Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Ein unmöglicher Mord - Die Glühbirne

von jörg ratgeb

Ich hatte den Anblick von Burt, ohnmächtig auf dem Boden liegend, noch nicht richtig verarbeitet, als ich eine schnelle Bewegung wahrnahm und aufblickte. Mrs Cotteridge kam auf mich zu, in der Hand eine schwere Tischlampe. Ihre blauen Augen waren ungewöhnlich ausdruckslos. Ich hatte kaum Zeit zu reagieren, doch als Polizist hatte ich ähnliche Situationen schon erlebt. Ich griff an meinen Gürtel und nach meinem Schlagstock. Sie müssen wissen, dass die Polizisten in London keine Schusswaffen tragen dürfen. Wir haben den Schlagstock. Und mit dem können wir umgehen. Ein gezielter Schlag - und Mrs Cotteridge lag neben Burt auf dem Boden. Ich hatte sie nicht ernsthaft verletzt, sondern nur bewusstlos geschlagen. Mit verrückt gewordenen Seniorinnen wollte ich mich nicht länger abgeben. Mir war völlig schleierhaft, warum Mrs Cotteridge plötzlich durchgedreht war. Sie hatte während unseres Gesprächs keinerlei Anzeichen von Gewaltbereitschaft oder Aggressionspotenzial gezeigt. Was hatte Burt zu ihr gesagt, während ich auf der Toilette war? Hatte er sie wütend gemacht?
Ich begutachtete den ohnmächtigen Burt genauer. Über dem linken Auge bildete sich bereits ein blaues Veilchen, seine Nase schien etwas deformiert zu sein. Dass Mrs Cotteridge mit einer Tischlampe derart kräftig zuschlagen konnte, hätte ich nicht gedacht. Ich kannte mich mit Verletzungen und deren Behandlung überhaupt nicht aus, also rief ich den Krankenwagen. Sicher ist sicher. Dann durchsuchte ich die Wohnung der Alten, doch ich konnte nichts verdächtiges finden. Allerdings überprüfte ich die Sicht aus Mrs Cotteridges Küchenfenster. Tatsächlich hatte sie, wenn sie an ihrem kleinen Küchentisch saß, beste Sicht auf die Tür Nummer 32.
Der Krankenwagen bog in den Innenhof des Martin Houses ein und kurz darauf eilten zwei Männer mit einer Trage in die Wohnung von Mrs Cotteridge. Ich hatte ihnen die Tür geöffnet. Mit einem flauen Gefühl im Magen sah ich den beiden dabei zu, wie sie Burt auf die Trage verfrachteten und anschließend aus der Wohnung trugen. Ich fütterte Hugo, die englische Bulldogge, mit etwas Hundefutter, das ich in der Küche gefunden hatte. Dann verließ ich die Wohnung Nummer 31 hinter den beiden Rettungssanitätern, die nun Mrs Cotteridge zum Krankenwagen bugsierten.
"Wollen Sie mit uns mitfahren, Sir?", fragte einer der beiden.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, danke", sagte ich. "Ich fahre mit meinem eigenen Wagen."
Keine fünfzehn Minuten später saß ich in der Empfangshalle des St Thomas Krankenhauses, das direkt am Themseufer lag. In diesem Krankenhaus war ich schon einmal gewesen. Damals allerdings hatte ich selbst auf einem Krankenbett gelegen. Ich hatte zuvor versucht, eine Rauferei auf dem Leicester Square zu beenden. Blöderweise war ich schnell mitten hineingeraten, und ehe ich mich versah, hatte mich ein Irrer in den Hals gebissen. Erst dann war es mir gelungen, ihm meinen Schlagstock über den Schädel zu ziehen. Man hatte mich hierhergebracht, ins St Thomas. Wegen Tollwutgefahr. Man hatte mich mehrfach untersucht, dabei aber nichts feststellen können. Also hatte ich das Krankenhaus nach einem halben Tag wieder verlassen dürfen - mit den Bissspuren zweier Eckzähne am Hals als Andenken. Nun saß ich in der Empfangshalle und las in einem Klatschmagazin, welchen Hut die Königin bei ihrem letzten Spaziergang durch den Park getragen hatte.
Nach etwa einer Stunde - es war mittlerweile weit nach zwölf Uhr am Mittag - wurde ich von einer hübschen, brünetten Krankenschwester aufgerufen.
"Mr Dolan? Sie dürfen ihren Kollegen jetzt besuchen."
Sie lächelte mich an. Es war ein hinreißendes Lächeln. Ihre dunkelbraunen Augen glitzerten und ließen meinen Magen einen Salto drehen. Mir wurde bewusst, dass ich an diesem Tag außer einer Portion Cornflakes noch nichts gegessen hatte.
"Geht es ihm gut?", fragte ich die Krankenschwester, ohne ihr nochmal in die Augen zu sehen. Mir war eh schon ganz komisch in der Magengegend.
"Den Umständen entsprechend geht es ihm gut. Er ist wach, kann sprechen und scheint sich auch an alles zu erinnern. Allerdings müssen wir ihn ein paar Tage hier behalten. Ihm wurde die Nase gebrochen und ein paar Knochenfragmente haben sich verschoben. Die muss der Doktor erst noch reponieren, sonst kann ihr Kollege in Zukunft nicht mehr durch die Nase atmen."
Wieder lächelte mich die Krankenschwester unwiderstehlich an. Machte sie das mit Absicht?
"Hier ist es", sagte sie und blieb vor einer schlichten Tür stehen. "Wenn Sie Hilfe benötigen, drücken Sie den Hilfeknopf auf dem Nachttisch Ihres Kollegen."
Sie drehte sich geschmeidig um, doch ich schaffte es gerade noch, einen Blick auf ihr Namensschild zu werfen. Emily. Sie schritt davon und ich schaffte es nur mit aller größter Mühe, meine Augen von ihrem wohlgeformten Körper abzuwenden. Meine Güte, dachte ich, du wirst schon wie Burt.
Ich öffnete die Tür und betrat Burts Krankenzimmer. Es war ein großzügiger, heller Raum. Das Fenster bot einen atemberaubenden Ausblick auf die Houses of Parliament und den Elizabeth Clock Tower, der im Volksmund Big Ben genannt wird, auf der anderen Seite der Themse. Im Zimmer stand nur ein einziges Bett - und darin lag mein Freund und Kollege Burt. Seine Nase war verbunden und abgeklebt, auf dem dicken Veilchen über seinem Auge hatte man eine leicht grünliche Salbe aufgetragen. Er sah bemitleidenswert aus, doch es schien ihm ausgesprochen gut zu gehen.
"Phil! Schön, dass du mich besuchen kommst. Hast du 'ne Flasche Bier dabei? Die wollen doch tatsächlich, dass ich nur Wasser trinke."
Burt fuchtelte wild mit den Armen, woraufhin ich lachen musste. Da hatte eine verrückt gewordene Alte eine Tischlampe in sein Gesicht rasseln lassen, und dennoch führte er sich auf, als sei nichts gewesen.
"Wie geht's dir?", wollte ich wissen und setzte mich auf einen Holzstuhl neben Burts Bett.
"Alles gut", sagte Burt und grinste. "Meine Nase schmerzt etwas. Fühlt sich an, als hätt' jemand nen Stift reingesteckt und versucht, ihn in mein Hirn zu treiben."
Das stellte ich mir tatsächlich ziemlich schmerzhaft vor.
"Hast die Alte erwischt?", fragte Burt.
"Klar. Ein Schlag und sie war erledigt", antwortete ich.
"Gut gemacht", sagte Burt und nickte grimmig. "Die Schachtel hat sich an mich herangeschlichen, als ich Richtung Badezimmer geschaut hab'. Hat mir 'ne Lampe voll ins Gesicht geschmettert."
"Aber warum?", fragte ich. "Hast du sie verärgert?"
"Keine Ahnung. Sie schien dich auf jeden Fall mehr zu mögen als mich, Schätzchen."
"Hör mir damit auf!", knurrte ich. "Das meinte ich auch nicht. Über was habt ihr gesprochen, als ich auf der Toilette war?"
Burt winkte verächtlich ab.
"Über gar nichts", sagte er. "Die hat mir erzählt, wie toll ihr Hugo ist. Der Hund. Aber der Beetie war noch toller, den hatte sie davor gehabt. Bla, bla, bla."
Ich schaute aus dem Fenster. Ich konnte die Menschenmassen sehen, die auf der Westminster Bridge standen und Fotos von Big Ben machten. Wieso hatte Mrs Cotteridge Burt angegriffen? Ein so plötzlicher Sinnes- und Charakterwandel schien mir unmöglich. Hatte sie vielleicht sogar ihren Nachbarn umgebracht? Aber wenn ja - wie?
"Wo ist die Alte jetzt?", fragte Burt und riss mich aus meinen Gedanken.
"Bis sie sich von meinem Schlag erholt hat, bleibt sie hier. Danach bleibt sie in Polizeigewahrsam. Immerhin hat sie sich vorhin zur Tatverdächtigen Nummer 1 gemacht."
Wir redeten noch eine Weile weiter. Burt war ganz erpicht darauf, mir seine Krankenschwester zu zeigen, einen "richtig scharfen Feger", wie er immer wieder sagte. In Gedanken stimmte ich ihm uneingeschränkt zu.
"Was mir mächtig stinkt: Ich werd' wohl das Charlton-Spiel am Freitagabend verpassen", fluchte Burt.
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Das letzte Mal, dass ich ohne Burt im Stadion gewesen war, lag mehrere Jahre zurück.
"Kopf hoch! Beim nächsten Mal bist du wieder dab-", sagte ich, doch plötzlich ging die Tür auf. Burt und ich sahen uns um. Allerdings hatte niemand das Zimmer betreten. Burt und ich tauschten verdutzte Blicke, ich zuckte mit den Achseln und stand auf, um die Tür wieder zu schließen. Auf einmal wurde alles pechschwarz. Das Tageslicht war komplett verschwunden. Ich konnte überhaupt nichts sehen - weder das Bett, in dem Burt lag, noch die offenstehende Tür. Ich stand in der Mitte des Krankenzimmers und wusste nicht, was vor sich ging.
"Was zur Hölle?", rief Burt irgendwo zu meiner Rechten.
Ich zog meinen Schlagstock, doch es war zu spät. Dieses Mal war ich es, der einen Schlag versetzt bekam. Ich ging zu Boden, und das letzte, was ich wahrnahm, bevor ich in die Bewusstlosigkeit entschwebte, war eine fremde Stimme ganz nah bei mir, die etwas flüsterte. Ich verstand nicht, was sie murmelte, aber es klang so ähnlich wie Obliviate.

Ich saß auf einem Holzstuhl. Das spürte ich. Ich hatte die Augen geschlossen. Da ich in Burts Krankenzimmer ebenfalls auf einem Holzstuhl gesessen hatte, musste ich auch in diesem Moment eben dort sitzen. Wahrscheinlich war ich eingedöst und hatte die plötzliche Finsternis und meinen Knock-Out nur geträumt. Ich hatte auch keinerlei Schmerzen. Das belegte meine Theorie. Doch irgendetwas sagte mir, dass ich damit falsch lag. Es konnte kein Traum gewesen sein. Aber wieso nicht? Was macht dich da so sicher, Phil?
Es ist zu dunkel, dachte ich. Durch meine geschlossenen Augenlider schimmerte nur ganz spärliches Licht. In Burts Krankenzimmer war es unglaublich hell gewesen. Ich hatte Angst davor, meine Augen zu öffnen. Doch ich wusste, dass ich nicht ewig blind herumsitzen konnte. Ich musste sehen, wo ich war und was mit mir passiert war. Also öffnete ich meine Augen.
Ich befand mich definitiv nicht in Burts Krankenzimmer und auch sonst in keinem Raum des St Thomas Krankenhauses. Ich saß in der Mitte eines kleinen, quadratischen Raumes an einem Tisch. Auf der anderen Seite des Tisches stand noch ein Stuhl, der dem, auf welchem ich saß, exakt glich. Der Raum hatte kein Fenster. Die einzige Lichtquelle war eine einzelne Glühbirne, die an einem langen Kabel über dem Tisch von der Decke baumelte. Ich war allein. Wer auch immer mich bewusstlos geschlagen und in dieses Zimmer gebracht hatte, wartete wahrscheinlich hinter der mir gegenüberliegenden, grauen Tür.
Man hatte mich entführt. Das wurde mir nun schlagartig bewusst. Warum? Ich hatte niemandem etwas getan, ich stellte für niemanden eine Gefahr dar. In dem Mordfall waren wir kaum vorangekommen. Bis wir eine Lösung finden würden, könnte sich der Mörder problemlos über alle Berge davongemacht haben. Wieso also sollte er mich gefangen nehmen? Zudem lag die von uns verdächtigte Mrs Cotteridge unter Bewachung im Krankenhaus. Alles Überlegen half nichts. Ich musste warten, bis sich mein Entführer mir präsentieren würde.
Es kam mir vor, als säße ich Stunden in diesem Raum. Ich war nicht gefesselt - zumindest konnte ich keine Fesseln spüren - doch irgendetwas hielt mich doch an dem Holzstuhl fest. Entweder war es Angst oder ich hatte mich bei meinem Sturz an der Wirbelsäule verletzt und war nun gelähmt. Die Glühbirne über meinem Kopf flackerte immer wieder unruhig, was mir nicht dabei half, meine Nerven zu beruhigen - im Gegenteil. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein großer, schwarzer Mann trat in den Raum. Er war kahlköpfig und trug einen auffälligen, goldenen Ohrring. Der Mann setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber. Uns trennte nur der kleine Tisch. Ich wollte etwas sagen, doch ich konnte nicht. Ich brachte keinen Laut heraus. Der Mann entgegnete meinen Blick ruhig und hob seine rechte Hand, um mir zu bedeuten, dass ich mit meinen erfolglosen Sprechversuchen aufhören sollte.
"Bleiben Sie ganz ruhig, Mr Dolan", sagte der Mann mit einer tiefen, beruhigenden Stimme. "Sie sind nicht in Gefahr. Ich werde Ihnen nichts tun. Ich möchte Ihnen nur ein paar Dinge erklären, die mit dem gestrigen Todesfall in Elephant and Castle und dem heutigen Übergriff einer Mrs Cotteridge auf einen Polizeibeamten in Verbindung stehen. Nur deshalb habe ich Sie hierher gebracht. Ich möchte, dass Sie mir das glauben, Mr Dolan."
"Wie kann ich sicher sein, dass Sie mir die Wahrheit sagen?", sagte ich laut und war überrascht, dass meine Stimme plötzlich wieder funktionierte.
Der Mann machte eine schnelle Handbewegung, woraufhin sich die graue Tür erneut öffnete.
"Sie können einfach gehen, wenn Sie wollen, Mr Dolan. Nachdem Sie diesen Raum verlassen haben, gehen Sie den Gang entlang und am Ende des Korridors gehen Sie rechts. Dort können Sie das Gebäude auf die Little Russell Street verlassen."
Ich starrte den Mann ungläubig an. Welches Spiel spielte er da mit mir? Würde er mich umbringen, sobald ich tatsächlich versuchen würde, den Raum zu verlassen?
"Na los", sagte der Mann und lächelte. "Gehen Sie, wenn Sie nicht hören wollen, was ich zu sagen habe."
Ich zögerte kurz, dann stand ich auf (ja, ich konnte mich wieder bewegen!), schritt an dem Mann vorbei und ging durch die Tür. Wie der Mann gesagt hatte stand ich ganz am Ende eines schmalen Korridors. Ich ging im Laufschritt an dessen Ende, bog rechts ab, öffnete eine blaue Tür und stand plötzlich auf einer kleinen Straße. Ich war im Freien. Zwei Touristen gingen munter redend an mir vorbei. Ich schaute über meine Schulter. Der Mann war mir nicht gefolgt. Ich konnte tatsächlich gehen, einfach verschwinden.
Doch ich ging nicht. Ich stand wie angewurzelt da, völlig unentschlossen, wie es weitergehen sollte. Was wollte der Mann mir erzählen? Wusste er mehr über den Todesfall? Konnte er mir sagen, warum Mrs Cotteridge völlig durchgedreht war? Vielleicht. Und wenn nicht, war es auch nicht schlimm. Dann könnte ich immer noch gehen. Schließlich hatte er mir ja eben verdeutlicht, dass er mich nicht festhalten würde.
Eine Minute später betrat ich wieder den spärlich beleuchteten Raum. Der Mann saß immer noch an dem Tisch, als hätte er sich nicht bewegt seit ich aufgestanden war. Ich nahm erneut ihm gegenüber Platz. Er lächelte.
"Sie haben sich dazu entschieden, mir zuzuhören", sagte der Mann mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme.
"Ich will die Wahrheit wissen", sagte ich herausfordernd. "Ãœber alles, was geschehen ist."
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Mannes.
"Ich weiß selbst nicht alles", sagte er. "Ich kann Ihnen zum Beispiel nicht sagen, wer genau der Mörder ist. Ich kann Ihnen nicht sicher sagen, wie der Mord durchgeführt wurde."
"Dann sind Sie wohl keine große Hilfe", sagte ich enttäuscht und wollte schon wieder aufstehen.
"Aber ich kann Ihnen mehrere Personen nennen, die als Mörder in Frage kommen. Ich kann äußerst detaillierte Vermutungen aufstellen, wie der junge Mann im Martin House ermordet wurde. Und ich weiß einen Weg, wie wir alle Antworten auf unsere Fragen bekommen."
Ich starrte den Mann an. Das ganze Gerede kam mir vor wie aus einem guten Hollywood-Film. Intelligentes Drehbuch, dachte ich, du willst mich rumkriegen.
"Und Sie sagen mir einfach alles, was Sie wissen oder vermuten?", fragte ich. "Sie wollen keine Gegenleistung?"
Der Mann faltete seine Hände und legte sie vor sich auf den Tisch.
"Nun, Mr Dolan. Das ist der springende Punkt", sagte er. "Ich benötige Ihre Hilfe. Sie sind für die Ermittlungen deutlich besser geeignet als ich."
"Bin ich das?", schnaubte ich.
"Das sind Sie absolut."
"Und warum, wenn ich fragen darf?"
"Weil", begann der Mann langsam, dann schaute er mir direkt in die Augen. "Weil ich ein Zauberer bin."
Stille. Ich saß da und starrte den Mann mit großen Augen an. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich richtig gehört hatte. Hatte der Mann wirklich Zauberer gesagt? Nun gut, jetzt wusste ich wenigstens ganz sicher, dass der Mann log, mich auf den Arm nahm oder was auch immer...
"Ja klar, und ich bin Sherlock Holmes und löse den Fall deshalb mit links", sagte ich und sah Richtung Tür. Es war Zeit zu gehen.
"Sherlock Holmes? War das dieser Detektiv? Aus den Muggel-Geschichten?", fragte der Mann.
"Jetzt veralbern Sie mich nicht!", stieß ich zornig hervor. "Sie wissen ganz genau, wer Sherlock Holmes ist! Und aus was für Geschichten, bitte?"
"Mr Dolan. Ich möchte Ihnen gern kurz und bündig das Wichtigste sagen. Damit wir nicht bis morgen hier sitzen - denn so viel Zeit haben wir nicht - bitte ich Sie, mir zuzuhören. Anschließend können Sie mir Fragen stellen. Und ja, ich weiß, dass Sie viele Fragen haben werden."
Ich konnte es nicht fassen. Der Kerl schien tatsächlich zu glauben, dass ich ihm die Hokuspokus-Geschichte abnahm. Ich konnte immer noch gehen, meine Zeit mit wertvolleren Dingen vertreiben, als einem Spinner zuzuhören, der sich als Zauberer ausgab. Aber aus irgendeinem Grund blieb ich sitzen. Fragen Sie mich nicht warum, ich weiß es bis heute nicht.
Ich nickte dem Mann zu, der nun wieder lächelte und zu sprechen begann.
"Mein Name ist Kingsley Shacklebolt. Wie ich schon gesagt habe bin ich ein Zauberer. Das mag Ihnen unsinnig vorkommen, aber ich bin tatsächlich einer. Ich arbeite im Zaubereiministerium. Das beinhaltet quasi die Regierung der britischen Hexen und Zauberer."
"Hexen gibt es auch, ja?", warf ich ein. "Und Vampire bestimmt ebenfalls?"
"In der Tat", sagte Kingsley Shacklebolt.
"Sie können hier viel erzählen", sagte ich. "Ich kann Ihnen nichts glauben, wenn Sie keinen Beweis erbringen können."
Kingsley Shacklebolt seufzte, dann zog er etwas aus seiner Jackentasche. Es sah aus wie ein langes, dünnes Stück Holz.
"Wenn es sein muss", sagte Kingsley Shacklebolt. "Schauen Sie auf die Glühbirne über uns."
Die Glühbirne flackerte wie sie es die ganze Zeit getan hatte. Dann schwenkte Kingsley Shacklebolt das Stück Holz durch die Luft - und die Glühbirne erlosch. Alles war dunkel. Ich vernahm eine weitere Bewegung von der anderen Tischseite, woraufhin die Glühbirne wieder spärliches Licht verströmte.
"Beeindruckend", sagte ich. "Ist da ein Lichtschalter auf der Unterseite des Tisches?"
Kingsley Shacklebolt schwang erneut das Stück Holz. Ich schrie erschrocken auf. Der Tisch hob vom Boden ab, flog etwa einen Meter hoch und drehte sich in der Luft schwebend auf die Rückseite. Dass sich dort auf der Unterseite des Tisches kein Lichtschalter befand, war eine logische Folge der kompletten Vorführung. Mit einer weiteren Bewegung ließ Kingsley Shacklebolt den Tisch wieder zurück auf den Boden sinken.
"Ist das ein-?", stotterte ich und deutete auf das Stück Holz, das Kingsley Shacklebolt in eben diesem Moment zurück in seine Tasche gleiten ließ.
"Ein Zauberstab, ja", sagte er.
"Kann jeder zaubern?", fragte ich.
"Nein", sagte Kingsley Shacklebolt ruhig. "Sie gehören zu den nicht-magischen Menschen, Mr Dolan. Zu den Muggeln. Dafür haben Sie Qualitäten, die wir Zauberer nicht haben."
"Zum Beispiel in einem Mordfall ermitteln?"
"Genau", meinte Kingsley Shacklebolt und nickte. "Ich kann mich schlecht unter Muggeln verstecken. Ich würde auffallen, da ich nur teilweise weiß, wie ich mich verhalten müsste."
"Und der Mord im Martin House? War da Zauberei im Spiel, Mr Shacklebolt?"
"Kingsley, Mr Dolan." Der Zauberer zwinkerte mir zu.
"Na schön. Mein Name ist Phil."
"Bei deinem Mordfall war auf jeden Fall Zauberei im Spiel, Phil", sagte Kingsley. "Der Tote hieß Adam Hatchworthy. Er war selbst ein Zauberer. Er gehörte einer Untergrundbewegung an, die das Zaubereiministerium stürzen und anschließend die Macht über alle britischen Zauberer übernehmen will."
"Wie heißt die Bewegung?", wollte ich wissen. Ob all das stimmte oder nicht - spannend war es auf jeden Fall.
"Ihr Name ist Rote Spur", erklärte Kingsley. "Sie arbeitet mit brutalen Methoden an ihrem Ziel und hinterlässt so wortwörtlich eine rote Spur in der Landschaft."
"Brutale Methoden?"
"Entführung, Folter, Mord. Sowohl an Zauberern als auch an nicht-magischen Menschen."
"Und Hatchworthy gehörte da dazu?", fragte ich. Mrs Cotteridge hatte mir äußerst glaubhaft versichert, dass der Tote ein anständiger und ruhiger Nachbar gewesen war.
"Bis vor einem Monat, ja", sagte Kingsley. "Dann entschloss er sich dazu, auszusteigen. Wahrscheinlich war ihm das Ganze dann doch zu gewalttätig. Er zog nach Elephant and Castle, ins Martin House, Wohnung Nummer 32. Ich nehme an, dass er in der Muggelwelt untertauchen wollte. Seine ehemaligen Mitstreiter bei der Roten Spur wollten eine frei herumlaufende Informationsquelle möglichst entfernen. Deshalb blieb Hatchworthy die meiste Zeit in seiner Wohnung, versteckt und verborgen für die Suchenden."
"Er verließ jeden Morgen seine Wohnung. Immer zwischen neun und zehn. Das hat die Nachbarin gesagt", merkte ich an.
"In dieser einen Stunde begab sich Hatchworthy jeden Tag zum Eingang des Zaubereiministeriums, denn er wusste, dass der Zaubereiminister immer dann das Ministerium auf normalem Wege verließ, um eine Muggel-Zeitung zu kaufen."
"Euer Minister liest eine - wie sagt ihr - Muggel-Zeitung?", fragte ich verwundert.
"Er will immer informiert sein über das, was in eurer Welt passiert. Meiner Meinung nach ist das eine positive Sache."
"Warum lässt er sich die Zeitung nicht in sein Büro schicken?"
"Das ist eben eine Angewohnheit von ihm. Er mag es, selbst in den Zeitschriftenladen zu gehen. Er mag den Kontakt mit nichtmagischen Menschen."
"Dann wollte Hatchworthy also den Minister auf dem Weg zum Zeitschriftenladen umbringen", stellte ich fest.
"Nein", erwiderte Kingsley. "Er wollte ihn warnen. Er hatte während seiner Zeit bei der Roten Spur Wind von einem geplanten Attentat auf den Zaubereiminister bekommen und wollte dieses nun, da er ausgetreten war, verhindern."
"Und der Zaubereiminister ist jetzt gewarnt?", fragte ich.
"Nicht direkt", sagte Kingsley. "Hatchworthy hat den Minister nie angetroffen, da dieser zur Tarnung jeden Tag eine neue Gestalt annimmt, wenn er die Zeitung kaufen geht. Hatchworthy hat täglich eine Stunde lang vor dem Zaubereiministerium gewartet, wissend, dass der Minister in diesem Zeitraum zweimal an ihm vorbei läuft. Das tat der Minister auch. Allerdings sah er nie wie der Minister aus und Hatchworthy hat ihn deshalb nicht erkannt."
"Wie ist das möglich?", fragte ich staunend.
"Mit dem so genannten Vielsaft-Trank kann man sein äußeres Erscheinungsbild für eine begrenzte Zeit ändern."
"Du hast gesagt, dass der Minister nicht direkt gewarnt wurde", erinnerte ich mich. "Also weiß er doch irgendwie bescheid?"
Kingsley nickte.
"Hatchworthy hat mich eines Tages angesprochen. Er wisse von einem Attentat auf den Minister und müsse ihn sprechen. Ich habe ihm keine große Beachtung geschenkt, schließlich erhält der Minister jede Woche mindestens zehn Todesdrohungen per Eulenpost. Als ich gestern Mittag vom Tod Hatchworthys erfahren habe, wusste ich, dass an der ganzen Sache vielleicht doch mehr dran ist, als ich zuvor gedacht hatte. Ich habe dem Minister von der Warnung berichtet. Er kann sich jedoch nicht monatelang in seinem Büro einschließen. Leider haben wir keinerlei Kenntnis über den geplanten Ort und über das geplante Datum des Anschlags. Und da kommst du ins Spiel, Phil."
"Ich weiß nicht mehr als ihr", gab ich zu.
"Das ist mir klar", sagte Kingsley. "Aber du kannst beides - Ort und Zeit - herausfinden."
"Wie?" Mir war total schleierhaft, wie ich das anstellen sollte. Derjenige, der beide Informationen freiwillig herausgeben würde, war ermordet worden. Und die anderen, die von dem geplanten Attentat wussten, gehörten einer magischen Untergrundbewegung an. Ich bezweifelte, dass ich diesen Personen, auf welche Art und Weise auch immer, die gewünschten Informationen entlocken konnte. Schließlich - und das war eben die nüchterne Wahrheit - war ich kein Zauberer.
"Um das Wie reden wir sobald du mir zugesichert hast, dass du es machst", meinte Kingsley und sah mich ernst an.
"Ich muss doch wissen auf was ich mich einlasse", sagte ich entrüstet.
"Du wirst es zur richtigen Zeit erfahren. Sobald du bereit dafür bist", sagte Kingsley.
Ich wollte widersprechen, doch Kingsley hob die Hand und bedeutete mir, stumm zu sein.
"Du willst bestimmt zuerst wissen, was gestern und auch heute morgen geschehen sein könnte?"
"Natürlich will ich das wissen."
"Nun, es gibt einen simplen Zauberspruch, mit dem man jemanden töten kann, ohne dass dessen Leichnam anschließend irgendwelche Spuren aufweist. Ich nehme an, dass der Mörder gestern diese Beschwörung benutzte, um Adam Hatchworthy zu ermorden. Zudem stehen Zauberern mehrere Wege zur Verfügung, unbemerkt zu verschwinden. Sie können apparieren - das heißt, dass sie einfach auf der Stelle verschwinden und an einem anderen Ort wieder auftauchen. Allerdings hätte es Mrs Cotteridge merken müssen, wenn jemand in der Nachbarwohnung appariert, denn üblicherweise macht sich dieser Weg des Verschwindens durch einen lauten Knall bemerkbar. Deshalb die zweite Möglichkeit: Zauberer können sich Tarnumhänge überstreifen, mit denen sie vor anderen Menschen verborgen bleiben."
Ich hatte kaum ein Wort verstanden, aber ich schloss, dass der Mörder (wenn er denn tatsächlich auch ein Zauberer war) einfach unbemerkt aus der Wohnung spazieren konnte. Oder sich aus der Wohnung beamen konnte. Oder - ach egal...
"Mrs Cotteridge", erklärte Kingsley weiter. "Mrs Cotteridge wurde mit dem Imperius-Fluch belegt. Dadurch wurde sie gezwungen, deinen Kollegen auszuschalten. Ich vermute, dass der Mörder sie als Schutzschild verwenden wollte. Jede Person, egal ob Zauberer oder nicht, die versuchte, etwas über den Mord herauszufinden, sollte erledigt werden. Mit der Nachbarin bot sich dem Mörder dazu eine gute Möglichkeit."
Ich schüttelte den Kopf.
"Das ist doch alles verrückt", meinte ich zwischen Faszination und Entsetzen. "Und was ist im Krankenhaus passiert? Die Dunkelheit?"
"Das war ich", sagte Kingsley. "Ich habe Instant-Finsternispulver in die Luft geworfen, um dich unbemerkt aus dem Krankenhaus zu bekommen. Ich habe dir einen Schockzauber aufgehalst - entschuldige. Dann habe ich das Gedächtnis deines Kollegen verändert, damit er sich nicht mehr daran erinnert, dass du bei ihm gewesen bist."
Während ich staunend da saß, stand Kingsley auf und öffnete mit einem weiteren Schlenker seines Zauberstabs die Tür.
"Überleg es dir, Phil", sagte er. "Morgen früh um halb sieben treffen wir uns vor Adam Hatchworthys Wohnung. Wenn du dich dafür entscheiden solltest, mir nicht helfen zu wollen, dann kannst du anschließend einfach wieder heimgehen."
Ich zögerte, aber nach ein paar Augenblicken stand auch ich auf, schüttelte Kingsleys Hand und ging durch die Tür hinaus.
"Phil!", rief mir Kingsley hinterher.
"Ja?"
Bitte, dachte ich, sag mir, dass alles nur ein schlechter Scherz war.
"Gib's zu, dieser Sherlock Holmes war doch eine Figur aus einer Muggel-Geschichte, oder?"


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
Hobbit 3: Begleitbuch
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Ich glaube nicht an Hexerei.
Joanne K. Rowling