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Fanfiction

Ein unmöglicher Mord - Zurück

von jörg ratgeb

An diesem Abend saß ich in meinem Stammpub in Greenwich. Nach kaum einer halben Stunde hatte ich bereits drei Bier getrunken. Ich konnte nicht anders. Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ich wusste nicht, was mir bevorstand. Und ich war schrecklich nervös. Hatte Kingsley die Wahrheit gesagt? Nein, das konnte einfach nicht sein. Aber wie hätte er sonst die Glühbirne aus- und einschalten sollen ohne sich zu bewegen? Und wie hätte er sonst den Tisch fliegen lassen können? Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich damit abzufinden: Es gab Zauberer.
Was hatte Kingsley mit mir vor? Ich konnte mir in keinster Weise ausmalen, wie ich bei einem offensichtlich magischen Mordfall helfen sollte. Ich war schließlich kein Zauberer.
Ich stand auf und ging zur Theke. "Ein Pint Ghost Ship, bitte."
Mit meinem vierten Bier an diesem Abend kehrte ich an meinen Tisch zurück. Ich saß ganz allein an einem kleinen, runden Tisch. Durch das Fenster direkt daneben konnte ich die Cutty Sark sehen, einen ehemaligen Teeklipper - mittlerweile zum Museum umgestaltet. Draußen regnete es in Strömen. Irgendwie passend, dachte ich. Nach vier weiteren Runden Bier verließ ich den Pub. Ich hatte etwas Schwierigkeiten, in einer geraden Linie über den Gehweg zu laufen. Das Bier zeigte seine Wirkung. Ich konnte mich nicht richtig auf den Heimweg konzentrieren. Mein Gehirn schien irgendwie langsamer zu arbeiten. Hoffentlich vergesse ich einfach, was passiert ist, dachte ich. Schlingernd lief ich nach Hause. Ich benötigte etwa zwei Minuten, um die Haustür aufzuschließen. Ich warf meine nasse Jacke irgendwo auf den Boden in meinem Wohnzimmer und wankte in Richtung des Badezimmers. Ich erreichte die Toilette gerade noch rechtzeitig. Nachdem ich mich übergeben hatte, putzte ich ziemlich oberflächlich meine Zähne und warf mich dann in mein Bett. Um mich herum drehte sich der Raum. Ich fühlte mich als würde ich Achterbahn fahren.
"Du hast es eindeutig übertrieben", sagte ich laut zu mir, ließ dann aber meinen Mund lieber geschlossen, da ich das ungute Gefühl verspürte, mein Magen wolle sich erneut entleeren.
Ich drehte mich leicht zur Seite und griff nach meinem Mobiltelefon, das ich zuvor achtlos auf den Nachttisch geschleudert hatte. Ich stellte den im Handy integrierten Wecker auf sechs Uhr - nur für den Fall. Meinem Zustand nach zu schließen würde ich es am nächsten Morgen sowieso nicht aus dem Bett schaffen.
Ich schloss meine Augen. In meinem Gehirn rauschte es, ich konnte kaum ruhig liegen. Irgendwo draußen tönte das Martinshorn eines Polizeiwagens. Plötzlich krachte meine Schlafzimmertür auf. Ein Lichtblitz erhellte den Raum. In der Tür stand eine schwarz umhüllte Gestalt, die ein Stück Holz auf mich gerichtet hatte. Sie murmelte etwas, und einen Augenblick später war ich tot.
Ich schlug die Augen auf. Ich hatte noch nicht einmal geschlafen. Mein Gehirn spielte mir nur Streiche. Ich wusste, dass ich nicht einschlafen würde. Mir war zu schlecht, und ich würde bestimmt unablässig an unheimliche Gestalten mit tödlichen Zauberstäben denken. Also stand ich auf, ging in die Küche und trank ein Glas Leitungswasser. Ich setzte mich an den hell erleuchteten Küchentisch und sah aus dem Fenster. Der Regen prasselte unablässig an die Scheibe...

Ein paar Stunden später fuhr ich ruckartig aus dem Schlaf. Ein stechender Schmerz schoss durch meinen Kopf. Ich klatschte meine Hand an die Stirn und drückte stöhnend dagegen. Ich blickte mich verschwommen um. Ich hatte am Küchentisch geschlafen. Das spürte ich auch, denn neben einem dröhnenden Schädel tat mir der Rücken weh. Ich hatte das Licht nicht ausgemacht, weshalb die Küche in einem matten Licht lag, obwohl es vor dem Fenster noch dunkel war. Irgendetwas hatte mich geweckt... Wie ein angezählter Boxer stand ich auf und taumelte durch die Tür ins Schlafzimmer. Dort, auf dem Nachttisch, lag mein Mobiltelefon und klingelte hartnäckig. Ich hatte den verdammten Wecker auf sechs Uhr gestellt. Ich stellte ihn ab und torkelte zurück in die Küche. Ich wollte eine Portion Cornflakes essen, doch nach einem Löffel drehte sich mein Magen um und ich übergab mich ins Spülbecken. Na toll, dachte ich. Anschließend schaffte ich es immerhin, zu duschen. Ich zog mir frische Klamotten an, schnappte mir meine Jacke vom Wohnzimmerboden und verließ sehr widerstrebend mein sicheres Zuhause.
Ich könnte auch einfach daheim bleiben. Kingsley würde es schon irgendwie hinkriegen, und ich könnte meinen ziemlich heftigen Kater genießen.
Aber nein. Ich war zu neugierig. Was hatte Kingsley vor? Wie konnte ich helfen? Ich musste mich mit ihm treffen.
Also lief ich mit üblen Kopfschmerzen und einem rumorenden Magen zur Bahnstation. Es hatte mittlerweile aufgehört zu regnen, doch der Himmel über London war wolkenverhangen. Den angewiderten Blicken nach zu schließen, die mir die anderen Personen im Zug zuwarfen, sah ich ähnlich grauenhaft aus wie der gräulich-trübe Himmel über der Stadt.
Ich schaffte es natürlich nicht rechtzeitig nach Elephant and Castle. Unser Treffpunkt wäre eigentlich um halb sieben gewesen. Ich hatte in meinem (ziemlich untertrieben formuliert) stark angetrunkenen Zustand den Wecker auf sechs Uhr gestellt. Und nach Elephant and Castle brauchte man im Arbeitsverkehr, egal ob im Auto oder im Zug - mindestens eine Stunde. Also eilte ich, so schnell es verkatert eben ging, um kurz nach sieben in den Innenhof des Martin House. Kingsley stand an eine Mülltonne gelehnt da und wartete auf mich. Er trug einen äußerst hässlichen, grün-roten Regenmantel. Er schien nicht verärgert über mein Zuspätkommen, eher sogar erfreut. Wahrscheinlich weil ich überhaupt erschienen war.
"Guten Morgen, Phil. Wie geht es dir?", fragte er mich vergnügt.
Blöde Frage, dachte ich, schau mich an, dann weißt du es.
"Geht schon", murmelte ich kleinlaut.
"Du siehst etwas blass aus. Hast du etwas Schlechtes gegessen?"
"Eher getrunken", meinte ich und griff an meine pochende Stirn.
"Hm, trotzdem schön dass du gekommen bist. Bist du bereit, so richtig in die Ermittlungen einzusteigen?"
Ich sah Kingsley entgeistert an. Bereit war so ziemlich das Letzte, was ich im Moment war. Um meine Würde noch einigermaßen zu wahren, entschied ich mich aber dazu, mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Ich nickte.
"Sehr gut", sagte Kingsley. "Dann erläutere ich dir mal die weitere Vorgehensweise. Aber am besten nicht hier..." Er sah sich um. "Ja, dort sollten wir für uns sein."
Wir verließen den Innenhof des Martin House, überquerten die Falmouth Road und betraten die Einfahrt eines gegenüberliegenden Wohnblocks. In der Einfahrt stand ein gräulich-grüner Container, hinter dem wir stehen blieben. Hier konnte man uns weder sehen noch hören.
"Also gut", sagte Kingsley, griff in die Tasche seines etwas zu auffälligen Mantels und holte einen silber-goldenen Gegenstand heraus. Er erinnerte mich an eine Taschenuhr, an einer langen, feingliedrigen Kette baumelnd.
"Hänge ich mir das Ding um den Hals und dann wird alles gut, oder wie?", sagte ich miesepetrig und aggressiv.
Kingsley schüttelte den Kopf. "Du hängst dir das Ding um den Hals und findest heraus, wer der Mörder von Adam Hatchworthy war."
"Klar, mach ich. Nichts leichter als das", grummelte ich.
"Das Ding", sagte Kingsley und tat, als hätte er mich nicht gehört, "ist ein Zeitumkehrer."
"Ein Zeitum- was?", fragte ich verdutzt.
"Ein Zeitumkehrer. Mit ihm ist es möglich, sozusagen in der Zeit zurückzureisen. Du wirst den Mord beobachten können. Du wirst sehen, wer der Mörder ist. Und dann kannst du uns auf die richtige Spur bringen."
"In der Zeit zurückreisen? Mit dem Ding? Ein DeLorean hätte mir besser gefallen", sagte ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme.
"Ich habe ein Exemplar vom Ministerium nur für diesen Fall zur Verfügung gestellt bekommen. Der Zeitumkehrer ist unsere einzige Chance, den Fall zu lösen", sagte Kingsley.
Ich merkte ihm an, dass er allmählich verärgert über meine Haltung war. Selbst schuld, dachte ich. Ich bin verkatert, da darf ich so sein.
"Schön und gut", sagte ich, nachdem ich tief Luft geholt hatte. "Ich akzeptiere es ja: Es gibt Zauberei und Zauberstäbe und Ministerien und Zeitreisen. Aber warum um alles in der Welt, kann nicht einer von euch in der Zeit zurückreisen, um den Fall zu lösen?"
Kingsley seufzte. "Wie ich bereits gesagt habe: Du bist unauffälliger. Du kannst ohne weiteres in der Muggelmenge untertauchen. Und darum geht es ja. Du sollst nur beobachten, nicht handeln. Du sollst - ohne aufzufallen - herausfinden, wer Adam Hatchworthy getötet hat."
Mir wurde wieder schlecht. Ich stützte mich mit der linken Hand an dem Container neben mir ab und dachte nach. Blieb mir etwas anderes übrig? Ich war Polizist. Und Polizisten waren dafür da, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Koste es, was es wolle. Ich würde also eine Zeitreise machen.
"Na schön, ich mach's", sagte ich und hatte dabei das schreckliche Gefühl, mich über Kingsleys scheußlichen Mantel übergeben zu müssen.
Kingsley strahlte und drückte mir den Zeitumkehrer in die Hand. Nun, da ich ihn genauer betrachten konnte, sah ich, dass er aus einem kleinen, silbernen Stundenglas und eben der Halskette bestand.
"Was muss ich tun?", wollte ich wissen.
"Du drehst das Stundenglas dreimal", erklärte Kingsley. "Das wird dich um drei Tage zurückversetzen."
"Um drei Tage?", fragte ich verdutzt. "Das ist doch ein Tag zu viel! Hatchworthy ist erst vorgestern ermordet worden!"
"Du vergisst, dass wir nicht genau wissen, wann er ermordet wurde. Vielleicht ist der Mörder schon am Vorabend in die Wohnung geschlichen. Oder vielleicht war Hatchworthy zu dem Zeitpunkt sogar schon tot."
"Die alte Mrs Cotteridge hat doch vorgestern Morgen Stimmen gehört", meinte ich.
"Das könnte nur Ablenkung gewesen sein, um den Tatzeitpunkt zu verschleiern. Oder es waren zwei Täter, die sich unterhalten haben."
Ich starrte Kingsley an. Er hatte recht. Leider. Also musste ich - um ganz sicherzugehen - drei Tage zurück. Na toll.
"Außerdem kannst du Hatchworthy beobachten, wie er zwischen neun und zehn Uhr zum Zaubereiministerium geht", sagte Kingsley.
"Der war doch ein Zauberer. Der fährt bestimmt nicht mit dem Zug durch London. Konnte er nicht fliegen oder so?"
"Er konnte disapparieren. Aber ich bezweifle, dass er das getan hat. Denk dran: Er wollte unauffällig bleiben. Er wollte unter den Millionen Muggeln, die in London herumlaufen, untertauchen."
"Okay, gut", sagte ich. "Dann legen wir los."
"Nicht so schnell, Phil", sagte Kingsley und lachte. "Du kannst nicht einfach im Innenhof des Martin House herumlungern. Der Mörder könnte Verdacht schöpfen und die Tat aufschieben. Deshalb nimmst du einen Tarnumhang mit."
Kingsley reichte mir einen Umhang aus Seide. Er fühlte sich wunderbar geschmeidig an.
"Tarnumhang? Was kann der?"
"Er macht dich unsichtbar", sagte Kingsley.
Ich zog ungläubig die Augenbrauen zusammen, warf mir aber den Umhang über und stellte erschrocken fest, dass mein Körper augenblicklich verschwunden war.
"Das ist ja mal klasse!", sagte ich begeistert und zog mir den Umhang wieder vom Kopf.
"Du ziehst also den Tarnumhang über, wenn du Hatchworthy beobachtest. In der Menschenmenge lässt du ihn aber in der Jackentasche. Das kommt nicht gut, wenn die Muggel von etwas Unsichtbarem angerempelt werden."
Ich nickte.
"Sprich möglichst mit niemandem", sagte Kingsley ernst. "Greife nicht ein. Wir wissen nicht, welche Auswirkungen ein Eingreifen deinerseits auf das bereits Geschehene hätte."
"Jaja, ich hab' Zurück in die Zukunft gesehen", sagte ich und erinnerte mich nur zu gut an Marty McFlys Familienfoto, auf dem sich er und seine Geschwister nach und nach in Luft auflösten.
"Und denk dran: Es wird dich ein zweites Mal geben. Du wirst mit deinem Kollegen den Tatort untersuchen und einen Tag später zur Befragung der Nachbarin wieder kommen. Also pass auf, dass dich dein zweites Ich nicht sieht. Das hätte Konsequenzen, die ich mir gar nicht ausmalen möchte."
Ich nickte erneut. Dann hängte ich mir den Zeitumkehrer um den Hals und nahm das Stundenglas in die Hand, um es dreimal zu drehen. Kingsley sah mir tief in die Augen.
"Du wirst an genau dieser Stelle herauskommen. Nur eben drei Tage früher. Wir treffen uns in zehn Minuten, also um acht Uhr, wieder hier. Du hast also genau drei Tage und zehn Minuten Zeit, um herauszufinden, wer der Mörder ist und dann wieder hierher, hinter den Container, zurückzukommen."
"Verstanden", sagte ich. Ich drehte das silberne Stundenglas dreimal.
"Viel Glück!", sagte Kingsley.
Dann lösten sich Kingsley, der Container neben mir und die Einfahrt auf. Ich hatte das Gefühl, rasend schnell rückwärts zu fliegen. Eine Flut von Farben raste an mir vorbei, in meinen Ohren hämmerte es. Ich versuchte zu rufen, konnte aber meine eigene Stimme nicht hören. Und dann spürte ich wieder festen Boden unter den Füßen und alles um mich herum nahm wieder klare Gestalt an. Ich stand in der selben Einfahrt, und da war der Container. Nur Kingsley war nicht mehr da. Dafür stand in der Einfahrt jetzt ein weißer Volkswagen. Ich verließ schnell die Einfahrt bevor mich jemand sehen konnte, überquerte erneut die Falmouth Road und betrat den Innenhof des Martin House. Die graue Wolkenmasse über London war verschwunden. Nun strahlte die Sonne freudig aus einem azurblauen Himmel. Ich kam mir äußerst seltsam vor. Als wäre ich aus dem winterlichen London mal eben in den Karibik-Urlaub geflohen. Ich sah auf das Display meines Mobiltelefons. Es war jetzt fast acht Uhr. Das Telefon zeigte immer noch die richtige Uhrzeit an, das wusste ich. Nur das Datum war jetzt falsch. Ich war drei Tage in der Zeit zurückgehüpft, -gesprungen, -gereist oder was auch immer. So ganz konnte ich noch immer nicht glauben, was mir in den letzten vierundzwanzig Stunden widerfahren war. Doch ich hatte jetzt nicht sonderlich viel Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen. Ich musste mich auf den Fall fokussieren. In der nächsten Nacht würde Adam Hatchworthy, ein abgetauchter Zauberer, in diesem Haus umgebracht werden. Meine Aufgabe war es, herauszufinden, wer der Mörder war. Also musste ich in der nächsten Nacht hier Stellung beziehen. Bis dahin blieb mir nichts anderes übrig als zu warten, schließlich durfte ich nicht groß auffallen. Jedoch würde ich Hatchworthy zum Eingang des Zaubereiministeriums folgen. In etwa einer Stunde würde er aufbrechen. Ich setzte mich mit dem Rücken an die Mülltonne, an der Kingsley vor fast einer Stunde gelehnt hatte, als er auf mich gewartet hatte. Hier saß ich im Schatten, gut geschützt vor der stechenden Sonne, die meine Kopfschmerzen in den vergangenen zwei Minuten erheblich verschlimmert hatte. Ich saß also da und tat nichts. Ich war müde. Eine Nacht am Küchentisch, stark berauscht und im Sitzen schlafend, ist nicht wirklich erholsam. Deshalb spürte ich schnell, wie meine Augenlider schwerer wurden und ich allmählich Probleme bekam, meine Augen offen zu halten. Aber ich musste wach bleiben. Ich durfte Hatchworthy nicht verpassen. Gut, er würde nach einer Stunde wiederkommen. Aber ich wollte ja die Bestätigung, dass er in seiner Ausgangsstunde tatsächlich zum Zaubereiministerium ging. Ich setzte mich absichtlich unbequem hin, eine Ecke des Mülleimers schmerzhaft im Rücken. So würde ich auf keinen Fall einschlafen können. Gerade wollte ich erneut mein Mobiltelefon aus der Hosentasche ziehen, um nach der Uhrzeit zu sehen, da öffnete sich die Wohnungstür Nummer 31 im ersten Stock des Gebäudes. Ich wusste genau, wer in dieser Wohnung wohnte. Ich war ja vor einem Tag (wobei ich jetzt kurioserweise in zwei Tagen sagen müsste) in dieser Wohnung gewesen, und die Bewohnerin hatte versucht, mir eine Tischlampe über den Kopf zu ziehen. Mrs Cotteridge wackelte aus ihrer Wohnung heraus und verschwand im Treppenhaus. Ich überlegte, ob ich ein Wort mit ihr wechseln sollte, wenn sie jeden Augenblick neben mir auftauchen würde. Allerdings kam mir in den Sinn, dass sie mich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte. Und wenn mein anderes Ich in zwei Tagen an ihrer Wohnungstür klopfen würde, würde das sicherlich für Komplikationen sorgen.
"Sprich mit niemandem!", hörte ich Kingsleys Stimme in meinem Kopf. Ich zog schnell den Tarnumhang aus meiner Jackentasche und warf ihn mir über - keinen Augenblick zu früh. Eine Sekunde später tauchte Mrs Cotteridge direkt neben mir auf. Sie trug in beiden Händen je einen vollgestopften Müllsack. Das Gewicht der beiden Säcke schien sie fast zu überfordern, denn ihr ohnehin schon ziemlich buckliger Rücken beschrieb nun beinahe eine Parabel wie ich sie vor Jahren mal im Mathematik-Unterricht gesehen hatte. Zum Glück hatte sie die Mülltonne erreicht, denn ich befürchtete, dass ihre Wirbelsäule unter dieser Last in wenigen Sekunden auseinander brechen würde. Mrs Cotteridge schleuderte die beiden Müllsäcke in die Mülltonne. Ich konnte mich gerade noch wegducken, sonst hätte sie mich beim Ausholen wohl erwischt. Ich kroch etwa zwei Meter von der Tonne und der Alten weg. Mrs Cotteridge schnaufte schwer und griff mit ihren Händen an die großen Brüste. In ihren weißen Haaren steckten noch ein paar Lockenwickler. Dann drehte sie sich um und trippelte wieder die Treppen hinauf in den ersten Stock. An ihrer Wohnungstür angelangt hielt sie kurz inne, dann war sie verschwunden. Ich richtete mich auf und atmete tief durch. Das war knapp. Ich musste vorsichtiger sein, vor allem wenn ich Hatchworthy beschatten wollte. Denn der war jung, sicherlich weniger schwerhörig - und er konnte zaubern.
Die Tür Nummer 32 öffnete sich. Ich schrak gewaltig zusammen. Adam Hatchworthy trat auf den Gang, groß, schwarzhaarig und äußerst lebendig. Ich hatte ihn bisher nur einmal gesehen. Und da hatte er tot auf seinem Sofa gesessen. Hatchworthy wandte den Kopf erst nach rechts, dann nach links. Nachdem er sich versichert hatte, dass er von niemandem beobachtet wurde (was ja nicht ganz stimmte, da ich unsichtbar im Innenhof stand), eilte er die Treppe hinunter und an mir vorbei. Hier war also meine Zielperson. Das Mordopfer. Ich war so fasziniert, dass ich wie zur Salzsäule erstarrt dastand und fast vergaß, was ich mir vorgenommen hatte. Kurz bevor Hatchworthy den Innenhof des Martin House verließ, setzte auch ich mich in Bewegung, um ihm zu folgen. Allerdings war ich etwas unachtsam. Ich streifte die Mülltonne, der Deckel rutschte herunter und fiel scheppernd auf den Boden. Hatchworthy fuhr herum. Ich stand stocksteif da, angsterfüllt und unfähig mich zu bewegen. Ich spürte Hatchworthys Blick, wie er - hektisch suchend - mehrmals genau die Stelle besah, auf der ich wie angewurzelt stand. Es war ein schlimmes Gefühl, sich gänzlich auf die Wirkung eines verzauberten Stücks Seide zu verlassen. Meine Konzentration galt in diesem Moment einzig und allein, völlig ruhig zu bleiben. Ich durfte mich nicht bewegen, kein weiteres Geräusch verursachen. Ich war so konzentriert, dass ich sogar meine Kopfschmerzen vergaß. Hatchworthys Blick ruhte plötzlich noch einmal auf mir (mein Herzschlag setzte für eine Sekunde aus), dann drehte er sich um und verließ schnellen Schrittes den Innenhof. Ich atmete tief durch. Meine Muskeln entspannten sich. Er musste wohl letztlich gedacht haben, dass eine Katze den Deckel des Mülleimers heruntergeschubst hatte. Das war ganz schön knapp gewesen.
Ich folgte Hatchworthy zur U-Bahn-Station Elephant and Castle, zog aber noch vor Betreten der Station den Tarnumhang aus und stopfte ihn in meine Jackentasche. Hatchworthy kannte mich nicht. Ich würde also auf jeden Fall unerkannt bleiben. Ich musste nur darauf achten, den Zauberer nicht zu auffällig zu verfolgen. Hatchworthy nahm den Zug der Bakerloo Line in Richtung Queen's Park Underground Station um elf Minuten nach neun. Ich musste mich beeilen, um durch die automatische Tür des Zuges zu schlüpfen, die sich in diesem Moment schloss, doch ich schaffte es und setzte mich auf einen Sitzplatz, der mir eine gute Sicht auf Hatchworthy gewährte. Sein kurzes, schwarzes Haar war leicht zerzaust. Er hatte sich an diesem Morgen wohl keine Gedanken über seine Frisur gemacht. Er wirkte völlig ruhig und gelassen wie er da zwischen einem Geschäftsmann im Anzug und einer jungen, dunkelhäutigen Frau mit Rastalocken saß. Hätte ich nicht gewusst, dass er sich vor seinen ehemaligen Mitstreitern versteckte, ich hätte gesagt, er sei ein ganz normaler Londoner Bürger, der in die Innenstadt fuhr. Sein Verhalten ließ nicht vermuten, dass er Angst vor jemandem haben könnte. Die Bahn fuhr ratternd in die Waterloo Station ein. Ich machte mich schon bereit, aufzustehen, um Hatchworthy folgen zu können, doch der Zauberer blieb sitzen und betrachtete ein Werbebanner, das am Bahnsteig angebracht war. Die Bahn fuhr weiter. Auch in der nächsten Station (Embankment) zeigte Hatchworthy keinerlei Regung. Vielleicht hätte ich Kingsley fragen sollen, wo genau sich das Zaubereiministerium befand. So musste ich höllisch aufpassen, wann sich Hatchworthy in Bewegung setzte. Doch ich musste nicht lange warten. Gerade einmal sechs Minuten waren seit der Abfahrt in Elephant and Castle vergangen, als die Bahn in die Station Charing Cross einfuhr und Hatchworthy aufstand. Ich sprang auf und eilte zur Tür, war dabei jedoch leider etwas zu hektisch. Ich rempelte eine attraktive Frau, die ich auf Mitte Dreißig schätzte, aus Versehen ziemlich kräftig an.
"Passen Sie doch auf!", fauchte die Frau und blickte mich zornig an.
"Tut mir leid, Miss. Das war keine Absicht", stammelte ich.
"Das will ich doch hoffen!", sagte die Frau so laut, dass ich zusammenzuckte und am liebsten im Boden versunken wäre.
Das ganze Zugabteil schien seine Aufmerksamkeit auf die Frau und mich gerichtet zu haben. Voller Schrecken sah ich, dass auch Hatchworthy mich stirnrunzelnd betrachtete. Die Tür öffnete sich und die Spannung löste sich. Ein gutes Dutzend Personen verließ das Abteil, darunter auch Hatchworthy. Ich entschuldigte mich ein zweites Mal bei der Frau, die mich nur wutentbrannt anstarrte, und hastete ebenfalls aus dem Zug und Hatchworthy hinterher.
Während ich mehrere Treppen nach oben spurtete, wurde mir bewusst, dass sich meine Tarnung schon jetzt erledigt hatte. Kingsley hatte mich für diesen Fall ausgewählt, weil ich ein Muggel war. Ich konnte unauffällig in den Menschenmassen abtauchen, Hatchworthy hatte keine Ahnung gehabt, wer ich bin. Blöderweise hatte ich mich aber in der U-Bahn ziemlich dämlich angestellt. Ich hatte Hatchworthy auf mich aufmerksam gemacht. Er kannte nun mein Gesicht. Und er würde mich wiedererkennen, wenn ich ihn verfolge.
Ich erreichte das Ende der Treppen und betrat die weiträumige Eingangshalle des Bahnhofs Charing Cross. Es war relativ wenig los, deshalb erkannte ich Hatchworthy sofort. Der Zauberer schritt zügig auf den Ausgang zu. Ich folgte ihm, wobei ich etwa zehn Meter Abstand zwischen uns ließ. Wir traten kurz nacheinander ins Freie. Die frische Luft war ein Segen für meine Kopfschmerzen. Ich sog sie regelrecht ein. Wie immer in London herrschte eine betriebsame Geräuschkulisse. Autos hupten, Menschen plapperten und ein Straßenkünstler spielte ziemlich mies In the Mood auf einem Saxofon. Hatchworthy eilte die große Hauptstraße, die sich The Strand nannte, entlang. Er war so schnell, dass ich Probleme hatte, mit ihm Schritt zu halten. Wir liefen am berühmten Savoy Hotel vorbei und passierten auch das Somerset House. Als wir die königlichen Gerichtshöfe erreichten, drehte sich Hatchworthy plötzlich um. Ich konnte gerade noch so reagieren und sprang schnell hinter eine Telefonzelle. Ich wusste nicht, ob mich der Zauberer gesehen hatte. Falls ja, hatte ich ein Problem. In diesem Moment fiel mir wieder der Tarnumhang ein. Ich zog den seidigen Stoff aus meiner Jackentasche und warf ihn mir über. Dann blickte ich vorsichtig hinter der Telefonzelle hervor. Hatchworthy war nicht mehr da.
"Verdammt!", fluchte ich und rannte an dem imposanten Gerichtsgebäude vorbei. Natürlich könnte ich einfach wieder zurück nach Elephant and Castle fahren und dort auf Hatchworthy warten, doch dann wäre der ganze bisherige Stress und Aufwand umsonst gewesen. Nein, jetzt wollte ich mit eigenen Augen sehen, was Hatchworthy am Eingang des Zaubereiministeriums machte. Ich rannte also unsichtbar die Straße entlang und suchte verzweifelt nach der auffällig großen Gestalt von Hatchworthy. Ich warf einen Blick in jede noch so kleine Gasse, an der ich vorbei sprintete, doch Hatchworthy war nirgends zu sehen. Ich hatte schon fast aufgegeben und wollte zur U-Bahn-Station zurücklaufen, da sah ich ihn neben einem Treppengeländer stehen und warten. Ich schlich mich mit klopfendem Herzen näher an ihn heran. Neben ihm führten zwei Treppen mit schwarzen Spitzengeländern in die Tiefe, über denen Schilder mit der Aufschrift Herren und Damen hingen. Ich runzelte die Stirn. Eine öffentliche Toilette schien mir doch ein äußerst merkwürdiger Ort für den Eingang zum Zaubereiministerium zu sein. Allerdings schien sich Hatchworthy nicht im Ort geirrt zu haben, denn in regelmäßigen Abständen tauchten seltsam gekleidete Männer und Frauen auf und verschwanden in der Toilette, ohne wieder herauszukommen. Hexen und Zauberer auf dem Weg zur Arbeit, schloss ich. Ab und zu kam auch mal jemand aus der Toilette heraus und die Treppen hoch. Hatchworthy schien aber niemanden als den Zaubereiminister zu erkennen. Ich erinnerte mich, wie mir Kingsley erzählt hatte, dass der Minister seine Zeitung in veränderter Gestalt kaufen würde, um unerkannt zu bleiben. Er hatte wohl Erfolg damit. Ein kleiner und erstaunlich alt wirkender Mann kam aus der Toilette heraus und nickte Hatchworthy höflich zu. Ich stellte mir vor, dass dies der Zaubereiminister wäre. Naja, keine schöne Ersatzgestalt...
Die Minuten vergingen und nichts passierte. Hatchworthy zeigte keine Reaktionen - weder bei Neuankömmlingen, noch bei Gehenden. Ich sah unter dem Tarnumhang auf mein Mobiltelefon. Es war kurz vor zehn Uhr. Auch Hatchworthy wusste wohl, dass er den Zaubereiminister wieder einmal verpasst haben musste, denn er schlug den Kragen seines Mantels hoch und machte sich auf den Rückweg. In diesem Moment kam eine weitere Person aus der öffentlichen Toilette heraus. Es war ein großer, schwarzer Mann mit einem goldenen Ohrring - Kingsley. Hatchworthy drehte sich um und blickte Kingsley grimmig an.
"Sie erinnern sich an meine Warnung?", fragte Hatchworthy. Seine Stimme klang dünn und krächzend.
"Das tue ich", sagte Kingsley. "Deshalb gibt es für Sie auch keinen Anlass mehr, hier herumzulungern."
Hatchworthy schaute recht finster drein, drehte sich auf der Stelle und eilte davon. Ehe ich ihm hinterher lief, sah ich erneut Kingsley an. Sollte ich den Tarnumhang herunterziehen und mit ihm sprechen? Nein, lieber nicht. Noch kannte er mich ja gar nicht. Wer weiß, welche Veränderungen ich dadurch bewirken würde. Also ließ ich Kingsley hinter mir und folgte Hatchworthy zurück zur Charing Cross Station. Dieses Mal stieg ich in ein anderes Bahn-Abteil, sodass der Zauberer mich nicht sehen konnte. Den Tarnumhang hatte ich wieder in meiner Jackentasche verstaut. In Elephant and Castle stieg ich aus und schlüpfte erneut unter den Tarnumhang, sobald ich die Station verlassen hatte. Ich konnte Hatchworthy sehen, wie er auf der anderen Straßenseite in Richtung Martin House davonlief. Ich beeilte mich, ihn wieder einzuholen und schaffte das auch kurz bevor der Zauberer den Innenhof betrat. Ich würde nun also den restlichen Tag und bis morgen hier im Innenhof warten und beobachten, wer Hatchworthy einen unerwünschten Besuch abstatten wollte. Das war der Plan. Doch der Plan kam mir irgendwie unsinnig vor. Was wäre denn, wenn der Mörder ebenfalls einen Tarnumhang hat und einfach an mir vorbeispaziert? Dann wüsste ich am nächsten Tag ebenso wenig wie zuvor. Ich weiß nicht, was mich an diesem Tag geritten hat - wahrscheinlich nahm der heftige Kater starken Einfluss auf meine Entscheidungsfindung. Doch was passiert ist, ist passiert. Ich folgte also Hatchworthy bis zu dessen Wohnungstür, und als der Zauberer in seiner Wohnung verschwand, schlüpfte ich ebenfalls schnell hinein, ehe die Tür wieder in die Angeln fiel. Nun saß ich fast vierundzwanzig Stunden unsichtbar in der Wohnung eines Zauberers, mit dem Wissen, dass in dieser Zeit ein Mörder vorbeischauen würde. Na toll...


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