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Ein unmöglicher Mord - Das Zeugnis der Nachbarin

von jörg ratgeb

Die geplante Pubtour am Abend hatten wir spontan auf einen Pub eingeschränkt, und so saßen wir um kurz nach sechs im Lamb & Flag nahe Covent Garden bei unserem ersten Pint. Ich bin eigentlich ein Verfechter der englischen Biere, weshalb ich meistens Ale trank. Das eigene Kulturgut musste ja bewahrt werden. Doch Burt konnte den Geschmack von Ale nicht ausstehen. Seiner Meinung nach war es einfach zu lasch. "Schmeckt wie drei Tage offen rumgestanden", pflegte er immer zu sagen. Und ich wusste tatsächlich, was er meinte. Den verschiedenen Ales fehlte oftmals der Pfiff. Deshalb griff auch ich gelegentlich zu Import-Bieren wie Foster's (aus Australien), Peroni (Italien) oder Stella Artois (Belgien). Die waren dann doch oftmals erfrischender und spritziger. An diesem Abend hatte ich ein Pint Foster's in der Hand, Burt schlürfte an einem Glas Peroni. Wir hatten am Tresen auch etwas zu Essen bestellt - ich einen Steak Pie, Burt Fish and Chips. Da die Gerichte frisch zubereitet wurden, mussten wir noch ein klein wenig auf sie warten. Zeit genug für mich, Burt über den Todesfall auszufragen.
"Wie hast du eigentlich von dem Toten erfahren? Ich nehme an, dass du nicht einfach mal so in Elephant and Castle rumspaziert bist, um Wohnungen anzuschauen."
"Da liegst du richtig. In dem Drecksloch würde ich nicht mal dann wohnen, wenn mich der Vermieter dafür bezahlen würde", sagte Burt. Das fand ich ehrlich gesagt etwas zu abwertend. Ich mochte Elephant and Castle auch nicht, und es fiel mir tatsächlich auch kein einziger Grund ein, warum ich dort wohnen sollte, aber ein 'Drecksloch' war es dann doch nicht. Da Burt schlecht gelaunt zu sein schien, vermied ich jedoch eine Diskussion und pflichtete seiner Aussage mit einem Nicken bei.
"Also, ich fahr' heute Vormittag Streife in Westminster. Das Übliche: Rein gar nichts los", erzählte Burt. "Dann halt' ich irgendwann am Straßenrand an, weil ich denk', dass es ziemlich blöd wär', vor Langeweile am Steuer einzupennen und 'nen Unfall zu bauen. Ich steh' also in irgend'ner Seitenstraße, den Kopf am Fenster, weil ich mich kaum mehr wach halten kann. Verdammtes Arsenal - hätten die gestern mal das Tor getroffen, wär' ich früher ins Bett gekommen. Ich penn' also schon fast, da werd' ich angefunkt. Notruf in Elephant and Castle, und keiner von der dortigen Einheit hat Zeit. Also bin ich da hingefahren."
Burt nahm sein Glas Bier und trank es mit einem Mal aus.
"Wer hat den Notruf abgesetzt?", wollte ich wissen.
"Eine Nachbarin von dem Toten, wohnt direkt daneben. Wohnung 31", antwortete Burt.
"Woher hat sie gewusst, dass ihr Nachbar tot ist?"
"Hat 'se nicht. Hat irgendwas gehört, sagt sie, und dann hat sie geklingelt, aber keiner kam an die Tür. Da ist sie vom Schlimmsten ausgegangen, sagt sie", meinte Burt.
"Komisch", sagte ich und runzelte die Stirn. "Scheinen mir etwas wenig Anhaltspunkte zu sein, um von einem Todesfall auszugehen, oder?"
"Kann schon sein. Aber die war total hysterisch am Telefon, deshalb sollte ich vorbeischauen." Burt sah zum Tresen und leckte sich mit der Zunge über die Lippen. "Noch ein Foster's?", fragte er mich.
"Ja gern", sagte ich und trank mein erstes Bier aus.
Während Burt am Tresen die nächste Runde bezahlte, kam unser Abendessen. Die englische beziehungsweise britische Küche hat einen schlechten Ruf, das ist mir bewusst. Allerdings zu unrecht. Na gut, das ist nur meine Meinung, aber ich finde, sie trifft zu. Britische Gerichte sind meistens nicht sehr fein zubereitet, aber auf ihre eigene deftige Art und Weise sind sie einfach - lecker! Die meisten Pubs servieren wirklich gutes Essen, und das oft zu tollen Preisen. Wer in London Urlaub macht, soll bitte die üblichen Verdächtigen wie McDonalds, Subway, PizzaHut (oder wie sie alle heißen) meiden. Richtig gut - und vor allem traditionell britisch - isst man in den Pubs. Auch mein Steak Pie war an diesem Abend äußerst lecker. Allemal besser als die Mikrowellen-Macaroni, die ich zu Hause noch im Kühlschrank liegen hatte. Unser Mahl vollzogen Burt und ich schweigsam. Ich dachte über den Mordfall nach (Wie zum Teufel konnte jemand den armen Kerl ermorden, ohne in dessen Wohnung zu sein? Oder wie konnte er nach dem Mord aus der Wohnung verschwinden und die Eingangstür dabei von innen verschließen?). Burts Blick klebte hungrig an zwei Blondinen am Nebentisch. Als wir fertig gegessen hatten und Burt die nächste Runde Bier geholt hatte, kamen wir endlich auf das Fußballspiel am Vorabend zu sprechen.
"Wie viele Chancen hatte Arsenal in der regulären Spielzeit?", wollte ich wissen, obwohl ich die Antwort ganz genau wusste: 36-mal hatten die Gunners geschossen, 17 Bälle waren davon direkt auf das Tor geflogen, doch der Torhüter von Crystal Palace hatte einen unglaublichen Tag erwischt und jeden Schuss rausgefischt.
"36 verdammte Chancen, Mann. Das verdammte Palace konnte froh sein, dass sie es bis ins Elfmeterschießen geschafft haben", grummelte Burt.
An dieser Stelle sollte ich Ihnen vielleicht kurz erklären, dass zwischen unserem Lieblingsclub (Charlton Athletic) und Crystal Palace eine ausgeprägte Rivalität herrscht. Sprich: Die Fans beider Lager können sich gegenseitig nicht leiden. Deshalb entschuldige ich mich für Burts Wortwahl. Da spricht sein Fußball-Herz.
"Unglaublich, wirklich. Ich hab' gedacht, ich könnte früher ins Bett", sagte ich und lachte.
"Deshalb hab' ich ja verdammt noch mal fast gepennt, als heute morgen der Anruf vom Revier kam", sagte Burt. Er war tatsächlich so wütend, dass er sein drittes Bier mit einem Zug leer trank. "Ich glaub', ich sollt's für heut' sein lassen."
"Das glaube ich auch", sagte ich und grinste. Ich wusste, dass Burt sehr wohl noch einige Liter mehr Bier vertrug, ehe er richtig betrunken sein würde. Aber man musste es ja nicht immer übertreiben. Und schon gar nicht Montagabends. "Wir müssen morgen wohl mit der Nachbarin sprechen, nehme ich an. Da sollten wir nicht mit 'nem Kater antanzen", sagte ich.
Während ich mein drittes Bier gemütlich austrank (Burt saß auf dem Trockenen), fachsimpelten wir noch etwas über die mögliche taktische Ausrichtung von Charlton beim nächsten Liga-Spiel. Dann machten wir uns auf den Heimweg.
Ich hatte meinen Jaguar in einem Parkhaus in der Nähe geparkt, doch ich wollte nichts riskieren und nahm den Zug nach Hause. Drei Bier könnten etwas zu viel sein für die Promillegrenze...
Ich stieg in Greenwich aus, Burt blieb im Zug sitzen. Er wohnte in Plumstead. Es war kurz vor elf und natürlich schon dunkel. Die Luft war angenehm kühl, deshalb genoss ich den Spaziergang von der Station bis zu meinem Haus. Ich kam am National Maritime Museum und der Universität vorbei, die abends wunderschön beleuchtet wurde. Zuhause angekommen warf ich mich in meinen Klamotten aufs Bett und schlief nur Augenblicke später ein.

Der nächste Tag begann so klar und angenehm kühl wie der vorherige aufgehört hatte. Ich aß eine Schüssel Cornflakes zum Frühstück, duschte schnell und zog eilig meine Klamotten an. Ich musste erst meinen Jaguar holen, bevor ich mich mit Burt in Elephant and Castle treffen würde. Und das konnte dauern, zumal ich wusste, dass für meine Strecke in die Stadt Gleisarbeiten angekündigt waren. Also verließ ich mein Haus um kurz vor acht und ging zügigen Schrittes zur Station Maze Hill, die deutlich näher lag. Zu meiner Überraschung war von Gleisarbeiten keine Spur, sodass ich eine halbe Stunde später in meinem Wagen saß. Auch der Londoner Verkehr entehrte seinen Ruf: Ich benötigte für die zugegebenermaßen recht kurze Strecke von Covent Garden bis Elephant and Castle gerade einmal zehn Minuten. Üblicherweise muss man dafür mit dem doppelten rechnen - mindestens.
So kam es, dass ich viel zu früh vor dem Martin House parkte. Burt und ich hatten uns für zehn Uhr verabredet. Es war gerade mal neun. Ist egal, dachte ich, dann kannst du dich ein bisschen in der Gegend umsehen.
Ich ging durch die umliegenden Straßen, und überall bot sich mir das selbe Bild: Wohnhäuser aus braunroten Pflastersteinen. Zwischen den Häusern lag fast immer ein kleines Stück Wiese mit mehreren Bäumen. Alles wirkte recht aufgeräumt. Dies schien ausnahmsweise eine qualitativ bessere Wohngegend in Elephant and Castle zu sein. In einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite riss jemand ein Fenster auf. Dicke Rauchwolken pafften heraus.
"Wie oft hab' ich dir schon gesagt, nich hier drinne?!", schrie eine wütende Stimme.
Der markante Geruch von Cannabis drang an meine Nase. Die Gegend schien halbwegs sauber zu sein, ihre Bewohner also nicht. Da ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Lust auf eine Diskussion wegen illegalen Drogenkonsums hatte, setzte ich meinen kleinen Spaziergang in Elephant and Castle fort, ohne die Kiffer weiter zu beachten. In der Ferne sah ich den Shard, Londons höchsten Wolkenkratzer, der aussah wie eine Glasscherbe. Auf meinem Rundgang begegnete ich sonst niemandem mehr. Alles war wie ausgestorben. Nichts außergewöhnliches. Also trottete ich zum Martin House, wohl wissend, dass es noch zwanzig Minuten dauern würde, bis Burt hier aufkreuzen würde. Doch wieder einmal lag ich an diesem Tag falsch. Als ich in den Innenhof des Gebäudes trat, sah ich Burt schon an einer Mauer lehnen. Er rauchte eine Zigarette, was er eigentlich nur dann tat, wenn er nervös war.
"Alles klar, Kumpel?", sagte ich und umarmte ihn flüchtig zur Begrüßung.
"Ich hab' einfach das Gefühl, dass hier was richtig faul ist", murmelte Burt, warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie mit dem rechten Fuß aus. "Sollen wir klingeln?"
Ich nickte. Wir stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf und gingen an der Wohnung Nummer 32, dem Tatort, vorbei. An der nächsten Tür blieben wir stehen.
"Klingeln wird wohl nichts", sagte ich und musste mir ein Lachen verkneifen.
Die Wohnung Nummer 31 hatte keine Klingel. Burt zuckte mit den Schultern und klopfte forsch an die Tür. Irgendwo dahinter bellte ein Hund und ich vernahm deutlich hastige Schritte.
"Ich komme, Schätzchen. Nur einen Moment", rief eine weibliche Stimme, die eindeutig einer älteren Dame zuzuordnen war.
Keine fünf Sekunden später wurde die Tür mit solch einer Wucht aufgerissen, dass ich vor Schreck fast aus den Schuhen kippte. Vor uns stand eine kleine, bucklige Frau mit weißem Haar. Sie hatte eine kleine Stummelnase, messerscharfe blaue Augen und monströse Brüste. Ich schätzte ihr Alter auf um die siebzig Jahre. Während Burts Augen an den Mega-Brüsten klebten (typisch!), lächelte ich der alten Dame zu und zeigte ihr meine Dienstmarke.
"Guten Tag, Madam. Wir sind von der Polizei", sagte ich. Bevor ich auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, fuhr sie dazwischen.
"Ah ja, ich habe Sie schon erwartet. Kommen Sie rein, Schätzchen, ich habe Tee und Kekse", sagte sie aufgeregt und trippelte ins Innere der Wohnung davon.
Ich folgte ihr in ein kleines Wohnzimmer. Burt schien von den Brüsten hypnotisiert zu sein, denn er torkelte erst geschlagene zehn Sekunden später traumwandlerisch hinterher. Das Wohnzimmer war vollgestopft mit Plüschdecken, hässlichen Puppen, einem kleinen Sofa und einem grauenhaften rosa Ohrensessel. In der Wohnung roch es nach Hund und Urin. Ich vermutete, dass die Alte mit ihrem Köter nicht mehr Gassi ging, sondern ihn ins Wohnzimmer pinkeln ließ. Der Hund war eine englische Bulldogge. Sein Gesicht war platt gedrückt, als wäre er mehrmals mit voller Geschwindigkeit geradewegs gegen die Wand gelaufen und er brachte sicherlich einen halben Zentner auf die Waage.
"Setzen Sie sich, setzen Sie sich, Schätzchen. Ich hole den Tee", keifte die Alte und verschwand in eine noch kleinere Küche.
Ich setzte mich auf das Sofa, Burt ließ sich wenig später auf die zehn Quadratzentimeter neben mich fallen. Wir mussten komisch ausgesehen haben, wie wir da nebeneinander gequetscht in diesem miefigen Plüschzimmer saßen. Die Alte kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem sie drei Tassen, eine Kanne sowie einen kleinen Teller mit Keksen balancierte. Ich hatte keine Ahnung, wo sie das Ganze abstellen wollte. In diesem Zimmer gab es keinen freien Zentimeter. Doch die Alte schubste mit ihrem linken Fuß einen Haufen hässlicher Puppen von einem kleinen Holztisch, der zwischen dem Sofa und dem Ohrensessel stand und von dessen Existenz ich zuvor nicht gewusst hatte. Der Hund begann freudig an den hässlichen Puppen zu lecken. Als Burt und ich mit Tee und Keksen versorgt waren und die Alte in dem rosa Ohrensessel Platz genommen hatte, ergriff ich das Wort.
"Wie Sie wissen ereignete sich gestern ein Todesfall in der Wohnung nebenan?"
"Ja sicher, Schätzchen. Ich habe ja die Polizei gerufen", sagte die Alte mit funkelnden Augen.
"Das wissen wir, Madam", antwortete ich. "Bevor wir auf die Einzelheiten des gestrigen Tages zu sprechen kommen, möchte ich ein paar Informationen zu Ihrer Person in unsere Notizen aufnehmen, wenn das in Ordnung für Sie ist, Madam?"
"Sicher doch, sicher doch, Schätzchen."
Ich zückte Kugelschreiber und Notizblock und sah der Alten in diese messerscharfen blauen Augen. Ich hatte das Gefühl, durchleuchtet zu werden. Von ihrem Blick ging etwas unheimliches, bedrohliches aus.
"Ihr Name ist?", fragte ich.
"Elaine Cotteridge, Schätzchen", säuselte die Alte und bröselte begeistert einen halben Keks auf ihre Brüste.
"Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?"
"Sicher dürfen Sie fragen, Schätzchen. Zweiundsiebzig bin ich. Seit letzter Woche. Da hatte ich Geburtstag. Das war ein schöner Tag. Meine Tochter war zu Besuch aus Birmingham. Ich seh' sie ja leider nicht mehr oft-"
"Seit wann wohnen Sie hier im Martin House?", unterbrach ich sie.
"Erst seit einem Jahr", antwortete Mrs Cotteridge. "Davor habe ich mit Neil in Croydon gewohnt, aber das Haus war dann zu groß für mich allein."
"Neil war Ihr Ehemann?"
"Das war er, Schätzchen, das war er." Dass sie mich ständig mit Schätzchen ansprach, ging mir so langsam auf den Zeiger.
"Er ist gestorben?"
"Leider. Der Krebs hat ihn dahingerafft", murmelte Mrs Cotteridge und kleine Tränen sammelten sich in ihren Augen.
"Das tut mir leid, Madam", sagte ich schnell. Ich wollte zügig das Thema wechseln. Was mir jetzt noch fehlte, war eine heulende Alte zu trösten. "Der junge Mann von nebenan - der Tote - wohnte der schon vor Ihnen hier?", fragte ich.
"Nein, nein, Schätzchen. Der arme Kerl ist erst vor einem Monat hier eingezogen", sagte Mrs Cotteridge, die plötzlich wieder aufgeregt und beinahe euphorisch wirkte. Sie schien regelrecht begeistert zu sein, dass direkt nebenan eine Leiche aufgefunden worden war.
"Haben Sie jemals mit ihm gesprochen?", wollte Burt wissen.
Mrs Cotteridge schaute verdutzt zu Burt, als hätte sie vergessen, dass er auch hier in ihrem Wohnzimmer saß.
"Nein, an ein Gespräch mit ihm kann ich mich nicht erinnern", antwortete Mrs Cotteridge und kratzte sich gedankenverloren an der kleinen Nase. "Ah doch, da war doch was", rief sie plötzlich.
"Ja?", sagte Burt.
"Es war erst vergangene Woche", begann Mrs Cotteridge zu erzählen. "Mittwoch oder Donnerstag. Vielleicht war es auch am Freitag. Ich war gerade vom Einkaufen zurück, da kam er aus seiner Wohnung heraus. Ich sagte 'Hallo', und er nickte mir zu. Ich war schon fast in meiner Wohnung verschwunden, da räusperte er sich laut und sagte 'Geben Sie Acht, es ist nicht sicher hier'. Ja, das hat er gesagt. Ich wollte ihn fragen, wie er zu diesem Schluss gelangt ist, doch da war er schon fort. Und das war es. Mehr haben wir nie miteinander gesprochen."
Ich runzelte die Stirn. Warum hatte der Ermordete seine Nachbarin gewarnt? Welcher Gefahr war er sich bewusst gewesen?
"Hatten Sie hier jemals das Gefühl, nicht sicher zu sein?", fragte ich.
"Nein, Schätzchen, nein. Das sind alles ganz liebe Leute hier. Und im Notfall ist ja der kleine Hugo hier, der auf mich aufpasst", sagte Mrs Cotteridge und wies mit einer Hand auf den Hund, der immer noch an den Puppen herumleckte.
"Hat ihr Nachbar einen ungewöhnlichen Eindruck auf Sie gemacht?", fragte Burt. "Kam er Ihnen komisch vor? Hat er krumme Geschäfte getrieben?"
"Ich hab ihn fast nie gesehen", sagte Mrs Cotteridge langsam. "Nur morgens ist er jeden Tag um neun Uhr weggegangen und eine Stunde später wieder gekommen. Sonst war er ein angenehmer, ruhiger Nachbar."
"Kommen wir zu den Ereignissen von gestern", sagte ich. "Sie haben uns angerufen, weil Sie gedacht haben, Ihrem Nachbarn sei etwas zugestoßen. Ist das richtig?"
"Ganz genau, Schätzchen", sagte Mrs Cotteridge und nickte eifrig. "Er war um neun nicht weggegangen. Und um zehn ist er natürlich auch nicht wieder gekommen, denn er war ja gar nie weg. Da habe ich mich gewundert, schließlich ist er wirklich jeden Morgen eine Stunde lang weggewesen."
"Sind Sie ganz sicher, dass Sie ihn nicht verpasst haben?", wollte Burt wissen.
"Oh ja. Ich habe die ganze Zeit aus dem Küchenfenster geschaut. Von acht Uhr bis elf Uhr."
"Und weil er nicht um neun aus seiner Wohnung kam, haben Sie die Polizei gerufen?", fragte Burt misstrauisch.
"Ich war misstrauisch geworden, mehr nicht", sagte Mrs Cotteridge. "Ich habe um kurz nach elf an seine Tür geklopft, weil ich fragen wollte, ob alles in Ordnung ist. So machen gute Nachbarn das. Aber er hat nicht geantwortet. Und ich habe auch keine Bewegungen in der Wohnung wahrnehmen können."
"Und dann haben Sie die Polizei gerufen?", fragte Burt.
"Genau. Denn ich habe mich an seine Warnung von vergangener Woche erinnert. 'Geben Sie Acht, es ist nicht sicher hier'. Da habe ich mich gefragt, was wäre, wenn er recht hatte und ihm etwas zugestoßen ist. Und ich lag richtig."
"Haben Sie gestern Morgen irgendetwas mitbekommen? Geräusche von nebenan?", fragte ich.
Mrs Cotteridge rutschte nervös auf dem rosa Couchsessel umher. Sie schien ihre nächsten Worte zu überdenken.
"Ich bin mir nicht sicher", sagte sie leise. "Ich habe noch geschlafen. Es muss also vor sieben Uhr gewesen sein. Jemand hat geschrien. Erst habe ich gedacht, dass ich geträumt hätte, aber ich glaube, der Schrei war echt."
"War es ein schmerzvoller Schrei? Als sei jemand umgebracht worden?"
"Nein, Schätzchen. Er klang eher überrascht. Vielleicht ein bisschen erschrocken."
"Haben Sie sonst noch etwas gehört?", fragte Burt drängend.
"Ich war noch schläfrig, deshalb habe ich nichts verstanden. Aber ich habe zwei Stimmen leise miteinander reden hören", sagte Mrs Cotteridge.
"Gehörte eine davon Ihrem Nachbarn?", fragte ich.
"Das kann ich nicht sagen. Die Stimmen waren zu leise. Aber es waren zwei Männer, da bin ich mir sicher."
"Sonst nichts?"
"Danach habe ich nichts mehr gehört, Schätzchen."
Burt räusperte sich vernehmlich.
"Mrs Cotteridge, als ich gestern zur Mittagszeit hier ankam und der Hausmeister mir die Tür zu Wohnung Nummer 32 aufschloss, da war außer Ihrem toten Nachbar niemand in dessen Wohnung. Haben Sie jemanden aus der Wohnung nebenan verschwinden sehen? Nach dem Gespräch, das Sie belauscht aber nicht verstanden haben?"
"Niemand hat die Wohnung verlassen", sagte Mrs Cotteridge bestimmt.
"Aber es haben ganz bestimmt zwei Personen vor sieben Uhr miteinander gesprochen?"
"Ja."
"Und wie ist die zweite Person aus der Wohnung verschwunden?", fragte ich.
"Ich weiß nicht, Schätzchen. Es kommt mir vor wie Zauberei."
"Nun gut, wir wissen, dass es das mit Sicherheit nicht war", sagte Burt bestimmt. "Wie können Sie sicher sein, dass die zweite Person die Wohnung nebenan nicht zwischen sieben und acht Uhr verlassen hat? Schließlich haben Sie vorhin gesagt, dass sie erst ab acht aus Ihrem Küchenfenster geschaut haben."
Mrs Cotteridge legte ihre Hände auf ihre großen Brüste. Sie wirkte sehr ruhig.
"Das hätte ich gemerkt", sagte sie.
"Können wir Ihnen vertrauen, dass Sie uns die Wahrheit sagen?", fragte ich und sah ihr dabei tief in die messerscharfen blauen Augen. Sie blinzelte nicht, sondern erwiderte meinen Blick bestimmt und ehrlich.
"Das können Sie, Schätzchen", sagte Mrs Cotteridge. "Das können Sie absolut."
Burt zweifelte an der Vertrauenswürdigkeit der Alten, das sah ich ihm an. Doch ich schüttelte kaum merklich den Kopf, um ihm zu verstehen zu geben, dass wir das später ausdiskutieren könnten.
"Noch eine Frage, Mrs Cotteridge", sagte ich.
"Ja, Schätzchen?"
"Hatte Ihr Nachbar während des einen Monats, seitdem er hier gewohnt hat, jemals Besuch? Abgesehen von gestern morgen?"
"Nein, Schätzchen. Ich habe nie jemanden gesehen oder gehört."
Das genügte mir vorerst, weshalb ich aufstand.
"Bevor wir gehen, würde ich gern nochmal Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen und die Toilette aufsuchen", sagte ich.
"Die Tür neben der Küche, Schätzchen", sagte Mrs Cotteridge.
Ich betrat das winzige Badezimmer. Es gab hier eine Kloschüssel, ein Waschbecken und eine Badewanne, in die ich nur mit angewinkelten Beinen hineingepasst hätte. Während ich auf der Toilette saß, hörte ich Burt und Mrs Cotteridge miteinander sprechen. Allerdings verstand ich nicht, um was es ging. Ich wusch die Hände in dem kleinen und schon etwas rostigen Waschbecken. Ich trocknete mir gerade die Hände mit einem rosa Handtuch, als ich aus dem Wohnzimmer einen dumpfen Knall hörte. Ich riss die Badezimmertür auf und blickte mich um.
Direkt vor mir, auf dem Boden, lag eine Person - alle Viere von sich gestreckt und ohnmächtig. Es war Burt.


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