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Fanfiction

A Season In Hell - Ein Jahr In Der Hölle - A Season In Hell - Eine Jahreszeit in der Hölle

von Resimesdra

VON Cassandra Claire (u.a. "The Draco Trilogy")

ĂśBERSETZUNG: RESIMESDRA

Die Unterteilung in Kapitel auf Endless Rain resultiert aus dem dort vorgegeben Wortlimit. Die Originalfassung ist wie hier in lediglich zwei große Teile unterteilt, die eigentlich auch noch unabhängig voneinander geposted werden sollten...

--

Disclaimer: Die Rechte an den Charakteren, die in dieser Geschichte vorkommen, liegen bei J.K. Rowling, sowie diversen Verlagen wie Bloomsbury Books, Scholastic Books und Raincoast Books, auĂźerdem bei Warner Bros., Inc. Mit dieser Geschichte wird kein Geld verdient, und weder Autor, noch Ăśbersetzer leiten daraus irgendwie geartete AnsprĂĽche oder Exklusivrechte ab.

--

C'est le Diable qui tient les fils qui nous remuent!
Aux objets répugnants nous trouvons des appas;
Chaque jour vers l'Enfer nous descendons d'un pas,
sans horreur, travers des timbres qui puent.

(Des Teufels Fäden sind's, die uns bewegen,
Wir lieben Graun, berauschen uns im Sumpf,
Und Tag fĂĽr Tag zerrt willenlos und stumpf
Der Böse uns der Hölle Stank entgegen.

Quelle: Projekt Gutenberg Ăśbersetzungen)



*~*~*~*~*




Harry ist gerade auf dem Weg zur BĂĽcherei, als er auf Snape und Lupin trifft, die bei der Statue der Buckligen Hexe miteinander streiten. Der Geheimgang hinter der Statue klafft weit offen und zwischen den beiden liegt etwas am Boden. Es ist lila und schwabbelig und kein sonderlich appetitlicher Anblick. Harry ist nicht ĂĽberrascht, es zu sehen; seit die Belagerung angefangen hat, kriechen fast jeden Tag Monster aus den Tiefen der Tunnels.

Harry verlangsamt seine Schritte, um mitzubekommen, um was ihr Streit sich dreht. Snape scheint der Meinung zu sein, das Vieh müsse getötet und gegessen werden, während Lupin es offenbar lieber behalten und studieren will.

“Zu welchem Sinn und Zweck, Remus?”, will Snape wissen und stupst das Schwabbelwesen mit der Spitze seines Schuhs an. Reflexartig zuckt es zusammen und streckt einen Tentakel aus. Die Monster haben allesamt Tentakel. Voldemort scheint davon besessen zu sein. Die meisten seiner Geschöpfe sind perverse Kreuzungen – Hippogreif-Werwölfe, Vampir-Satyren, einhörnige Basilisken mit Spinnenbeinen – aber sie alle haben Tentakel, manchmal mehrere Paare davon. Niemand weiß, wozu die eigentlich gut sein sollen. „Es ist doch sogar für einen Laien ersichtlich, um was es sich bei dieser Kreatur handelt.“

Lupin verschränkt die Arme vor der Brust. „Ja? Dann sag’s mir.“

“Es… es ist… es ist halb Grabschhorn, gekreuzt mit einem Lobalug und einer Seeschlange, vielleicht auch einer Forelle.”

„Das hast du dir gerade aus den Fingern gesogen, Severus, und wir beide wissen das.“

„Na und?“ Snape scheint so langsam die Geduld zu verlieren. “Ich kann nicht verstehen, welchen Nutzen wir von einer Studie haben sollten, Remus. Und darf ich dich daran erinnern, dass unsere Vorräte zur Neige gehen? Hagrid hat mir mitgeteilt, dass wir nur noch sechs Hähnchen übrig haben, und laut Sprout wird auch das Gewächshaus demnächst völlig abgeerntet sein. Ich nehme an, du willst, dass wir einfach verhungern...“

Er bricht ab, als er Harry sieht.

Harry lächelt seine beiden Lehrer schwach an.

“Gehst du in die Bücherei, Harry?” fragt Lupin, etwas zu freudig.

„Ja“, sagt Harry.

„Guter Junge”, sagt Lupin. “Guter, tapferer Junge.”

Harry geht weiter, sich der Blicke in seinem RĂĽcken unangenehm bewusst. Bittende, hoffnungsvolle, aufgeregte Augen. Nicht die Augen von Erwachsenen, die ein Kind ansehen. Die verzweifelten Augen verzweifelter Menschen, die einen Retter suchen.

Harry weiĂź, dass sie am falschen Ort suchen.

***


Die Bücherei ist Harrys Reich. Irgendjemand hat vor Wochen (Monaten?) beschlossen, dass hier das Hauptquartier des Schülerwiderstands sein soll. Man hat Tafeln aufgestellt, auf die geschrieben werden kann, überall liegen Pergamentstapel und Federkiele mit verschiedenfarbiger Tinte verteilt, zudem Karten von Hogwarts, den umliegenden Länderein und dem Tunnelsystem unter dem Schloss. Es gibt sogar kleine Schachteln mit Zauberersoldaten, mit denen man Schlachtpläne aufstellen kann.

Harry hat nicht die leiseste Ahnung, was er mit all diesen Dingen anfangen soll. Also ignoriert er sie. Meistens sitzt er herum und malt Strichmännchen auf ansonsten unbeschriebenes Pergament. Er selbst als Strichmännchen, und Strichmännchen-Ron und Hermine im Fuchsbau, welcher durch ein kleines Rechteck dargestellt wird, aus dessen Kamin Rauch quillt. Er als Strichmännchen, wie er Strichmännchen-Malfoy tritt. Obwohl es schwer ist, Malfoy als Strichmännchen zu zeichnen. Er besteht nämlich nur mehr aus Ecken und Kanten und hervorstehenden Teilen, die scharf und spitz sind – und der runde Strichmännchen-Kopf sieht ihm überhaupt nicht ähnlich.

Harry ist nicht ganz sicher, wie er zum Anführer der Bewohner der belagerten Schule gewählt worden ist, aber irgendwie muss es wohl passiert sein. Er ist schließlich der Junge, der überlebt hat, und es ist seine Pflicht, Voldemort zu besiegen. Er hat es schonmal getan, und seine momentane Unfähigkeit, es wieder zu tun, scheint allen außer ihm selbst völlig unbegreiflich. Sie können sich nur zusammenreimen, dass er etwas Unglaubliches, etwas Erstaunliches und wirklich Großes plant, etwas, das Voldemort das Schloss über dem Kopf zusammenstürzen lassen wird.

Natürlich hat Harry keine Ahnung, was das sein soll, und das hat er auch schon mehrmals kundgetan – aber alle ignorieren es. „Plan einfach weiter, Harry“, sagen sie. „Du wirst zuschlagen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wir alle wissen das.“ Harry weist des Öfteren darauf hin, dass ihre Lage völlig hoffnungslos ist – sie sind höchstens noch hundert Mann stark, Schüler und Lehrer zusammengenommen, Dumbledore ist weg und sie sind fast vollständig unbewaffnet. Mittlerweile ist das Schloss umstellt von Todessern, mindestens hundert Mann auf jeder Seite. Voldemorts Streitkräfte sind am ersten Morgen der Besatzung aufmarschiert; sie haben sich nicht ein einziges Mal zurückgezogen, und regelmäßig lodert grünes Feuer aus ihren Zauberstäben, wenn sie jede Eule vom Himmel schießen, die eine Nachricht zu überbringen versucht.

Manchmal veranstalten sie sonderbare Wettrennen auf dem Quidditchfeld. Das deprimiert Harry ohne Ende. Es war einmal sein Quidditchfeld. Er sollte dort draußen herumrennen, mit seinem Besen abheben, in die unendlichen Weiten der Lüfte schweben. Es sollte nicht von einem Haufen gruselig aussehender, Masken tragender Männer überrannt werden, deren knochige Beine gruslig unter den Säumen ihrer schwarzen Umhänge hervorlugen, wenn sie im Kreis tanzen, dabei flammende Fackeln schwenken und obszöne Gesten in Richtung Schloss machen.

Manchmal sitzt Harry auf dem Fensterbrett und sieht ihnen zu, fragt sich untätig, was wohl geschehen würde, wenn er einfach hinunterginge und versuchte, sie von dem Feld zu verjagen. Wenn er noch seinen Zauberstab hätte, würde er es vielleicht sogar versuchen – er würde es wahrscheinlich sogar schaffen, mindestens einen oder zwei von ihnen mitzunehmen, bevor Voldemort auftauchen und ihm einen Todesfluch durch den Kopf jagen würde – aber alle Zauberstäbe sind am ersten Tag der Belagerung spurlos verschwunden. Keiner weiß, wohin. Viele vermuten allerdings, dass die Hauselfen damit abgehauen sind, denn am selben Tag sind auch die Bediensteten entschwunden, wie Ratten, die ein sinkendes Schiff verlassen.

AnschlieĂźend hat Hermine ihre BELFER-Anstecker im Gemeinschaftsraum in den Kamin geworfen und verbrannt.

Harry fragt sich auch manchmal, was wohl passieren würde, wenn er hinunter in die Große Halle gehen und einfach verkünden würde, dass er am Ende ist. Dass er nicht mal den Hauch einer Ahnung hat, was er tun soll, und auch nicht den Wunsch verspürt, die Bewohner des Schlosses zu einer Art Selbstmordkommando aus dem Schloss zu schicken. Er ist erst sechzehn und er war noch nie ein militärisches Genie. Offen gestanden zweifelt er sogar daran, dass er besonders helle ist. Seine Talente sind Glück, Gut-im-Quidditch-sein und Nicht-sterben, und nichts von alldem nützt ihm im Moment etwas. Besonders der Nicht-sterben Teil. Manchmal vermutet er, dass er bereits gestorben ist, und das hier – dieses endlose Stagnieren im Zwielicht, dieses halb entvölkerte Schloss mit seinen verriegelten Fenstern und der toten, abgestandenen Luft, den sterbenden Fackeln und den sterbenden Menschen, die alle etwas von ihm erwarten – das ist die Hölle.

***


Die Tür zur Bibliothek fällt hinter ihm ins Schloss und Harry holt tief Luft. Er bereitet sich auf einen neuen Tag voller Strichmännchenzeichnen auf Pergamentfetzen vor, darauf, nicht wahnsinnig zu werden. Er geht ein paar Schritte in den Raum und bemerkt, als sich seine Augen langsam an das schwache Lichte gewöhnen, dass er nicht allein ist.

Draco Malfoy steht am anderen Ende des Raums, an einem offenen Fenster, und winkt den Todessern drauĂźen zu.

Harry bleibt einen Moment stehen und starrt ihn einfach nur an. Niemand kommt jemals herein, wenn Harry in der BĂĽcherei ist. Sie haben Angst, ihn mitten in einem genialen Gedanken zu unterbrechen.

Harry weiß, dass da keine Gefahr besteht. Trotzdem ist das keine Entschuldigung für Dracos Eindringen in seine Privatsphäre. Und außerdem ist es strikt verboten, eines der Fenster zu öffnen.

Harry stiefelt quer durch den Raum auf Draco zu. Draco lehnt weit aus dem Fenster, und winkt ausgelassen hinaus, gerade so als wäre er die Königin, die ihre Untertanen begrüßt. „Hallo da unten, Süßer!“, ruft er. „Du siehst heute klasse aus, Nott, und du auch, Avery. Diese Schattierung von Schwarz steht euch wirklich gut, und diese Keulen mit den Nägeln drin sind total schneidig. Grüßt meinen Vater von mir, ja? Sagt ihm, dass ich noch nicht tot bin, und dass ich noch immer scharf auf...“

Harry schlägt das Fenster zu. „Was zur Hölle machst du da, Malfoy? Du kennst die Regeln was das Öffnen von Fenstern betrifft!“

Dracos Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. „Ich hab nur ein paar alten Freunden Hallo gesagt“, sagt er.

“Vielleicht solltest du dich verpissen und dich ihnen anschließen”, meint Harry. Das ist tatsächlich etwas, über das er sich schon lange wundert. Draco ist der einzige Slytherin, der noch im Schloss ist. Alle anderen sind schon längst hinausmarschiert und haben sich den Reihen der Todesser angeschlossen. Harry weiß nur sehr wenig – etwas über ein Zerwürfnis von Draco und seinem Vater, dass Draco enterbt und rausgeschmissen wurde – aber er weiß nicht, wie oder warum.

“Warum gehst du denn nicht raus zu ihnen?”, sagt Draco ruhig. „Und rettest dem Rest von uns das Leben?“

Harry blinzelt. „Was?“

Draco gluckst tief in seiner Kehle und lehnt sich gegen die Wand. Er trägt, ziemlich trotzig, Muggelkleidung: ein langärmeliges, schwarzes Baumwollhemd, das sich an seinen schlanken Oberkörper schmiegt, ein Paar Jeans, die tief auf seinen schmalen Hüften sitzen. „Sie wollen nur dich“, sagt er. „Sie sind wegen dir hier. Geh und ergib dich, und die Belagerung ist vorbei. Wir anderen wären frei.”

Draco hat natürlich Recht. Harry beißt sich auf die Lippe und zuckt zusammen – auf seiner Lippe herumzukauen ist seit kurzem eine nervöse Angewohnheit von ihm, er hat sich ein regelrechtes Loch in das weiche Gewebe gebissen, und er versucht dauernd, damit aufzuhören. „Warum bist du noch hier, Malfoy?“, will er wissen. „Im Schloss, meine ich.“

Draco fährt mit einer Hand durch sein kurzes, silberblondes Haar und zuckt die Schultern. „Mein Vater hat mich enterbt“, sagt er. „Das weiß doch jeder.“

„Schon, aber warum?”

„Ich hab die ganze Erdbeercreme aus seiner Weihnachtsschokolade gegessen”, sagt Draco.
„Das hat ihn verstimmt.” Er kräuselt die Lippen ein wenig, steckt die Hände in die Taschen seiner Jeans. Er wirkt zerbrechlich, als wären seine Knochen hohl, wie bei einem frisch geschlüpften Küken. Harry kann die Schatten unter seinen Kieferknochen sehen, die in der tiefen Kerbe über seinen Schlüsselbeinen zusammenzulaufen scheinen.

„Wieso trägst du eigentlich plötzlich Muggeljeans?”, frag Harry. „Ist das deine Art, auf deinen Vater zu spucken? Modische Rache an den Todessern, weil sie dich hier gelassen haben?“

„Ich bin gerührt, dass du meine Hosen bemerkt hast”, sagt Draco.

„Ich hab nicht gesagt, dass sie mir gefallen”, sagt Harry schnell.

„Ich hab dich auch nicht gefragt, ob sie das tun.“ Draco lehnt an der Wand neben dem Fenster, den Rücken an die Steine gepresst, seine Hüften vorgestreckt. Seine müden Augen nehmen den Raum in sich auf, wandern trägen über die unberührten Tafeln, die nie benutzten Stapel von Papier. „Es ist klasse, dass du hier drin schon so weit gekommen bist, Potter“, sagt er. „Vor allem, wo doch alle so hohe Erwartungen in dich setzen.“

Harry wird zappelig. „Ich arbeite an etwas.”

Draco lacht spöttisch. „Du sitzt bestimmt nur rum und malst Strichmännchen.“

Harry spürt, wie er rot anläuft.

Draco grinst. „Das stimmt, nicht wahr? Ich wusste es.”

Harry kaut an seiner Lippe, schon wieder, zuckt zusammen und schmeckt Blut. Verdammt.

„Gib’s einfach zu, Potter“, sagt Draco. “Du weißt nicht, was wir tun sollen.”

„Und ich nehme an, du weißt es.“

Draco lacht weich. „Von mir erwartet ja keiner irgendwas“, sagt er. „Ich muss die Welt nicht retten. Ich muss nur darunter leiden, dass du’s nicht kannst.”

„Tja“, sagt Harry, aber seine Stimme klingt dünn. „Wenigstens leidest du.“

„Nicht so sehr wie du“, sagt Draco. „Andererseits scheint dir das Leiden ja Spaß zu machen. Sonst wärst du jetzt auch da draußen und würdest mit den anderen um die Wette vögeln.“

Harry blinzelt. Aber er weiĂź sehr genau, wovon Draco redet. Die Todesangst, die ĂĽber dem Schloss liegt, hat zu einem gewissen MaĂź die Hemmungen seiner Insassen gesenkt.
Poetisch ausgedrückt halten sie in der Asche aneinander fest: so ziemlich jeder scheint traurigen, verzweifelten Weltuntergangssex zu haben. In den Schlafsälen, auf den Sofas in den Gemeinschaftsräumen, in Besenschränken, in den nicht länger benützten Klassenzimmern. Harry ist schon in genügend Exzesse der Fleischeslust geplatzt. Er hat daraus nicht viel gelernt – außer, dass solche Vorgänge lediglich für die Teilnehmenden selbst von Interesse sind.

„Ich glaub kaum, dass das die Lösung ist”, sagt Harry und hasst, wie er sich anhört. Er klingt wie ein kompletter Vollidiot, wie jemand, der tagelang Strichmännchen zeichnet, während alle um ihn herum das Große Buch des Zauberer Kamasutra in den Schatten stellen.

Draco hebt die Schulten zu einem Achselzucken. Dabei löst sich sein Shirt vom Bund seiner Jeans, enthüllt einen Streifen seines blassen, harten Oberkörpers. Ein sanfter Schauer läuft über Harrys Nacken. Er blinzelt geschockt – es ist schon so lange her, dass er gefühlt hat, dass er überhaupt etwas gefühlt hat, dass dieser winzige Schauer, dieses kurze Zusammenkrampfen seiner Eingeweide sich anfühlt, als würde der Vesuv in seinem Kopf ausbrechen. Er schnappt nach Luft, schaut Draco aus geweiteten Augen an. „Mach das nochmal“, sagt er.

Jetzt ist es an Draco, verwirrt aus der Wäsche zu schauen. „Was soll ich machen?“

„Das“, sagt Harry und zuckt die Schultern.

Draco schaut Harry an, als wäre der verrückt. Und zuckt mit den Schultern.

Harry kĂĽsst ihn.

Draco gibt einen stotternden Laut von sich und weicht zurück, aber nur für einen kurzen Augenblick, und nur, so scheint es, um Harry in eine bessere Position zu bringen. Dann zieht er ihn an sich, sein Mund leidenschaftlich und suchend, und ihre Zähne klacken mit einem Geräusch aneinander, dass Harry an zwei sich schlagende Schachfiguren erinnert. Harry hat zuvor noch kaum jemanden geküsst, aber er ist ziemlich sicher, dass man es so nicht macht. Bestimmt sollte alles ein bisschen sorgfältiger und ordentlicher zugehen, oder? Aber Dracos Mund ist über seinem, kleine erstickte Laute kommen aus seiner Kehle und Harrys Mund ist voll warmer, weicher Zunge und dem Geschmack von Zigaretten und kaltem Kaffe. Dracos Finger sind in seinem Haar vergraben, reißen seinen Kopf beinahe schmerzhaft nach vorne, ihre Unterlippen reiben aneinander, eine feuchte, synkopierte Symphonie von Lippen und Zähnen und Zunge. Hitze flackert in der Spitze von Harrys Magen auf und breitet sich von dort in seine Brust aus, und er spürt, wie sich seine Adern zu verengen beginnen und ein heißes, brennendes Pulsieren ihn schwindelig macht.

Er schiebt Draco weg. „Warte.”

„Warten?“ Draco sieht ihn irritiert an. „Worauf?”

„Wir sollten das nicht hier machen”, sagt Harry.

„Klar“, sagt Draco. „Glaubst du vielleicht, die Todesser lassen uns raus, damit wir uns ein Hotelzimmer nehmen können?“

„Fick dich, Malfoy“, sagt Harry in gedämpftem, kraftlosen Verdruss.

Draco lehnt seinen Kopf an die Wand und schaut Harry durch die dunkelsilbernen Halbmonde seiner Wimpern an. „Man sollte immer nur sagen“, sagt er, „was man auch wirklich so meint.“

„Ich meine alles, was ich sage“, sagt Harry.

„Okay“, sagt Draco. „Dann frag ich dich. Willst du mich ficken?”

„Also”, sagt Harry. „Ja, offensichtlich.“

Draco sieht geschockt aus.

Harry stößt einen Seufzer aus. „Du hattest Recht. Alle vögeln da draußen rum und ich glaube fast, es hält sie bei Verstand. Und ich bin zu müde, um dich noch zu hassen. Wozu auch? Es gibt kein Quidditch mehr, nicht mal mehr Häuser. Und der ganze Quatsch von Reinblütigen und Schlammblütern ist auch bald irrelevant, wenn wir erst mal gegenseitig unser Blut trinken, um am Leben zu bleiben. Oder?“

„Blut zu trinken rettet einen nicht vor dem Verhungern“, bemerkt Draco hilfreich. „Sperma hat ein bisschen Nährwert. Blut nicht so viel.“

„Ich nehme an, du sprichst aus Erfahrung”, sagt Harry, leicht außer Atem. Dracos Hände sind jetzt wieder auf ihm, gleiten seine schmalen Hüftknochen entlang, schieben den Saum seines T-Shirts ein wenig hoch. Seine Finger fühlen sich weich an auf der straffen Haut von Harrys Bauch, und das trockene, rhythmuslose Kratzen von Dracos Fingernägeln über seinen Rippen ist seltsam angenehm.

„Du bist so dünn”, bemerkt Draco.

„Wir sind alle dünn“, sagt Harry. „Das ist das Ergebnis des erstaunlichen Hogwarts Belagerungs-Diät-Programms.“

„Versuch nicht, witzig zu sein“, sagt Draco. Seine Hände finden wunderbar interessante Dinge über Harrys Haut heraus, den Puls darunter, die empfindlichen Stellen zwischen den Rippen. Er reibt seine Daumen über Harrys Nippel und Harry erschauert. „Witzig zu sein ist mein Job.“

„Weißt du, ich fand dich nie besonders komisch”, sagt Harry geistesabwesend. „Meistens bist du einfach nur fies.“

Als Antwort legt Draco seine Lippen gegen Harrys Hals. Harry verspannt sich für einen Moment, weiß nicht, was er erwarten soll. Er befürchtet, dass Malfoy ihn wie ein Vampir in den Hals beißen könnte – vielleicht hat ihn ja all das Gerede über das Trinken von Blut auf Ideen gebracht. Aber Draco lässt seine Lippen nur sanft und kühl über Harrys Kehle gleiten, wobei seine Hände beruhigend an Harrys Oberkörper auf und ab streichen, fast so, als wolle er ein nervöses Fohlen beruhigen. Seine Finger finden den Bund von Harrys Hosen und verweilen dort, leicht wie Schmetterlinge.

Harry grinst, sein Lächeln versteckt in Dracos Haar. Er hebt seine eigene Hand und legt sie auf Draco, seine Finger finden den anderen Jungen über die kurze Distanz, die zwischen ihnen besteht. Draco fühlt sich genauso an, wie Harry es sich vorgestellt hat. Er hat Draco lange genug angesehen, über viele Jahre, und vielleicht war das hier immer irgendwo in seinem Hinterkopf, dieser Kontakt, der den Körper des anderen Jungen unter seinen Händen überhaupt erst zu formen scheint. Seidiges, fedriges Haar, weiche Haut, knochige Schultern, weiche Muskulatur, gelagert über einen harten Oberkörper, hervorstehende Hüftknochen.

Draco macht ein unglaubliches, gurgelndes Geräusch in seiner Kehle, als Harry die Schnalle seines Gürtels findet, sie öffnet, und sich am Reißverschluss seiner Jeans zu schaffen macht. Keine Knöpfe am Hosenstall für Malfoy. Harry schiebt seine Hand hinein, langsam, er hat nicht genügend Platz, sein Arm ist eingeengt zwischen ihren beiden Körpern und Draco scheint nicht vorzuhaben, ihm mehr Raum zu verschaffen. Er gibt seltsame, atemlose Laute von sich, als Harrys Finger sich ihren Weg in seine Unterwäsche bahnen. Harry findet Dracos Schwanz und legt seine Hand darum, abwartend, und Draco saugt seine Unterlippe in seinen Mund, und eine schmale Falte erscheint zwischen seinen Augen. Er ist angespannt und rührt sich nicht, als hätte er Angst, dass Harry aufhören könnte, wenn er sich bewegt.

Harry hat nicht die Absicht, aufzuhören. Er hat sich seit einer Ewigkeit nicht mal annährend so lebendig gefühlt wie jetzt, wo der Gestank nach verbranntem Papier und abgestandener Luft durch Dracos Geruch nach Seife und Schweiß und Zigarettenrauch ersetzt worden ist. Dracos Schwanz in seiner Hand fühlt sich ganz anders an als sein eigener, völlig fremd, hart und lebendig unter seinen neugierigen Fingern. Draco macht ein Geräusch, wimmert, und Harry bewegt seine Hand, erst runter, dann hoch, in einer langsamen, fließenden Bewegung. Draco stolpert vorwärts, gegen ihn, seine Hände kommen auf Harrys Schultern zu liegen und Harry küsst ihn hart, ihre Münder nass und heiß aufeinander, und unter dem bitteren Geschmack von Kaffe und Rauch liegt eine unterschwellige Süße, ein zuckriger Geschmack nach Bonbons, der Harry daran erinnert, wie jung Draco ist, wie jung sie beide sind, und seine Hand ist noch immer in seiner Unterhose, will gerade anfangen, Dracos harten Schwanz der Länge nach zu streicheln – und dann versteift Draco sich in seinem Armen, keucht, seine Finger graben sich in Harrys Schultern und er kommt über Harrys ganze Hand.

Harry zieht seine Hand zurück. „Okay“, sagt er. „Daraus entnehme ich, dass du in letzter Zeit wohl auch nicht allzu viel Sex hattest.“

Draco starrt ihn an, seine Hände noch immer auf Harrys Schultern, und dann wird er noch bleicher als sonst. Harry vermutet, dass dies Dracos Äquivalent zu Erröten ist; ein blutloser Schwall von Blut ins Gesicht. „Du bist nur wütend, weil dir das hier so gut gefallen hat“, zischt er.

„Nein“, sagt Harry. „Ich bin wütend, weil du voll über meine ganze Hand abgespritzt hast.“ Er hebt die fragliche Hand und wischt sie an Dracos Hemd ab. „Und ich hatte ein wenig mehr Stehvermögen von dir erwartet, Malfoy“, sagt er langsam. „Ich bin enttäuscht.“

Draco stößt ihn heftig weg und zieht seine Unterwäsche und Hosen wieder hoch. Seine Finger zittern, als er den Gürtel schließt. „Ich wollte dir eigentlich den Schwanz lutschen“, sagt er. „Aber ich denke, ich lass es doch lieber bleiben.“

„Ich hätte dich eh nicht gelassen“, sagt Harry. „Aber ich schätze, das kann ich mir nun auch sparen, was?“

„Schmor in der Hölle“, sagt Draco, und mit diesem Statement stolziert er zur Tür und verlässt die Bibliothek mit lautem Türenknallen.

Harry fragt sich, ob jemand Draco nach der Sauerei auf seinem T-Shirt fragen wird. Er hofft, dass Draco genügend Grips besitzt, den Leuten zu erzählen, dass er von einem Schleim absondernden Monster angefallen wurde, welches frisch aus den Tunneln gekrochen ist. Das würde ihnen wenigstens Gesprächstoff für das Abendessen liefern.

***


Das Abendessen stellt sich als jene lila Tentakelkreatur heraus, ĂĽber deren Schicksal Lupin und Snape zuvor noch gestritten hatten. Gekocht ist sie sogar noch lilaner und glibberiger als davor, als sie noch gelebt hat. Als Harry probeweise mit der Gabel hinein sticht, scheint die Masse schwach zu pulsieren.

„Iss das nicht, Harry“, sagt Hermine. „Ich glaube, es ist giftig.“

Harry sieht sie an. Sie liest schon wieder ein weiteres, nutzloses Buch. Sie ist genauso dünn wie alle anderen, ihr Gesicht beinahe durchscheinend, und ihre Augen riesig und dunkel. Ihr Haar fällt in dicken, geflochtenen Zöpfen über ihre Schultern. Er überlegt sich, ob er sie fragen soll, ob auch sie – wie Draco behauptet hat – mit den anderen um die Wette vögelt. Vielleicht machen sie und Ron ja genau das, wenn er in der Bücherei ist? Das wäre interessant zu wissen. Obwohl Ron schon wieder nicht zum Abendessen erschienen ist. Er ist ständig unterwegs, erkundet die Tunnel, sucht nach einem Ausgang, obwohl sie ihm alle schon Hunderte Male gesagt haben, dass es keinen Weg gibt, der nicht schon auf den Karten verzeichnet oder blockiert ist, oder am anderen Ende von Todessern bewacht wird.

Ein par SchĂĽler haben in den ersten Tagen versucht, durch den Hogsmeade-Tunnel zu entkommen. Sie sind nie zurĂĽckgekommen.

„Stimmt es eigentlich, dass Sperma Nährwert hat?“, fragt Harry Hermine.

Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, nicht mal für eine Sekunde. „Nicht viel. Vielleicht fünf Kalorien pro Esslöffel. Warum?”

Harry sieht quer über die Große Halle zu Draco, der immer noch stur am Tisch der Slytherins sitzt, obwohl außer ihm keiner mehr da ist. Draco hebt seine helle, weiße Hand und starrt Harry mir brennenden Augen an. Seine Lippen formen Worte. Harry ist nicht ganz sicher, was er zu sagen versucht, denn Lippenlesen ist viel schwieriger als Draco anzunehmen scheint. Vielleicht sagt er Später. Oder es könnte auch Heute Nacht heißen. Genau genommen sieht es aus wie Tomate, aber das hält Harry dann doch nicht für allzu wahrscheinlich.

„Nur so”, sagt Harry abwesend.

„Also weißt du, es macht keinen Sinn, ähm, dein eigenes zu schlucken, Harry. Ich meine, du würdest mehr Kalorien aufwenden müssen, um es zu produzieren, als du zurückbekommen würdest.“ Hermine tätschelt seine Hand. „Wir sind alle hungrig. Aber du wirst schon einen Weg finden, wie wir gewinnen können, Harry. Ich weiß, dass du das wirst.“

Der Glibberhaufen auf Harrys Teller streckt einen Minitentakel aus. Harry spieĂźt ihn brutal mit der Gabel auf.

„Das ist die richtige Einstellung“, sagt Hermine ermutigend.

Harry erschauert. Er ist ganz sicher, dass alle außer Hermine ihn mit tief empfundenem Hass und Verachtung ansehen, sich wünschen, er würde einfach aufstehen und sich den Todessern ausliefern, so dass sie nach Hause gehen und normales Essen essen und normale Duschen nehmen können, und nicht länger als Geiseln der Launen eines von falsch verstandener Genetik besessenen Irren mit Tentakelfixierung herhalten müssen.

Plötzlich taucht Ron aus dem Nichts auf und wirft sich in den Stuhl neben Harry. Er ist mit Unkraut behangen und riecht wie etwas, das vom Grund eines Brunnens gekratzt worden ist.

„Cool“, sagt er und spießt enthusiastisch einen lila Tentakelglibber auf. „Tintenfischringe!“

Auf der anderen Seite der Halle wirft Draco seine Serviette auf den Teller und verlässt den Raum.

***


Die Karte des Herumtreibers ist immer noch ab und an von Nutzen. Nach dem Essen zeigt sie Harry zum Beispiel an, dass Draco sich im Gemeinschaftsraum der Slytherins befindet. Harry geht nach unten und wirft Gegenstände gegen die Tür des Kerkers, bis Draco, blinzelnd und verärgert, endlich seinen Auftritt macht. „Zum Teufel nochmal, verpiss dich, du...“ Draco hält inne und blinzelt nochmals. „Potter? Was zur Hölle willst du denn hier?“

„Ich will wissen, warum du mich heute beim Abendessen quer über die ganze Halle Tomate genannt hast,” sagt Harry.

Draco sieht ein wenig empört aus. „Ich hab dich nicht Tomate genannt, du Vollfreak!“

„Also, was hast du dann gesagt? Irgendwas muss es ja wohl gewesen sein.“

Draco zuckt die Schultern. Sie heben sich in einem eleganten, schönen Bogen unter dem Stoff seines abgetragenen T-Shirts. Der Anblick fährt wie ein Bolzenschuss durch Harrys Körper. Er weiß jetzt, wie sich Dracos Körper unter seinen Händen anfühlt, weiß, wie sich seine Muskeln anspannen und kontrahieren und sich dann willenlos seinen Zärtlichkeiten hingeben. Er kann diesen schmalen Körper dazu bringen, vor ihm auf die Knie zu fallen. Es ist Macht, zumindest was in der Art, etwas, von dem er heutzutage nur sehr wenig hat.

„Tja“, sagt Draco. „Es wäre nicht mehr das Selbe, wenn ich’s jetzt sage, oder? Das Entscheidende, Potter, ist doch immer der Zusammenhang.“

“Ich wette, du hast Später gesagt”, sagt Harry. „Du bist so vorhersehbar, Malfoy.“

Draco kaut auf seiner Unterlippe herum. „Hab ich nicht.“

„Wir beide wissen doch, dass du mich willst“, sagt Harry fröhlich, und wippt auf den Ballen seiner Füße auf und ab.

„Ich wollte dich vielleicht mal“, sagt Draco mürrisch. „Aber jetzt gerade bist du einfach nur total nervtötend.“

„Ha!", sagt Harry.

Draco verschränkt die Arme vor der Brust. „Hast du vor, mir zu sagen, was das alles soll?”

„Ja“, sagt Harry und hört auf zu wippen. „Ich habe beschlossen, mich den Todessern zu stellen, wie du es vorgeschlagen hast.“

***


Harry ist nicht auf Dracos Reaktion vorbereitet. Der andere Junge wird so blass, dass er fast durchsichtig ist. Harry bildet sich ein, dass er einfach durch die durchscheinende Haut auf die feinen Adern im Inneren sehen kann, auf die farblosen Knochen, wie ein Gerüst aus kristallinen Balken, verbunden durch Glasfasern. Draco ist so zerbrechlich; er ist wirklich nicht geschaffen für so eine Situation, sogar noch weniger als der Rest von ihnen. Harry spürt einen Anflug von Mitleid für ihn, dieses kleine weiße Frettchen, das in einer Falle sitzt, die für eine viel größere Beute aufgestellt worden ist.

„Das kannst du nicht machen”, sagt Draco.

„Du hast doch gesagt, dass ich es tun soll.“

„Ach, und ausgerechnet dieses eine Mal hörst du auf mich?“, sagt Draco wütend. Er ist hinaus auf den Korridor getreten, und die Tür des Kerkers fällt hinter ihm ins Schloss. Er überbrückt die Entfernung zwischen ihnen, legt seine Hand seitlich an Harrys Gesicht, als ob er beabsichtige, Harrys Kopf so zu drehen, dass Harry ihn ansehen muss. Aber Harry sieht ihn ja bereits an.

„Die werden dich umbringen“, sagt Draco.

„Vielleicht auch nicht”, sagt Harry. „Wer weiß das schon?“

„Ich weiß es“, schnappt Draco. „Warum erzählst du mir das alles?“

„Ich weiß nicht. Ich fand, dass du es wissen solltest.“ Er geht einen Schritt zurück. „Und jetzt weißt du’s.“

Doch er geht nirgendwo hin, weil Draco ihn packt und hart gegen die Wand rammt. Harry versucht, sich so zu drehen, dass er ihn drohend anstarren kann, doch Draco hat ihn festgenagelt. Sein Griff um Harrys Arme ist erstaunlich fest, Harrys Füße schweben ein paar Zentimeter über dem Boden, und er erinnert sich, dass Draco – obwohl er aussieht wie ein Püppchen aus Glas und Wachs – in Wirklichkeit doch recht stark ist, schlank und sehnig, mit dünnen Muskeln wie Peitschenschnüren. „Nein“, sagt Draco. „Nein, nein, nein, du gehst nirgendwo hin, Potter, und ganz sicher gehst du nicht da raus.“

„Hey, was machst du denn jetzt für einen Aufstand deswegen?“ fragt Harry. Die Wand ist hart an seinem Rücken und der Putz scheuert ihm die Ellbogen auf. Draco drückt sich heftig an ihn, und Harry ist am ganzen Körper kalt, außer da, wo sich ihre beiden Körper berühren. Da fühlt es sich heiß und zittrig an. „Weiß du, du hast ja immer gesagt, dass ich der Erste wäre, der mit dem Rücken zur Wand steht, wenn der Dunkle Lord kommt. Aber ich wusste ja nicht, dass du es so gemeint hast.“

Draco gluckst in seiner Kehle und das vibrierende Schnurren jagt eine Schockwelle durch Harrys Knochen. „Ich habe immer gedacht, ich würde der sein, der dich umbringt“, sagt Draco. „Ich habe immer gedacht, ich würde dir irgendwann mal meinen Zauberstab in den Rachen rammen und zusehen, wie du zu Boden gehst. Und dass ich dann den Tanz der beschissen mühelosen Überlegenheit auf deinem beschissenen Grab tanzen würde, Potter, das hab ich immer gedacht!“

„Wie interessant morbid von dir”, sagt Harry. „Und jetzt?“

„Jetzt hasse ich die mehr als dich“, sagt Draco. „Meinen beschissenen Vater, der mich enterbt hat, den Rest meiner Familie, die mich im Stich gelassen haben. Nicht, dass ich dich nicht immer noch hassen würde. Das tu ich nämlich.“

„Ich würde dem wirklich gern die Aufmerksamkeit schenken, die es verdient, aber die Tatsache, dass deine Erektion gegen mein Bein drückt, ist ein bisschen irritierend“, sagt Harry. „Jetzt verstehe ich, warum sich Parvati am Weihnachtsball immer geweigert hat, eng mit mir zu tanzen.“

„Oh, richtig”, sagt Draco angesäuert. „Danke vielmals für die kleine Erinnerung, dass du auf Mädchen stehst.“

„Das überdenke ich gerade nochmal“, sagt Harry gut gelaunt. „Und weißt du, ich verliere soeben sämtliches Gefühl in meinen Armen, Malfoy.“

„Du willst, dass ich dich loslasse?“, fragt Draco. „Vielleicht fällst du hin, wenn ich das mache.“

„Ich will fallen“, sagt Harry und Draco lässt los. Harry rutscht ein paar Zentimeter an der Wand herunter, dann fasst Draco ihn um die Taille und ihre Münder treffen sich, krachen ungeschickt gegeneinander, pressen Harrys Zähne gegen die Innenseite seiner Lippe, die daraufhin wieder zu bluten anfängt, aber er stellt fest, dass ihm das im Moment völlig egal ist. Jetzt ist ihm nur wichtig, Draco zu küssen, der – wie Harry insgeheim denkt – eigentlich ein ziemlich miserabler Küsser ist. Oder zumindest würde das wahrscheinlich jeder andere so sehen. Er hat seine Hände in Harrys Haar und küsst ihn so wild, dass er selbst dabei keine Luft mehr bekommt und Sauerstoff über Harrys Mund als Medium aufnehmen muss. Harry stellt fest, dass ihm auch das egal ist. Er findet bei seinen eigenen Erkundungen die versteckte Süße in Dracos Mund wieder, den Geschmack nach Bonbons, so zuckrig-süß wie Hoffnung und Kindheit und Unschuld. Es scheint ein Teil von Draco zu sein, der nichts damit zu tun hat, was er gegessen oder getrunken hat.

Harry bewegt seine Hände an Dracos Körper hinunter, doch der schlägt sie weg, findet seinen eignen Pfad durch Harrys Kleider, durch den einfachen Verschluss seiner Hose, und als Dracos Hände in seine Unterhose gleiten und seinen Schwanz streicheln, schnappt Harry nach Luft. Es ist ihm, als sei er in tiefem Wasser geschwommen und habe dabei ganz plötzlich etwas Organisches, etwas Riesiges und Lebendiges berührt, an einem Ort, an dem er sich für vollkommen allein gehalten hat. Er schließt seine Augen und wartet, dass Draco etwas tut, seine Hand bewegt oder so – Scheiße, irgendwas – aber Draco tut nichts; er steht stocksteif da, rührt sich nicht, und als sein Schwanz langsam und unerbittlich zu schmerzen beginnt, öffnet Harry die Augen einen Spalt breit und sieht den anderen Jungen an.

Draco ist rot angelaufen, sein Mund leicht geöffnet, seine Haut dunkelrot an den Wangenknochen und sonst überall bleich. Sein Haar hängt ihm wirr in die Augen. Er sieht ziemlich... geil aus, was kein Wort ist, das Harry zuvor in irgendeiner Weise mit Malfoy in Verbindung gebracht hat, weder geistig noch sonst wie. „Ist das... okay?“, fragt Draco und seine Stimme ist plötzlich klein und wehrlos.

„Oh Scheiße“, sagt Harry verzweifelt. „Würdest du wohl endlich weitermachen?“

Draco sieht verwirrt aus. Harry küsst ihn, um weiteren sinnlosen Fragen vorzubeugen, doch Draco schiebt ihn hastig von sich. Harry hofft, dass Draco nicht nochmal fragen wird, ob es okay ist – denn wenn er das tut, dann wird Harry ihn ins Auge pieken, zur Hölle mit den Konsequenzen. Aber Draco fragt nicht noch einmal, er geht einfach nur vor ihm auf die Knie und zieht Harrys Hosen runter, hastig und unerfahren, so dass sie irgendwo zwischen Harrys Knien hängen. Harry denkt, dass er wahrscheinlich ziemlich bescheuert aussieht, wie er da steht: nur im T-Shirt und mit einer beträchtlichen Erektion, während seine Hose und Unterwäsche ihm um die Beine schlottern – aber dann beugt Draco sich vor und nimmt ihn in den Mund, und alle Gedanken darüber, wie dämlich er wohl im Moment aussieht, verschwinden vollständig aus seinem Kopf. Stattdessen macht Harry sich jetzt eher Sorgen darüber, wie er wohl klingt, als ein kehliges, fast schluchzendes Keuchen sich aus seiner Kehle windet.

Er hat nicht gewusst, dass sich etwas so anfühlen kann. Es ist nicht nur, dass es sich gut anfühlt – was es tut – nein, es ist die Intensität. Kupferne Schocks preschen durch seine Nerven. Seine Hände suchen nach Halt an der Wand hinter ihm, und seine Hüften schnellen vorwärts, beständig und drängend, und Dracos Mund um ihn ist heiß und nass, lutscht ihn mit langgezogenen, langsamen Bewegungen, und es ist gut, dass er so langsam macht, denn Harry fürchtet, dass er, wenn Draco auch nur ein bisschen schneller wäre, in tausend Stücke explodieren würde. Er spürt bereits, wie es sich in ihm sammelt, spürt die Anspannung, und er weiß aus den Erfahrungen, die er mit sich selbst gemacht hat, was als Nächstes kommen wird: der quälende Höhepunkt, der Fall, das ertränkende Nachbeben. Er umklammert Dracos Schultern mit den Fingern, und Draco nimmt das als Hinweis, dass Harry es schneller will, härter, und er gibt es ihm, schnell und hart und heiß und glitschig und nass, und Harry wirft den Kopf zurück, helles Licht explodiert hinter seinen Augen, als er mit einem krampfhaften, schluchzenden Schrei kommt – obwohl das Licht vielleicht auch bloß daher resultiert, dass er sich den Kopf an der Wand angeschlagen hat.

Draco weicht zurück, schluckt, und fängt an zu lächeln. Harry, plötzlich irgendwie völlig entbeint vom Schock des Orgasmus, rutscht – umwogt von seinen Klamotten – an der Wand hinunter. Sein hektischer Herzschlag verlangsamt sich von Presslufthammer-Geschwindigkeit auf ein Tempo, bei dem er wenigstens wieder atmen kann. Draco hält ihn fest, seine Augen leuchten wie silberne Katzenaugen in der Dunkelheit. „Alles klar bei dir, Potter?“, fragt er.

Harry nickt schwach.

„Willst du dich immer noch umbringen?“, fragt Draco.

„Na ja“, sagt Harry, „vielleicht nicht mehr heute Nacht.“

Jetzt grinst Draco wirklich, ein schiefes Grinsen, das ihm steht. „Das ist dann wohl das erste Mal, dass ich jemandem mit einem Blowjob das Leben rette“, sagt er.

„Halt die Klappe, Malfoy.” Harry lässt sich zurücksinken, so dass er auf dem Boden zu liegen kommt. Er ist kalt und unangenehm an seiner bloßen Haut. Er legt einen Arm über seine Augen, schließt das Licht aus. Kurz darauf fühlt er einen schwachen Druck an seiner Schulter und stellt fest, dass es Draco ist, der sich an ihn lehnt.

Er lässt ihn.

***


Ron und Hermine sind beide im Gemeinschaftsraum, als Harry zum Gryffindor-Turm zurĂĽckkommt. Hermine liest in einem Stuhl und Ron, dreckig und ĂĽber und ĂĽber bespritzt mit Schlamm, liegt auf einem Teppich vor dem Kamin ausgestreckt.

„Terry Boot ist heute raus gegangen und hat sich der Dunklen Seite angeschlossen”, sagt Hermine. „Und was hast du so getrieben?“

„Ich hab mir unten im Kerker von Malfoy einen blasen lassen“, sagt Harry.

„Ah“, meint Hermine. „Das erklärt natürlich unsere Unterhaltung über Sperma.“

„Du hast dir einen blasen lassen?“ fragt Ron und seine Stimme trieft praktisch vor Unglauben. „Was denn, hat Malfoy sexuelle Gefälligkeiten als lukrative Einkommensquelle entdeckt?“

„Klar, er hat einen Stand und ein kleines Schildchen und alles“, sagt Harry. „Eigentlich wollte er Limonade verkaufen, aber ihr wisst ja. Nahrungsknappheit.“

„Ha ha“, sagt Ron schwach. „Ich wollte es sowieso nicht wissen.”

„Ich finde, du solltest bei Malfoy vorsichtig sein“, sagt Hermine, und schaut plötzlich von ihrem Buch auf. „Man darf ihm nicht trauen, Harry. Sein Vater ist schließlich ein Todesser. Vielleicht haben sie ihn ja zum Spionieren hier gelassen.“

Harry rollt die Augen. „Und was soll er ausspionieren?“, fragt er. „Wir haben keine Pläne. Wir haben keine Geheimnisse. Um Geheimnisse zu haben, müssten wir zuerst mal irgendeinen Plan haben, und das haben wir nicht. Was soll er also sagen? Lieber Papi, heute gab es wieder mal Tentakel zu Mittag. Alle sind immer noch am Verhungern. Liebe Grüße, Draco.” Harry zuckt die Schultern. “Soll er doch.”

„Wir haben keinen Plan?” Jetzt sieht Ron wirklich alarmiert aus. „Ich dachte, wir hätten einen!“

„Tja, wenn der Plan so aussieht, dass wir langsam zu Tode hungern, dann ja, wir haben einen Plan“, sagt Harry.

„Harry, mach das nicht“, sagt Hermione. „Du wirst alle beunruhigen.“

„Wie mich zum Beispiel”, sagt Ron. „Ich bin überaus beunruhigt!“

„Geh du nur weiter Tunnel graben, Ron“, sagt Harry und geht hinauf in sein Zimmer.

***


Als Harry am nächsten Tag in der Bücherei ankommt, ist Draco schon da. Er sitzt auf einem der Tische und sieht sich Harrys Strichmännchen-Sammlung an. Er schreckt zusammen als Harry rein kommt, und rutscht zur Hälfte vom Tisch. „Ich hab nur...“

„Du hast dir meine Zeichnungen angesehen, schon klar“, sagt Harry. „Aufregend, nicht?“

Draco kommt um den Tisch herum zu Harry. Seine Augen sind riesig in seinem weißen Gesicht, er sieht zittrig und unsicher und irgendwie verletzt aus, so als ob jemand ihn verprügelt hätte. „Ich denke dauernd an dich“, sagt er. „Die ganze Zeit – ich kann nicht damit aufhören.“

„Das kommt wahrscheinlich daher, dass du mir dauernd hinterher rennst”, bemerkt Harry. „Vielleicht solltest du dir was anderes zum Zeitvertreib suchen.“

„Es gibt hier aber nichts anderes zu tun“, sagt Draco.

Harry denkt einen Moment nach. „Guter Punkt“, gibt er zu. „Trotzdem, ich verstehe nicht, warum du die ganze Zeit an mich denkst. Wir haben uns doch erst, wann war das...“

„Gestern“, sagt Draco. “Es war gestern. Wenn ich mich richtig erinnere, hab ich dir einen geblasen und dann bist du abgehauen, nachdem ich auf dem Boden eingeschlafen war.”

„Stimmt, ja, ich erinnere mich, dass ich noch dachte, dass das kaum sehr bequem sein könnte.”

Die Seite von Dracos Mund zuckt. Kein Lächeln, nur ein nervöser Tick. „Wie aufmerksam von dir.“

„Ich hab dir doch eine Nachricht dagelassen“, stellt Harry richtig, und in seiner Stimme schwingt ein kleines bisschen Trotz mit.

„Es war eine Strichmännchen-Zeichnung“, sagt Draco.

„Ah…ja”, sagt Harry, und stellt fest, dass er sich daran nicht erinnern kann. „Ich dachte mir, du würdest schon verstehen, was es bedeutet.“

„Vielleicht drückst du dich das nächste Mal auch einfach ein bisschen deutlicher aus“, sagt Draco angespannt. „Hör zu, Potter, willst du, dass ich dich in Ruhe lasse?“

Harry überlegt einen Moment, dann sagt er: „Nein“.

Draco entspannt sich beinahe auf der Stelle. „Hast du immer noch vor, dich umzubringen?“, fragt er, und lehnt sich gegen den Tisch.

„Ich hatte nie vor, mich umzubringen.“

„Dann eben, dich den Todessers auszuliefern“, sagt Draco ungeduldig. „Du weißt, was ich meine.“

Harry verzieht das Gesicht. „Ja, schon. Irgendwann.”

Der Anfang eines echten Lächelns lässt Dracos Mundwinkel zucken. „Nur nicht gerade jetzt?”

Harry schüttelt den Kopf. „Nicht gerade jetzt.”

Draco greift nach ihm und zieht Harry an sich heran, so dass sie genau aneinander passen, wie zwei Teile in einer Puzzelschachtel. Dracos harter Oberkörper drückt gegen Harrys Rückgrat, sein weicher Mund gegen Harrys Nacken. Es ist fast wie Kuscheln, was Harry etwas nervös macht, aber dann fasst Draco um ihn herum und beginnt, seine Hose aufzuknöpfen, und Harry entspannt sich. Sex ist gut, Sex ist okay. Sex ist die Wunderdroge, das großartige Psychopharmaka, das ihn davon abhalten wird, völlig abzudrehen. „Man kann ja nie wissen“, sagt Draco in Harrys Haar. „Vielleicht schafft’s Weasley ja tatsächlich, uns alle durch einen Tunnel hier rauszuschmuggeln. Dann brauchen wir uns darüber gar keine Sorgen machen.“

„Wir müssen uns um überhaupt gar nichts Sorgen machen“, sagt Harry, und meint, dass es überhaupt kein Wir gibt – aber Dracos Finger rutschen über seine Hüftknochen runter in seine Unterhose, und er beschließt, diesen untergeordneten Punkt irgendwann zu diskutieren, wenn Dracos Hände nicht gerade seinen Schwanz streicheln, und wonnige Funken aus den Enden seiner Nerven wringen. Schließlich ist Glückseligkeit in diesen Tagen selten zu haben. Harry schließt die Augen.

--

sed non satiata – und noch immer nicht genug

Tage vergehen.

Verlangen ist ein Land, in dem Zeit keine Gültigkeit besitzt. Oder vielleicht ist es treffender, zu sagen, dass die Zeit dort nach ihren eigenen Regeln verläuft. Harry weißt nicht mehr, welcher Tag es ist, wie viel Uhr es ist, wo er eigentlich sein sollte. Es gibt keine Dringlichkeit mehr, keine Zeit, die gemessen werden könnte, nur der dumpfe Krampf, der endlose Fall, die darauf folgende Blindheit.

Er verbringt jede wache Sekunde mit Draco, und meistens schläft er sowieso. Sie ficken auf dem Boden, auf den Tischen in der Bücherei, in den Sofas im verlassenen Gemeinschaftsraum der Slytherins. Jeden Tag spürt Harry, wie er sich Draco mehr öffnet, ein langsames, organisches Öffnen, wie eine Blume, die sich dem Sonnenlicht entgegen reckt. Nur dass das, was er für Draco empfindet, es nicht verdient hat, mit schönen Blumen verglichen zu werden. Es scheint ihm mehr wie eine Notwendigkeit, wie die Notwendigkeit, morgens aufzustehen, oder ins Bett zu gehen, zu essen, zu schlafen, zu atmen. Er macht es, weil er es muss. Weil nichts anderes zu tun übrig ist.

Eines Tages kommt er mit einer scharfen Schere im Kerker an und Draco blinzelt – es ist Mittag, und Draco ist noch immer in seiner Pyjamahose, ohne Oberteil – so als ob er erwartet, dass Harry ihn damit durchs Herz stechen will. Stattdessen erklärt Harry, dass sein Haar zu lang ist, und ob Draco es ihm wohl schneiden könne. Er hat ja immer so sorgfältig geschnittenes Haar.

Dieser Appell an Dracos Eitelkeit ist von Erfolg gekrönt, wie Harry es erwartet hat. Eigentlich ist er sogar ein wenig zu erfolgreich, und nach ein bisschen Geschnipsel stellt Harry fest, dass er und Draco jetzt exakt den selben Haarschnitt haben.

Draco scheint zufrieden zu sein. „Schau dich an“, sagt er.

Harry schaut sich selbst im Spiegel an und Draco sieht über seine Schulter. Harry sieht zwei dünne Jungen mit Vogelscheuchenaugen, Haut, die von zu viel Schatten bleich gebrannt ist, die selben runden Münder und jungenhaften Kinne. Harry nimmt die Brille ab und setzt sie Draco auf. Draco blinzelt, seine grauen Augen von den eulenhaften Linsen vergrößert, und Harry fragt sich nicht zum ersten Mal, was Draco in ihm sieht. Seiner Meinung nach ist das nämlich ein extrem scheußliches Exemplar von Brille.

Er geht einen Schritt zurück. „Schau dich mal an“, sagt er.

Draco beißt sich auf die Lippe. „Ich kann dich nicht sehen, wenn ich die hier aufhabe.“

„Und ich kann dich ohne sie nicht sehen“, sagt Harry. „Irgendwie gefällt mir das.“

Er sagt die Wahrheit, er kann aus dieser Entfernung nichts sehen. Er sieht nicht, was mit Dracos Gesicht passiert, als er das sagt, und auch nicht die zerknitterte Wut hinter diesen Augen. Er weiß nur, dass Draco die Brille abnimmt und ihm zuwirft, und ihn dann gegen die Wand presst und küsst. Seine Hände rutschen unter Harrys Shirt, fummeln am Bund seiner Jeans herum. Harry erwidert die Küsse mit dem gleichen Eifer, wobei er seinen Arm steif wegstreckt, so dass seine Brille nicht zwischen ihnen zerdrückt wird.

Nachdem Harry fertig ist, und sie beide, wie immer, auf dem Boden ausgestreckt liegen, ihre Haut klebrig von Schweiß und Speichel (und manchmal, wenn Draco grob ist und beißt, Blut), lehnt Draco sich an Harrys Brust und sagt: „Du bedeckst dein Gesicht wenn du kommst, weißt du das?“

Harry starrt an die Decke des Slytherin-Gemeinschaftsraums. Sie besteht aus geschliffenem Stein und Konstellationen aus Glasstücken, die silbern schimmern, wenn Licht auf sie fällt. „Ich mache was?“

„Du bedeckst dein Gesicht mit den Händen”, sagt Draco. „Machst du das, weil du nicht willst, dass ich sehe wie du kommst, oder weil du mich dabei nicht sehen willst?“

Harry seufzt und wendet den Jungen sein Gesicht zu. „Interpretier da nichts rein, was nicht da ist, Malfoy“, sagt Harry.

Dracos Haut sieht angespannt aus, sein Mund ist ein blutleerer, ausgezehrter Strich. „Was soll ich nicht reininterpretieren?“

„Am besten gar nichts“, sagt Harry mürrisch.

„Es ist also gar nichts“, sagt Draco und dabei spuckt er jedes Wort aus, als hätte er Stücke von einem Eiszapfen abgebissen. „Ich bedeute dir gar nichts.“

„Nicht nur mir“, sagt Harry völlig ungerührt. „Ich könnte dir noch mindestens zehn andere Personen aufzählen, die sich einen Dreck um dich scheren.“

Draco rollt von ihm herunter. Harry starrt wieder an die Decke. Ein paar Sekunden später ist Draco zurück und etwas Kaltes wird gegen Harrys Kehle gepresst. Nach ein paar vorbei-treibenden Momenten realisiert Harry, dass das, was er fühlt, die offenen Schneiden der Schere an seiner Halsschlagader sind.

„Du kannst nicht ernsthaft vorhaben, meinen Kopf damit abzuschneiden“, sagt Harry. „Hast du eine Ahnung, wie lange das dauern würde?“

„Ich hab genug Zeit”, sagt Draco. „Sag mir noch mal, dass ich dir egal bin.“

Harry wendet Draco langsam den Blick zu. Draco ist von der Taille abwärts nackt, er trägt nur ein T-Shirt aus Baumwolle. Der Ausschnitt ist zu weit um sein Schlüsselbein, das Harry immer als einen der schönsten Teile an Dracos Körper empfunden hat: fein geschwungen, wie der schmale Schatten eines Vogels im Flug. Seine Wangen sind feucht, gerötet und fiebrig. Sein Haar ist dunkel von Schweiß, es hat den Schimmer von altem Zinn angenommen.

„Wenn du mich umbringst”, sagt Harry, “dann nimmt dein Vater dich vielleicht wieder auf. Kann man jemand ent-enterben?“

„Er hat mich überhaupt nur wegen dir enterbt“, sagt Draco. „Das wäre also ein bisschen ironisch. Nicht wahr?“

Harry fragt nicht weiter nach. Er will es nicht wissen. Eigentlich weiß er es sowieso schon, hat es erraten, und er hofft einfach nur, dass Draco es ihm nicht explizit sagt. Das wäre eine unangenehme Situation, die Harry gerne vermeiden möchte. Denn dann müsste er eine Reaktion zeigen, aber er weiß nicht, welche.

„Tut mir leid”, sagt Harry, nicht so sehr weil er seinen Hals nicht durchtrennt haben möchte, sondern eher weil er nicht mit Draco über ihre Beziehung diskutieren will. „Ich ärgere dich einfach gern ein bisschen, das weißt du doch.“

Draco schnaubt. „Du hast dich entschuldigt UND du hast mich dabei angesehen“, sagt er. „Das ist in der Tat ein Tag, den man rot im Kalender anstreichen sollte.“

„Oh, aber ich sehe dich doch gern an“, sagt Harry. „Du bist schön.“

Draco horcht auf. „Das ist wohl wahr.”

„Darf ich meine Kehle jetzt behalten?” fragt Harry.

Dracos Tonfall ist ein wenig missgünstig. „Von mir aus.“

Draco nimmt die Schere weg. Er beugt sich vor und küsst Harry auf die Wange, die Schere fällt vergessen zur Seite.

Harry packt Draco und dreht ihn auf den Rücken. Draco lässt ihn, grummelt nur ein wenig in Harrys bloße Schulter und entspannt sich dann mit einem Seufzen dankbarer Überraschung, als Harry sich an seinem Körper hinunterbewegt. Harry würde sofort zugeben, dass ihre Beziehung in dieser Hinsicht nicht gerade gleichmäßig austariert ist. Draco kümmert sich sehr viel öfter um Harrys Bedürfnisse, als anders herum. Was eigentlich seltsam ist, weil er Draco so am liebsten mag: sich stumm unter ihm windend, seine Hände verkrampft im Stoff seines T-Shirts, seine Fingernägel, die Löcher in den Teppich reißen. Draco versucht so sehr, leise zu sein, dass Harry es als Herausforderung ansieht, Laute aus ihm herauszukitzeln. Er schwebt über ihm, sein Mund nur Zentimeter von der Stelle, wo Draco ihn will, und wartet, atmet nur und bewegt sich nicht. Dracos Hüften zucken, er verdreht sich, er knurrt Harry an und macht atemlose, keuchende Laute hinten in seiner Kehle – Harry ignoriert alles. Und dann, endlich, sagt er „Bitte“ , und das ist das Zauberwort, auf das Harry gewartet hat, und er nimmt Dracos Schwanz in den Mund, nimmt soviel er kann ohne zu ersticken, und dann bricht Draco wirklich ein. Sein Rücken biegt sich durch und er sagt Harrys Namen: „Harry, Harry, Harry.“

Nur dann nennt er Harry nicht „Potter“.

Das Leben in Schlafsälen, vermutet Harry, bringt Jungs bei, leise zu sein, wenn sie kommen. Lautlose Masturbation im Dunkeln, versuchen, den Jungen im Nachbarbett nicht aufzuwecken. Aber Draco ist sogar dafür erstaunlich ruhig. Er keucht und wimmert und beißt sich in die Hand, als ließe er gerade eine äußerst unangenehme Untersuchung über sich ergehen und versuche, dabei einen mutigen Eindruck zu machen. Harry muss ihn sogar überraschen, um wenigstens diese wenigen Schreie aus ihm herauszubringen, dieses wiederholte Rufen von Harrys Namen, und das ist alles was er jemals sagt. Niemals verflucht oder belästigt er irgendwelche Gottheiten, nie kommen die Namen von früheren oder eingebildeten Liebhabern über seine Lippen.

Es ist seltsam, dass Harry sich dabei solche Mühe gibt – wo er sich doch normalerweise ständig wünscht, dass Draco endlich die Klappe halten würde.

Dieses Mal weint Draco, als er kommt. Tränen quellen aus seinen Augen, laufen hinunter in sein Haar und er wischt sie mit der Handfläche weg, unordentlich, verlegen. „Ich weine nicht“, sagt er.

„Ich weiß“, sagt Harry.

***


Als Harry das erste Mal seit Tagen zum Gryffindor-Turm zurückkommt, findet er Hermine auf dem Sofa zusammengerollt, wo sie müde vor sich hin schluchzt. Sie erzählt ihm, dass Ron verschwunden ist; ob er getötet wurde, übergelaufen ist oder sich einfach nur verlaufen hat, ist unklar.

„Wie lange schon?”, fragt Harry.

„Seit fünf Tagen“, sagt Hermine. Ihre Augen sind rot geweint.

„Was erwartest du jetzt von mir?“, fragt Harry.

„Ich schätze, ich will, dass es dir was ausmacht“, sagt Hermine und setzt sich aufrecht hin, wobei sie ihre Beine unter schlägt. „Aber ich weiß, dass du nicht kannst.“

„Tut mir Leid“, sagt Harry. Und es tut ihm Leid. Das ist wieder ein neuer Fehlschlag, wieder ein neues Detail, in dem er nur unzureichend ist. Er möchte Ron für sie vermissen, und wahrscheinlich vermisst er ihn sogar, irgendwie, und er wollte, er könnte ihr das sagen. Er hat sie mal so sehr geliebt.

„Bist du in Malfoy verliebt?“, fragt sie.

„Eh“, sagt Harry. „Nicht wirklich.“

„Ich wusste nicht mal, dass du schwul bist“, sagt Hermine, ein wenig wehmütig, und zupft mit verdrießlichen Fingern an dem zerfaserten Polster, auf dem sie sitzt.

„Ich bin nicht mal ganz sicher, dass ich’s bin”, sagt Harry.

„Mir würde es nichts ausmachen, wenn du’s wärst, Harry“, sagt sie. „Du könntest es mir sagen.“

„Ich weiß“, sagt er. „Und du würdest eine Vereinigung für Schwule Zauberer gründen und bestimmt acht Millionen Anstecker herstellen. Ich nehme an, das würde dir wenigstens was zu tun geben.“

„Vielleicht ist es das, was man über den Krieg sagt“, sagt Hermine. „Es gibt keine heterosexuellen Männer in den Gräben.“

„Es heißt Atheisten, Hermine“, sagt Harry. „Es gibt keine Atheisten in den Gräben.“

„Malfoy liebt dich, weißt du?”, sagt Hermine plötzlich.

„Ja“, sagt Harry. „Ich weiß.“

„Was willst du da machen?”

„Wahrscheinlich gar nichts“, gibt Harry zu. „Ich find es gut, dass es wenigstens einen Menschen gibt, der nicht will, dass ich mich den Todessern vorwerfe.“

„Ich will auch nicht, dass du dich den Todessern vorwirfst“, sagt Hermine. „Niemand will das.“

„Ich denke, Ron wäre vielleicht anderer Ansicht“, sagt Harry.

„Du machst es also? Du wirst es wirklich tun?”

Harry nickt. „Ich denke, es ist an der Zeit.“

Hermines Lippen zittern. „Wenn ich Sex mit dir habe, bleibst du dann?”

„Das könnte ich nicht“, sagt Harry. „Dich hasse ich nicht.“

Hermine blinzelt. „Du, Harry Potter, hast echt ernsthafte Probleme“, sagt sie.

„Ja”, sagt Harry. “Ich weiß.”

***


Harry geht hoch zur Eulerei, weil man von dort den besten Ausblick über das Land hat. Er findet, dass er sich vielleicht ein bisschen darüber informieren sollte, womit er es zu tun kriegen wird, wenn er da raus geht. Draco erwartet ihn bereits, als Harry ankommt; er sitzt auf einem niedrigen Querbalken. Es sind natürlich keine Eulen mehr da, die wurden alle freigelassen oder getötet, wenn sie eine Nachricht überbringen wollten. Die Eulerei ist fleckenlos rein und verlassen. Alle Balken zeigen Spuren von Holzpolitur. Wenn man nahe genug hingeht, kann man die Furchen sehen, die Generationen von Krallen in das Holz gerippt und gekratzt haben. Es sieht ein bisschen aus wie ein Geheimcode.

Harry geht ans Fenster und schaut hinaus. Er kann die ganze Fläche rund um das Schloss sehen, die sich bis zum Verbotenen Wald erstreckt. Sie ist schwarz, bedeckt mit Gestalten in Umhängen, die sich mit der ziellosen Bestimmtheit von Ameisen hin und her bewegen. Überall flackern kleine Buschfeuer, wie winzige, brennende Streichhölzer. Die klare, blaue Herbstluft ist verseucht von Rauch.

„Potter.“

Harry dreht sich um und sieht Draco an, der noch immer schweigend auf dem Querbalken sitzt. Er wirkt sehr klein, als ob er irgendwie in seinem übergroßen Sweater geschrumpft wäre, die Ärmel hängen über seine dünnen Hände mit ihren blutig gebissen Nägeln. Er steht auf und zieht seinen Sweater aus, steht jetzt nur in seinen Jeans und zitternder, bleicher Haut vor Harry.

„Geh nicht”, sagt er. „Du kannst mit mir machen, was du willst. Alles. Ich werd’s zulassen.”

„Ich mach mit dir schon alles, was ich will”, sagt Harry trocken.

Draco zittert wieder. Seine Lippen sind aufgesprungen, verletzt, wo er – oder Harry – sie gebissen hat. „Du kannst mir wehtun, wenn du willst“, sagt er.

„Ich tu dir doch schon weh, wenn ich es will”, sagt Harry, und stellt fest, dass das stimmt. Er selbst mag vielleicht nichts mehr fühlen, aber Draco, immer so wütend, verlangend oder verzweifelt, ob er sich nun an seiner eigenen essigähnlichen Bitterkeit verschluckt oder hungrig Harrys nicht länger verfügbare Süße beansprucht – Draco lebt noch, vielleicht ist er sogar der Lebendigste unter ihnen. Draco ist die einzige Wunde, die Harry sich zufügen kann. Er streckt die Hand aus. „Komm her“, sagt er.

Draco kommt zu ihm, langsam, und Harry zieht ihn an sich und küsst ihn. Nicht fest, aber mit Vorsatz und suchender Dringlichkeit. Draco umarmt Harry, hält ihn fest, aber da ist eine nervöse Zurückhaltung an ihm, eine beklemmende Anspannung, und Harry weicht zurück. Draco sagt: „Sie können uns sehen.“

Harry versteht, dass er die Todesser meint. Er zweifelt daran, dass man sie auf solch große Distanz noch gut erkennen kann, zudem ist das Fenster klein – aber andererseits ist Dracos Vater wahrscheinlich irgendwo da draußen, oder? Harry beißt auf seine schmerzende Lippe und sagt: „Ich dachte, ich könnte tun, was immer ich will.“

Draco kneift die Augen zusammen. Er ist so dünn, dass Harry den Schlag seines Herzens durch die Haut sehen kann, die so fahl wie Mondschein ist, und auch die blauen Blutgefäße, die sich an der Innenseite seiner Unterarme und seinen Augenlidern verzweigen. „Fick dich, Potter“, sagt er. „Das ist nicht fair.“

Nein, denkt Harry bei sich, ist es wirklich nicht. Er hakt seine Finger in die Gürtelschlaufen an Dracos Jeans und zieht ihn wieder näher heran. Draco lässt es zu, aber sein Gesicht ist so verschlossen wie eine Blüte bei Nacht. Harry öffnet den Druckknopf der Jeans und dann den Reißverschluss, zieht sie runter. Draco trägt nichts darunter. Draco klammert sich am Fenstervorsprung fest als Harry an ihm hinab gleitet, Harrys abgewetzte Nägel streichen über seinen Oberkörper, die Seiten seiner Hüften, Hände umfassen seinen Hintern, und Draco ist völlig still und beinahe vollkommen reglos, als ob er eine schmerzhafte Folter ertragen müsse. Aber sein Schwanz ist hart und bereit als Harry ihn in den Mund nimmt, und dann macht Draco ein Geräusch, einen wilden, wimmernden Fluch, und wirft den Kopf in den Nacken.

Harry schaut Draco an, während er ihm einen bläst, weil das ein guter Winkel ist, um ihn anzuschauen. Draco besitzt diese Eigenschaft, die nur sehr schönen Menschen eigen ist: er ist niemals komplett nackt, weil seine Schönheit ihn schützt. Es gibt keine schlechten Winkel, in denen man ihn erwischen könnte. Aber Harry sieht gern zu, wie die fortschreitenden Veränderungen von ihm Besitz ergreifen, wie er seine Augen schließt, und sich auf die Lippen beißt, und seine Lippen sich teilen, und sein Mund sich öffnet. Er lässt den Kopf hängen, so dass sein Haar sein Gesicht verdeckt, und er atmet schnell und flach. Eine seiner Hände findet Harrys Kopf und wühlt sich in sein Haar, greift fest zu, beinahe schmerzhaft. Harry weiß, dass er noch immer versucht, sich nicht zu bewegen, denn die Muskeln in seinen Schenkeln zittern und hüpfen wie gezupfte Saiten einer Violine. Harry zieht für einen Moment seinen Kopf zurück, wartet, und Dracos Augen flattern auf, ungläubig, und er schaut herab auf Harry, und Harry weiß, was er denkt – dass er nicht bitte sagen wird, er wird’s nicht tun, nicht dieses Mal.

Dann schau mir einfach zu, denkt Harry, und seine Augen bleiben fixiert auf Dracos als er ihn wieder in den Mund nimmt und fest saugt – unordentlich, gierig, keine Zeit für Technik oder sanfte Berührungen. Es ist das erste Mal, dass sie so etwas machen und sich dabei tatsächlich ansehen, und der Effekt ist verblüffend: Dracos Augen werden unglaublich weit, seine Hüften zucken vorwärts und er kommt sofort, ein flüchtiger, lautloser Krampf und dann Erleichterung, gerade so, als hätte Harry einen magischen Knopf an seinem Hinterkopf gefunden, den er nur einmal drücken musste.

Er kippt – natürlich – nach vorne, fällt beinahe in Harrys Schoß. Harry fängt ihn auf, dreht ihn auf den Rücken und beugt sich über ihn. „Ich bin dran“, sagt er.

Draco schaut zu ihm auf, die Augen noch immer glasig vom Schock des Orgasmus, und seine Lippen öffnen sich zu einem schwachen Knurren, wie bei einem Kätzchen in der Falle. „Na mach schon“, sagt er. „In meiner Tasche.“ Er greift nach seinen Jeans und zieht sie heran, holt die flache, beinahe leere Tube aus seiner Gesäßtasche und reicht sie Harry. Harry nimmt sie; er ist schon dabei, seine eignen Kleider aufzuknöpfen, schiebt seine Hosen runter, kickt sie weg, und beugt sich vor, einen Ellbogen auf jeder Seite Dracos, welcher flach auf dem Rücken liegt. Sie sind sich so nahe, dass ihre Nasenspitzen sich berühren.

„Das wird mich nicht umstimmen“, sagt er.

„Ich könnte mit dir gehen“, sagt Draco. „Wenn du gehst.“

„Nein“, sagt Harry geduldig. „Dir das Leben zu retten macht nur dann Sinn, wenn du überlebst.“

Draco sagt nichts, nur seine Augen flackern weg und er schaut an die Wand. Er sieht Harry nicht an, als der in ihn eindringt, nur seine Hände kommen hoch und umarmen Harry, ziehen ihn nach unten, und er verbirgt seinen Kopf in Harrys Schulterbeuge, dort wo sein Hals in seine Schulter übergeht, und gibt kleine, flüsternde Laute von sich. Es ist kein Wimmern und es ist kein Schreien, es ist eine Art Litanei, und als Harry in und gegen ihn stößt, sprudeln die Worte nur noch schneller aus ihm heraus, ein rasendes Gebet ohne Worte. Seine Hände gleiten Harrys Rücken hinunter, tasten über die einzelnen Erhebungen seiner Wirbelsäule, als wolle er sie zählen, und als sich der betäubende, tosende Druck hinter Harrys Augen und Ohren aufbaut, stellt er sich vor, wie er sich an einem wegbrechenden Felsvorsprung festhält, der ganze Berg bricht zusammen, und er lässt los und fällt und zerspringt und zerbricht auf Draco, wird an seinen Ufern angespült, seine Knochen alle zu Sand zermahlen. Und Draco hält ihn, die ganze Zeit, während des ganzen Falls; und als das Tosen nachlässt, bemerkt Harry, dass das, was Draco die ganze Zeit gegen seinen Hals gemurmelt hat, tatsächlich die einfachste Litanei von allen ist: sein Name, einfach nur sein Name.

***


Sie schlafen. Als sie aufwachen, ist es bereits später Nachmittag. Draco liegt zusammengerollt auf einem Haufen seiner eigenen Kleider. Das einzig Helle in der Dunkelheit ist sein Haar, das auf dem dunklen Steinboden ausgebreitet ist wie Strahlen von sonnigem Feuer.

Harry steht auf und beginnt, seine Sachen zusammenzusuchen, doch da umklammert etwas seinen Knöchel. Es ist Dracos Hand. Draco zieht fest an seinem Bein und Harry stolpert, fällt und landet auf ihm. Draco zieht ihn auf sich herunter, wie klebriges Seegras – wenn sich Seegras denn so bewegen könnte und über die elastische Stärke von Stahl verfügen würde. Harry braucht einen Moment, bis er sich gefasst hat und sich wehren kann, und da hat Draco sich schon regelrecht um Harry gewickelt, hat seine Finger fest in Harrys Körper gegraben. Harry glaubt, dass Draco, wenn er es denn könnte, nicht zögern würde, seine Finger durch die Zwischenräume von Harrys Brustkorb zu schieben, um ihn so festzuhalten.

Harry stößt Draco mit dem Ellbogen und jetzt ist es nicht mehr nur Draco, der an Harry festhält, sondern ein richtiger Kampf, der sich daraus entwickelt. Sie rollen über den Boden und prügeln sich. Harry ist erstaunt, dass Draco aus gewöhnlichem Festhalten solch einen Akt der Gewalt machen kann, aber er kann: als Harry versucht, seine Finger aufzubiegen, beißt Draco ihn wild in die Hand, seine scharfen Zähne durchbrechen die Haut und Harry brüllt, weil es verdammt weh tut. Er zieht die Beine hoch und kniet Draco in den Solar Plexus, woraufhin Draco würgt und ihn mit seiner freien Hand hart ins Gesicht schlägt. Harrys Mund ist voll Blut und er stellt verzweifelt fest, dass dies wohl das Ende seiner misshandelten Lippe bekundet: sie wird einfach niemals verheilen. Er versucht, Draco weg zu schieben, einen Arm als Hebel zwischen ihre beiden Körper zu bekommen, und da öffnet sich die Türe der Eulerei und Hermine kommt hereingestürmt, wobei sie hektisch etwas ruft.

Beide Jungs erstarren und schauen sie an, sich ihrer Positionen sehr bewusst – sie sind nackt und ineinander verschlungen, und von Harrys aufgeplatzter Lippe tropft Blut auf Dracos Gesicht.

„Weißt du, Hermine“, sagt Harry, „du hättest anklopfen können.“

Hermine schaut ihn verächtlich an. „Als ob ich noch nie nackte Menschen gesehen hätte“, sagt sie. „Hört ihr denn nie zu, wenn ich was sage?“, fragt sie. „Die Todesser sind weg. Die Belagerung ist vorbei.“

Die Jungs lassen von einander ab. Draco starrt sie an. „Aber es kann nicht vorbei sein”, sagt er. „Die würden doch niemals einfach so aufgeben.“

„Tja, offenbar doch“, sagt Hermine. „Alle rennen draußen herum. Eulen vom Ministerium sind angekommen und werfen Lebensmittel und Notfallzauberstäbe ab. Ihr solltet auch raus gehen. Obwohl ihr euch dazu vielleicht doch zuerst was anziehen solltet“, fügt sie mit einem diskreten Schniefen hinzu.

Harry und Draco tasten nach ihren Kleidern, verlegen, schauen sich dabei nicht an. Der Sex ist ihnen nicht peinlich, glaubt Harry, aber die Prügelei danach schon. Draco kann einen seiner Schuhe nicht finden und geht deswegen barfuß nach unten. Keiner der beiden lächelt, und als sie durch die Große Halle gehen, kommt eine Schülerin zu Harry und gratuliert ihm, gerade so, als sei die Beendigung der Belagerung sein Verdienst. Harry widersteht dem irren Drang, wieder nach oben in die Eulerei zu fliehen.

Doch dann sind sie drauĂźen. Blinzeln im Sonnenlicht. Es ist ein kĂĽhler, heiĂźer, sonniger, schattiger Tag, und die Luft riecht leicht nach Rauch. Der Himmel ĂĽber ihnen ist wahnsinnig hoch und blau und tief. SchĂĽler rennen auf dem Gras hin und her, alle sind sie bleich wie Champignons, und wedeln ihre Arme und Beine wie WindmĂĽhlenflĂĽgel. Hermine rennt los und hindert Seamus Finnigan daran, vor lauter Freude Klee zu essen.

Die Lehrer stehen in einer Traube drüben bei den Treppen zur Schule und gestikulieren wild mit den Händen. Keiner von ihnen scheint Harry zu bemerken, obwohl Lupin ihm auf die Schulter klopft, als er vorbei geht. „Übler Schnitt an deiner Lippe, Harry“, sagt er. „Du solltest Poppy mal einen Blick drauf werfen lassen.“

Eulen fliegen über ihre Köpfe hinweg und werfen Päckchen ab. In den meisten scheint Essen zu sein. Eine schwarze Eule schwebt über Harry und lässt etwas in seine Hand fallen. Es ist ein Brief. Harry starrt ihn verwirrt an – er ist an ihn adressiert.

Draco macht zum ersten Mal seit sie herausgekommen sind den Mund auf. „Von wem ist der denn?“

„Ich weiß es nicht“, sagt Harry und macht ihn auf.

Er erkennt die verschnörkelte, ungeduldige Handschrift sofort.

Harry – hey, ich bin’s. Hast du einen meiner Briefe erhalten? Ich hab schon sechsmal versucht, dir zu schreiben. Ich hab sogar ne Nachricht über die Meermenschen geschickt. Ich hab nen Weg durch den See gefunden. Du musst nur bis zum Grund schwimmen, der Brunnen im Dorf der Meermenschen ist ein Tunnel. Man kommt in einem See in Frankreich raus. Jetzt bin ich in Amsterdam und warte auf dich, ich trinke ein Bier und schaue mir die Shows an. Diese Hexe hat gerade was total Bizarres mit einer verzauberten Banane angestellt. Du solltest echt herkommen.

--Ron


Ein Foto von Ron liegt dem Brief bei. Er sieht braungebrannt und fröhlich aus, sitzt auf einer Holzbank mit einem Bier in der Hand und einem Zauberstab in der Tasche. Er zwinkert in die Kamera.

„Potter?“

Harry schaut von dem Pergament in seiner verkrampften Hand auf. Draco starrt ihn an. Harry starrt zurück und es ist, als sähe er Draco zum ersten Mal. Er sieht die Haut, die er für mondlichtfarben gehalten hat – dabei ist sie nur ausgebleicht von den vielen Tagen ohne Sonnenlicht. Und das strähnige, silbrige Haar, das wirr in seine eingesunkenen Augen fällt. Und die schmutzigen Halbmonde unter seinen abgebissenen Fingernägeln. Und den verhungerten Ausdruck in seinen Augen.

Draco sagt: „Was steht in dem Brief?“

Harry faltet das Pergament und steckt es in die Tasche. „Nichts Wichtiges.“

Draco schaut zurück Richtung Schloss. Der ganze Rasen ist voller Schüler, obwohl es nicht so viele sind, wie es sein sollten, es sind eigentlich sogar herzzerreißend wenige. Sie blinzeln im grellen Sonnenlicht, umarmen sich, starren in den Himmel, als hätten sie vergessen, dass so etwas wie unendliche Weite tatsächlich existiert.

„Wir sollten gehen“, sagt Draco. „Vielleicht sind die Todesser ja alle nur verschwunden, weil noch was viel Schlimmeres im Anmarsch ist.“

Harry macht seine Jacke zu und zieht die Hände in die Ärmel. „Ich bin sicher, du wirst damit fertig“, sagt er. „Viel Glück und alles Gute, Malfoy. Bis die Tage dann.“

Draco starrt ihn total geschockt an. „Willst du mich verarschen?“

„Nein“, sagt Harry.

Dracos Augen sind große, verwunderte Ellipsen. Tu mir weh, hat er gesagt, und Harry tut es. Harry weiß nicht, was er sonst mit ihm machen soll. Ihre Schatten an der Wand haben ein Spiel gespielt. Aber das hier ist die Wirklichkeit, helle Sonne und klare Luft, hier gibt es keine Schatten mehr. Hier gibt es nicht mal mehr eine Wand, an die man einen Schatten werfen könnte.

„Du kannst nicht einfach weggehen“, sagt Draco. „Du kannst nicht einfach weg von mir.“

„Du hast gesagt, ich kann machen, was ich will“, sagt Harry.

„Also, das hab ich damit sicher nicht gemeint“, sagt Draco.

„Dann“, sagt Harry, „drück dich das nächste Mal doch einfach etwas deutlicher aus.“

Er hört noch, wie Draco verwirrt und scharf Luft holt, dann läuft er weg. Schnelle Schritte vergrößern den Abstand zwischen ihm und Draco, es ist als gehe eine Naht an einem Kleidungsstück auf. Die Sonne brennt auf ihn herunter und er wirft einen Schatten nach hinten, die Luft schmeckt sauber, kalt und frisch und wie gerade erst angebrochen. Das Stück Pergament raschelt in seiner Hosentasche als er das Schloss hinter sich lässt und den Pfad zum See hinunter geht.



***~~~***


A/N.: Vielen Dank an meine wundervollen Beta-Leser und Berater: Clio, Mahoney, Ivy Blossom und Rach, die ganz besonderen Dank dafür verdient, mich darauf hinzuweisen, dass Harry während des Orgasmus keine blau-weißen Funken sehen kann – das würde nämlich dem Original in „Der Gefangene von Askaban“ widersprechen.

Referenzen: Der Titel, „Eine Jahreszeit in der Hölle“, ist der Titel einer Gedichtsammlung von Arthur Rimbaud.

Der Epigraf: Baudelaire, denn warum sollte man die französischen Symbolisten nicht mal ein bisschen durcheinander würfeln? Aus „Les Fleurs de Mal“ (= Die Blumen des Bösen)


Der “Tanz der beschissen mühelosen Überlegenheit“ stammt von meiner besten Freundin Elka, die auch die Idee zu dieser Geschichte hatte.


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