetzten.
„Korrigiere deine und meine Fehler, bringe neues Leben in diese Welt, die wir verwüstet haben.“, sprach Harry, dann löste sich der Griff des Schwarzmagiers. Klatschend fiel er in den Schlamm. Erdiger Geruch hüllte ihn ein, wie in einem frisch ausgehobenen Grab. Langsam schloss er die Augen, ohne Furcht vor dem was kommen würde.
Harrys Blick glitt noch einmal zu den Bergen hinüber. Die dunklen Wolken rissen auf, hinfort gefegt von einem starken Wind, wie um die aufgehende Sonne zu begrüßen. Ihre Strahlen hüllten die noch von Schnee bedeckten Spitzen des Gebirges in einem goldenen Glanz. Ein Vogel, unbeirrt von Schlacht und Krieg begrüßte das Licht des Tages mit fröhlichem Gesang. Es war der Frühling, der nun Einzug hielt, die Zeit erwachenden Lebens. Die Sonnenstrahlen streichelten seine geschundene Haut, bis Harrys Augenlider sich geschlossen hatten.



- ENDE -


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