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Spinning Hearts - Aufräumarbeiten

von Dr. S

Die Sonne kroch langsam zwischen den Vorhängen durch sein Fenster. Draco lag wach in seinem Bett, wo er sich auf die Seite gedreht hatte und aus dem Fenster starrte. Er hatte die Dunkelheit im Rücken und das beklemmende Gefühl, jemand würde ihn daraus beobachten. Auf seinem Nachttisch lag eine leere Phiole eines weiteren Trank für traumlosen Schlaf. Es hatte nicht viel gebracht. Zwar war sein Schlaf ruhig und ereignislos gewesen, aber auch kurz und sporadisch. Sein Problem lag darin überhaupt einzuschlafen. Stundenlang lag er in seinem Bett, den Rücken zur Tür gedreht, und wagte nicht sich umzudrehen

Er hatte keine Angst vor Alpträumen, sondern vor der Realität – auch wenn sie in der Vergangenheit lag. Er sah den Dunklen Lord in den Schatten, verwechselte das entfernte Pfeifen und Heulen des Windes mit dem Lachen seiner Tante, und jedes Mal wenn eine Diele auf dem Flur knarrte glaubte er, es wäre seine Tür. Ein Todesser, der sich verlaufen hatte, seine herumstreunenden Onkel oder etwas noch Schlimmeres… Er erinnerte sich aufzuwachen und einen Schatten auf seiner Bettkante sitzen zu sehen, die schaurige Version einer Gutenachtgeschichte leise vor sich hermurmelnd… Es war lächerlich und unangenehm, aber was, wenn er aufwachte nur um festzustellen, dass nichts von alldem vorbei war.

Er sah zu, wie sich allmählich graublaues Dämmerlicht durch den Spalt zwischen den Vorhängen schob. Je heller es wurde, desto schwerer wurden seine Augen. Er war dabei wegzudösen, als ein Knarren durch seine Tür kroch. Draco riss die Augen auf. Er verkrampfte sich bis in die Zehenspitzen. Seine Tür wurde geöffnet, ächzte in den Angeln, bevor sie verstummte und geräuschlos aufglitt. Dracos Atmung beschleunigte sich, sein Herz raste und er hatte das Gefühl ein Lähmzauber läge auf seinen Beinen. Er hörte leise, leicht schlurfende Schritte, die in seine Nähe kamen.

Draco riss sich aus der Starre und fuhr hoch.

„Oh…“ Taffy, der Hauself, wich vom Fußende des Betts zurück. „Guten Morgen, Master Draco. Taffy hat nicht gesehen, dass Master Draco schon wach ist.“

Draco konnte verstehen, wieso sein Vater regelmäßig Dinge nach Taffy warf, wenn er ihn weckte. Er riss sich zusammen und griff nicht nach dem Wecker auf seinem Nachttisch.

Taffy watschelte zu den Vorhängen und zog sie mit einem Ruck auf. Das Licht der Morgensonne kam mit einer plötzlichen Helligkeit herein, die ihn blendete.

„Frühstück steht in einer halben Stunde bereit, Master Draco.“ Taffy verbeugte sich und wollte wieder gehen, blieb aber erneut am Fußende stehen. „Ist Master Draco in Ordnung?“

„Vollkommen in Ordnung“, sagte Draco, schlug seine Decke beiseite und rutschte auf die Bettkante. „Und selbst?“ Er gab das leicht sarkastisch zurück, warf aber einen längeren Blick auf Taffy. Das Gesicht des Hauselfen war wieder abgeschwollen und hatte keine Spuren von ausschwingenden Kaminschürern oder herumfliegenden Tellern mehr aufzuweisen.

„Taffy ist in keiner Position Master Draco mit seinem Zustand zu behelligen“, sagte der Hauself, verbeugte sich tief und ging schneller als nötig wieder aus dem Zimmer.

Draco blieb alleine zurück und schaute in die Ecken, in die sich jetzt kein Schatten mehr zu trauen schien. Er kam sich noch lächerlicher vor, weil er sich von der Dunkelheit in die Irre hatte führen lassen. Da war nichts. Niemand.

Draco stand auf, streckte sich und lief zu seinen Fenstern. Er lehnte sich gegen den Rahmen der bodenlangen Scheiben, während der wärmende Stoff der schweren Vorhänge wie ein Umhang um seine Schultern fiel. Die Fensterscheibe war kühl, als er die Hand dagegen drückte, als würden die Sonnenstrahlen einfach daran abprallen. Dabei erstreckte sich ihr goldenes Licht schon über die weiten Gärten und Wiesen von Wiltshire. Draco blickte direkt auf die Einfahrt und das gusseiserne Tor, das mittlerweile wieder Menschen durchließ, die kein dunkles Mal vorzuweisen hatten. Ein einsamer weißer Pfau stolzierte zwischen den penibel getrimmten Hecken hervor und überquerte den weißen Kiespfad.

Die Schatten der Wolken zogen über das grüne Gras und die Sonnenstrahlen fielen wie ein heller Vorhang darüber. Draco beobachtete einen Moment, wie niemand durch das Tor kam, dann riss er sich los. Er ging unter die Dusche, zog sich an und stellte sicher, dass seine Ärmel von der zunehmenden Wärme nicht kürzer als nötig wurden, bevor er durch die schattigen Korridore zum Frühstück lief.

Sein Vater saß bereits am Kopfende des Esstischs – auch wenn er aussah, als hätte er sich seit gestern Abend nicht davon wegbewegt – und las im Tagespropheten. Er schaute nicht auf, als Draco hereinkam und sich an die lange Kante des Tischs setzte. Draco haderte mit einem ‚Guten Morgen‘, entschied sich aber dagegen, als er die tiefen Schatten unter den geschwollen Augen seines Vaters sah. Er hatte sich schon wieder nicht rasiert, aber damit wenigstens auch nicht geschnitten. Inzwischen stand Lucius wieder früher auf, nachdem er sich mehrere Tage erst zum Mittagessen blicken gelassen hatte, auch wenn Draco das leise Gefühl beschlich, dass er sich nur aus dem Bett quälte um herablassend auf seinen Sohn herunterzuschauen, wenn er fünf Minuten zu spät am Tisch erschien.

Draco häufte sich etwas Rührei auf den Teller und sie aßen schweigend, wie es schon Tradition geworden war. Lucius hob seine Zeitung etwas höher, bis er vollständig dahinter verschwand, und Draco stocherte in seinem Rührei herum, den Blick auf die Mitte des Tischs gerichtet. Er glaubte das alte Holz unter dem Gewicht der riesigen Schlange ächzen zu hören. Nagini hatte keine Armlänge von ihm entfernt dort gelegen, wo jetzt das Frühstück aufgetürmt war, und ihr Abendessen verdaut. Er erinnerte sich an die absonderlichen Verformungen ihres glänzenden Schuppenkörpers. Er erinnerte sich an Charity Burbages totenstarres Gesicht, als Naginis Kiefer sich um ihren Kopf geschlossen hatten.

Er schluckte trocken. Am liebsten hätte er seinen schweren Kopf gegen etwas gelehnt. Gegen eine Schulter, die stark genug schien, dass jeder schwere Gewissensbiss erträglich leicht wurde.

Draco erlaubte sich nicht mehr als ein paar Sekunden daran zu denken, aber es war schwer den Gedanken wieder zu vertreiben.

„Guten Morgen“, sagte die Stimme seiner Mutter.

Draco schaute zur Tür, sein Vater aber zuckte so schreckhaft herum, dass er mit einer plötzlichen Armbewegung seine Teetasse herunterstieß. Sie schlug auf den Boden und zerbrach in einen Haufen Scherben und goldbrauner Flüssigkeit, die nicht nach Tee aussah.

„Bei Merlins Bart, Narcissa“, fauchte Lucius und schnippte mit den Fingern. Taffy tauchte mit einem leisen Plopp auf und wurde von Lucius‘ Fuß ohne Vorwarnung zu dem Scherbenhaufen getreten. „Was willst du hier?“

„Ich wollte mit meiner Familie frühstücken. Ist das ein Problem?“ Narcissa ahndete den scharfen Tonfall mit einem noch schärferen Blick, der Lucius wieder hinter seine Zeitung trieb.

„Du solltest im Bett frühstücken“, murmelte Lucius. „Ich würde, wenn man mich ließe.“

„Du würdest den ganzen Tag im Bett bleiben, wenn man dich ließe“, raunte Narcissa ihm im Vorbeigehen zu. Draco tat so, als hätte er das nicht gehört. Seine Mutter stieg arglos über den leise schniefenden Hauselfen rüber, der mit dem Gesicht voran in den Scherben gelandet war, und setzte sich Draco gegenüber hin. Sie lächelte ihn an.

Draco reichte ihr stumm den Kürbissaft.

„Wie hast du geschlafen, Liebling?“, fragte Narcissa weiter lächelnd.

„Sehr gut, danke“, sagte Draco trocken. „Und du, Mutter?“

„Ganz wunderbar.“ Narcissa schaute ihn abwartend an. „Möchtest du dein Ei noch matschiger haben, Draco?“

Seufzend zog Draco die Gabel aus seinem Rührei und schob sich die zerdrückte Substanz, die davon übrig war, in den Mund. Er fing den zufriedenen Blick seiner Mutter auf und legte die Gabel zur Seite, kaum dass sie sich ihrem eigenen Frühstück widmete.

„Heute scheint ein ganz wunderbarer Tag zu werden“, sagte Narcissa. ‚Wunderbar‘ schien ihr Wort des Tages zu sein. „Hast du etwas Schönes vor, Draco?“

„Definiere ‚schön‘“, sagte Draco, was Narcissas Lächeln leicht einknicken ließ. Er war kurz davor sich zu entschuldigen, stattdessen zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht nehme ich meinen Nimbus und fliege eine Runde.“

Lucius schnaubte auf. „Narcissa, Darling, musstest du ihn das fragen? Was soll er denn machen, außer mit sich selbst zu spielen.“

Draco hob die Augenbrauen. „Bitte, was?“

„Lucius“, warnte Narcissa.

„Nichts.“ Lucius senkte die Zeitung und griff über den Rand nach dem Tee, um eine zweite Tasse zu füllen. Zu seinen Füßen disapparierte Taffy mit den Überresten der ersten. „Was hast du denn mit deinem Tag vor, Draco? Irgendetwas Sinnvolles?“

„Ich sagte doch, dass ich es noch nicht weiß“, sagte Draco.

Lucius verengte die Augen, als hätte Draco es gewagt in seine Teetasse zu spucken. „Ich bin mir sicher, wir finden eine Aufgabe für dich, die ein Hauself besser und schneller erledigen könnte.“

Draco verdrehte die Augen. Er bereute nicht wirklich in die Winkelgasse gegangen zu sein, um Zaubertrankzutaten zu kaufen, obwohl er mehr als einen Grund dazu hatte. Aber sein Vater schien es ihm sehr übel zu nehmen.

„Hör dir das an, Darling“, sagte Lucius, als würde nur Narcissa am Tisch sitzen, und faltete seine Zeitung wichtigtuend auf. „Anscheinend bauen sie Hogwarts wieder auf. ‚Helfer und Unterstützung jeglicher Art erwünscht‘ und ‚Wiedereröffnung für das neue Schuljahr geplant‘, ist das zu fassen? Erst machen sie die Ländereien zu einem Massenfriedhof und jetzt sollen Schüler dort versuchen etwas zu lernen? Ich würde mein Kind nicht mehr dorthin schicken.“

„Es hört sich relativ makaber an“, sagte Narcissa. „Allerdings hat Hogwarts sich stets durch seine Extravaganz ausgezeichnet. Geister, Basilisken und was Dumbledore sonst noch so in den Toiletten versteckt hat.“

Lucius stieß ein humorloses Lachen aus. „Es kommt noch schlimmer. Rate, wen sie zitieren.“

Narcissa wartete geduldig ab und legte neugierig den Kopf schief.

Draco trank seinen Kürbissaft.

Sirius Black, Pate von Harry Potter, steht an vorderster Front der Aufräumarbeiten. Als wir ihn hinter einem der größten Geröllhaufen antreffen und um ein Statement bitten, erklärt er fortwährend, wie beschäftigt er sei“, las Lucius vor.

„Er wollte sicher kein Interview geben. Ich wette, er hat sich hinter dem Geröll versteckt und versagt“, bemerkte Draco. „Idiot.“

Auf unsere Frage, wieso er hier ist“, fuhr Lucius lauter fort, um Dracos Stimme zu dämpfen, „antwortet Black: „Ich hab meine Schulzeit in Hogwarts sehr genossen. Es wäre unfair, wenn kommenden Generationen so ein Spaß entgehen würde. Die Freiheit, die Möglichkeiten, die Menschen – und natürlich die umfassende Bibliothek.“ Einem berüchtigten Tunichtgut wie Black, der zu Schulzeiten mehr als einen Schrank voller Strafarbeiten angesammelt hat, wie uns der Hausmeister versichert, ist zuzutrauen, wie viel Wert er auf Freiheiten in Sachen Erziehung legt. Harry Potter ist bei den Aufbauarbeiten nicht anwesend. Als wir nachfragen, warum Potter den Aufbau von Hogwarts nicht persönlich unterstützt und wieso ihn niemand seit Tagen gesehen hat, reagiert Black abweisend. „Das geht Sie einen feuchten Flubberwurmmist an.“

Draco gluckste in seinem Kürbissaft. Er hielt sich eine Serviette vor den Mund um dem strafenden Blick seines Vaters zu entgehen. Aber er konnte genau vor sich sehen, wie der Reporter um Black herumtänzelte und ihn mit Fragen löcherte, bis ihm dieser Satz entgegenflog. Der Reporter konnte nur froh sein, dass es keine Pufferfischaugen waren.

„Du findest das wohl witzig“, sagte Lucius.

„Wenn du es nicht lustig findest, wieso hast du es dann vorgelesen, Vater?“

„Um dir eine Chance zu geben frech zu werden?“, presste Lucius hervor.

Draco stellte sein Glas ab, während sein Lächeln unter einem kleinen Seufzer zusammenfiel.

„Das einzig Interessante ist, wo Potter wohl hin ist“, sagte Lucius. „Alles zu Harry Potters mysteriösem Verschwinden auf Seite vier.

Draco presste die Lippen zusammen. Sirius hatte ihm gesagt, dass Potter sich nach Australien verabschiedet hatte, wahrscheinlich um genau diesem Trubel um seine Person zu entkommen – oder wie es für ihn besser klang, weil er ein verantwortungsloser Bastard war. Erst die Welt retten und sie dann unaufgeräumt liegenlassen, typisch heldenhafter Gryffindor.

„Er wird wohl eine kleine Pause machen“, sagte Narcissa. „Ganz objektiv gesehen hat er sich die wohl auch verdient. Nicht jeder kommt von den Toten zurück, um den Helden zu spielen.“

„Trauerst du ihm hinterher?“, fragte Lucius. „Ihr habt euch so wunderbar unterhalten. Sicher hättest du ihn gerne zum Tee eingeladen.“

„Er hat ein gutes Wort für uns eingelegt, Lucius. Seinetwegen wurde uns eine Menge Ärger erspart.“

Lucius schnaubte abfällig. „Soweit ich mich erinnere, habe ich mich um Hals und Kragen geredet um uns aus dieser Misere zu manövrieren. Es gibt keinen Grund Harry Potter die Füße zu küssen.“

Narcissa zog eine Augenbraue hoch. Ihre Lippen zuckten, als sie sich zurückhalten musste darauf so scharf zu antworten, wie diese Bemerkung es verdient hatte. „Nun, wir sollten den Moment so gut wie möglich nutzen um unsere Position zu festigen.“

Draco dachte an den nasenlosen Mann, der ihn so wutentbrannt vor die Tür gesetzt hatte. Das war keine Position, die er festigen wollte. Er betrachtete seine Eltern, die wie vor drei Jahren am Tisch saßen und ihre Köpfe hoch genug hielten um nicht die Luft der Hauselfen einatmen zu müsse, und fragte sich, ob jemand wohl schon abgelaufene Zaubertränke nach ihnen geworfen hatte.

„Draco, vielleicht hast du heute Nachmittag ein paar Minuten Zeit für mich“, sagte Narcissa. „Dein Geburtstag ist in ein paar Wochen. Wir sollten uns etwas Wunderbares überlegen. Du warst schon so lange nicht mehr zu deinem Geburtstag zu Hause.“

Draco wollte widersprechen, aber seine Mutter blickte ihn so hoffnungsvoll an, als könnte sie sich keine bessere Ablenkung vorstellen, als ihm eine Torte zu organisieren. „Sicher“, sagte er und zwang sich zu lächeln.

„Das wäre eine wunderbare Gelegenheit alte Freunde einzuladen und ihnen zu zeigen, dass wir wieder zurück zu alten Standards kehren, nicht wahr?“

„Du kannst Harry Potter nicht einladen, Narcissa. Black hat ihn im Bermudadreieck verloren“, sagte Lucius voller Sarkasmus. „Und wer soll sonst kommen? Die Goyles?“

„Gregory wird sicher gerne kommen.“

Draco setzte seinen Kürbissaft wieder ab, bevor er einen weiteren Schluck nehmen konnte. „Nein, ich denke nicht.“

Narcissas Blick verdunkelte sich, aber sie hatte Crabbe bisher nicht angesprochen und schien das auch weiterhin nicht tun zu wollen. Goyle gesellte sich jetzt wohl dazu. „Was ist mit Pansy? Ich habe sie schon eine Weile nicht gesehen.“

„Du wirst sie auch nicht mehr sehen“, sagte Draco ungerührt.

Narcissas Miene fiel in sich zusammen, so enttäuscht schien sie darüber zu sein.

Lucius schüttelte genauso enttäuscht den Kopf, auch wenn er wenig überrascht tat. Jeder schien überraschter und enttäuschter darüber zu sein als Draco selbst. Jeder schien irgendetwas deswegen zu empfinden, während er einfach hier saß und nicht einmal Probleme hatte es zuzugeben.

„Da hattest du zur Abwechslung einmal was richtig gemacht und das kommt dabei raus“, sagte Lucius.

„Was soll das heißen?“, fragte Draco.

„Das weißt du sehr genau. Die Parkinsons sind eine akzeptable, reinblütige Familie… die sich gerne mal ein bisschen verspekulieren. Mit ein bisschen Arbeit deinerseits hätte Pansy sich in diesem Haus zurechtfinden können. Aber Merlin bewahre, dass du einmal an irgendetwas arbeitest. Du bist ja zu beschäftigt Besen zu reiten.“

Draco wusste nicht, was er dazu sagen sollte und verdrehte die Augen. Allein der Gedanke, dass seine Eltern Pansy in diesem Haus gesehen hatten, stieß ihm übel auf – wenigstens war das ein Gefühl im Gegensatz zu der sonstigen Gleichgültigkeit.

„Und wer soll jetzt zu deinem wunderbaren Geburtstag kommen, Draco? Nott? Soll er seine liberale Greengrass-Freundin mitbringen?“, spuckte Lucius aus. „Oder willst du Black hier einladen, weil ihr euch so gut verstanden habt?“

Draco stellte sein Glas ab und rührte es nicht mehr an. Er hatte das Gefühl er könnte den Zaubereiminister einladen und es wäre immer noch nicht gut genug. „Es muss niemand kommen. Ich bin zufrieden, wenn es Kuchen gibt. Du kannst einladen, wen auch immer du für wichtig hältst, Mutter.“

„Oh, Draco“, seufzte Narcissa. „Ich lasse mir schon was einfallen. Wir laden ein paar Menschen ein, essen etwas nettes, und es wird ganz wunderbar werden. Du kümmerst dich bis dahin darum wieder gesund zu werden.“

„Ich bin gesund“, sagte Draco. „Meinem Rücken geht es gut. Ich hab neulich Roger Davies getroffen und er meinte auch, dass ich mich wieder wie ein normaler Mensch aufführen kann – vorausgesetzt das könnte ich überhaupt.“ Er verdrehte leise schmunzelnd die Augen, aber niemand schien das auch nur ansatzweise amüsant oder einfach nur interessant zu finden.

„Wer war Roger Davies nochmal?“, fragte Lucius.

„Dieser Heiler, der sich um deinen Sohn gekümmert hat“, sagte Narcissa. „Ich hatte nichts gegen ihn. Er wusste sich zu benehmen.“

„Keiner dieser Heiler wusste sich zu benehmen“, sagte Lucius. „Alle vollkommen überfordert und überarbeitet. Ein Wunder, dass Draco da lebend rausgekommen ist.“

Draco räusperte sich. „Sie haben sehr viel im St. Mungo’s zu tun. Die Patienten stapeln sich wohl immer noch auf den Gängen, weil sie nicht genügend Platz für sie haben. Ich dachte…“ Die schattigen Korridore und vielen leeren Zimmer kamen ihm in den Sinn. Bis vor kurzem hatten die Todesser sie besetzt und die Korridore bewandert. Er sehnte sich nicht nach diesen Tagen, aber die Stille und Leere war ein ebenso unheimlicher Zustand. „Wir haben doch eine Menge Platz hier. Warum bieten wir ihnen nicht an ein paar Patienten hier unterzubringen?“

Lucius setzte seine Tasse so hart auf, dass die Hälfte des Inhalts auf der Tischdecke landete. „Wie bitte? Malfoy Manor als Asyl für winselnde Weichlinge?“

„Es würde einen guten Eindruck machen“, sagte Draco. „Zumindest müsste der Tagesprophet definitiv etwas Positives über uns schreiben. Wenn wir es gut anstellen, könnte man uns auch nicht die Worte im Mund verdrehen, wie bei Black.“

„Wir müssen keinen guten Eindruck machen, Draco. Und wir werden nicht unser Haus dafür opfern“, sagte Lucius bedrohlich leise.

„Man hasst uns, Vater“, sagte Draco, was Lucius wie eine Ohrfeige zu treffen schien. „Das kannst du nicht einfach ignorieren. Willst du dich für den Rest deines Lebens hier einsperren und so tun, als hätte der Dunkle Lord nie existiert? Ich dachte, wir sollen unsere Position festigen. Sonst werfen diese Menschen irgendwann faules Obst nach uns, wenn wir nur auf die Straße gehen, oder tauchen mit Fackeln und Heugabeln vor unserem Haus auf, wenn irgendetwas Merkwürdiges vor sich geht und sie einen Buhmann brauchen.“

Lucius riss die Augen auf. Seine Hand zitterte neben seiner Teetasse und er ballte sie zur Faust. Einen Moment sah es aus, als würde er über den Tisch nach Draco greifen wollen. In seinen müden Augen glühte der Zorn. Draco merkte, wie seine Kehle sich zusammenschnürte. Er befürchtete, dass er zu weit gegangen war.

„Draco, ich stimme deinem Vater zu“, sagte Narcissa. „Das ist nicht der Weg, den wir einschlagen werden. Wir sind nicht schwach.“

Draco musste herunterschlucken, dass er kein Kontra aus Narcissas Ecke erwartet hatte. Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte nur gedacht –“

„Dann hör auf zu denken“, zischte Lucius. „Darin warst du noch nie besonders gut, wenn ich dich erinnern muss. Ich werde nicht zulassen, dass du mein Haus, mein zu Hause gegen die Wand fährst, nur weil ein verfluchter Heiler dich leichter manipuliert als Dumbledore Potter.“

„Davies hat nichts damit zu tun. Ich dachte nur –“

„Oh, du denkst doch nicht, jemand wie der, der sich für tugendhafter und besser als wir hält, würde aus freien Stücken mit dir reden. Du hast keine Freunde, Draco. Das sollte dir etwas über dich sagen, wenn du mal wirklich nachdenken würdest. Dieser Kerl will unser Gold – mein Gold. Und das St. Mungo’s kriegt schon genug von uns. Wir haben dieses Krankenhaus seit Jahrzehnten am Leben gehalten.“

Draco schluckte hart. Er hatte seinen Vater schon schreien gehört, hatte sich sonst was anhören müssen, aber selten war er sich so sehr wie ein dummes Kleinkind vorgekommen.

„Lucius, das reicht“, sagte Narcissa streng. „Draco wollte nur helfen.“

„Nun, wir wissen, was dabei herauskommt, wenn er helfen will.“ Lucius faltete den Tagespropheten mit zitternden Händen zusammen und hieb ihn neben seinen Teller auf den Tisch. Sein Blick brannte vor Zorn und Abscheu, und Draco saß genau in der Schusslinie. Dann fuhr Lucius blitzartig hoch und stürmte aus dem Esszimmer.

Die Stille legte sich wie ein erdrückendes Leichentuch über den ganzen Raum. Draco hörte sich selbst zu zittrig einatmen.

Narcissa griff über den Tisch und verfehlte seine Hand knapp, als er sie hob um sich durch die Haare zu fahren. „Er meint es nicht so, Draco. Deinem Vater fällt es sehr schwer mit allem zurechtzukommen. Askaban sitzt ihm im Nacken und… das ganze letzte Jahr.“

„Ich weiß, was im letzten Jahr war“, sagte Draco kühl.

„Dann gib ihm etwas Zeit.“

„Ich dachte, genau das tue ich – sonst hätte ich ihm gesagt, dass ich Sirius Black unbedingt auf meiner wunderbaren Geburtstagsparty sehen will.“ Draco erwiderte das kleine Lächeln seiner Mutter und stand auf. Er nahm den Tagespropheten, den sein Vater zurückgelassen hatte. „Ich gehe nach draußen und versuche das Mysterium von Potters Verschwinden zu lösen.“

Narcissa ließ ihn widerspruchslos gehen, und Draco lief mit durchgestreckter Wirbelsäule aus dem Esszimmer. Er ging durch einen kurzen Korridor, bis er durch eine Tür auf der Rückseite des Hauses auf die Terrasse treten konnte.

Vor ihm erstreckten sich die weiten Gärten von Malfoy Manor. In der Ferne standen ein paar uralte Eichen dicht beieinander und bildeten einen dunklen Kontrast zu dem hellblauen Himmel. Solche dunkelgrünen Flecken von Bäumen fanden sich überall in den Gärten. Hier hinten liefen mehrere der weißen Pfauen herum, tummelten sich um einen alten Steinbrunnen und zerpflückten die Erde.

Draco setzte sich auf die Stufe der Terrasse und breitete die Zeitung aus. Zu Seite vier und Harry Potter kam er gar nicht. Seine Augen suchten den Artikel über den Aufbau von Hogwarts ab und blieben an Sirius‘ Namen hängen. Sirius konnte tun und lassen, was er wollte, und er verbrachte seine Tage damit diese Ruine wieder aufzubauen.

Einer der Pfauen stolzierte zu ihm herüber und präsentierte seinen Federschwanz auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Draco strich über den schmalen Kopf und langen Hals, ohne den blick von dem Artikel zu nehmen. Der Pfau legte den Kopf auf seinen Beinen ab und ließ sich weiter streicheln. Jeder Pfau hatte einen Namen. Draco hatte sich als Kind von ihnen pieken lassen und sie durch die Gärten gejagt. Letztes Jahr hatte er zugesehen, wie sein Onkel Rabastan William, den jüngsten Pfau, niedergerungen und seinen langen, schmalen Hals zugedrückt hatte. Weil ihm langweilig gewesen war. Und er erinnerte sich an die Flüsterstimme in seinem Ohr, dass er keine jungen Dinger mochte, die unschuldig tuend herumwanderten.

Draco sehnte sich wieder nach der Schulter, warm und stark und unnachgiebig auf eine Art, die nichts Erdrückendes hatte. Black tauchte so gerne überall da auf, wo er hinzugehen schien, als würde er beweisen wollen, wie winzig klein ihre Welt war, aber jeden Morgen, wenn Draco aus dem Fenster schaute, blieb das gusseiserne Tor geschlossen.

Wenn er heute Abend in den Tropfenden Kessel gehen würde, nachdem Davies‘ Feierabend hatte, würde er ihn dort mit Black sitzen sehen? Würde er sich dazu setzen können? Oder würden sie noch mehr Spaß ohne ihn haben…

Draco schaute auf das Bild der Ruine, das neben dem Artikel abgedruckt war. Über den zerfallenen Zinnen bot der Himmel Platz für das Dunkle Mal, wie es am Abend von Dumbledores Tod dort aufgeleuchtet hatte. Dieses Bild hatte sich hinter seine Lider gebrannt, bevor Snape ihn gepackt und über die Ländereien gezerrt hatte. Er hatte nie besonders viel für Hogwarts übrig gehabt. Freiheit und Möglichkeiten hatte er dort genauso wenig gesehen wie interessante Menschen, auch wenn die Bibliothek ganz gut ausgestattet war.

Er fragte sich, ob Sirius wohl gerade in Hogwarts war und was er dort versuchte wieder aufzubauen.

~*~

„Wirklich keine Spur von ihr?“ Sirius schaute von dem Geröllhaufen auf, der den Korridor im siebten Stock blockierte.

Kingsley stand an seiner Seite, die Arme verschränkt und die Miene dunkel. Er schüttelte den Kopf. „Wir haben Probleme hier überhaupt weiterzukommen. Der Wind hat mehr vom Dach abgetragen und der Boden ist instabil, wegen dem Loch, das im sechsten Stock die Wände ersetzt hat.“

Sirius stemmte sich aus der Hocke. Vor ihm türmten sich Steine, zerbrochen und bis zur Unkenntlichkeit zerbröselt, manchmal aber noch groß genug, dass sogar Hagrid Probleme gehabt hätte sie zur Seite zu räumen – ohne Magie. Asche und Ruß sprenkelten den grauen Stein. Hinter den verschütteten Türen vom Raum der Wünsche züngelten noch immer sterbende Flammen des Dämonsfeuers. Blut klebte in einer Schleifspur auf dem Boden. Sirius vermutete, dass es sein eigenes war. Oder Dracos.

„Wahrscheinlich liegt sie nur zerquetscht irgendwo hier drunter“, sagte Sirius und deutete gelassen auf den Trümmerhaufen, aus dem regelmäßig ein paar kleinere Steinchen herausbröselten und das ganze Konstrukt instabiler machten.

„Und wenn nicht?“ Kingsley machte daraus keine eindeutig rhetorische Frage, obwohl sie beide sehr genau wussten, dass es nichts Gutes bedeuten konnte.

„Hast du Rodolphus gefragt? Oder Rabastan?“, fragte Sirius.

„Du kennst die Lestranges besser als ich, Sirius. Rodolphus würde seine Frau niemals verraten und Rabastan… verträgt Askaban nicht.“ Kingsley seufzte. „Er war zu jung, als er das erste Mal nach Askaban gekommen ist, und dann war er zu lange da. Das hinterlässt zwangsläufig Spuren.“

„Tut es das?“, gab Sirius voller Sarkasmus zurück.

Kingsley schaute ihn entschuldigend an.

„Rodolphus und Bellatrix waren alles andere als glücklich verheiratet. Alles, was er an Loyalität zeigt, hat wohl eher mit Voldemort zu tun. Wenn du das Richtige sagst, erzählt er dir alles“, sagte Sirius.

„Vielleicht solltest du mit ihm reden?“

Sirius hob die Augenbrauen, worauf Kingsley ihn angrinste.

„Die Abteilung für magische Strafverfolgung ist extrem unterbesetzt. Wir könnten neue Auroren gebrauchen.“ Kingsley machte solche Anspielungen ständig und Sirius überhörte sie wie immer gerne. Er war zwanzig Jahre zu alt um sich durch die Ausbildung zum Auror zu quälen.

„Wie wär’s, wenn ich hier oben aufräumen und nachsehe, ob ich Bellatrix als Flunderversion finde?“

Kingsley hob beide Schultern, bevor er Richtung Treppen nickte. Es wäre ihm wohl lieber gewesen, wenn Sirius die Lestranges befragt hätte.

Sie gingen nebeneinander um die Ecke in den Korridor, der zur Großen Treppe führte. Wandteppiche hingen in verbrannten Fetzen von den Wänden, Rüstungen lagen verstreut und zertrampelt auf dem Boden und der einsame Kopf eines Wasserspeiers rollte ihnen entgegen.

„Ich weiß nicht, wie stabil der Boden ist. Wir haben nicht grundlos die oberen Stockwerke erstmal von den Aufräumarbeiten ausgeschlossen“, sagte Kingsley, als sie sich auf den Weg nach unten machten.

Die Große Treppe war an einigen Stellen eingebrochen und rührte sich nicht mehr, als würde sie denken, dass sie Ruhe brauchte um wieder gesund zu werden. Das Geländer im sechsten und fünften Stock war vollkommen weggebrochen. Den jüngeren Schülern, die zum Helfen gekommen hatten – womöglich weil sie die Zeit dafür hatten – war von einer strengen McGonagall untersagt worden einen Fuß auf die Treppe zu setzen. Sie hätten sowieso genug in den Kerkern und der Großen Halle aufzuräumen – was meistens darin endete, dass die Schüler sich mit den großen Tischen aus der Halle heftige Duelle lieferten. Minerva hatte alle Hände damit zu tun sie im Griff zu behalten, während die anderen Lehrer und alle über siebzehn in die oberen Stockwerke flüchteten, um dort das Geröll, Schutt und Trümmer zu beseitigen.

„Das Schloss fällt nicht weiter in sich zusammen, dafür haben die Gründer gesorgt“, sagte Sirius. „Lass mich alleine da hochgehen, dann kann ich sichergehen, dass wir nichts übersehen, was Bellatrix angeht.“

„Nein, nicht alleine“, sagte Kingsley kopfschüttelnd. „Nimm wenigstens jemanden mit. Wenn etwas zusammenstürzt, solltest du nicht alleine da oben sein. Ich würde es tun, aber Percy schickt mir seine angriffslustige Eule auf den Hals, wenn ich länger als zwei Stunden hier verbringe.“

„Du weißt, dass du in der Position bist dir einfach einen neuen Assistenten auszusuchen?“

„So schlimm ist er nicht. Außerdem tut er mir leid. Seine Freundin hat mit ihm Schluss gemacht, weil ihr Blut nicht ganz so rein war, wie Voldemort es wohl gerne gesehen hätte, und er weiter im Ministerium gearbeitet hat. Und die Sache mit Fred macht ihm sehr zu schaffen.“

„Mitleid – der beste Grund, aus dem man seinen Job behalten kann.“

Kingsley ließ das wohl besser unkommentiert und schaute auf seine Uhr. „Ich habe einen Termin mit dem Kopf der Abteilung für magische Spiele und Sportarten. Es geht darum, ob wir die Quidditchweltmeisterschaft trotz der Situation noch einrichten können.“

„Ich bin nicht der Zaubereiminister, aber ich finde, wir können jede Möglichkeit gebrauchen um ein bisschen Spaß zu haben – außerdem würde es Harry freuen.“

Als sie die letzten Stufen in die Eingangshalle stiegen entdeckte Sirius etwas, das ihn fast stolpern ließ. Er hörte, dass Kingsley ihm antwortete, aber nicht, was er sagte. Seine Stimme verschwamm mit den anderen in der Eingangshalle und denen aus der Große Halle zu einem leisen Brummen.

Im Doppelbogen der zerschmetterten Eingangstür blitzte ein unverkennbarer weißblonder Haarschopf auf. Draco stand auf der Türschwelle und redete mit Minerva, die ihn mit ihrem riesenhaften Spitzhut um fast einen einschüchternden Kopf überragte. Seiner steifen Haltung, die sich durch seinen Rücken und bis in seine angespannten Arme zog, sah man an, dass es kein angenehmes Gespräch war.

Sirius nahm zwei Stufen auf einmal, ließ den Zaubereiminister ohne ein weiteres Wort stehen und durchquerte in wenigen Schritten die Halle.

„…zu schätzen, Draco, aber ich weiß nicht, ob ich es für eine gute Idee halte“, hörte er Minerva sagen. Neben ihr schwebte eine Rolle Pergament in der Luft, auf der eine Feder eifrig Namen abhakte und durchstrich.

„Ich dachte nur, dass Sie jede Hilfe gebrauchen könnten“, sagte Draco kühl.

„Das tun wir auch. Allerdings kann ich nicht beurteilen, inwiefern Ihre Anwesenheit die Arbeitsmoral der anderen beeinflusst, wenn… nun…“ Minerva sparte sich den Rest des Satzes und horchte einen Moment auf die Stimmen, die aus der Großen Halle zu ihnen drangen.

„Ich verstehe schon“, murmelte Draco und machte dabei einen Schritt nach hinten, der ihn zurück auf die Türschwelle brachte. Er schien bereit zu sein sich umzudrehen und wieder zu gehen.

„Er kann mit mir kommen“, sagte Sirius.

Draco verharrte auf der Stelle. Er drehte den Kopf zu Sirius herum und öffnete den Mund leicht überrascht. Seine Mundwinkel und Wangen zuckten hauchzart, aber es wurde kein Lächeln daraus. Sirius musste sich zwingen ihn nur kurz anzusehen, bevor er noch anfing zu interpretieren.

„Wieso halte ich das auch für keine gute Idee?“, sagte Minerva, die ihn über ihre quadratischen Brillengläser streng im Blick behielt.

„Gewohnheit?“, schlug Sirius vor.

Minerva nahm die Feder aus der Luft und setzte sie ans Ende ihrer Liste. „Nun, gut. Wenn es Sie nicht stört, Draco…“

„Ich kenne Menschen, die wählerischer sind“, sagte Draco trocken.

„Und ich dachte, Sie gehören dazu“, erwiderte Minerva, bevor sie mit einer sehr scharfen Bewegung die Feder über das Pergament zog und Dracos Namen auf die Liste setzte. „Viel Spaß mit ihm, Sirius.“

Sirius streckte den Arm aus und leitete Draco an Minerva vorbei, bevor sie sich gegenseitig mit ihren Blicken bombardieren konnten. Er wies Draco an ihm zur Treppe zu folgen.

Von der Seite stellte er fest, dass Draco ziemlich müde aussah, als hätte er sich die Nacht um die Ohren geschlagen. Und Sirius hoffte gleichermaßen, wie er ahnte, dass es nichts mit Davies zu tun hatte. Eher sah es aus, als könnte Draco noch ein paar Tränke für einen traumlosen Schlaf gebrauchen.

Das letzte Mal hatten sie sich im Tropfenden Kessel gesehen, ein Abend, den Sirius genauso gerne verdrängen wollte, wie er an den Erinnerungen hängenblieb, wenn sie ihm unweigerlich in den Kopf schossen. Es war kaum ein paar Tage her, aber sein Brustkorb schnürte sich zusammen, als hätte er Draco einen ganzen Sommer nicht gesehen.

„Ich hätte nicht erwartet dich hier zu sehen, ganz ehrlich“, sagte Sirius, als sie die Große Treppe erreichten und die aufgewühlten Stimmen aus der Halle hinter sich lassen konnten.

„Ich hab einen recht interessanten Artikel im Tagespropheten gelesen“, sagte Draco mit einem leisen Schmunzeln, in dessen Gegenwart Sirius nichts Gutes ahnte. Draco zog ein Pergament aus seiner Hemdtasche und faltete es auf, damit er es Sirius unter die Nase halten konnte.

Sirius kniff die Augen zusammen, als er den Artikel erkannte. Remus hatte sich bei ihrem gemeinsamen Frühstück so sehr darüber amüsiert, dass er sich an seinem Tee verschluckt und fast erstickt wäre. Teddy wiederum hatte die Erstickungsgeräusche seines Vaters sehr lustig gefunden und fröhlich glucksend in seinem Körbchen geschaukelt.

„Du hast dich ganz schön vorführen lassen“, fuhr Draco fort.

„Ich ignoriere meine öffentliche Demütigung und fühle mich lieber geschmeichelt, dass du einen Artikel über mich mit dir herumträgst.“

„Wir basteln dir eine Wall of Fame.“ Draco strich den Artikel übertrieben sanft glatt. „Das hier kommt gleich neben dein Fahndungsplakat.“

Sirius verdrehte die Augen, aber dem sanften Kribbeln in seiner Brust nach wollte er sich sehr gerne geschmeichelt fühlen. „Falls du auf mehr Reporter hoffst, ich glaube nicht, dass die nochmal vorbeikommen.“

„Überrascht dich vielleicht, aber ich bin nicht hier, um von einem Blitzlicht geblendet zu werden.“

„Oh, und ich wollte auch so gerne einen Artikel über dich mit mir herumschleppen“, gab Sirius stichelnd zurück. Dracos finsterem Blick stellte er sich grinsend. „Du bist hier um zu helfen, ich finde das großartig.“

„Wirklich? Mein Vater würde es lächerlich finden, wenn er es wüsste.“

Sirius horchte auf. Was er in letzter Zeit über Lucius hörte machte ihn nicht unbedingt sympathischer – was er in Sirius‘ Buch auch nicht mehr werden konnte. Er dachte an die Zaubertrankzutaten, die er für Draco besorgt hatte. An das, was man damit behandeln musste, und fragte sich, ob Lucius seinem Zorn wohl nicht nur verbal Luft machte – was er mehr als gerne im St. Mungo’s gemacht hatte, obwohl er Publikum gehabt hatte.

Gleichzeitig kam er aber nicht darum zu bemerken, wie gerne er hörte, dass Draco hier war, obwohl es Lucius nicht gefallen würde. Oder gerade weil es ihm nicht gefallen würde. Sirius hatte schon immer etwas für rebellische Adern übrig gehabt.

„Wir gehen nach oben in den siebten Stock“, sagte Sirius, als Draco etwas unschlüssig in den Korridor im ersten Stock schaute, wo man Professor Flitwicks quiekende Stimme Anweisungen verteilen hören konnte. Draco nickte und stieg neben Sirius die nächsten Stufen nach oben. Das Geländer schien ihm nicht zu behagen. Er hielt sich mit jedem Schritt weiter in der Mitte und schließlich dicht an Sirius‘ Seite.

„Ich hatte gedacht, es wäre… voller“, sagte Draco mit einem Blick über die Schulter. Von unten aus der Eingangshalle drang das dumpfe Dröhnen von Stimmen.

„Wie gesagt, wir können jede helfende Hand gebrauchen“, sagte Sirius. „Aber sei bereit sie dir schmutzig zu machen.“ Er zeigte Draco seine Hände, die er vorhin noch in einem Haufen von Schutt und Asche im ersten Stock gehabt hatte. Der Dreck hatte sich in jede Linie seiner Handflächen gegraben und stand unter seinen Fingernägeln. Steine und Splitter hatten Kratzspuren auf seinen Fingerknöcheln hinterlassen.

Draco griff nach seinem Handgelenk und drehte Sirius‘ Hand, um sie besser anzusehen. Sein Daumen lag direkt auf Sirius‘ Puls, der zunehmend an Geschwindigkeit gewann.

„Die Zukunft kannst du daraus nicht lesen“, sagte Sirius.

Draco ließ abrupt los und schob die Hand in seine Hosentasche. Er verzog das Gesicht und sah seiner Mutter unglaublich ähnlich, wenn sie dieselbe Luft wie Blutsverräter und muggelgeborene Zauberer hatte atmen müssen. „Du weißt, dass du einen Zauberstab hast, Black?“

Sirius beugte sich aus einem Instinkt heraus zu Draco herüber. „Ich benutz gern meine Hände.“

Draco blinzelte hektisch und griff in einer plötzlichen Bewegung nach dem Geländer. Er griff ins Nichts.

„Ah, vorsichtig.“ Sirius packte ihn an der Front seines Hemds und zog ihn aus dem kleinen Stolperer, den er nach hinten getan hatte. Er wäre nicht gefallen, schaute aber mit großen Augen in den fünfstöckigen Abgrund unter ihm. Seine Hand fand Sirius‘ Hemdärmel und hielt sich daran fest.

„Sollte man das nicht irgendwie sichern?“, fragte Draco. „Oder erstmal in den unteren Stockwerken anfangen?“

„Eigentlich machen wir genau das“, sagte Sirius. „Aber ich habe da oben was zu erledigen.“

Draco schaute zu ihm auf. Hinter seinen müden grauen Augen ging ein Licht auf. Er sagte nichts, aber Sirius wusste, dass er an seine Tante dachte, vielleicht auch an seinen Fuß, der sie aus dem Gleichgewicht gerissen hatte.

Er lächelte Draco an, bis sein Blick nicht mehr meilenweit weg schien, sondern sich auf ihn fixierte, bis sich eine angenehme Wärme zu dem Echo des Kribbelns in seiner Brust gesellte.

„Wie geht’s dir?“, fragte Sirius und schob Draco an der Schulter die Stufen weiter nach oben. Er strich ihm vorsichtig zwischen den Schulterblättern über die Wirbelsäule. „Und deinem Rücken?“

Draco schien eine Standardantwort heraushauen zu wollen – anscheinend wurde er das öfter gefragt. Dann zögerte er eine Sekunde und erneut zuckte ein Lächeln über seine Lippen. „Okay“, sagte er. „Manchmal, wenn ich mich strecke, fühlt es sich an, als würde ich mich aus einem Kokon schälen. Manchmal eher, als würde meine Haut aufreißen und wie eine Decke runterfallen.“

Sirius verzog das Gesicht und gab ein angewidertes Geräusch von sich. Draco hieb ihm seinen Ellenbogen zwischen die Rippen, gluckste aber leise.

„Davies‘ Massage hat wohl nichts gebracht, hm?“

„Oh, er hat Clearwater die Massage machen lassen“, sagte Draco. „Er war zu beschäftigt deinen Abschied zu betrauern.“

Sirius versuchte sein Grinsen zurückzubeißen und zuckte mit den Schultern. „Ah, verpasste Chance.“

„Wenn du so neugierig bist, bitte ihn doch um eine Massage“, gab Draco zurück.

„War dir Miss Clearwater lieber?“, fragte Sirius.

Draco blieb eine Stufe vor dem siebten Stock stehen. Die Treppen rührten sich keinen Millimeter unter ihm, auch wenn er darauf gehofft zu haben schien. „Ich bevorzuge es, wenn niemand mich grundlos betatscht. Rechts oder links?“

„Links, dann nochmal links.“ Sirius schob die Hände in seine Hosentaschen und nickte nach links, ließ Draco die letzte Stufe nehmen und blieb dann an seiner Seite. Sie betraten den Korridor im siebten Stock in dem alles angefangen hatte. Sirius war durch die Vorhut der Flammen gerannt, die ihm die Hälfte seiner Haare abgefackelt hatten. Und dort links um die Ecke hatte Draco ihm das Leben gerettet.

Vielleicht würden sie endlich darüber sprechen, wenn sie zurück am Ort des Geschehens waren. Mit jedem Schritt stieg die Aufregung in Sirius‘ Körper an, bis sie sein Herz wie ein Katapult bis in seine Kehle beförderte.

Sirius verlangsamte seine Schritte. „Hast du ihn nochmal wiedergesehen? Davies?“, fragte er und versuchte die Neugierde in seiner Stimme herunterzuschrauben. Ihm lag der Abend im Tropfenden Kessel zu schwer im Magen, wenn er anfing genauer darüber nachzudenken. Darüber, was er fast getan hätte. Sirius ließ den Blick zu Dracos Mund schweifen. Er bereute, dass er es nicht getan hatte. Er bereute es, wenn er alleine war und auch jetzt gerade in diesem Moment.

Draco zuckte gleichgültig mit den Schultern – und vielleicht beobachtete Sirius ihn zu genau, aber es schien ihm ein wenig zu gleichgültig zu sein. „Ich bin nicht krank geworden und mir ist auch kein Dach auf den Kopf gefallen, also hatte ich keinen Grund ihn zu sehen.“

„Es war doch ein lustiger Abend“, sagte Sirius, und er musste sich gar nicht besonders anstrengen, um das ehrlich klingen zu lassen. Er hatte Spaß gehabt. Davies war kein unangenehmer Kerl und er hatte Draco nach einem harten Tag zum Lachen gebracht – Sirius hatte sich auch ein paar Mal dazu hinreißen lassen. Und er hatte Draco ganz in seiner Nähe gehabt, was er vielleicht zu sehr genossen hatte. Manchmal war ihm so, als würde er noch das Gewicht von Dracos Kopf auf seiner Schulter spüren. „Wir sollte das wiederholen. Davies langsam aber sicher in den Wahnsinn treiben.“

„Wozu brauchst du mich dafür?“, erwiderte Draco provozierend. „Du hast ihn alleine immer am besten auf die Schwelle zum Wahnsinn getrieben.“

Sirius gluckste. „Er kann dich gut leiden, Draco. Wieso solltest du dir das entgehen lassen?“

Draco blieb stehen und Sirius ging noch zwei Schritte, bevor er das bemerkte und sich nach Draco umdrehte. Er lächelte fragend, als Draco den Kopf schief legte, die Augen forschend verengt.

„Wieso… sagst du diese Sachen immer so?“, fragte Draco, worauf Sirius ihn nur noch verwirrter ansah. „Es klingt komisch. Verwirrend.“

Sirius schluckte gegen das Pochen in seiner Kehle an. Er merkte sein Herz zu deutlich schlagen, und es wurde nicht besser je öfter er Draco sah. „Wenn du denkst, dass ich über alles nachdenke, was ich sage, dann hast du eine viel zu gute Meinung von mir – und das würde deinem Daddy gar nicht gefallen.“

„Wenn du denkst, dass ich einen Moment lang denke, dass du nicht über das nachdenkst, was du sagst, dann denkst du nicht gut genug von mir“, sagte Draco.

„Wolltest du, dass das so verwirrend klingt?“, gab Sirius glucksend zurück.

Draco zuckte mit den Schultern. „Hättest du lieber Davies hier? Willst du mich nicht?“

„Natürlich will ich dich… hier“, fügte Sirius schnell hinzu.

Draco drehte den Kopf zur Seite, sodass Sirius die Röte in seinen Nacken kriechen sehen konnte. Er kickte gegen einen der Steinsplitter, die auf dem Boden verstreut lagen. „Du bist der Einzige, der mich zu wollen scheint.“

Sirius beobachtete, wie sich die Hitze in seiner Haut ausbreitete und so rötlich einen merklichen Kontrast zu den weißblonden Haaren schuf. Er fragte sich, wie viel wärmer ihm wohl werden würde, wenn er sich von hinten gegen ihn lehnen würde. Ob er seinen Puls spüren könnte, so wie er ihn neulich in seiner Kehle klopfen gesehen hatte.

Sirius machte einen Schritt auf ihn zu, nur um in fast derselben Bewegung stehenzubleiben.

Draco fuhr sich durch die kurzen Haare im Nacken, in einer ganz ähnlichen Bewegung, wie James es getan hatte, wenn er sich um Kopf und Kragen geredet hatte.

„Sirius?“

Er drehte sich um und entdeckte Kingsley an der Ecke stehen, die zur Großen Treppe führte. Kingsley lächelte ihn schief an und winkte Draco zu, der sich nach ihm umgedreht hatte.

„Hallo, Draco.“

„Minister“, sagte Draco nüchtern. Er wirkte merkwürdig unsicher, als er sich auf den Steinsplitter auf dem Boden konzentrierte, den er mit dem Fuß hin und her schob. Sirius konnte Lucius‘ Stimme hören, die Kingsley in allen Belangen diskreditierte. Trotzdem sah er weder besonders große Abneigung, noch das Gegenteil in Dracos Gesicht. Nur etwas sehr Verwirrendes.

„Kann ich kurz mit dir sprechen, Sirius?“, bat Kingsley.

Sirius schaute Draco an, aber der schien zu fasziniert von den Steinsplittern.

„Ich geh schon mal vor“, murmelte Draco, ohne Sirius anzusehen, und wandte sich zum Gehen. Er schlenderte leicht schleppend links um die Ecke in den Korridor, wo alles angefangen hatte.

Kingsley trat an Sirius heran und schien auf Dracos Schritte zu horchen. Sirius hob fragend die Augenbrauen. Kingsley wiederum rollte seine Augen langsam in die Richtung, wo Draco verschwunden war.

„Er ist gekommen um zu helfen“, sagte Sirius. „Muss sich zu Hause wohl sehr langweilen.“

Kingsley nickte langsam. „Hältst du das für eine gute Idee?“

„Hey, wir können jede Hilfe gebrauchen. Und Dracos Hände sind genauso gut wie alle anderen.“

„Das habe ich nicht gemeint“, sagte Kingsley amüsiert. „Du hast mich da unten übrigens einfach stehenlassen, Sirius.“

„Sorry.“ Sirius wischte sich mit der schmutzigen Hand über seine leicht verschwitzte Stirn. „Ich hab gedacht, du müsstest zu diesem Termin wegen der Quidditchweltmeisterschaft.“

„Ja, aber ich wollte dich noch um etwas bitten.“

„Was immer du willst.“

Kingsley sah aus, als würde er ihn gerne darauf festnageln, bevor er es überhaupt ausgesprochen hatte. „Weißt du, ich denke nicht, dass Draco Malfoy ein abgrundtief verdorbener Todesser ist. Als ich dich hier oben gefunden habe, unter dem halben Dach verschüttet, saß er neben dir. Seine Hände waren voller Blut. Sein Rücken war so verbrannt, dass er sich kaum aufrechthalten konnte. Ich hab meinen Zauberstab nur nicht auf ihn gerichtet, weil er aussah, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden. Er hat auf dich gezeigt, damit ich dich nicht übersehe – oder damit ich einen Grund habe nicht auf ihn zu zielen.“

Sirius‘ Herz klopfte schnell und hart. „Aber?“

„Er ist ein Malfoy“, sagte Kingsley, als müsste Sirius daran erinnert werden. „Narcissa Malfoy ist das Engste, was Bellatrix Lestrange an Familie hat. Wenn sie am Leben ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Schwester aufsucht. Ich weiß nicht, was Draco im siebten Stock gemacht hat, aber wenn er seiner Tante geholfen hat, dort wegzukommen –“

„Nein“, sagte Sirius. „Das hätte er nicht getan.“

Kingsleys Blick füllte sich langsam mit Mitleid, was nicht nur alles sagte, sondern auch an Sirius‘ Ego kratzte, wie die aufgeschürften Steine an seiner Haut. „In Ordnung. Tust du mir trotzdem einen Gefallen? Frag ihn, ob er irgendetwas über Bellatrix weiß. Aber subtil. Wir können nichts riskieren.“

Sirius wog den Kopf leicht hin und her. „Du vergisst, dass ich nicht gerade bekannt dafür bin subtil zu sein.“

Kingsley klopfte ihm gegen die Schulter. „Du kriegst das schon hin. Ich muss jetzt wirklich los, wenn ich Hermes‘ Zorn nicht auf mich ziehen will. Wir sehen uns morgen. Versuch nicht durch den Boden zu fallen, in Ordnung?“

„Ich geb mir Mühe“, sagte Sirius.

Kingsley lächelte, auch wenn es seine Augen nicht erreichte. Er hatte diesen Blick aufgesetzt, den Auroren bekamen, wenn sie einen Verdächtigen ausfragten und ihn doch schon längst durchschaut hatten.

Sirius hätte gerne etwas gesagt, aber er ließ Kingsley zu seinem Sporttreffen gehen, und ging selbst zu der Ecke, die Draco schon hinter sich gelassen hatte. Als er um sie herumging, entdeckte er Draco fast genau an dergleichen Stelle, wo er ihn mit seinem verbrannten Rücken liegen gesehen hatte. Die genaue Stelle war unter einem Haufen Geröll vergraben, der ihn vielleicht erwischt hätte, wenn er dort geblieben wäre. Vielleicht dachte er genau daran. Er schien durch die Trümmer hindurchzuschauen, als würde er sie nicht sehen. Dahinter standen die Türen zum Raum der Wünsche offen; das Feuer darin prasselte und knisterte wie ein warmes Kaminfeuer. Der Sommer war in Schottland noch nicht so weit angekommen wie in London, aber in diesem Korridor war es beinahe schon unangenehm warm.

Sirius merkte erst wie warm es wirklich war, als er sich neben Draco stellte. Sein Blick ließ sich nicht einfangen. „Alles okay bei dir?“

Draco nickte gleichgültig. Sirius konnte ihm ansehen, dass er einen weiteren nicht so guten Tag hinter sich bringen musste, und er würde gerne nachfragen. Er würde gerne mehr hören. Aber er musste Draco nicht jahrelang kennen um zu ahnen, dass er nicht darüber reden konnte. Er wollte es vielleicht, irgendwo tief unter seiner Bürde namens Stolz, aber er konnte nicht. Trotzdem hätte Sirius nicht unbedingt gewettet, dass Draco sich mit dem Aufräumen einer Ruine ablenken wollte. Er schien ihm eher wie jemand, der anderen gerne beim Aufräumen zuschaute und dabei eine kühle Limonade schlürfte.

Aber vielleicht tat er das alles doch nur um seine Position zu festigen und den Namen seiner Familie wieder ins rechte Licht zu rücken…

„Was wollte der Minister von dir?“, fragte Draco.

„Er ist für mich mehr ein Freund als der Minister“, sagte Sirius, aber sein Lächeln blieb unerwidert.

„Ich dachte, ich hätte meinen Namen gehört…“

„Er hat mich gebeten dich subtil nach deiner Tante zu fragen“, antwortete Sirius ohne zu zögern.

„Oh…“ Draco senkte mit gerunzelter Stirn den Blick. „Du weißt schon, dass das gerade nicht sehr subtil war, oder?“

„Wirklich? Ich dachte, das ginge besser runter als Veritaserum“, gab Sirius zurück.

„Vielleicht hab ich dir welches gegeben, damit du mir deine Geheimnisse verrätst“, sagte Draco. „Ich bin ein abgrundtief verdorbener Todesser, nicht wahr?“

Sirius schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Kingsley würde dir da nicht zustimmen. Lauschen hat so seine Probleme. Meistens hört man nur die halbe Geschichte und interpretiert sie fröhlich falsch.“

Draco rang mit sich, was sein Gesicht in eine schmerzhafte Grimasse zog. „Ich weiß nicht, wo sie ist“, sagte er schließlich und schaute auf die Trümmer, als wären sie sein Erzfeind. „Ich dachte, sie ist tot. Zerquetscht, zerschmettert, was auch immer… Ich hab ihre Hand gesehen… bevor der Rest der Decke heruntergekommen ist. Ich glaube, dass ich das habe. Ich bin mir nicht sicher.“

„Dann finden wir sie hier, Draco. Fangen wir an uns die Hände schmutzig zu machen.“ Sirius wollte die Hand in Dracos Nacken legen, irgendwo zwischen dem Bedürfnis ihn zu trösten und egoistisch zu sein, aber Draco duckte sich sofort unter seiner Hand weg.

„Deine Hand ist mir zu schmutzig“, murmelte er und schaute wieder zu Sirius hoch. Seine Miene fror augenblicklich ein.

Sirius hatte kaum Zeit die Tonne Steine, die in seinen Magen gefallen waren, zu verdauen. Er fühlte sich zurückgestoßen, geohrfeigt und als wäre er es gewesen, den Draco gemeint hatte, als er gesagt hatte, dass er sich nicht gerne betatschen ließ. Und Draco starrte ihn dabei aus großen Augen an.

Seine Lippen zuckten und er atmete merkwürdig scharf ein. Draco schob sich eine Hand vor den Mund, aber Sirius konnte sehen, wie seine Wangen sich dahinter verkrampften und zuckten. Dann hörte er das dumpfe Lachen hervorsprudeln. Sirius verschränkte die Arme vor der Brust und machte es damit nur noch schlimmer – Draco prustete lauthals in seine Hand. Er krümmte sich leicht und drehte sich zur Seite, wodurch sein Lachen irgendwie nur noch lauter wurde.

Sirius schüttelte verwirrt den Kopf. „Was?“

Draco wich einen Schritt von ihm zurück, noch immer eine Hand vor seinem breiten Grinsen. Er war puterrot angelaufen und atemlos, als wäre er die Treppen nach oben gespurtet. Als er die Hand von seinem Mund nahm, rotgeschwollen von seinem Versuch das Lachen zurückzubeißen, grinste er immer noch. Ein Anblick, dem Sirius gar nicht widerstehen wollte.

Er trat auf Draco zu, der seine Kiefer versuchte zu lockern und ihn dabei geradezu herausfordernd anschaute. Davies schoss durch seinen Kopf, und dass Draco bei ihm nicht so gelacht hatte.

„Was?“, wiederholte Sirius.

Draco deutete auf Sirius‘ Gesicht. „Du siehst aus, als hättest du den Kopf zwischen die Steine gesteckt.“ Er griff in seine Hosentasche und holte ein Taschentuch heraus, das er Sirius in die Hand drückte. „Glaub nicht, dass ich das für dich wegmache. Ich halte nichts davon Gleiches mit Gleichem zu vergelten.“

Sirius schob schmollend die Lippen vor, dann holte er den Zwei-Wege-Spiegel aus seiner Tasche hervor. Über sein Gesicht zog sich ein dicker Querstreifen aus dunklem Schmutz – wahrscheinlich stammte er aus dem Moment als er sich mit der schmutzigen Hand darüber gefahren war. Er hatte schon schlimmer ausgesehen, aber gerade merkte er, wie unter dem Dreck heißes Blut in sein Gesicht strömte. So gut er konnte rieb er seine Haut mit dem Taschentuch sauber.

Draco würde sein Grinsen heute wohl nicht mehr loswerden. „So kann man dich ja nachher nicht in den Tropfenden Kessel mitnehmen“, sagte er. „Was würde der gute Roger denken…“

Sirius sah sein Spiegelbild noch lächeln, bevor er den Zwei-Wege-Spiegel wegsteckte. Er beugte sich zu Draco, bis der sicherlich die Hitze in seinem Gesicht spüren konnte. „Das interessiert mich überhaupt nicht“, raunte er, ging in die Hocke und hob einen der größeren, nicht zerbrochenen Steine vom Boden. „Und jetzt fang an deine Hände zu benutzen.“

Er lud den Stein in Dracos unvorbereitete Arme und riss ihn mit dem plötzlichen Gewicht fast aus der Balance. Draco taumelte ein paar Schritte zur Seite, wankte dann in die andere Richtung und fing sich schließlich mit einem Ächzen. Sirius hob derweil schmunzelnd einen weiteren Stein hoch.

„Jetzt weiß ich, was Professor McGonagall gemeint hat“, presste Draco hervor.

„Tu nicht so, als hättest du es besser treffen können.“

Draco tat nicht so, und Sirius wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.


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