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Fanfiction

Ein unmöglicher Mord - Auf der Flucht

von jörg ratgeb

Hatchworthy fuhr auf und zog im Bruchteil einer Sekunde seinen Zauberstab. Er machte eine peitschende Bewegung mit der Zauberstabhand, woraufhin ein gleißend roter Lichtblitz auf mich zusauste. Ich konnte gerade noch rechtzeitig reagieren und duckte mich weg. Hastig stolperte ich hinter den Esstisch, rempelte dabei aber ein Tischbein an. Die Kürbissaft-Flasche, die immer noch auf dem Tisch stand, fiel mit einem dumpfen Schlag um. Wieder hatte ich meinen Standort verraten. Ein weiterer Fluch schoss in meine Richtung. Ich wich dem Zauber aus, indem ich eine Pirouette wie ein Eiskunstläufer hinlegte. Ich ging in die Hocke und kroch langsam über den Boden. Ich machte kein Geräusch, und da der Tarnumhang glücklicherweise nicht verrutscht war, wusste Hatchworthy nicht genau, wo ich mich befand.
Der Zauberer stand leicht gebeugt hinter dem Sofa. Er hatte seinen Zauberstab auf die Küchenzeile gerichtet und seine Augen waren geweitet. Er wartete auf die kleinste Bewegung, auf das kleinste Geräusch, wodurch ich mich erneut verraten würde.
"Genug Verstecken gespielt!", schnarrte Hatchworthy.
Ich machte keinen Laut. Ich hatte rasende Angst, mein Herz klopfte im Rhythmus eines Presslufthammers. Ich musste es irgendwie unbemerkt zur Wohnungstür schaffen...
"Es hat keinen Zweck, du kommst hier sowieso nicht raus!", flüsterte Hatchworthy und schritt hinüber zur Zwischentür. Er versperrte den Weg in den Eingangsbereich der Wohnung und somit meinen einzigen Fluchtweg.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dieser katastrophalen Lage herauskommen sollte. Es grenzte schon an ein Wunder, dass ich bisher überlebt hatte. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Wieso hatte ich laut aufgeschrien, als sich Jugson in ein Abbild Hatchworthys verwandelt hatte? Nun ja, weil es eben völlig grotesk und grauenhaft gewesen war. Während ich zwischen der Küchenzeile und der Badezimmertür kauerte, dämmerte mir langsam etwas. Mrs Cotteridge hatte jemanden schreien gehört. Ich hatte geschrien. Hatte die alte Nachbarin etwa mich gehört? Aber wie konnte das sein? Ich hatte doch erst zwei Tage nach dem Mord von dem Zeitumkehrer erfahren. Hatte meine Zeitreise für immer wiederkehrende Ereignisse gesorgt? War ich vielleicht tatsächlich schon zuvor in dieser Wohnung gewesen, als ich gemeinsam mit Burt vor drei Tagen den Tatort untersucht hatte? Mir schwirrte der Kopf angesichts all dieser wirren Gedanken. Egal, dachte ich, jetzt ist vorerst wichtig, hier unversehrt herauszukommen. Ich dachte angestrengt nach, wie ich an Hatchworthy vorbeikommen konnte.
"Netten Tarnumhang hast du da", sagte Hatchworthy in den leeren Raum hinein. Er schaute auf eine Stelle, die ungefähr zwei Meter links von mir lag. "Für einen Desillusionierungszauber bist du zu gut getarnt, also tippe ich auf einen Tarnumhang. Wie lang bist du schon in meiner Wohnung? Was hast du mitgehört?"
Ich antwortete ihm natürlich nicht. Meinen Tod hatte ich mir nämlich anders vorgestellt. Vielleicht in meinen Achtzigern beim Fußball schauen oder so... Ich kroch so leise wie ich nur konnte auf Hatchworthy zu.
"Dir ist ja wohl klar, dass ich dich töten muss, oder?", fragte Hatchworthy über meinen Kopf hinweg. "Du könntest meine Pläne verraten."
Ich war nur noch einen guten Meter von Hatchworthy entfernt. In der gesprungenen Glasscheibe, die in die Zwischentür eingelassen war, glitzerte etwas. Ich drehte meinen Kopf unter dem Tarnumhang vorsichtig um und sah, dass draußen vor dem Fenster die Sonne aufging. Wenn ich noch einen Augenblick wartete, dann würden die ersten Sonnenstrahlen in die Wohnung fallen. Vielleicht würde Hatchworthy dadurch geblendet und kurz abgelenkt.
"Dann schauen wir mal, wo du bist", flüsterte Hatchworthy und hob den Zauberstab. "Accio Tarnumhang!"
Ich spürte ein fürchterliches Ziehen, als der Tarnumhang von meinem Kopf gerissen wurde. Ich schaffte es irgendwie, den seidenen Stoff festzuhalten, doch Hatchworthy hatte mich bereits gesehen. Blitzschnell trat ich mit meinem rechten Fuß gegen Hatchworthys linkes Schienbein. Der Zauberer fluchte laut auf. Und schon setzte ich zum nächsten Schlag aus - diesmal mit meinem Schlagstock, den ich jederzeit an meinem Gürtel trug. Ich schlug mit solcher Kraft zu, dass ich spürte, wie Hatchworthys Schienbein brach. Ich nutzte den Moment, in dem der Zauberer vor Schmerzen keuchte, und schlug ihm den Zauberstab aus der Hand. Dann stolperte ich an ihm vorbei in den Eingangsbereich, riss die Wohnungstür auf und rannte in die kühle Morgenluft hinaus. Den Tarnumhang hatte ich mir mittlerweile wieder übergeworfen.

Ich rannte wie nie zuvor in meinem Leben. Ich bin eigentlich sowieso ein sportlicher Typ, im Sportunterricht in der Schule hatte ich früher immer zu den Schnellsten gehört. Doch wenn es um das eigene Leben geht, dann ist der Körper zu ganz außergewöhnlichen Leistungen fähig - das erlebte ich an diesem Morgen. Ich sprang mit einem einzigen Satz die Treppen in den Innenhof des Martin House hinunter. Normalerweise hätte ich wohl laut aufgestöhnt, da meine Knie bei der Landung extrem belastet wurden, doch in meinen Adern strömte so viel Adrenalin, dass ich keinerlei Schmerzen spürte. Ich sprintete aus dem Hof hinaus in Richtung der U-Bahn-Station Elephant and Castle. Während ich in rasender Geschwindigkeit die Meadow Row regelrecht entlangflog, arbeitete auch mein Gehirn auf Hochtouren. Mein zweites Ich, mein Ich aus der Vergangenheit, würde in wenigen Stunden mit Burt den Tatort untersuchen. Wenn Hatchworthy mein anderes Ich dann erkennen würde, wäre alles vorbei. Er würde mein zweites Ich umbringen, und damit würde sich auch mein jetziges Ich, das in diesem Moment im Vollsprint die U-Bahn-Station erblickte, in Luft auflösen. Marty McFly lässt grüßen. Was konnte ich tun, um das zu verhindern? Sollte ich mein zweites Ich warnen?
Da auf den Bürgersteigen an der Kreuzung von Elephant and Castle bereits einige Passanten unterwegs waren, zog ich mir - höchst widerstrebend - den Tarnumhang vom Kopf. Ich wollte es nicht riskieren, unsichtbar jemanden anzurempeln. Als ich die Straße überqueren wollte, um zur U-Bahn-Station zu gelangen, wäre meinem Leben beinahe auf völlig nicht-magische Weise ein Ende gesetzt worden. Ich hörte nur das laute, kreischende Quietschen von Reifen auf Asphalt und dann ein erzürntes Hupkonzert. Ich sah auf und erkannte, dass ich um ein Haar einem berühmten roten Doppeldecker-Bus zum Opfer gefallen wäre. Ich hob zur Entschuldigung meine rechte Hand. Ich sah, wie der Busfahrer hinter der Windschutzscheibe verärgert fluchte und den Kopf schüttelte, dann setzte sich der Bus wieder in Bewegung und rollte langsam an mir vorbei. Es war eines der neueren Modelle, die wie die alten, beliebten und im Jahr 2005 leider abgeschafften Routemaster-Busse wieder eine offene Plattform am Heck zum Ein- und Ausstieg besaßen. Mein Hirn schien an diesem Morgen in brillanter Frühform zu sein, denn ich reagierte sofort und sprang auf den fahrenden Bus auf. Zum ersten Mal seit vielen Stunden grinste ich und atmete tief durch. Ich hatte es geschafft, ich war entkommen. Doch als ich mich umdrehte und aus der Heckscheibe auf die Kreuzung von Elephant and Castle zurückblickte, löste sich mein Hochgefühl in Luft auf. Etwa fünfzig Meter entfernt rannte ein großer, schwarzhaariger Mann über den Bürgersteig und dem Bus hinterher. Es war Adam Hatchworthy, der mich verfolgte. Und sein Schienbein war wie von Zauberhand geheilt.
Innerlich verfluchte ich mich selbst. Ich hätte den Tarnumhang nicht ablegen sollen. Was war schon das unsichtbare Anrempeln von unwissenden Menschen im Gegensatz zum Gesehenwerden von einem kaltblütigen Mörder? Nun war es zu spät. Hatchworthy hatte mich gesehen, als ich in den Bus eingestiegen war. Und er konnte mich auch jetzt sehen, wie ich hinter der Heckscheibe stand und entsetzt aus dem Bus heraus und in seine Richtung starrte. Würde ich den Tarnumhang jetzt einfach wieder überziehen, dann könnte mich Hatchworthy nicht mehr sehen. Er wüsste nicht, ob ich noch im Bus oder bereits wieder abgesprungen war. Ich wollte die Idee gerade in die Tat umsetzen, als mir bewusst wurde, dass es für die anderen Passagiere wohl äußerst seltsam aussehen würde, wenn ich mich direkt vor ihren Augen in Luft auflösen würde. Ich betrachtete die anderen Personen, die sich neben mir in der unteren Etage des Busses aufhielten. Ganz vorn, gleich hinter dem Busfahrer, saß ein älterer Herr mit dünnem, weißem Haar. Er hatte einen Gehstock in der Hand und eine Brille auf der Nase mit Gläsern so dick wie Fensterscheiben. Am mittleren Einstieg stand ein dunkelhäutiger Teenager mit Rastazöpfen. Er hatte Kopfhörer auf, wippte im Takt eines Liedes und starrte geistesabwesend auf den Boden. Zwei Reihen vor mir saß eine Frau mittleren Alters und las Zeitung. Allerdings bemerkte ich, dass sie immer wieder verstohlene Blicke über die Zeitungsseiten hinaus warf. Sie begutachtete abwechselnd mich und den schwarzen Teenager. Dank ihr war es mir also unmöglich, mit Hilfe des Tarnumhangs unbemerkt zu verschwinden.
Der Bus durchfuhr scheppernd eine Unterführung und wurde langsamer. Das Nervige an Busfahrten in London ist die wahnwitzige Anzahl an Haltestellen. Als ich das letzte Mal Burt in Plumstead besucht hatte, hatte ich den Bus genommen, und obwohl die Luftlinie zwischen unseren Wohnungen vielleicht maximal sieben Kilometer beträgt, hatte der Bus damals unschlagbare neununddreißig Haltestellen abgeklappert. Danach hatte ich mir geschworen, nur noch mit dem Auto zu Burt zu fahren. Unglücklicherweise hielt der Bus auch an diesem Tag schon nach wenigen hundert Metern, da ein adrett gekleideter Geschäftsmann mit braunem Aktenkoffer die Hand gehoben hatte. Ich sah angsterfüllt Richtung Elephant and Castle zurück und sah Hatchworthy näher kommen. Er wedelte mit den Armen, um den Busfahrer auf sich aufmerksam zu machen. Und es schien zu funktionieren, denn der Bus verweilte an der Haltestelle, obwohl der Geschäftsmann schon längst eingestiegen war. Hatchworthy würde in wenigen Augenblicken den Bus betreten.
Ich ging zügig den Mittelgang des Busses nach vorn und blieb am Mitteleinstieg neben dem dunkelhäutigen Jugendlichen stehen. Er starrte noch immer gedankenverloren auf den dreckigen Boden. Der Blick der Frau mit Zeitung ruhte nun unverhohlen auf mir. In diesem Moment sprang Hatchworthy auf die Plattform am Heck des Busses.
"Danke!", rief er in Richtung des Busfahrers. Dann grinste er mich an und machte einen Schritt auf mich zu.
Ich ließ alle Vorsicht außer Acht, zog blitzschnell den Tarnumhang hervor und warf ihn mir über. Dann hechtete ich aus dem Bus, noch bevor sich die automatische Tür am Mitteleinstieg geschlossen hatte. Ich hörte wie die Frau mit der Zeitung ob meines plötzlichen Verschwindens kreischte, kümmerte mich aber nicht weiter darum, sondern rannte hinter dem Bus über die Straße. Ich flüchtete in eine kleine Gasse, die in einen kleinen Park führte. Ich warf einen Blick über meine Schulter und sah Hatchworthy aus dem davonfahrenden Bus springen. Er hatte gemerkt, dass ich nicht mehr im Bus war.
Ich sprintete in den Park, vorbei an einer abgenutzten Sitzgruppe und hin zu einer Stelle, wo die Bäume etwas enger beieinander standen. Ich versteckte mich hinter einer besonders dicken Tanne und keuchte vor Anstrengung. Mein Herz raste vor Angst und schien durch den Sprint überfordert worden zu sein. Erschrocken musste ich feststellen, dass Zauberer wohl schneller rennen konnten. Nachdem Hatchworthy bereits mit einem fahrenden Bus hatte mithalten können, hatte er auch nun meinen Vorsprung erneut gewaltig verkleinert. Mit erhobenem Zauberstab schritt er auf die Baumgruppe zu, zu der auch meine dicke Tanne gehörte.
"Ich weiß, dass du dich hier versteckst!", flüsterte Hatchworthy. "Ich kann deinen Atem hören!"
Ich hielt die Luft an und schlich so leise wie ich nur konnte zum nächsten Baum. Unter meinen Füßen knackten ein paar Zweige.
"Accio Tarnumhang!", rief der Zauberer, schnellte herum und richtete seinen Zauberstab genau auf die Stelle, an der ich wie angewurzelt stehen geblieben war.
Dieses Mal konnte ich nicht mehr reagieren. Eine unsichtbare Kraft riss mir den Tarnumhang vom Kopf. Der seidene Stoff flog einige Meter weit davon und blieb vor Hatchworthys Füßen liegen. Ich hatte keine Chance, zu entkommen. Ich könnte es versuchen, dachte ich, doch dann würde mich Hatchworthy mit irgendeinem Fluch zu Hackfleisch verarbeiten. Der Zauberer blickte mir direkt in die Augen.
"Wer bist du?", fragte er und klang dabei tatsächlich interessiert.
"Niemand", sagte ich, während ich fieberhaft überlegte, wie ich aus dieser Klemme herauskommen konnte.
"Ein Niemand, der viel weiß", sagte Hatchworthy ruhig. "Zu viel."
"Ich weiß gar nichts!", sagte ich schnell und hoffte, dass er mir glauben würde - aus welchem Grund auch immer. Schließlich war völlig klar, dass ich mich nicht zum Vergnügen in Hatchworthys Wohnung versteckt hatte.
"Das werden wir später ja sehen", murmelte Hatchworthy und grinste boshaft. "Jetzt gehen wir erstmal wieder zurück. Ich will ja nicht, dass uns noch jemand bei unserer netten Unterhaltung stört."
Darauf konnte ich nichts erwidern, denn ehe ich meinen Mund geöffnet hatte, wurde mein ganzer Körper stocksteif. Ich fiel zu Boden. Dann hämmerte es plötzlich heftig in meinem Kopf und der blaue Himmel vor meinen Augen wurde erst grau, dann schwarz. Dann verlor ich das Bewusstsein.

Ich spürte, dass ich auf einem festen Untergrund lag. Es war still. Keine Geräusche wie hupende Autos oder lachende Menschen. Nichts. Was würde ich sehen, wenn ich meine Augen öffnen würde? Erneut kroch Angst in mir hoch, umklammerte meine Eingeweide und ließ meine Adern gefrieren. Was würde Hatchworthy mit mir machen? Hatte ich auch nur den Hauch einer Chance, diesen Tag zu überleben?
Ich nahm all meinen Mut zusammen und öffnete meine Augen. Das Zimmer, in dem ich lag, war mir schrecklich bekannt. Es war das Wohnzimmer von Hatchworthys Wohnung. Ich lag an der Wand neben dem Fernseher. Ich versuchte mich zu bewegen, doch es ging nicht. Es fühlte sich an, als wären meine Gliedmaßen in einen Schraubstock geklemmt. Ich versuchte, etwas zu rufen, doch kein Laut kam über meine Lippen. Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Ich drehte meine Augen zur Seite, sodass ich den restlichen Raum sehen konnte. Dort saß der tote Jugson auf dem Sofa, in Gestalt von Adam Hatchworthy, und blickte aus leeren Augen in Richtung des Fernsehers und damit auch in meine Richtung. Ich sah wieder geradeaus und somit zur Decke. Die Uhr, die an der Wand über mir hing, war aus meiner Position nur schwierig zu erkennen. Ich schätzte, dass sie etwa elf Uhr anzeigte. Ich war also mehrere Stunden lang bewusstlos gewesen.
Es klopfte an der Wohnungstür.
Mein Herz begann zu rasen. Stand meine Rettung nur wenige Meter entfernt? Ich hoffte inständig, dass die Person vor der Tür, wer immer sie auch war, hereinkommen würde.
Es klopfte erneut, dieses Mal etwas lauter und aggressiver.
"Hallo? Ist jemand da? Ist alles in Ordnung bei Ihnen?"
Ich erkannte die leicht keifende Stimme sofort. Es war Mrs Cotteridge, die alte Nachbarin von nebenan. Ich versuchte noch einmal, mich irgendwie bemerkbar zu machen, brachte aber keinen Ton hervor.
"Hallo? Alles in Ordnung?", rief Mrs Cotteridge zum zweiten Mal und klopfte wieder an die Tür. Dann hörte ich leise, trippelnde Schritte und das dumpfe Geräusch einer zufallenden Tür. Mrs Cotteridge war wieder in ihrer Wohnung verschwunden. Und ich lag weiterhin hilflos und bewegungsunfähig auf dem Boden - nicht weit entfernt von einer Leiche.
Ich vernahm eine Bewegung zu meiner Rechten. Adam Hatchworthy war aus seinem Schlafzimmer hervorgetreten. Er kam auf mich zu und kniete sich neben mich.
"Du bleibst schön hier liegen, ja?", flüsterte er. "Die Alte wird wahrscheinlich die Polizei rufen. Die Bobbies werden dich gar nicht bemerken, wenn sie die Wohnung durchsuchen. Du wirst hier liegen, mit dem Tarnumhang, und bewegst dich nicht. Ich werde eine Art unsichtbare Barriere um dich herum errichten, sodass die Bobbies weder in deine Nähe kommen werden, noch wollen."
Ich verstand nicht viel von dem, was er sagte, doch was blieb mir anderes übrig, als seinen Anweisungen Folge zu leisten? Ich konnte mich ja sowieso nicht bewegen.
Hatchworthy erhob sich, warf mir Kingsleys Tarnumhang über, richtete seinen Zauberstab auf mich und murmelte etwas. Die Luft um mich herum begann zu flirren und zu summen. Nach wenigen Augenblicken war jedoch alles wieder vorbei. Nun tippte sich Hatchworthy mit dem Zauberstab auf den Kopf, woraufhin er sich aufzulösen schien. Er war unsichtbar geworden. Ich hörte, wie er wieder in seinem Schlafzimmer verschwand.
In etwa einer Stunde würden Burt und mein zweites Ich hier aufkreuzen, um den Tatort zu untersuchen. Was würde passieren, wenn Hatchworthy mein anderes Ich hereinkommen sah? Würde er glauben, ich hätte mich aus der Starre, in die er mich versetzt hatte, befreit? Würde er mein zweites Ich töten und mich damit ein für alle Mal auslöschen?
Ich lag da und wartete. Meine Glieder schmerzten und an meinem Rücken juckte es fürchterlich. Wenn ich mich doch nur kratzen könnte, dachte ich, nur einmal kratzen. Die Zeit verging schleichend langsam. Ich war kurz davor, einzuschlafen, als ich Stimmen vor der Wohnungstür hörte.
"Er muss da drin sein, aber er gibt kein Lebenszeichen von sich!", hörte ich Mrs Cotteridge sagen.
"Vielleicht schläft er ja noch." Das war eindeutig Burts Stimme.
"Nein, nein", säuselte Mrs Cotteridge aufgeregt. "Das macht er nie. Er verlässt immer um neun die Wohnung, das habe ich gesehen. Nur heute ist er nicht weg."
"Er könnte krank sein", schlug Burt vor.
"Dann hätte er sich doch melden können, als ich vorhin geklopft habe."
Es klopfte wieder an der Tür - jedoch viel lauter als vor einer Stunde, als Mrs Cotteridge zum ersten Mal nach Hatchworthys Wohlergehen hatte fragen wollen.
"Polizei! Machen Sie die Tür auf!", rief Burt und hämmerte regelrecht an die Tür.
Nicht gerade überraschend bekam er keine Antwort.
"Können Sie bitte aufschließen?", fragte Burt.
Mein Gehirn rauchte förmlich, als ich angestrengt versuchte, mich zu erinnern, ob Mrs Cotteridge einen Schlüssel für Hatchworthys Wohnung gehabt hatte. Dann fiel es mir ein: Der Hausmeister hatte Burt die Tür geöffnet. Ich hörte das Geräusch eines Schlüssels im Schlüsselloch.
"Bitteschön", grummelte eine sehr tiefe, männliche Stimme.
"Danke", sagte Burt. Seine Stimme drang jetzt viel deutlicher an meine unsichtbaren Ohren. Ich konnte seine Silhouette bereits durch die gesprungene Scheibe in der Zwischentür erkennen.
Die Zwischentür öffnete sich und Burt trat in das Wohnzimmer. Es war ein merkwürdiges und gleichzeitig grauenvolles Gefühl, ihn zu sehen und zu wissen, dass ich mich nicht bemerkbar machen konnte. Burt hatte den Leichnam Jugsons, der wie Hatchworthy aussah, bereits entdeckt. Seine Augen hatten sich überrascht geweitet.
"Ist er das?", fragte Burt. "Ihr Nachbar?"
Mrs Cotteridge kam ins Wohnzimmer getrippelt. Beim Anblick des Toten schrie sie kurz und gekünstelt auf. Sie presste sich die Hände vor den Mund und nickte.
"Ich danke Ihnen", sagte Burt. "Sie dürfen jetzt wieder in Ihre Wohnung gehen. Wenn ich fragen habe, komme ich vorbei."
Mrs Cotteridge nickte erneut, warf einen letzten Blick auf die Leiche und verschwand dann wieder aus Hatchworthys Wohnung. Burt besah sich die Leiche näher, dann ließ er seinen Blick durch das Zimmer streifen. Einen kurzen Moment lang sah er auch in die Ecke, in der ich unter dem Tarnumhang lag. Anschließend überprüfte Burt das Schlafzimmer und das Badezimmer auf Anwesenheit anderer Personen. Schließlich widmete er sich wieder der Leiche auf dem Sofa und zog nebenbei sein Mobiltelefon aus der Hosentasche.
"Doctor Martin, ja, hallo ... Burt Rock hier. Ich habe eine Leiche, die Sie sich mal genauer ansehen sollten ... Außerdem müssten Sie eine Wohnung auf Spuren untersuchen ... In Elephant and Castle ... Martin House, Wohnung Nummer 32 ... In zehn Minuten? ... Super ... Bis gleich!"
Burt schien kurz zu überlegen, dann wählte er eine weitere Nummer auf seinem Mobiltelefon. Und ich wusste ganz genau welche.
"Ja, war nicht schlecht. Hast du gerade Zeit? Ich brauch' deine Hilfe hier in Elephant and Castle! ... Nein, kein langweiliger Einbruch. Wir haben einen Todesfall! ... Ich glaube nicht. Es sieht aber auch nicht nach Mord aus. Und ebenso wenig nach natürlicher Todesursache ... Danke dir ... Martin House, Wohnung Nummer 32 ... Ja, bis gleich!"
Wie ich da so unsichtbar auf dem Boden lag, keine drei Meter von Burt und der Leiche entfernt, wünschte ich mir, dass Burt mich nie angerufen hätte. Dann wäre mir so einiges erspart geblieben. Nicht zuletzt die Notlage, in der ich mich in diesem Moment befand.
Es klopfte an der offen stehenden Wohnungstür und ein kleiner, glatzköpfiger Mann betrat das Wohnzimmer. Es war Doctor Sam Martin, Pathologe der Londoner Polizei und somit für alles zuständig, was mit der Obduktion von toten Menschen zu tun hatte.
"Hi Burt", sagte er und nickte meinem besten Freund zu. "Ich habe die Wohnungstür mit Klebeband versperrt. Ich hoffe, das ist in Ordnung?"
"Ja, klar. Danke, Doc", sagte Burt und schüttelte dem Pathologen die Hand. "Das hier ist die Leiche." Er wies mit seiner rechten Hand auf das Sofa.
"Was Sie nicht sagen", meinte der Doc und grinste.
Während Doctor Martin den Toten untersuchte, überprüfte Burt den Kühlschrank sowie alle weiteren Schränke, Schubladen und Kommoden in der Wohnung.
"Eigenartig", sagte der Doc, als Burt sich wieder zu ihm ans Sofa gesellte.
"Was ist eigenartig?", wollte Burt wissen.
"Keinerlei Anzeichen auf Gewalteinfluss. Er hat kein Gift oder ähnliches verwendet, um sich selbst umzubringen. Er ist einfach tot."
"Es ist auch wirklich gar nichts in der Wohnung, womit er sich hätte umbringen können", meinte Burt. "Sogar der Kühlschrank ist komplett leer."
Doctor Martin richtete sich auf. "Mal sehen, ob ich irgendwelche Spuren finde. Vielleicht auch Krankenunterlagen oder so etwas in der Art. Ich fange im Schlafzimmer an."
Der Pathologe war noch keine fünf Minuten im Schlafzimmer verschwunden, als mein zweites Ich die Bühne betrat. Mir stockte der Atem, als ich mich durch die Zwischentür kommen sah. Meinem zweiten Ich entging beim Hereinkommen die gesprungene Scheibe nicht, die in die Zwischentür eingelassen war. Ich sah mich einen Blick auf die Leiche werfen, um anschließend neben Burt zu treten.
"Hi Burt."
"Hi Phil. Gut, dass du so schnell kommen konntest. Das hier könnte echt mal interessant werden", sagte der Burt aus der Vergangenheit zu meinem Ich aus der Vergangenheit.
Es war ein kurioses Schauspiel. Mich selbst zu beobachten, mich selbst zu hören, kam mir völlig irreal vor. Ich konnte mich noch gut an alles erinnern. Es lag ja erst drei Tage zurück.
"Keine Anzeichen von Gewalteinfluss. Keine Stichwunde, keine Schussverletzung, keine Würgespuren oder ähnliches. Auch Tabletten kann ich fast sicher ausschließen: Es sind keinerlei Medikamente im Haus. Auch der Kühlschrank ist leer. Es ist nichts zum Vergiften da", erklärte Burt.
"Vielleicht hatte er 'nen Herzinfarkt", schlug mein zweites Ich vor.
"Hatte er nicht. Der Doc hat ihn schon kurz untersucht", sagte Burt und deutete in Richtung des Schlafzimmers. Mein zweites Ich wandte den Kopf und sah durch die Schlafzimmertür die Glatze des Pathologen.
"Er wollte nachschauen, ob er irgendwo Krankenunterlagen findet", erklärte Burt.
"Er hat also weder Selbstmord begangen, noch ist er wegen eines Infarkts oder ähnlichem gestorben. Ermordet wurde er aber auch nicht?"
"Ganz genau."
Mein zweites Ich warf Burt erst einen entgeisterten und genervten Blick zu, dann ging es im Zimmer umher und schien nach etwas zu suchen.
"Keine Spuren. Hab' alles schon abgesucht", sagte Burt. "Die Wohnungstür war verschlossen, alle Fenster ebenfalls. Keine Einbruchsspuren."
"Vielleicht hat jemand von außen durch das Wohnzimmerfenster geschossen? Oder der Mörder ist noch hier drin."
"Wir beide und der Doc sind die einzigen in dieser Wohnung, seitdem mir der Hausmeister die Tür aufgeschlossen hat", sagte Burt mit einem Anflug von Ungeduld in seiner Stimme.
"Okay, ich sehe es ein. Es gibt hier eigentlich nichts festzustellen. Aber warum hast du mich dann überhaupt hergerufen?", fragte mein zweites Ich.
"Weil ich deine Meinung zu der Sache wissen wollte. Was hältst du davon?"
"Es ist unmöglich", antwortete mein zweites Ich und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. "Fast ein bisschen wie Magie oder Zauberei."
Hätte ich mich unter dem Tarnumhang bewegen können, wahrscheinlich hätte ich gegrinst oder gelacht. Genau Phil, dachte ich, es ist Magie und Zauberei!
Doctor Martin betrat das Wohnzimmer, nahm eine Probe vom Küchentisch und wandte sich anschließend an Burt. "Das war's für's Erste. Ich lasse Ihnen die Ergebnisse so schnell wie möglich zukommen."
"Vielen Dank, Doc", sagte Burt.
Nachdem der Pathologe die Wohnung mitsamt Leiche verlassen hatte, sahen sich Burt und mein zweites Ich an.
"Was machen wir jetzt?", fragte mein Ich aus der Vergangenheit.
"Wir müssen die Nachbarin befragen", meinte Burt. "Aber erst morgen. Will mir vorher 'n paar Gedanken machen."
Mein zweites Ich nickte. "Pub?"
"Auf jeden Fall!", sagte Burt und war gleich besser gelaunt. Zusammen mit meinem zweiten Ich verließ er die Wohnung und ließ die Wohnungstür hinter sich ins Schloss fallen.
Und weg waren wir. Meine Hoffnung, dass sie mich zufällig finden würden, zerschlagen. Ich musste mich damit abfinden: Ich würde diese Wohnung wohl nicht mehr lebend verlassen.
Wie zur Bestätigung kam Hatchworthy - mittlerweile ganz und gar nicht mehr unsichtbar - aus dem Schlafzimmer. Er starrte wütend in meine Richtung. Er hatte seinen Zauberstab auf mich gerichtet. "Was zum Teufel war das denn?", fragte er zornentbrannt.


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Am schwierigsten fand ich, das Tauchen technisch zu bewältigen und dabei auch noch zu spielen. Ich durfte nie vergessen, dass Harry Kiemen hat, also gar nicht atmet. Also hatte ich sorgsam darauf zu achten, dass ich keine Luftblasen ausatmete. Um mich herum konnte ich überhaupt nichts erkennen, ich hörte nur Jamies völlig unwirkliche Stimme. Ein absolut bizarres Erlebnis, aber ich fand es echt toll.
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